1896 / 296 p. 5 (Deutscher Reichsanzeiger, Mon, 14 Dec 1896 18:00:01 GMT) scan diff

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__ sprechenden bisherigen Zahlen sind 120, 150, 170, 210 und 248.

Meine Herren, diese Zahlen geben, glaube ih, ein schr klares Bild von der Bedeutung des Antrags Weyerbush. Es ist nun vorhin {on seitens des Herrn Redners. der konservativen Partei darauf hingewiesen worden, daß die §8 54 bis 59 des Kommunalabgabengeseßes das Er- gebuiß eines Kompromisses find, der darauf abzielte, namentlich im Hinblick auf die Ueberweisungen der Grund- und Gebäudesteuer an die Gemeinden ein Verhältniß zu finden, welches einerseits einer über- mäßigen Belastung der Realsteuern und andererseits einer übermäßtgen Ich halte es für garnicht möglich, daß man aus diesem dur das Kompromiß ge- fchaffenen Gebäude auf einmal eine der Hauptsäulen berausnimmt, nämlih das Prinzip, daß man die Einkommensteuer nach der Ueber- weisung der Realsteuern an die Gemeinden jeßt {onend zu behandeln hat. Wenn man diese cine Säule aus dem Gebäude herausnimmt, so fürchte ih, daß das ganze Gebäude zusammenfallen würde. Die Königliche Staatsregierung muß ihrcrseits darauf bestehen, daß das seiner Zeit erweiterte Verhältniß hinsihtlich des Maßes der Heran- ziehung der Realftéuer und der Einkommensteuer zur Aufbringung der Gemeindebedürfnisse unverändert erhalten bleibt, und muß sich daher

Belastung der Einkommensteuer vorbeugen sollte.

dem Antrag Weyerbusch gegenüber ablehnend verhalten.

Ich möchte ferner noch auf cinen Punkt hinweisen, welcher von Wenn man nämlich den von dem Herrn Abe. Weyerbusch vorgeshlagenen Weg einschlüge, fo würde man weit zurückfommen hinter diejenigen Verhältnisse, wie fie vor dem Kommunalakbgabengeseßz unter der Geltung der alten

den Herren Vorrednern noch nit berührt ift.

Gemeindeverfassungsgeseße vorhanden waren.

Wenn tich mir erlauben darf, zunächst auf die rheinishe Städte- ordnung hinzuweisen, die dem Herrn Abg. Weyerbusch am nächsten wenn ungleihmäßige

eintreten zu lassen, dazu eine besondere Genehmigung der Aufsichtsbehörde erforder- lih ift, Daraus ift mit Sicherheit zu {ließen , daß man in diesem Gemeindeverfassung! geseß und wit dieser Beslimmung eine gleihmäßige Heranziehung der Einkommensteuer und der Realsteuern im Auge gehabt hat. Genau dieselbe Bestimmung befindet sich auch in der

darin die Bestimmung, daß, beshlossen wird, eine

Nealfteuern

lieat, so findet ih seitens der Gemeinde Heranziehung der Einkommensteuer und

westfälis@en Städteordnung, in der rheinischen Landgemeindeordnung, in der westfälishen Landgemeindeordnung und in der östlichen Städte- ordnung. Die östliche Landgemeindeordnung hat allerdings eine etwas abweichende Vorschrift. Alle diese Bestimmungen sind getroffen worden zu einer Zeit, als von einer Ueberweisung der Realfteuern an die Gemeinden noch nicht die Rede war. Wenn man jeßt, nachdem diese Ueberweisung stattgefunden hat, dazu schreiten wollte, das Verhältniß der Prozentsäße zu Ungunsten der Einkommen- steuer noch s{hle{chter zu gestalten, rwoürde man weit hinter diejenigen Bestimmungen zurückgehen, die damals bei der Abfassung der Städte- ordnung und Gemeindeverfassungsgeseße maßgebend gewesen sind.

Sqhließlih möchte ih niht unterlassen, darauf hiazuweisen, daß mir in vielen Fällen das eigene Interesse der Gemeinden selb darauf hinzuweisen scheint, die Einkommensteuer nicht zu stark zu belasten. Ih. habe hier vor mir eine Zusammenstellung von 50 der größten Städte der Monarchie. Aus dieser ergiebt sih, daß nicht weniger als 16 davon es für zweckmäßig er- achtet haben, die Einkommensteuer nicht über 100 % in die Höhe schnellen zu lassen, und die do sehr einsihtsvollen und klugen Leiter diefer großen Städte haben, glaube ih, ganz gewiß gewußt, was sie damit beabsichtigen. Sie haben sich, glaube ih, überlegt, daß etne hohe Einkommensteuer doch sehr viele Leute, und gerade wohlhabende Leute, Industrielle davon abhält, in die Städte zu ziehen, und sie haben si, glaube ih, au gesagt, daß, wenn man das Budget zu fehr auf die Einkommensteuer basiert, es sehr leiht vorkommen kaun, daß bei einem Wegzug eines oder mehrerer ftark kontribuierender Ge- meindemitglieder das Gemeindebudget leiht in Unordnung tfommen fönnte. Ich habe gerade einen Fall im Gedächtniß aus der Provinz Westfalen, in dem man auch sich etwas zu sehr darauf verfteift hatte, die Einkommensteuer zur Haupt- grundlage des Budgets zu machen. In diesem Fall hat der Wegzug eines einzigen Zenfiten hervorgebraht, daß die Gemeindeumlagen sofort um 10 bis 15 # in die Höhe gesetzt werden mußten. Der- artige Verschiebungen können längst nicht in dem Maße vorkommen, wenn man sih dazu entschließt, wie wir es wünschen, die Realsteuern in etwas stärkerem Maße heranzuziehen.

