1896 / 288 p. 5 (Deutscher Reichsanzeiger, Fri, 04 Dec 1896 18:00:01 GMT) scan diff

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gewählt, die übrigens keineswegs allein aus Arbeitern bestanden und der Strike wird in Scene geseßzt. 8

J lasse dahingeftellt, ob dieser Strike irgend welch{e Nahrung oder Förderung von englischer Seite empfangen hat oder gar seine Ent-

ftehung englishem Einfluß verdankt. Jch bin darüber nicht unter- rihtet und ih möchte namentlich nicht gegen englishe Rhedereikreise einen Vorwurf s{hleudern, der, wenn er begründet wäre, allerdings thr Vorgehen in einem eigenthümlichen Lichte erscheinen ließe. Ih fage, ich bin darüber nit unterrihtet und weise folhe Vermuthung zunähft zurück, bis mir befseres Material zu ihrer Begründung an die Hand gegeben wird. Das aber ift unleugbar, daß der englishe Führer einer Arbeiterunion, Tom Man, herübergekommen ist nah Hamburg und fh der Strikebewegung lebhaft angenommen hat. Hier ist sein Bildniß. (Heiterkeit.) Tom Man ift in Hamburg angehalten worden und ift nach England zurückgeshat, und seit der Zeit hat man nichts davon vernommen, daß eine Agitation englisher Arbeiter bei der Strikebewegung betheiligt ist. Daß aber diese Strikebewegung einen internationalen Charakter hat annehmen sollen, dafür sprechen eine ganze Reihe von Annahwen. Einmal spricht dafür, daß unmittelbar nach dem Ausbruch des Hamburger Strikes auch die ausländischen Hafenpläße, namentlich Rotterdam und Antwerpen , in Kenntniß

geseht worden sind und auch die dort beshäftigten, beim Seeverkehr

betheiligten Arbeiter zur Betheiligung aufgefordert worden sind. Die

find aber so klug gewesen, diese Aufforderung abzulehnen, und als

diese Ablehnung in Hamburg bekannt war, da war man in den Kreisen der f\trikenden Arbeiter geneigt, nahzugeben und sich mit dem zu begnügen, was die Rheder bewilligt hatten. Allein diese Neigung kam wiederum nicht zum Durchbruch, weil den Arbeitern gesagt wurde: wenn ihr jeßt nit fest bleibt, so ist es auf alle Zeit mit euren Versuchen, bessere Lohnbedingungen zu erhalten, vorüber.

Der Herr - Vorredner hat gemeint: an diesem Strike wie an allen übrigen sei die sozialdemokratische Partei dur(- aus niht betheiligt. (Heiterkeit.) Die sozialdemokratische Partei sei völlig unshuldig an dieser Bewegung. Dem gegenüber möchte ih mir die Frage erlauben, was wohl die Herren Reichstags- Abgeordneten von Elm, Legien und Molkenbuhr, anstatt an den Berathungen dieses hohen Hauses theilzunehmen, anstatt dazu beizu- tragen, seine Räume zu füllen, augenblickliÞß in Hamburg zu thun haben. Aber auch abgesehen davon: der eine der Herren ift bei einer vom sozialdemokcatishen Standpunkt aus gewiß als nüß- lich zu betrahtenden Thätigkeit abgefck{t worden: er hat sch näm- li, obgleich er dort nihts zu thun hatte, keine Erlaubnißkarte hatte, und eigentlich nit eintreten durfte, in einen Schuppen der Ham- burg-Amerikanishen Packetfahrtgesellshaft begeben, und da, wie es in dem mir vorliegenden Berichte heißt, für den ih ja natürlih nicht die Verantwortung übernehmen kann, die dortigen Arbeiter haranguiert. Ich ziehe aus der Abwesenheit der Herren von den Sißungen dieses hohen Hauses und aus ihrer Anwesenheit in Hamburg den Schluß, daß sie doh nicht ohne Interesse der Strikeberoegung folgen.

Nun, meine Herren, frage ih weiter: was denken \ih die Arbeiter, oder vielmehr, was denken sih diejenigen, die ordentlihe, brave Arbeiter in diesen Strike hineingeführt haben ? Handelte es sich wirklich um eine Nothlage, handelte es sich um den Widerstand der Rheder gegen jede gewünschte Verbesserung, dann könnte man es noch be- greifen, wenn jeßt mit Energie weiter gearbeitet wird tin der Arbeitseinstellungs-Bewegung. Aber ih frage Sie und frage namentlich die Arbeiter draußen in Hamburg, was aus ihnen werden \oll, wenn diefer Kampf woten-, vielleißt noch monatelang weiter fortgeführt wird. Meine Herren, die Hamburger Rhederei hält es länger aus, wie die Arbeiter, und die Hamburger Rhederei hält es auch deswegen länger aus, weil sie {hon zum theil Ersay der Arbeitskräfte empfangen hat und fortgeseßt empfängt, sie sogar aus England empfangen hat. (Zurufe von den Sozialdemokraten.) So weit it Jhre Internationale noch nicht wirksam, daß der englishe Arbeiter durhweg zu Hause gehalten wird. Er ift nah Hamburg gekommen, um Ersaÿ für die strikenden Arbeiter zu shaffen und um den guten Verdienst, der den Hamburger Arbeitern zu gering is, für ich ein- zuheimsen. Der Winter is vor der Thür; Tausende und Abertausende von Frauen und Kindern hungern ; die Mittel, über die die Striken- den verfügen, sind nur gering nnd nahezu erschöpft da frage ih, kann man gegenüber einer Bereitwilligkeit, das jetzige Arbeitsein- kommen in mäßigen Grenzen zu erhöhen, es noch ferner verantworten, die Arbeiter zu fernerem Ausharren in der Strikebewegung anzuregen ? Diese Frage, meine ih, müßte jeder Vaterlandsfreund mit Nein beantworten.

Meine Herren, wie is die Sache in Bremen verlaufen ? In Bremen war der Strike, was die Löhne anlangt, gerechtfertigter als in Hamburg, denn die Löhne in Bremen sind niedriger als in Ham- burg. Was aber die Fürsorge für die Bremer Arbeiter anbetrifft, insbesondere von seiten der Gesellschaft, bei der die Arbeiter die Arbeit eingestellt haben, so war der Strike noch ungerehtfertigter als in Hamburg. Mir liegt ein Bericht vor, wonach das beste Verhältniß zwischen der Bremer Lagerhaus-Gesellschaft und ihren Arbeitern bisher bestanden hat. Plöglih wird Unfriede gesät; die Arbeiter treten mit Prätensionen auf und lassen sich auch nicht dadurch beruhigen, daß eine Reihe von Wohlfahrtseinrihtungen seitens der Lagerhaus-Gesell- haft ihren Arbeitern zugewendet wird. Der Strike wird in Scene gefeßt, er hat einige Wochen gedauert, und gestern ist es gelungen, auf Grund der Propositionen, die am ersten Tage die Lagerhaus-Gesfell- schaft gemacht hat, zu einem Abkommen zu gelangen. Wer will den Ausfall, der den Arbeitern der Lagerhaus-Gesellschaft erwachsen ift, verantworten? Werden Sie den Arbeitern dafür Ersay gewähren? Nie und nimmermehr!

So kann ih nur sagen : beide Strikebewegungen die eine ift, Gott sei Dank! beseitigt sind unbegründet. Die Hamburger wird hoffentlich auch ein schnelles Ende finden. Jh gönne gewiß jedem Menschen eine Verbesserung seiner Lage, und ih habe es dankbar an-

zuerkennen, daß die Hamburger Arbeiter sich bis jeßt mit wenigen Aus- nahmen korrekt benommen haben (Zurufe), abgesehen natürlih davon, daß sie ohne hinlänglihen Grund in die Strikebewegung eingetreten waren. Ih muß weiter anerkenuen, daß sie sich während des Strikes keines Excesses schuldig gemacht haben. Jh habe auch die korrekte Haltung von seiten des hohen Senats und der Behörden der Stadt Hamburg und von sfeiten der Rhedereikreise ebenfalls anzuerkennen. Aber wer es gut meint mit Ruhe und Ordnung im Lande und es gut meint mit den Arbeitern felbst, der kann mit mir nur den Wunsch theilen: möge auch dieser Strike ein \hnelles und baldiges Ende

finden! (Lebhafter Beifall.)

Staatssekretär . des Reichs-Marineamts, Admiral Holl- mann: : Meine Herren! Besorgen Ste nicht, daß ih Ihre werthvolle Zeit ungebührlich in Anspruh nehmen werde. Es handelt sich_ nur um

einige Worte. Unter den vielen Angriffen des Herrn Vorredners

sind doch einige, die ih niht unwidersprohen lassen kann, um nit im Unreht zu bleiben. meiner vornehmsten Aufgaben hingestellt, daß ich für die Sicherheit der Schiffe sorge. Er hat aber gesagt, daß ich im gänzlichen Mißverkennen dieser Aufgabe gestattet hätte, daß ein unbrauhbares, unseefähiges Schiff sich auf dem Meere herumbewegt ; lediglich dieser Umstand hätte den Schiffbruch veranlaßt. Also einen der schwersten Vorwürfe, die mi treffen können, hat der Herr Vorredner mit leihtem Herzen ausgesprohen. Er sagt: ‘diese hundert Seelen, die zu Grunde gegangen sind, sigen auf Deinem Gewissen. Ja, meine Herren, wer solche Urtheile mit so leihtem Herzen ausspriht, der sol \sich wohl verwahren, daß es ihm nit einmal ähnlih geht aber, wenn es mit rechten Dingen zugeht . .. (Zurufe) Der Sinn hat in dem Angriffe gelegen. Man hat gesagt: dic Marineverwaltung. Das is aber der Staatssekretär des Reichs - Marineamts, und ih erkenne es ohne weiteres an: ich bin voll verantwortlih für alles, was in der Marine geschieht, dem Reichstage gegenüber, hier als Vertreter der Reichsregierung und des Reichskanzlers, und ih bin durchaus gewillt, diese Verantwortung voll und ganz zu tragen, in diesem wie in jedem anderen Falle. Wir sind nun nicht so leihtsinnig, wie der Herr Vorredner annimmt, mit unseren Schiffen, die im Ausland sind; sondern wir lafsen uns in jedem Jahr von jedem Schiff, das sich im Auslande bewegt, Bericht erstatten, wie es ausshaut mit seiner See- tüchtigkeit. Das sind wir uns und dem Lande \{uldig. Der letzte Bericht des Schiffskommandos, also des verantwortlichen Theils der Schiffsbesaßung, der mir im März d. J. zugegangen und im Februar abgefaßt ist, enthält das Ergebniß einer langen Untersuchung ich

will Ihnen das Protokoll niht vorlesen, das find viele Seiten —..

Es ift Folgendes :

Melde u. \. w. über die jährlihe Untersuhung des Schiffs- förpers und der Maschinen bezw. der speziellen Untersuchung des Schiffskessels gehorsamst, daß der Zustand des Schiffskörpers, der Maschine und der Kessel S. M. S. „Iltis®* nach - meiner Ansicht

also der des Kommandanten noch vorläufig eine weitere zweijährige Indienststellung des Schiffes zuläßt.

Das isst ein Berit des Kommandanten! Nehmen Sie ihn felbst in die Hand, wäre er an Sie gerihtet, Sie würden fich voll- kommen beruhigen über den Zustand des Schiffes. Mich hat das jedenfalls vollkommen beruhigt; man kann nichts weiter sagen. Das Schiff war noch für zwei Jahre in jenen Gewässern tauglich.

Der Herr Vorredner und diejenigen, die hinter ihm stehen, haben, um ihren Angriff zu ermöglichen, vorausseßen müssen, daß das Schiff vermöge feiner Unfähigkeit auf das Riff geworfen is. Jh habe schon neulich gesagt, wie sich das zutrug. Davon ist gar keine Rede, daß das Schiff in Seenoth auf das Riff gekommen ist. Das Schiff ist außerhalb seines Kurses gewesen, aus Umständen, die ih nit sagen kann; darüber kann niemand Bericht erstatten, weil die verant- wortlichen Leute in den Tod gegangen sind. Aber soweit wir baben nachrehnen und die Sache untersuhen können, ist eine sehr heftige Strömung an der Küste, die \sih vielleiht infolge des Sturmes noch vermehrt hat, die Ursahe gewesen. Aber das wissen wir genau : weder der Kommandant noch irgend jemand der Besaßung hat auch nur annähernd in der Voraussicht gestanden, daß das Schiff scheitern würde; im Gegentheil, Alles deutet darauf hin, daß der Kommandant sich bewußt war: Du bist von der Halbinsel Schantung frei, kannst jeßt Deine Maschine langsamer gehen lassen was in der That der Fall gewesen ist, um die Maschine nicht anzustrengen und wir können uns der Ruhe hingeben; der Schiffbruh kam unerwartet.