Ich möchte mir nun erlauben, noch kurz den Antrag Bachem zu streifen. Ih muß ja dem Abg. Dr. Bachem zugeben, daß sein Antrag eigentlih eine ganz nothwendige Ergänzung zu dem Antrage Weyerbusch is. Denn wenn Sie den § 55 nicht in irgend einer Weise umgestalten, so würden Sie aller Voraussicht nah zu dem von Ihnen gewünschten Ziel niht kommen können. Der Herr Abg. Bachem möge es mir aber niht verübeln, wenn ih hinzufüuge, daß meines Erachtens auch so die lex immer noch eine imperfecta bleiben würde, wenn man nicht auch den § 77 entsprehend ändert. Ich habe ja cigentlih keine Veranlaffung, bei dem ablehnenden Standpunkt, den ih zu diesem Geseßentwurf einnehme, noch Fingerzeige wegen etwaiger besserer Auégestaltung desselben zu geben; diesen Hinweis wollte ih mir aber doch gestatten.

Zum Schluß meiner Ausführungen möchte ih noch Folgendes hervor- heben. Jh bin keineswegs der Ansicht, daß man bei der Durch- führung der Kommunalfteuergeseßgebung {rof und shematisch vor- geht, und ich halte es namentli auch nicht für richtig, in denjenigen Städten, welche früher nur in schr geringem Maße die Realsteuern herangezogen haben, diese nun ganz unvermittelt bis zur denkbar möglihsten Höhe hinauf zu s{rauben, Diese Schonung und Nachsicht kann aber meiner Ansicht nah nur für gewisse Uebergangéjahre Plat greifen; sind diese verstrichen, so müssen die bestehenden Grundsäße, deren Abänderung ih nit empfehlen kann, unter Berücksichtigung der individuellen Ver- hältuisse der Gemeinden überall zur Durhführung gelangen.

Abg. Mies (Zentr.): Der Mi t die Agitation d Hausbesißervereine A: ährlich e ie Ausbau i nicht rihtig. Aber gefährli i es allerdings, wenn die Gründe hbe- fie bleiben, die diese Agitation hervorgerufen haben, namentli daß das Einkommen aus Grund- und usbesip mit Steuern bis zu 20 und 30 9/9 des Einkommens selbft belastet is. Der Grund-

und Haudbesiz ist 24fah, und wenn er verschuldet i, 10—15mal so . aat Haute wie das ital, Man ca ay um Feine

250% bei 180% auf 370%, endli bei 199 %/% der Realsteuern das ist ungefähr die Grenze, bis zu welcher die Realfteuern- der Regel - nah nur belastet werden follen würde cs sogar mögli sein, die Einkommensteuer mit 397% Zuschlägen heranzuziehen. Die ent-

1 bereits eine Kommission

Leute seßhaft zu maten, und wie belastet. man den Grund- und Hausbesiß mit Steuern, die er niht tragen kann! Mit-der Ge- nehmigung der Steuervertheilung feitens der Behörden haben wir bisher keine angenehme Erfahrung gemacht, und der Antrag Weyer- busch bietet eigentlih gar keine Verbesserung, keinen Schuß geaen die mechanishe Anwendung- des § 54. Darum haben wir unseren Antrag

welche dem Grundbesiß und dem Gewerbe besonders zu gute kommen, während die Einkommensteuer den Reft decken soll; unser Antrag geht aus bon dem Grundsaß der Leistung und L e htass Ich L die Anträge an eine Kommission von 21 Mitgliedern zu verweisen.

Abg. von Eynern (nl.): Jh bin der Steuerreform des Finanz- Ministers Miquel erst dann gefolgt, als nah Erlaß des Ein- kommensfteuergeseßes die Konsequenzen für die Gemeinden gezogen werden mußten. Der Widerspruch zweier Parteien gegen die Reform könnte mich mit Genugthuung erfüllen. Aber ih kann mich nit zu dem Antrag Weyerbush bekennen. Nachdem die Einkommensteuer als die em Steuer des Staates hingestellt i, -bin ih der Meinung, daß eine höhere Belastung derselben als nah § 54, der aus einem Kompromiß aller Parteien entstanden ist, nit stattfinden kann. Dadurch würde die Ehrlichkeit der Steuerdeklaration und damit die Einnahme des Staates gefährdet werden. Der Antrag Weyer- bus geht niht vom Staatsfinanzinteresse aus, sondern von lokalen Verhältnissen, namentlich von den Hausbesizervereinen, die Herr Richter als Hausagrarier bezeichnete. Diese Vereine rihteten Etn- gaben an das Haus, in denen die Erlasse der Minister des Innern und der Finanzen als geseßwidrig bezeihnet wurden. Das R ift über die Petitionen zur Tageßordnung übergeganfien.

ie Petenten haben den Prozeßweg beshritten, und das Ober-Ver- waltungsgeriht hat erklärt, daß die Ausführung des S richtig erfolgt sei. Seitdem haben die Hausbesitzer sich gegen die Gemeinde- vertretungen gewendet, welhe das Geseg nit rihtig ausführen. Auf dem Rheinischen Hausbesitertage in Duisburg wurden dessen die Ober- Bürgermeister beschuldigt, von denen \ich bie Stadtverordneten- Versammlungen ins Schlepptau nehmen ließen. Herr Weyerbusch ist ja auch Stadtverordneter in Elberfeld, Vor drei Jahren ist dort gewählt, welche die Steuerverthetlung zu Gunsten der Hausbesitzer ändern sollte; sie hat aber bisher noch keinen Bericht erstattet. Wo der Grundbesiß im Werthe herunter-

eht, wie es in Krefeld und Köln ftattfinden soll, ist eine Berück- fhtigung des Grundbesitzes nöthig. Aber eine abfolute, prinzipielle Aenderung des Geseßes is doch gefährlih, namentlich bei der kurzen Wirksamkeit des Geseß-s, Für Elberfeld würde der Antrag Weyerbusch keine erheblihe Wirkung haben, aber die Berehtigung der Behörden, in das Gemeindeleben einzugreifen, wird noch mehr ver- stärkt, als sie jeßt {hon vorhanden ist. Die Rae der Gemeinden ist {on genügend eingeshränkt, namentlih bezüglich der indirekten Steuern, und troßdem suchen die Behörden die Gemeinden geradezu zur Einführung solcher indirekten Steuern zu zwingen, z. B. follte die Gemeinde Gevelsberg durhaus eine Biersteuer und eine Gewerbe-Kopffteuer einführen, troßdem § 78 Abfayß 3 einen sollen Zwang nicht gestattet. Der Oruck der Behörden wird dur den Antrag Weyerbush noch wesentli verstärkt. Das macht mi zu einem grundfäglihen Gegner desselben. Wenn wir § 54 ändern, müssen wir den Gemeinden auch andere Einnahmequellen ershließen. Der beste Ersag sind die indirekten Steuern. Wir müssen an unseren Beschluß erinnern, der die Freigabe der Getränke- steuern für die Gemeinden forderte. Aber die Minister des Innern und der Finanzen haben nah dieser Richtung hin gar keine Schritte gethan zur Aenderung der Reichsgeseßgebung. Der Finanz- Minister hat einer Deputation von rheinishen Ober-Bürgermeistern erklärt, daß die fommunale Besteuerung des Weines den Gemeinden freistehe, aber die Gemeindebesteuerung des Bieres könne erst nach einer Erledigung der Biersteuerfrage im Reiche erfolgen. Soll die Bierfteuer îm Reiche erhöht werden? Was giebt den Ministern Veranlassung, \sih einem einstimmigen Votum des Hauses zu wider- eßen, da do in absehbarer Zeit an eine Es nicht gate werden kann? Hter liegt der Grund der Klagen, welhe zum ntrag Weyerbusch geführt haben. Der Antrag dürfte wohl eine Mehrheit im Hause nit finden; aber einer Kommissionsberathung werden wir uns nicht entgegensetzen.

Abg. Dx. Bachem (Zentr.): Jch verzichte, auf die Frage der indirekten Steuern einzugehen. Die Kommunal- Steuerreform hat sich im Ganzen kurchaus bewährt ; die Beshwerden gehen nur davon aus, daß die §8 54 und 55 în einer Weise gehandhabt werden: von Auf- sihtswegen, daß daraus große Härten entstehen. Ih gebe zu, daß die Agitation der Hausbesißervereine in der Form und der Tendenz über das Ziel hinausschießt; aber wenn man die Aagitation besei- tigen will, hann muß man die unleugbar vorhandenen Mißstände aus dem Wege räumen. In den Landgemeinden der Eifel wurden 250 bis 400% Grundsteuer erhoben; ja, es wurden in einzelnen Gemeinden 600 und 800 9% Grundsteuer erhoben in besonders armen Gemeinden, sodaß das gesammte Einkommen aus dem Grundbesitz davon absforbiert wird. Bei steigenden Grundwerthen is auch in Städten eine hohe Realsteuer exträglich, aber niht da, wo der Grundbesiß im Werthe sinkt, wie z. B. in Krefeld, wo die Realsteuer von 20% bis auf 225 9% des MNeineinkommens aus dem Hausbesiß steigt. So kann die Sache nicht bleiben. Die Gemeinden wollten eine vom § 54 abweichende Vertheilung der Steuerlast eintreten lassen, aber dazu wurde die Genehmigung nicht ertheilt. Durch eine solhe Belastung des Hausbesitzes wird die Ansässigmachung kleiner Leute ershwert und der Bestand des shon vorhandenen Hausbesites ershüttert. Die Do theilung nach dem Antrag Weyerbush würde keine ungerechte fein. 1509/9 Realsteuern find meist viel drückender als 250 9/4 Ein- kommenfteuer. Wenn man den zweiten Saß des § 55 dahin ver- stehen würde, daß die Realsteuern nur das decken follen, was dem Grundbesiß und Gewerbe besonders zu gute kommt, dann wäre man aus allen Schwierigkeiten heraus, aber man verlangt an Realsteuern mehr. Unser Antrag {haft das Genehmigungsreht der Regierung nicht aus der Welt; fie foll untersuchen, ob alle dem Grundbesiß und Gewerbe zu gute kommenden Ausgaben Len Realsteuern gedeckt sind. Ist das nicht der Fall, dann kann fie die Genehmigung versagen. Ich bitte, unseren Antrag einer Kommission zu überweisen.

Minister des Jnnern Freiherr von der Rece: Ich will auf die von dem Herrn Vorredner gemachten Einzel- heiten nicht näher eingehen. E wird sich vielleicht nahher noch Gelegenheit dazu bieten. Ih habe mir nur das Wort erbeten zu einer Bemerkung mehr persönlicher Art. Der Herr Abg. Bachem hat es anscheinend unangenehm empfunden, daß ih seiner Meinung nah gesagt hätte, die Agitationen der Haus- und Grundbesigerveine seien gemeingefährlih gewesen. Damit sih nun nit Legenden an diese Version knüpfen, halte ih es für meine Pflicht, zu konstatieren, daß ih diese Aeußerung in dieser Form nicht gethan habe. Es liegt hier vor mir das noch nicht korrigierte Stenogramm, ausweislich dessen ih Folgendes gesagt habe : Also ih möchte ins Gedächtniß des hohen Hauses zurückrufen,

daß im vorigen Jahre und in diesem Jahre eine wahre Fluth von Petitionen von Grund und Hausbesizern an dieses hohe Haus ge- langt ift, die in ihrer Fassung zum theil so weit über das Er- laubte hinausgingen, daß das geflügelte Wort von der gemein- gefährlihen Agitation der Grund- und Hausbesizer aufkam.