Nun möchte ich mich mal mit dem Herrn Schwarz aus Gotha beshäftigen. Jh gönne ihm das vielfah wiedergefundene Leben von Herzen; ich muß abwarten, wenn ih noh die Ehre haben werde, hier meinen Etat zu vertreten, ob er \sich im nächsten Jahre mir hier gegenüberstellt und mich noch einmal für diese Dinge verant- wortlich maht denn Herr Schippel sagte ja: wir haben die Hoffnung, ihn wieder hier zu sehen.

Nun habe ih gesagt und dabei bleibe ich dieser Herr Schwarz, den ih niht kenne, der mir ganz fremd is jeßt ist er mir ja bekannt —— dieser Herr ist niht ein Seemann nah meinem Geshmack oder nah dem Geschmack unserer Marine. Es fehlen ihm diejenigen Eigenschasten, die wir an einem Seemann besonders hoh \chägen: Das is wahre Gottesfurht und kameradschaftlihes Gefühl für seine Berufsgenossen, das Verständniß für die Eigenart der Seeleute. Ich muß auch Herrn Schwarz, obgleih ih ihn und seine Berufseigenschaften nicht kenne die seemännishe Erkennt- niß absprehen. Herr Schwarz sagte: warum beschäftigt \ich der Kommandant mit einem Hoh auf den Kaiser? warum bält er niht seine Leute zur Rettung an? (Zuruf.) Wie? Ich habs nit verstanden. Ja, glauben Ste denn daß der Kommandant ein besonderes Vergnügen daran gefunden hat, mit seiner Besaßung so in den Tod zu gehen? Davon ist doch keine Rede. Ich sagte Ihnen aber {chon: Der Kommandant sagt sich aus der ganzen Beurtheilung der Sachlage heraus: Hier ist Rettung unmöglich. Das fagte si jeder, und das sagen wir uns, wenn wir die Verhält- nifse kennen: es is ganz unmögli, daß \ich jemand aus eigener Kraft retten konnte; es war weder ein Boot ins Wasser zu führen, noh konnten Rettungsgürtel nügen, noch irgend etwas. (Zurufe von den Sozialdemokraten.) Ja, Land war ja nit zu sehen. (Erneute Zu- rufe von den Sozialdemokraten.) Das war niht möglich; Sie haben es ja im Bericht gelesen: der nackte Felsen! Wenn das Wasser ab- lief, die spizen Zacken! Und jeder war verloren, der über Bord ging. Es ist niemandem eingefallen Sie können es von der Be- saßung felbst hören, wenn sie zurückommt —, überhaupt an eine Rettung zu denken. Die Leute haben sich, wie das Vordertheil des Schiffes umfiel, und zwar von der Brandung weg, das Leben erhalten können; aber es hätte auch umgekehrt sein können, / daß das Schiff nach der anderen Seite fiel, dann waren sie verloren das Hintertheil des Schiffes verschwand in der See. Das Connte niemand voraussehen. Aber die Versicherung gebe ih Ihnen: nah allem, was wir bisher gehört haben , konnte kein Mensch daran denken, daß er durch eigenes Zuthun an sein Rettungswerk gehen

Der Herr Vorredner hat es als eine

könnte. Nah zwei Tagen sind sie gerettet worden dadur, daß

| ein Boot hingelangte; die Chinesen haben tage- oder stundenlang ver-

sucht, an das Schiff heranzugelangen. Nah der Richtung hin trifft den Kommandanten gar kein Vorwurf. Der Kom- mandant isst todt, und man soll über Todte niht mehr ur- theilen, sich mit ihm nah der Richtung nicht mehr beschäftigen. Das hat sogar der Herr Vorredner gesagt. Man hat ih troßdem mit ihm beschäftigt und noch mehr gethan: man hat ihn angeklagt einer Unterlassung und hat ihm den shwersten Vorwurf entgegenges{hleudert ohne jeglihen Grund dabei bleibe ich. Nun bin ih Jhnen sehr dankbar, daß ih noch etwas erwähnen kann. Herr Dr. Lieber brachte gestern son die Rede darauf. Wenn meine Worte aus dem Zu- fammenhange genommen werden, dann gebe ih zu, daß man ihnen einen Sinn untershieben kann, daß man eine Deutung finden kann, die darauf hinausläuft, wie es von einzelnen Seiten verstanden ift. Ih möchte Ihnen eine Erläuterung dazu geben. Ih habe es nicht für nöthig gehalten, thue es aber jeßt, nit daß ih es inzwischen herausgefunden hätte oder damals anderen Sinnes gewesen wäre; nein, ih hätte es Jhnen schon damals sagen können. Meine Herren, all- jährlich werden die Rekruten der Marinetheile und der Schiffe in einer sehr erhebenden kirchlichen Feier vorbereitet für den militärischen Eid, und unser Kriegsherr läßt es fih in keinem Jahre nehmen, dieser Feier persönlich beizuwohnen und die Ab- legung des Eides entgegenzunehmen. Nun denken Sie sich: diese jungen, eben einberufenen Rekruten leisten ihrem Kaiser den Eid vor Gott, nahdem sie kirchlich in dieser Weise vorbereitet worden sind. Ja, ih kann Ihnen die Versicherung geben ih bin auch jedesmal dabei, weil ih hinzugezogen werde —: ih kann mir nihts Erheben- deres denken, (Sehr richtig!) Wenn ih da hinausgehe, so sage ich jedesmal, nicht Anderen, sondern mir in meine Seele hinein: mit welhem Stolz müssen diese jungen Leute diesen Plaß verlassen ! Vor Gott haben sie ihrem Kaiser den Eid geschworen, der zugegen gewesen ist, der hingereist ist, um der Feier beizuwohnen. Die firhlihe Feier, die vorausgeht, die sollten die Herren sich mitanseben und mitanhören! Jh bin überzeugt davon, daß Sie genau dasfelbe sagen würden wie ih. Kein Seemann wird, wenn der Ernst des Lebens an ihn herantritt und der Eid der Treue nunmehr verwirkliht werden foll, in diesem Augenblick der Feier niht gedenken, die ihn zu diesem Eide vorbereitet hat, und darum sage ih: in dem Moment, wo unsere Leute, die alle in dieser Weise vorbereitet sind, ihr Hoch auf ihren Kaiser ausbrahten und an ihren Eid dachten, da haben sie vor Augen die ganze Situation, wie fie sih gestaltet bei ihrem Eintritt, da sehen sie die Kirche, da haben sie den Eindruck der kirhlichen Feier, und aus ihrem Gemüth heraus werden fie zu Gott hingezogen. Das war, was ih sagen wollte ; nichis Anderes konnte ich im Sinne haben. Wenn man es anders verstanden hat, dann habe ich mich fehr falsch aus- gedrückt und sehr unvorsihtig. Was Anderes konnte mir nie in den Sinn kommen. - (Bravo! und Sehr richtig!)