Das ijt also etwas ganz Anderes, als wenn ih selbst diese Agitation als gemeingefährlih bezeichnet hätte. Abg. Knebel (nl.): Es bestehen Ungerechtigkeiten in der Steuer- vertheilung, aber die Zeit ift zu kurz seit dem Inkrafttreten der Re-

es als haß man zu einer Aenderung {hon jeßt kommen könnte. esonders -bedenklih ift, daß die Gebäudefteuer viermal so hoch ift

als die Gewerbefteuer, und daß trogdem beide zu gleihen Sägen

ecingebraht, nah welhem die Realsteuern die Ausgaben decken follen, -

seien.

herangezogen werden. Der Betrag der Grundsteuer gebt fo 409% des Einkommens. Die kleinen Grundbesißer müsen aer dis Steuern zahlen, die kleinen Gewerbetreibenden unter 1500 4 Eis; kommen find steuerfrei, troßdem gerade der Gewerbebetrieb die Gemeinde. [asten steigert. In Köln sind die fteuerfähigsten Leute dur die Reform ‘entlastet worden um 51 000 (4; das sollte doch nicht eine Folge der Reform sein.

Geheimer Ober-Regierungs-Rath Noell: 400 °% Zuschläge zur Einkommensteuer sind in manchen rheinischen Gemeinden früher erhoben worden; aber heute könnte keine Gemeinde das wagen ohne daf die reisten Steuerzahler ihr den Rücken kehrten. Der Autias Weyerbush entlastet die Realsteuern unbedingt. Der An.

rag spricht von Aufwendungen, die erkennbar dem Grundbesiß zum Bortheil gereichen, während das Wort „erkennbar“ im Gefeß nicht steht. Man foll dem Grundbesig die Vortheile auf Heller und Pfennig vorrechnen können und alles freie Ermessen foll aus. geshlossen werden. Der § 55 ift nicht fo zu verstehen, daß nur die- A Aufwendungen dur Nealsteuern gedeckt werden follen, die

em Grundbesiß zu gute kommen, sondern dahin, daß zur Schonung der Einkommensteuer auf Gtund solcher Aufwendungen die Realsteuern höher belastet werden sollen, Man muß voraus. seßen, daß die genehmigende Behörde weiß, worum es stich handelt. Die e N enthält allerdings Fälle, in denen die Ge, nehmigung niht versagt werden kann. So präzise kann man in dieser Materie die Bestimmungen nicht treffen, sondern man muß einen Spielraum lassen. Der Antrag Bachem übersieht, daß die Minister des Innern und der Finanzen einer Erhöhung der Einkommensteuer, zuschläge über 1000%/% Hinaus zuzustimmen haben; wenn die Ge- nehmigung der unteren Behörden festgelegt ist, dann ist noch nit die Zustimmung der Minister ertheilt. Die 400 und 6000/, Grundsteuer in den rheinischen Landgemeinden belasten nicht, wie ih aus e'‘gener Erfahrung als Mitglied der Koblenzer Regierung weiß. Denn die Grundsteuer is dort sehr niedrig, und Zuschläge zur Einkommensteuer wollen die Landgemeinden niht. Die Städte mit mehr als 10 000 Einwohnern haben meist unter 100% Einkommensteuer, und nur 224 Gemeinden unter 10 000 Einwohnern haben mehr als -1500/. Charlottenburg kann keine höheren Steern erheben als Berlin, wenn es nicht einen Abzug von Bewohnern befürchten will. Die Vorortsgemeinden Berlins fuchen sh in niedrigen Einkommensteuersäßen zu unter, bieten Die Stadt Grabow bei Stettin mußte au auf Stettin Rücksicht nehmen, troßdem die Gebäudewerthe gesunken waren. Denn bei hohen Einkommensteuerzuschlägen wird es nicht gelingen, leere Miethswohnungen zu bevölkern. Berlin, Köln, Frankfurt a, M., Vannover, Charlottenburg, Aachen, Wiesbaden, Cen Münster, Bielefeld, Dönabrück erheben weniger als 1000/4 Einkommensteuer und gehen offensihtliGß darauf hinaus, dadur die steuerkräftigen Elemente zu sich beranzuziehen. Jn Gevelsberg wolite man die Nealfieuern unter keinen Umständen erhöhen; man dachte, daß die übergeordneten Behörden si den städtischen Beshlüssen fügen müßten, Es war nicht ganz konsequent, wenn Herr von Eynern es tadelte, daß den Gevelsbergern die indirekten Steuern nahegelegt wurden, während er selbst die Einführung indirekter Steuern empfiehlt. Im Reichstage wurde die Weinsteuer abgelehnt, weil sie mit der Biersteuer im Zufammenhange steht. Gegenüber Herrn Abg. Knebel möchte ih feststellen, daß die Gewerbetreibenden nicht zu niedrig. fondern son etwas über Gebühr herangezogen sind, namentli dur die besonderen Gewerbesteuern in Westfalen. Die Zeit der Geltung des Kommunal- abgabengesetzes ist zu kurz, um eine solche grundstürzende Aenderung herbeizuführen. Freilih darf man bei dieser Frage nicht an die Hausbesizer denken, welche ihr Haus bald wieder verkaufen möchten und die unter der Last der Hypotheken seufzen, sondern an die, welche ihre Häuser dauernd besitzen.

__ Abg. Herold (Zentr.) tadelt das Bestreben der Behörden, die Einkommensteuer zu entlaften auf Kosten der Erhöhung der Real- steuern; anderweitige Beschlüsse werden gar niht genehmigt. Die Gemeinden follten aber bei ihren Anshauungen bleiben und sie bis in die höchsten Instanzen verfehten. Redner fordert eine Aenderung der Vorschriften über die Genehmigung der Gemeindebeshlüfse in Steuer- sachen, damit die Selbftverwaltung zu ihrem Rechte komme.