Nun noch Eins. Jch bin doch erstaunt, wenn ih höre, daß jene Seite des Hauses sich zum Richter aufwirft in folhen Angelegen- heiten. Seien Sie niht böse, aber die Versicherung kann ih Ihnen geben: aus Jhren Aeußerungen, wie ih sie überall höre, mi gehen sie ja im allgemeinen nihts an, meinen Beruf berührt das niht aber aus allen Ihren Reden, die ich vernehme aus den Zeitungen und die hier laut werden, {ließe ih, daß Sie weder gewillt sind, Gott zu geben, was Gottes ist, noch dem Kaiser, was des Kaisers ift. (Lebhaftes Bravo! von allen Seiten. Vereinzelte Heiterkeit bei den

Sozialdemokraten.)

Abg. Freiherr von Stumm (Rp.): In Bezug auf die Aus- führungen des Abg. Liebkneht beshränke ih mih auf die Hoffnung, daß die ftaatsrehtlihe Stellung der Krone und ihres Verhältnisses zum Parlament niemals derartig beschaffen sein wird, daß sie den Beifall des Abg. Liebkneht findet. Hinsichtlich des „Iltis* konstatiere ih, daß, nahdem die Mehrheit dieses Hauses ih in \ympathischer und zustimmender Weise nicht bloß zu dem Verhalten der Mann- schaft, sondern auch des Kommandanten geäußert hat, es den Sozialdemokraten niht gelingen wird, Herrn Schwarz weiß zu waschen. Herr von Kardorff hat lediglich von den Wohnungs- verhältnifsen auf dem Lande gesprochen, und auch die Sozialdemokraten werden nicht bestreiten Eöônnen, daß die ländlichen Arbeiter besser wohnen als die \städtishen. Jch billige ebenso wenig wie mein O Kardorff die Wege, welche auf Grund der Kaiserlihen Erlasse von 1890 eingeshlagen sind. Jch bleibe nah wie vor auf dem Boden dieser Erlasse flegen, aber nicht in dem Sinne, wie sie der sonft hochverehrte frühere Handels-Minister zum theil ausgelegt hat. So bin ich beispielsweise niht einverstanden mit der Thätigkeit der Kommission für Arbeiterstatistik und mit dem 8 Uhr-Ladenschluß u. st w. Jh bestreite, daß diese Verordnung der nothwen ige Ausfluß des hochherzigen und von mir gewiß so hoch wie von irgend Jemand gestellten Geistes if, aus dem die Aller- höchsten Erlasse berboraógänitn sind, Was den Hamburger Strike anbetrifft, so konstatiere ih, daß Tom Man nicht bloß jeßt nah dem Strike in Hamburg Friy ist, sondern daß von langer N her, seit weit über ein Jahr, englishe Emissäre nicht bloß in

eutshland, sondern au in Holland und Belgien si herumgetrieben haben, um die Leute aufzuwiegeln, Die holländishe und die belgishe Regierung haben diese Leute ausgewiesen. Daß das englische Kapital dabei im Spiel ist, glaube ih nicht, jedenfalls weiß ih es niht, Daß aber die engliscen Arbeitervereine die Hamburger und fonstigen kontinentalen Hafenarbeiter aufzuwiegeln versucht haben, ift unzweifelhaft. Die Hamburger Arbeiter sind in erheblicher Weise von fozialdemokratishen Agitatoren unterstüßt worden, und wenn Herr Liebknecht bestritten hat, daß die Sozialdemokraten in diesen Strike überhaupt eingetreten seien, fo hat er \ich direkt widersprochen. Er sagte: wir billigen fenen Strike; er hat von den Hamburger Arbeitern als seinen Genossen gesprohen. Die Sozial- demokraten sind für diesen Strike wie für jeden anderen Strike verantwortlich. err Liebkneht sagte, daß der Lohn von 24 4 unzureichend sei; das ist sonderbar, wenn man bedenkt, daß das durchschnittliche Einkommen eines jeden Familienhauptes in Deutsch- land gleichgültig, ob arm oder reich noh nicht 4,20 M beträgt. Die caalisiben Gewerkvereine haben sich zu Zeiten entwickelt, wo die Arbeitgeber noch garnicht daran dachten, sih zu afsoziieren, und erst der Terrorismus der Gewerkvereine hat die Arbeitgeber gezwungen, zusammenzustehen im Interesse der Selbstvertheidigung. Interessant ist aber das Zugeständniß, daß es \sih in Hamburg garnicht um eine wirthschaftlihe, sondern um eine Machtfrage handelt. Das habe ih ja hier seit 20 Jahren immer behauptet, gegen den Willen der Sozial- demokraten, daß es sich hier nicht um ethishe Fragen, sondern um eine reine Machtfrage handelt. Herr Liebknecht hat gegen unser Schulwesen die |chwersten Vorwürfe erhoben und alles in den Himmel erhoben, was in England und Frankreih geschieht. Wer einiger- maßen die Statistik des Schulwesens verfolgt hat, der weiß, a auch heute noch die Zahl der Analphabeten im Auslande sehr gro ist. Die deutshe Schule \teht thurmhoch erhaben über der anderer Länder. Wenn aber der Abg. Liebkneht die Verhältnisse Frankreichs und Englands fo bewundert, so bewundere ich sein gutes Herz; wenn jemand eine Regierung, die zwei seiner besten Freunde aus- gewiesen hat, lobt, dann hat er ein gutes Herz.

(Schluß in der Zweiten Beilage.)