Abg. Gerlich (fr, kons.): Es haben nur Vertreter des Westens und der Städte gesprohen; auf dem Lande im Osten haben si auch ähnliche Mißstände herausgestellt bezüglich des Verhältnisses der Einkommensteuer zu den Realsteuern. Die \{chöône Theorie von der übergeordneten und der untergeordneten Behörde führt {ließli zu dem s{chöônen Grundsaße: Der Bien muß! Dann haben die Gemeinden keinen eigenen Willen mehr. Die Erörterungen haben gezeigt, daß eine Kommissionsberathung \ich als nothwendig ergeben hat.

_ Geheimer Finanz-Nath Struß: Bezüglich der Frage, ob die Reform der Steuern die Absiht hatte, den Gemeinden die Real- steuern vorzugsweise zu überlassen, verweise ich auf die früheren Verhandlungen, in denen die Eingaben der Hausbesizer dur Uebergang zur Tagesordnung erledigt wurden. Das Ober - Verwaltungé- geriht hat die Auffassung der Regierung durchaus bestätigt. Die Entrüstung der Hausbesißer richtete fh nun vom Finanz- Mirvister auf das Ober - Verwaltungsgeriht. Wenn die Real- stenern nur nach dem Antrage Mies - Bachem erhoben werden sollen, wie sollen die Gemeindeauêgaben denn gedeckt werden in kleinen Gemeinden, wo fast nur fingierte Steuersäße veranlagt werden? Die Schullasten würden dann einfach die Gemeinden todt- shlagen. § 54 beruht auf einem Kompromiß und bildete für die Regierung die äußerste Grenze, bis zu welcher sie gehen konnte. Daran wird auch eine erneute Berathung wohl nihts ändern. Bet jeder Umgestaltung von Steuern ergeben sich Mißstände; aber nach fo kurzer Zeit kann man das Gesetz d nicht ändern. i

Abg. von Eynern (nl.) bleibt dabei, daß die Gemeinden, namentlich die kleinen, troy der Steuerreform sehr hoch belastet Der Antrag Weyerbusch möge den Hausbesizern einzelner großen Städte Nußen bringen. Aber es liege {hon eine Petition des Vereins Berliner Wohnungêmiether vor, den Antrag abzulehnen. Die Bestrebungen der Hausbesitzer seien ganz unberechtiot, denn ihre Steuern wälzten sie ja auf die Miether ab. Die Schwierigkeiten lägen hauptsächlich in den fleinen Gemeinden, und hier zu helfen, sei eine dankbarere Aufgabe, als die Berathung dieser Anträge.

__ Abg. Mies (Zentr.): Auf die Miether kann der Hausbesißer die Lasten nur abwälzen, wenn Wohnungsnoth vorhanden ift, nit, wenn die Wohnungen leer stehen. Daß die fteuerkräftigen Einwohner bei hohen Zuschlägen zur Einkommensteuer die Gemeinden verlassen würden, sei niht zu befürhten, wenn alle Gemeinden höhere Zu {läge als jeßt erheben müßten unter Entlastung der Realsteuern.

Geheimer Ober-Regierungs-Rath N o el l: Die Gemeinden sollen do nicht etwa zu hohen Einkommensteuern gezwungen werden ? Wenn man durch Realsteuern nur das deckt an Ausgaben, was in über- wiegendem Maße ‘dem Grundbesiß zu gute kommt, wie sollte man dann den Steuerbedarf der Gemeinden deen! ;

Abg. Dr. Bachem (Zentr.) führt aus, daß nach der Ausführungt- verordnung zum K. A.-G. die NRealsteuern nur zur Deckung von Ausgaben zu Gunsten des Grundbesitzes werwendet werden sollten nah dem Grundfay von Leistung und Gegenleistung. Jet hôre man davon uihts mehr, sondern nur von der Entlastung der Einkommet- steuer. Jede Abweichung davon werde verweigert. l __ Geheimer Ober-Regierungs-Rath No ell weist darauf hin, daß die allgemeinen Ausgaben vorzugsweise durh die Einkommensteuer gedeckt werden sollen; die Realsteuern könnten also dazu au heran- gezogen werden. Das ergebe die Ausführungsanweisung.

Damit schließt die Debatte. Die Anträge werden einer Kommission von 14 Mitgliedern Überwiesen, i Schluß 31/2 Uhr. Nächste Sißzung: Montag 11 Uyr. Cenerung des Saandertewerts zweite und drilte ung —, und erste Lesung der Stadt- und Landgemeind& ordnung für Hessen-Nafsau.)

Mies.Bachem entspriht niht der Technik des Gesetzes: er

Zweite Beilage

zum Deutschen Reichs-Anzeiger und Königlich Preußischen Staats-Anzeiger

M 296.

Berlin, Montag, den 14. Dezember

1896.

g I S E E E E E R I O O R R R E S E R

Statistik und Volkswirthschaft,

beschäftigungslosen Arbeitnehmer im Deutschen

Reich am 14, Juni und 2, Dezember 189 Aus dem dem Ergänzungsheft zum vierten Vierteljahrshe\t zur Statistik des Deutschen Reichs, Jahrgang 1896, beigegebenen umfang- reihen Tabellenwerk über die besbAtticuiaslofen Arbeitnehmer im Deutschen Reiche am 14. Juni und 2. Dezember 1895 theilen wir in Ergänzung unserer ausführlihen Mittheilung in Nr. 295 des „Reichs- und Staats-Anzeigers“ noch Folgendes mit:

1) Die angeblich Arbeitslosen aus\{hließlich der wegen vorübergehender Arbeitsunfähigkeit (Krankheit u. dergl) Beschäftigungslosen, also die eigentlich A rbeits- losen, bezifferten fh in den Berufsabtheilungen :

im Juni A. Landwirthschaft, Gärtnerei | männl.