Zweite Beilage

zum Deulschen Reichs-Anzeiger und Königlich Preußischen Staats-Anzeiger.

M 288,

(Schluß aus der Ersten Beilage.)

Abg. Graf von Schwerin -Löwißz (d. kons.): Herr Nichter hat den preußischen Lardwirthschaftskammern jede Befugniß, Erhebungen anzuftellen und hierbei die Mitwirkung der Provtantämter in Anspruh zu nehmen, in Abrede gestellt. Das widerspriht dem Geseß, denn die Kammern sollen nicht B Bericht erstatten, sondern können sich auch direkt an die Behörden wenden. Es ist nun festgestellt, daß die Notizen der Stettiner Getreidepreise nicht rihtig waren, und darauf sind die Proviantämter von der Landwirthschaftskammer aufmerksam gemaht worden. Herr Richter meinte, daß die Proviantämter Manns genug gewesen sind, das Ansinnen der Landwirthschaftskammer abzulehnen, und hofft, daß der Landwirtbschafts-Minister dasselbe thun werde. Das it un- rihtig. Die Untersuchungen der Landwirthschaftskammer haben er- geben, daß eine Preisermittelungsstelle eingerihtet werden müsse, und die Staatsregierung is auf diesen Gedanken fofort eingegangen. Herr Richter tritt doch sonst für das böffentlihe Verfahren ein, au bei der Armee; warum soll über die Einkäufe der Proviantämter ein Geheimniß gebreitet werden? Wenn die billigsten Preise die besten sind, dann könnte die Armee nur russishen Roggen einkaufen. Aber wenn man niedrige Getreidepreise für ein Unglück hält, dann muß die Militärverwaltung si als einen Theil des Ganzen be- traten und darf niht das Unglück diefer niedrigen Preise noch vergrößern. Ich hoffe, daß die Kriegsverwaltung ihr bisheriges Verfahren beib-halten wird. .

Abg. Richter (fr. Volksp.) : Ich behalte mir vor, auf verschiedene Aeußerungen anderer Redner bei der zweiten Berathung zurückzu- kemmen. Der Vorredner steht auf dem agrarischen Standpunkte daß es niht im Interesse der Steuerzahler liegt, möglichst billig zu kaufen. Damit läßt fih nicht diskutieren. Bezüglih der Preisnotierungen kann der Erlaß der preußishen Minister nur gebilligt werden, sobald unparteiishe Behörden die Preise ermitteln. Hier handelt es sich aber um einseitige Ermittelungen der Landwirthschaftskammer in Pomwern, die kein Reht hat zu solhen Preisnotierungen, da darüber Bestimmungen noch garnicht erlassen sind. Solche Be- stimmungen würden si nur auf die Börse beziehen, aber niht auf anderweitige Preise. Die Landwirthschaftskammer wollte die Preis- ermittelung au nit für sih selber haben, fondern für die pom- mersche landwirthschaftliche Hauptgenossenschaft, um, wie die Pro- viantämter bemerken, eine Preistreiberei in Scene zu seßen.

Abg. Auer (Soz.): Als Herr von Kardorff der Regierung be- [A daß sie zum alten sozialyolitishea Kurse zurügekehrt ei, glaubte ih niht, daß Herr von Boetticher ‘das so \hnell bestätigen würde. Ueberrashend fommt uns das nicht; aber wie sih das verträgt mit dem Kaiserlihen Erlaß vom 4. Februar 1890, das zu entscheiden muß ih dem Herrn überlassen. Bas von Boetticher hat den Hamburger Ausstand als nach jeder

ihtung hin unberechtigt bezeihnet. Derartige Auéführungen sind wir sonst in der „Norddeutschen Allgemeinen Zeitung“ und in der übrigen Unternehmerprefse zu finden gewohnt. Kein Strike ist bisher von den Unternehmern als berechtigt anerkannt worden. Nur ein Strike, der der Konfektionsarbeiter, wurde von der Re- gierung als berehtigt anerkannt, und das mußte wohl wieder gut gemaht werden, nahdem Herr von Berleps gegangen ist. Hundert- tausende von Arbeitern sollen sich nah den Hamburger Löhnen sehnen! Wer si felbst in «iner Lebenslage befindet, die mit der der Arbeiter nicht zu vergleihen is}, der sollte sich hüten, die Bestrebungen der Arbeiter nach Verbesserung ihrer Lebenslage als unberechtigt zu erflären, zumal wenn er fein objektives Bild von der Lage der Arbeiter hat. Die Hafenarbeiter werden oft Tage lang nicht beschäftigt, wenn infolge des Ostwindes die Schiffe nit die Elbe herauffommen können, oder wenn im Winter diese Arbeiten über- haupt \tocken. Von einem regelmäßigen Verdienst von 4,20 4 kann keine Rede sein. Die Arbeiter kommen über einen Jahreölohn von 800 bis 900 4 überhaupt nicht hinaus. Ist ein solcher Lohn für die Hamburger Verhältnisse wirklich so hoch? In Hamburg selbst, die Unternehmerkreise ausgenommen, hält man eine Lohnaufbefserung für zwedckmäßig, zumal die Arbeiter durh den Zollanshluß in die Vor- städte getrieben sind, wo sie theure Miethe zahlen müssen, während die Arbeiter deshalb außerhalb der Wohnurg Mittag essen müssen. Von dem gewerblihen Aufs{chwung wollen die Lea auch etwas haben; sie befolgen den Nath, den der Kaiser beim Berg- arbeiterstrike gegeben hat, daß diejenigen, welhe an dem reichen Gewinn der Bergwerke theil nehmen, etwas mehr Geld für die Arbeiter geben möchten. Wer über diese Verhältnisse spricht, der hat die Pflicht und Schuldigkeit, sich ein rihtiges Bild zu vexschaffen. Daß die sozial- demokratischen Agitatoren den Strike angefangen haben, ift unrichtig. Alle Kreise sind von dem Auétbruch des Strikes überrasht. Es besteht unter den Hafenarbeitern {on lange eine eung nicht infolge von Heyereien, sondern infolge des besseren Geschä tsganges. Als die Untecnehmer ein Angebot machten, riethen die Leiter, die Sozial- demokraten waren, zum Frieden. Sie wurden aber niedergestimmt. Das kam daher, weil die Hafenarbeiter das Rezept des Freiherrn von Stumm befolgt haben, weil fie noch nicht organisiert waren, also den augenblicklichen Jmpulsen folgten. Wenn felbst die Bourgeoisie so thôricht ist, den Shwindel von den englischen Millionen zu glauben, warum sollen die Arbeiterhaufen niht ebenfalls daran glauben und dadurh in ihrem Widerftande bestärkt werden? Das {ind die Folgen des Feudalsozialismus. Der Staatssekretär spra von der englishen Brandstiftung in etwas eigenthümlicher Weise, anders als ein Mann sprehen sollte, wenn man eine große Polizei, die Hundert- tausende kostet und doch auch etwas leisten 4 was ja der neueste Prozeß zeigt, zur Verfügung bat. Tom Man ift selbst am ärzer- lichsten über den usstand gevelen. Die Wünsche der englishen Arbeiter ehen au auf eine Lohnauf esserung, und sie hatten nicht aus Strikelust, Pnkers um etwas durhzuseßen, gleichzeitig striken wollen, wenn es nit anders ginge. Wenn ‘das Koalitionéreht vorhanden ist, muß man den Arbeitern auc gestatten, dasselbe anzuwenden. Die drei Abgeordneten, welche dér Staatssekretär nannte, wohnen in Hamburg und Altona, und an Herrn von Elm hat sich der Polizeisenator Hachmann wegen eines Schiedsspruches gewendet. Herr Molkenbuhr ift der Vertreter des Hamburger Wahlkreises, welcher den Hafen einschließt. Wenn der Strike länger andauert, wird es den Arbeitern \{lecht gehen. Aber weiß der Staatssekretär nicht, daß gens des Senators