Die

im Dezember 75 123 87 349 162 472 248 831 25 794 274 625 37 141 4 853 41 994 34 305 34 118 68 423 4 617 1 509 n ; *c43 i 4000 A, bis E. Bes(äftigungslose / , 9 09: Arbeitnehmer im Ganzen auf l r A a au I 2) Die gleiche Kategorie der angebli ch Arbeitslosen

vertheilte ih auf die Staaten uud Landestheile, männliche und weibliche zusammengenommen, wie folgt :

12 478 und Thierzucht, Forstwirth- { weibl, 6 726 haft und Fischerei auf

zuf. 19 204 B, eau und Hüttenwesen,

männl. 82879 Industrie und Bauwesen auf weibl. 14 907

zus. 97 782 männl. 22 451 weibl. 3 729 zuf. 26 180

D. Häuslihe Dienste (ein\chL. s männl. 11 654 persönlicher Bedienung), auch 7 weibl. 19 253 Lohnarbeit wechf. Art u. \. w. l zus. 30 907

E. Staats-, Gemeinde-, Kirchen- | männl. 3279

dienst, freie Berufsarten auf S e

132 737

C, Handel und Verkehr auf

männl.

im Dezember 28 027 29 290 36 889 50 779 20 465 35 564 66 194 36 640 17 628 21 513 11 214

im Junt 5419 4 296

27 622 12818 5 122 4082 14 443 9 923 6738 6 349 4 291

Provinz Ostpreußen J Westpreußen Stadt Berlin

Schleswig-Holstein Hannover Westfalen Hessen-Nassau 5 279 23 023 t Rheinland 11 424 30 627 Hohenzollern 46 859

Königreich Preußen 117 852 408 703 Bayern rets des Rheins 9 279 29 834 Bayern links des Rheins 879 3 995 Königreich Bayern 10 158 33 829 Sachsen 20 381 28 254 Württemberg 2471 10 809 Baden 2 833 7414 Hef 2 053 4410 Mecklenburg-Schwerin 1399 5 635 Sachsen-Weimar 749 2748 Medcklenburg-Strelißz 190 1 249 Oldenburg 545 2 959 Braunsbweig 004 4 350 Sachsen-Meiningen 424 2 285 Sachsen-Altenburg 516 1 023 Sachsen-Coburg-Gotha 455 3175 Anhalt 919 3513 Schwarzburg-Nudolstadt 236 612 S{hwarzburg-Sondershausen 265 734 Waldeck 64 810 Reuß ältere Linie 129 349 Reuß jüngere Linie 393 933 Schaumburg-Lippe 24 17 Li 94 5 838 391 1280 112 2001 12 847 14 539 1 525 5 641

179 004 553 640.

g Elsaß-Lothringen Deut \ches Reich | Ó

3) Die gleihe Kategorie der angebli Arbeitslose vertheilte sich nach den Ortsgrößenklassen, wie folgt. Es entfielen :

im Dezember 348 490 88 349

im Juni 61 469

38 624 78911 116 801 zusammen 179 004 993 640 Von den 28 Grofstädten hatten angebli Arbeitslose, immer aus\{hließlich der Kranken, im Juni Königskerg 1986 (im Dezember 3927), Danzig 1176 (3209), Berlin 27 622 (36 889), Charlottenburg 979 (2124), Stettin 1203 (3042), Breslau 4232 (6874), Magdeburg 1640 (3823), Halle a. S. 1066 (1823), Altona 2605 (4398), Han- nover 1782 (3142), Dortmund 587 C Frankfurt a. M. 1811 (2942), Düsseldorf 853 (1813), Elberfeld 826 (1127), Barmen 623 (779), Krefeld 348 (779), Köln 1541 (3368), Aachen 449 (1326), München 2239 (4610), Nürnberg 658 (1054), Dresden 3190 (3700), Leipzig 6285 (4594), Chemniy 1386 (1343), Stuttgart 472 (1352), Braunschweig 622 (1720), Bremen 829 (1516), Hamburg 12 652 (13 838), Straßburg i. E. 249 (116 801). Die preußishen Sparkassen im Nehnungsjahr 1895 bezw. 1895/96. E Die vorläufigen Ergebnisse der preußishen Sparkassenstatistik lassen für das legte Rechnungsjahr ein Wachsthum der Sparkassen- einlagen erkennen, welches die günstigsten Ziffern der Vorjahre weit hinter fich läßt. Zu dem Bestande von 3999,16 Millionen Mark, welhen die 1495 in der Statistik berücksihtigten Kassen nah der „Stat. Korr.“ zu Beginn des Rechnungéjahres aufwiesen, kamen 112,82 Millionen Mark an zugeschriebenen Zinsen und 1134,81 an Neu- einlagen; nah Abzug von 901,55 Millionen Mark an Rückzahlungen blieb ein Bestand von 4345,24 Millionen, also ein Gesammtzuwachs der Einlagen um 346,08 Millionen und ein Uebershuß der Neus- einlagen über die Rückzahlungen von 233,26 Millionen. Selbst das Rechnungsjahr 1894 bezw. 1894/95, dessen Ergebnisse bis dahin die esten gewesen waren, hatté nur einen Gesammtübershuß von 249,56 Millionen und einen NVeberschuß der Neueinlagen von 145,66 Millionen aufgewiesen. Inwieweit diese außergewöhnliche unahme der Spareinlagen mit einem verbältnißmäßig hohen tand des Einlage-Zinsfuhes oder andern Ursahen als der Spar- fähigkeit und Sparlust der Bevölkerung in Zusammenhang gebracht