chmann, seitens des Vorsißenden der ürgershaft und des ewerbegerihts der Versuch zur Vereinbarung gemacht ist, daß die. Arbeiter auf dieses Vorgehen bereitwilligst eingegangen sind? Wenn dadurch nichts erreiht is, so treffen alle Vor- würfse. diejenigen, welhe den Schiedsspruh abgelehnt haben. Das sind die Hamburger Arbeitgeber, die den Frieden niht wollen, weil fie offen, die Arbeitershaft mürbe machen zu können, weil sie auf ihre undesgenofsen, den Hunger, die Noth und das Elend der Arbeiter rechnen4 ese Beegeafen werden s{limme Wirkungen aus- üben; aber die niedersähsishen Arbeiter werden sih nicht unter- kriegen lassen , namentlich, wenn sie von „der Arbeiterschaft ganz Deutschlands unterstüßt werden. Aber der Strike trifft die Unter- nehmer an der empfindlihften Stelle, nämlich am Geldbeutel. Die Strikebreher haben der {weren Arbeit fast sämmtlich den Rüken grey, Im Hamburger „Fremdenblatt“ wird «festgestellt, daß die chauerleute jede Woche m drei Tage in Arbeit find. Die Stauer, die. Zwischenmeister erhalten 75 Z für die Tonne, sie geben

Berlin, Freitag, den 4. Dezember

aber den Schauerleuten nur 50 „Z. Die Stauer haben ein FJahres- einkommen von 5- bis 6000 M

Staatssekretär dcs Jnnern, Staats-Minister Dr. von Boetticher:

Der Herr Vorredner hat meine Information bemängelt, auf Grund deren ih vorhin in meinen Ausführungen die näheren Ang aben gemacht habe über die Höhe des Verdienstes der Schauerleute. Allein er hat nihts beigebraht, das einen Beweis dafür lieferte, daß diese meine Information eine unrihtige gewesen is (Heiterkeit links) ; sondern er hat nur die Behauptung aufgestellt, daß die Lohnsäte, die ih angegeben habe, niht die rihtigen sind, sondern die seinigen. Meine Informationen beruhen nun aber auf amtlichen Berichten und ih muß vorläufig annehmen, daß der Inhalt dieser Berichte rihtig ist. Aus eigenen Erfahrungen kann ih selbstverständlih über die Lohnverhältnisse der Hamburger Schauerleute keine Angaben machen. Daß übrigens diese Information, die ih empfangen habe, au über- einstimmt mit der Wahrheit, möchte ih annehmen aus einem Artikel den heute Morgen die „, National-Zeitung“ bringt. Da ist eine Quelle genannt für die Zusammenstellung der Lohnverhältnisse, die auf sozialdemokratisher Seite niht füglich sollte angefohten werden können; es ist nämlih die Zuschrift eines Schauermannes an das sozialdemokratishe Organ in Hamburg. In diesem Artikel wird aus- geführt, daß dieser Schauermann erklärt hat, daß er mit Einschluß der Sonn- und Feiertage an 90 Tagen keine Arbeit und keinen Ver- dienst habe; er ecreihe aber gleihwohl einen Jahresverdiens von 1155 M (Zwischenrufe.) Sie müssen deutlicher sprehen, sonst kann ih Sie nit verstehen. (Erneute Zwischenrufe.) Richtig! er berehnet aber am Schluß die Gesammtlohnhöhe des Jahres auf 1155 4A Das genügt mir, und danah nehme ih an, daß meine Be- hauptung, die ich vorhin aufgestellt habe, durhaus zutrifft, wonach diese Leute zu den besser situierten Arbeitern gehören und daß es eine große Zahl von deutschen Arbeitern giebt, die sie um solche Lohnhöhe beneiden. Uebrigens muß ih mich auch auf das berufen, was Herr von Stumm ausgeführt hat, der mit den Arbeiterverhältnifsen besser vertraut is als ih, zumal was die Lohnhöhe anlangt. Er hat ganz dasselbe gesagt.

Also, meine Herren, Information gegen Information. Jch meine, daß die Information, die mir von den Hamburger Behörden gegeben ist, eine durhaus zutreffende und objektive gewesen ist, und erwarte den Beweis des Gegentheils.

Der Herr Vorredner hat mir vorgeworfen, ich hätte ein ein- seitig gefärbtes Bild der Lage gegeben. Das ift mir nicht eingefallen. Fh habe ledigli) an der Hand der mir, vorliegenven Berichte eine Darstellung ¿des Zustandes, wie er sich in Hamburg entwickelt hat, gegeben und habe diesen Zustand al einen für die Arbeiter äußerst beklagenswerthen hingestellt und da, glaube ih, befinde ich mich in Uebereinstimmung mit der weit überwiegenden Mehrheit dieses Hauses, wenn ich dieses Urtheil gefällt habe.