auf die Gemeinden

unter 10 000 Einwohner auf die Gemeinden

von 10—100 000 Einwohnern auf die Großstädte

werden kann, wird eine besondere Untersuchung zeigen. Dafür, daß die Anlage bei Sparkassen zur Zeit eine verhältnißmäßig vortheilhafte ift, spricht einmal der Rückgang ihrer Zinsübershüsse über die Einlagezinsen, der im Vorjahre noch 0,93, im Berichtsjahre nur 0,87 v. H. der zinsbar angelegten Sparkassengelder betrug, fodann aber auch die be- fonders starke Vermehrung der höheren Konten, von welchen in der Regel anzunehmen ist, daß sie nicht Ersparnisse des Berichtsjahres, fondern früher entstandene Kapitalien darstellen, welhe mit dem Ein- gange bei der Sparkasse lediglich ihren Anlageplaß wechseln. Es hat ch nämlich die Gesammtzahl der umlaufenden Sparkassenbücher im Berichtsjahre (im Vorjahre) um 348 884 (271 830), und zwar auf 6 876 221 Stück vermehrt. An diesem außerordentlich günstigen Er- gebnisse sind die einzelnen Kontenklassen in der Weise betheiligt, daß die Anzahl der Bücher U über über über über über 60 « 60 150 300 600 3000 über esti ift d bis bis bis bis bis 10000 G OER E 160 300 600. 9000 10000 M weniger 4 e K M 4,31 4,67 10,91 -- 7,99

um Hunderttheile 4,22 4,92 7,45 sodaß sie erreichte

Hunderttheile. 28,86 15,88 14,07 15,32 22,24 3,23 0,40 von dem Gesammtbestande der Bücher mit bekanntem Einlagebetrage. Indessen ist auch die Vermehrung der kleinen Konten sehr \tark, etwa viermal fo stark wie der regelmäßige Bevölkerungszuwachs.

In allen Provinzen waren {hon die Neueinlagen allein erheblich größer als die Rückzahlungen ; die großen Unterschiede der Sparkassen- bestände haben sich im wesentlihen erhalten. Es entfielen von den Einlagen Me Auel

Millionen Hundert-

auf Mark theile auf Mark theile Ostpreußen 84,62 1,95 Sachsen . . 472,09 10,86 Westpreußen 77,29 1,78 Schl.-Holstein 457,06 10,52 Werl: 1 LOL4L 4,41 ove 577,92 13,30 Brandenburg 8301,82 6,95 eftfalen . 700,88 16,13 Pommern 202,25 4,65 Hefsen-Nafsau 202,12 4,65 Posen . 68,59 1,58 Rheinland . 631,99 14,54 Shlesien . 363,73 837 Hohenzollern 13,46 0,31.

Da außer den Einlagen noch MNeservefonds in Höhe von 310,29 Millionen Mark fowie einige kleinere Fonds vorhanden waren, überstieg die Gesammtsumme der zinsbar angelegten Kapitalien den Einlagebestand noch erheblich; fe erreihte 4542,22 Millionen Mark. Die preußishen Sparkassen gehören also auch als Kreditanstalten bereits zu den bedeutsamsten Einrichtungen unseres Gemeinwesens und umfassen einen beahtenswerthen Bruchtheil des preußishen Volks- vermögens, welhes chäßung8weise bekanntlich auf 70 bis 80 Milliarden Mark beziffert worden ist.

Zur Arbeiterbewegung.

Aus Hamburg berichtet . das „Wolff {he Bureau" zum Aus- stande der Hafen- und anderen Arbeiter: In einer Versamm- lung der Ausständigen wurde eine Resolution angenommen, in welcher erklärt wird, die Arbeiter seien troy der ablehnenden Ss des Arbeitgeber - Verbandes bereit, die Hand zum

rieden zu bieten Um zu verhüten, daß die Zusammenseßung des Schiedsgerichts auf einer der beiden Seiten Bedenken verurfache, sprechen die Arbeiter den Wunsch aus, daß der Hamburger Senat, wenn er der allgemeinen Anregung aus allen Kreifen der Bevölkerung, die Vermittelung zu übernehmen, Tae giebt, dur eine in Gegen- wart von Vertretern des Senats erfolgende vorherige Besprehung von Vertretern der Arbeitgeber und Arbeitnehmer über die Zusammenseßung des Schiedsgerichts und über die Voraus}eßung für die Gültigkeit der Beschlüsse eine Verständigung herbeiführen möge. Die Arbeiter betonen ausdrüdcklich, es handele si für sie niht um eine Machtfrage, sondern einzig und allein um eine Regelung der Lohn- und Arkbeits- verhältnisse. Sie weisen entschieden die Behauptung zurück, daß sie, wenn ein ehrenvoller Friede geschlossen sei, hon in fürzester Frist in einen neuen Ausstand eintreten würden. Die Arbeiter wünschten einen dauernden Frieden, gegründet auf die Berücksichtigung der beider- seitigen Interessen, und erklären sich ausdrüctlich bereit, falls die Zwistigkeiten dur ein Schiedsgericht geschlichtet werden follten, ein aus Vertretern der Organisation der Arbeitgeber und Arbeitnehmer zusammengeseßtes Einigungsamt als dauernde Einrichtung an- zuregen, um Shädigungen, wie den gegenwärtigen, Tünftig vorzubeugen. Die Ausständigen stimmten dem VBor- schlage des Ausstandsaus\chusses zu, die Unterstühung um 1 ä zu erhöhen. Einhundertacht engli} che Dodckarbeiter find am Sonnabend in Hamburg angekommen. In 37 Stauerei- betrieben arbeiteten am Freitag 2352 Arbeiter, während unter gewöhnlihen Verhältnissen 3307 Leute erforderlich gewesen wären. Die Belästigungen der Arbeiter durch die Ausf\tän- digen nehmen einen ernsteren Charakter Freitag Abend überfielen die Ausständigen 30 aus Magdeburg angekommene Arbeiter am Berliner Bahnhof,, als diese nah dem Hafen gebracht werden follten, und rissen sie vom Wagen. Schußleute zogen blank und säuberten den Play. Mehrere Personen wurden verwoundet und die Rädelsführer verhaftet. :

Aus Hanau wird der „Frkf. Ztg.“ gemeldet, daß in den dortigen Diamantschleifereien mit Ausnahme von dreien die Arbeiter am Sonnabend in den Ausftand traten. N dazu gab ein von den Arbeitgebern vorgelegter herabgeseßter Lohntarif. (Vgl. Nr. 286 d. Bl.) i l L: i :