Der Herr Vorredner hat daran erinnert, daß die Rheder außer- ordentlihe Verlufte infolge des Strikes zu erleiden haben, und daß diese Verluste sie bedenkli} machen sollten, den Kampf weiter fort- zuscßen. Ja, meine Herren, das ift rihtig, es ist unzweifelhaft richtig : die Werthe, die dur die Arbeitseinstellung für den Hamburger Handel und die Hamburger Schiffahrt verloren gehen, sind ganz enorme, und aus diejem Grunde schon sollte es die Aufgabe eines jeden Vaterlands- freundes sein, zur Beseitigung des gegenwärtigen Zuftandes beizutragen.

Nun macht man den Hamburger Rhedern zum Vocwurf, daß sie nicht auf den Vorschlag, der ihnen von seiten des Herrn Polizei- Senators, des Herrn Präsidenten der Handelskammer und eines dritten Pera gewalt worden ist, nämlich den Streit einem \{hiedsrihter- lichen Verfahren zu unterwerfen, eingegangen sind. Ja, meine Herren, wenn man:-die Umstände aber ansieht, unter denen dieser Vorschlag gemacht is, und die Gründe betrachtet, die für seine Ab- lehnung maßgebend gewesen sind, dann wird man do den Hamburger Rhedern niht so Unrecht geben können. Denn einmal sollte nah diesem Vorschlage nur ein Arbeitgeber in das Schiedsgericht aufge- nommen werden, während vier Vertreter der ftrikenden Arbeiter als Richter fungieren follten. Nun werden die Herren wir zwar einwenden: ja, neben diesem einen Arbeitgeber sigen aber die drei Herren, die den Vorschlag gemacht haben: der Polizei-Senator, ‘der Präsident der Handelskammer und der dritte Herr, und das sollte doch der Bourgeoisie genug sein, darin follte man do eine ausreihende Vertretung ihrer Interessen finden. Nein, meine Herren, hier, wo es sich um eine speziell kaufmännishe und wirthschaftlihe Frage handelt, da muß man verlangen können, daß das Schiedsgeriht ebenso wie in allen auderen Fällen zusammengeseßt if aus einer gleihen Vertretung der beiden s\treitenden Theile, und cine solche fehlte hier.

Der zweite Grund, warum die Herren nit darauf eingegangen sind, wird wahrscheinli der sein, daß man drei Reihstags- Abgeordnete zu Mitgliedern dieses Schiedsgerichts gemacht hat, und sie sind vielleicht vaterländish genug gewesen, um die Herren nicht ferner der Mitarbeit in diesem hohen Hause entziehen zu wollen. (Heiterkeit.)

Gndlich will ich noch auf cine Bemerkung des Herrn Vorredners zurückfkommen, in welcher er mir auch eine mangelhafte Fnformation vorgeworfen und mir gesagt hat, es wäre do auffallend, daß der Chef einer großen Verwaltung, der die politische Polizei an der Hand hâtte, über diese Dinge so mangelhaft orientiert wäre. Das bezog sh nämlich auf die englishen Einflüsse, die ih angeblich in der Hamburger Beroegung geltend gemaht haben* follen. Ja, meine Herren, ich habe vorhin durhaus der Wahr- heit gemäß berihtet, daß ich auf diefen Punkt nicht näher eingehe, weil mir dazu die thatsächlihen Unterlagen fehlen.

Ich habe aber auch gar keine Veranlassung, vermöge meines Amtes danach zunächst zu fragen, ob englischer Einfluß thätig gewesen ist, sondern ih habe nur zu fragen: wie ist der aktuelle Zustand, und wie beseitigen wir diesen Zustand möglihft bald ? Daß wir sonst niht unthätig gewesen sind, englische Einflüsse, die sich etwa geltend machen wollten, abzuweisen, das beweift ja die Ausweisung des Tom Man.

„Wenn der Herr Vorredner nun aber gemeint hat, daß dieser ToutkMan sehr unzufrieden gewesen sei mit dem Ausbruch des Strikes, fo ist das sehr begreiflih, und es ergiebt sih die Erklärung für diesen Mißmuth des Tom Man auch aus dem, was ih shon vorhin bemerkt habe. Es follte nämlich eine große internationale Strikebewegung in allen europäishen Häfen, insbesondere den festländischen, insceniert werden; auch die englishen Häfen sollten mit dieser Strikebewegung beglüdt werden. Ueberall, in Norwegen, Schweden, Belgien, Holland und selb in England haben die Herren kein Glück ges habt mit diesem Unternehmen. Bloß der etwas weniger vor- sichtige und weniger sein wahres Interesse wahrende deutsche Kai- arbeiter und Schauermann is auf die Sache hereingefallen. Daß natürlih die Wirkung bei einem solchen partiellen Strike niht die

von Tom Man und seinen Genossen erhoffte sein kann, das war klar,

und deshalb mußte Tom Man sih sogen: die Leute haben nicht so lange gewartet, bis der günstigste Moment für den Beginn der Arbeitseinstellung eingetreten ist, und das bedaure ih. Ich hoffe, daß, wenn in künftigen Fällen wieder einmal eine solche internationale Bes wegung auch in deutshenu Häfen ih zeigen sollte, daß dann auch, durch die jeßigen Vorgänge gewitigt, der deutsche Hafenarbeiter andere Leute die Kastanien aus dem Feuer wird holen lafsen. (Bravo!)

Hanseatisher Gesandter und Bevollmächtigter zum Bundesrath Dr. Klügmann: Der shwere Strike der Hafenarbeiter in unserer erften Handels\tadt schaft viel Unglück in Hamburg, nicht bloß unter den Arbeitern, sondern auch in allen Kreisen, vor allem au in denen, deren ganzes Leben darauf gestellt ist, ihr Wort zu halten, und die jeßt daran verhindert werden. Es war das hôchfte Interesse au der Hamburger Regierung, möglihs bald diesen Strike zu beendigen ; nichtsdestoweniger hat sie sich durchaus im Sinre der Reichsgefeßze jeder Einmischung, sowohl nah der einen als anderen Seite hin, în Thaten wie in Worten enthalten, und es wäre sehr erwünscht gewesen, wenn dasselbe Verfahren auch im Reichêtage eingehalten worden wäre, Von wem is hier die Sache ausgegangen, wer hat bier heute Sympathie nur für die von ihm vertretene Sache allein zu beansprucben S Sie (zu den Sozialdemokraten) baben gesagt: Die Sozialdemokratie wäre durch den Strike überrascht worden, sie sei gegen den Strike gewesen. Damit geben Sie zu, daß der Strike unberechtigt war. Zweifellos. Tom Man foll gegen den Strike gewesen sein. Er if aber gerade von England Lereergetomues, um den Strike zu machen und Unfrieden zwischen den Arbeitgebern und Arbeitern zu säen. Gr hat eine Proklamation an die Arbeiter Hamburgs erlassen, in der er sagt, er sei von der internationalen Föderation hergesandt worden, um mit den Arbeitern Hamburgs gemeinsame Sache zu machen; und er fordert sie auf, niht eher zu ruhen, als bis ihre sämmt- lichen Forderungen erfüllt seien. Es ist also Tom Man nicht eingefallen, von dem Strike abzurathen, sondern er hat dazu gerathen, und die Hamburger Arbeiter sind in die falshe Vorstellung hinein- gekommen, als komme ihnen von außen die Hilfe, als würden sämmt- liche Hafenarbeiter gemeinsame Sache mit ihnen machen, als wenn Ie bon England nit nur Sympathie, wovon sie nit leben können, ondern Geld und Unterstüßung zu gewinnen hätten. Dadurch wurden die Bemühungen, den trike R bald zu beendigen, ge- hemmt, und deshalb war die Ausweisung des Tom Man vollständi gerechtfertigt. Was den Strike selbst betrifft, so handelt es id

| nit allein um die Lohnfrage; es sind au andere Streitigkeiten

hineingezogen worden. Man hat es fals so dargestellt, als ob die Schauerleute nur cinen durchshnittlihen Lohn von 800 M jähr- lih hätten. JIch werde Ihnen das Gegentheil beweisen aus einer Quelle, die Sie garniht bestreiten können. Ihre Quellen (zu den Sozialdemokraten) rühren wohl von Zeitungs- schreibern her; veröffentliht aber ift das Lohnanrehnungsbuch der Schauer. Sie werden selbst zugeben, daß die für die Speicherei- und Speditioné-Berufsgenofsenschaft eingereihten Lohnlisten zuverlässige Daten geben. Es sind da 15 Nummern aufgeführt: Der erfte hat erhalten 1186 Æ, der zweite 1119, der dritte 1432,70, der vierte 1533, der fünfte 1229, der sechfte 1224, der siebente 1762, der achte 1598, der neunte 1345, der zehnte 1774, der elfte 1530, der zwölft: 1452, der dreizehnte, der nur 175 Tage gearbeitet hat, 830, der vierzehnte, der 287 Tage gearbeitet, 1830, der fünfzehnte, der nur 134 Tage gearbeitet hat, 813,40 4 Wie wollen Sie nun selbst bei den Hamburger Lebens- verhältnifsen behaupten, daß diese Leute Hungerlöhne gehabt haben? Die Leute find aufgereizt worden zu diesem Strike. Die Sozialdemokraten reden täglih auf die Leute ein, daß ihre Lebens- haltung unerträglich sei, und dann wundern fie sih, wenn die Arbeiter nachher striken. Dann haben Sie iu den Sozialdemokraten) es nicht gethan, sondern es find Ihnen die Anderen zuvorgekommen, die Sie niht haben zurückhalten können. Wir wollen hier nit den Schiedsrichter spielen darüber, ob die Arbeitgeber Ret haben oder niht. Herr Liebkneht hat fie hier ausgeshimpft. Enthalten wir uns, irgend eine Partei zu nehmen, und hoffen wir, daß es zum Frieden kommt; vor allen Dingen enthalten Sie sfih, das Feuer noch zu s{üren dadur, daß Sie sih auf die eine Seite stellen gegen die andere Seite. Dadurch werden Sie zum Frieden beitragen und Ihre Freundschaft für Hamburg beweisen.

Abg. Liebkneht (Soz.): Jch stelle zunächst feft, daß ein von mir gebrauchter Ausdruck bezüglih der Offiziersehre niht aus einem bon mir angezogenen Artikel der „Kreuzzeitung“ entnommen war, fondern meine eigene eru gewesen ist. Die Arbeiter haben das Schiedsgericht niht zurückgewiesen, sondern die Arbeitgeber. Die Zu- fammensezung des Schiedsgerichts hatte Liht und Schatten gleih- mäßig vertheilt. Der Herr Gesandte bätte seine Mahnungen alfo an Herrn von Boetticher rihten sollen. Herr von Stumm hat die merk- würdige Fähigkeit, mich stets mißzuverstehen. Nicht ih habe von einer Machtfrage gesprochen, sondern das haben die Arbeitgeber gethan. Wir wollen keine Strikes anzetteln; aber wenn die Fortsezu des Strikes von den Arbeitgebern so frivol erzwungen wird, so ift 1 jedenfalls das Neht auf seiten der Arbeiter. Jn E gün Jahren verdienen die Schauerleute 1150 46; könnten die s Arbeits geber davon leben? Der Strike hat die organisierten Arbeiter über- rasht. Der Vorredner irrt, wenn er sagt, daß ih die Sache der zuerst zur Sprache gebraht habe. Das ift seitens des Lam Paasche geschehen, der im Interesse des Kapitals gegen die Arbeiter mit un- erehten Vorwürfen kam, sodaß wir dagegen auftreten mußten. Was. h bezüglih der Seeuntüchtigkeit des F tis“ gesagt habe, hat woen- lang in den bürgerlihen Zeitungen geftanden, ohne daß Wi ruch erhoben worden wäre. Wenn Herr von Kardorff bloß von den Woh- nungen auf dem Lande geren hat, so widerspriht das den Mit- theilungen, welche Geistliche darüber gemaht haben. Das Urtbeil über die Wohnungsverhältnisse auf dem Lande wurde zusammengefaßt in die Worte: „ländlih, s{chändlich!“ Eine Untersuhung hat gerabetu Far run DE geen Ne iu aa e geltdere: ja L

. Graf von werin bezeichne e Ausführu A ata über die Befugnisse der unrichtig. bg. Molkenbuhr (Soz.): Ich war nit wenig überrascht zu hören, in welcher brillanten Lage sih die S{auerleute befinden.

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