Aus Amsterdam wird der „Köln. Ztg." geschrieben : Da in den Kreisen der Juweliere und Diamantenhändler Amsterdams ein allgemeiner Arbeiterausstand in diesen Geshäftszweigen befürchtet wird, war auf Freitag Mittag eine Versammlung von etwa hundert Arbeitgebern einberufen worden, in welcher eine Resolution ange- nommen wurde, die zunächst auf sechs8 Monate den Abschluß folgender Uebereinkunft bezweckt: Die Arbeitgeber sind verpflichtet, 1) die bisher bezahlten Tarife und Löhne aufrecht zu erhalten; 2) im Falle eines Ausstandes, der niht dur eine Herabseßung der Löhne ver- ursaht würde, während der ganzen Dauer des Ausstandes alle Mit-

lieder einer Arbeitervereinigung auszusperren, die einen Ausstand Pervotateufen, ihn begünstigt oder sih ihm angeschlossen haben. Die Leitung der drei Hauptverbände der Arbeitgeber wurden mit der Aus- führung und der Aufrehterhaltung der Uebereinkunft beauftragt, die fast von allen Theilnehmern der Versammlung unterzeihnet wurde.

Kunst und Wissenschaft.

Nichard Wagner-Werk. Ein Bildercyclus von Ferdinand Leeke. Vir leiteudee Text von Franz Muncker. Neue Folge. München, Franz Hanfstängl, Königlich bayerische Hof-Kunstanstalt. Sn Original-Einband Preis 45 # Dem ersten Bande dieses schönen Werks, welches die Hauptscenen aus dem „Fliegenden Holländer j

Tannhäuser“, „Lohengrin“ und dem „Nibelungen- Cyclus“ ver- anschaulichte, folgt hier ein zweiter Band mit Blättern, welche die prägnantesten Vorgänge aus den Musikdramen gAEM „und Jiolde

Parsifal* und „Die Meistersinger von Nürnberg“ künstleris. festhalten. Aus dem erstgenannten Drama, das die wunderbare Mach dex Liebe schildert, sind drei Scenen gewählt: Triftan mit Isolde, den

Millionen Hundert-

an. Am

k Brangänen?'s trinkend, aus dem ersten Aufzug; aus dem Dan era ie, bie Leuchte [öschend und dem Geliebten winkend,

sowie die Zusammenkunft der Lebenden im Garten; aus dem dritten Aufzuge: des siechen, auf das Lager gestreckten Tristan Fluch über den furhtbaren Lrank und der ershütternde Liebestod. Die Reihe der Bilder aus dem „Parsifal*“, dem SŸhwanen- sange des Meisters, eröffnen die Beshwörung Kundry?!s dur den Zauberer Klingsor und die Scene Parsifal!s mit Kundry, der „Höllenrose“ im Zaubergarten ; dann folgt die Taufe der Lehteren dur Parsifal und die gewaltige eindrucks- volle Scene der Erhebung des erlösenden Gral - Heiligthums. Den Beschluß der Bilderserie machen sech8s Blätter zu den „Meister- singern von Nürnberg". Für diese sind gewählt: aus dem ersten Aufzuge Evchen's Begegnung mit Walther von Stolzing in der Kirche und der Probegesang des leßteren vor den Meister- singern; aus dem zweiten Aufzuge: die Begrüßung des Hans Sachs durch Eva und Beckmesser's Ständchen, endlich die Zusammenkunft der beiden Liebenden in der Werkstatt des Hans Sachs und die Preiskrönung Walther's durch Eva auf der Iohannis-Festwiese. Sämmtliche Blätter sind nah den Original- kompositionen in Kupferäßung vorzügli auëgeführt und je nah der Gefammtstimmung verschiedenfarbig zart getönt. Der von Franz Munter verfaßte Text giebt weniger eine Erläuterung zu den einzelnen Bildern, als einen Kommentar zu dem. gesammten Kunstichaffen Richard Wagners und den Gedanken, die ihn dabei leiteten, wobei die in dem vorliegen- den Bande behandelten Musikdramen in ihrem Wesen und ihrer Bedeutung speziell beleuhtet werden. Auch dieser zweite Band wird allen Verehrern des unsterblihen Meisters und feiner herrlichen Werke ebensoviele Freude bereiten wie der erste. Unter den diesjährigen i aben gehört er jedenfalls zu den glänzendsten und werth- vollsten.

Aus demselben Kunstverlage von Franz Haynfstängl in München liegt ferner ein {önes photographishes Blatt vor, welches ein bisher in der Oeffentlichkeit niht bekanntes Bildniß der Königin Luise wiedergiebt. Dieses Porträt (Brustbild), dessen Original fich im Besitze Ihrer Majestät der Kaiserin und Königin Friedrich be- findet, stellt die unvergcßliße Monarhin, die Mutter Kaiser Wil- helm's des Großen, in noch fast mädchenhaft zarter Er- scheinung dar. Das lieblihe, von reihen Locken umrahmte Gesicht mit den }prehenden Augen ist dem Beschauer zugewendet; das einfache, duftige Kostüm zeigt die antikisierende Mode der da- maligen Zeit und läßt den s{lanken, {chmudcklosen Hals frei. Als Maler des Porträts wird auf dem Blatte C. Tischbein genannt, also ein Mitglied jener weit verzweigten Künstlerfamilie, deren Signatur zahlreihe Bildnisse hohstehender und berühmter Persönlichkeiten des vorigen und aus dem Anfange dieses Jahrhunderts tragen. Die Sorgsamkeit, mit welcher die Hanfstängl’she Anstalt bei der Re- produktion von Kunstwerken ftets verfährt, giebt die Gewiß- heit, daß das Originalgemälde mit allen Feinheiten der Jncarnation und der sonstigen malerischen Qualitäten in der einfarbigen Scala der Tône getreu wiedergegeben ist. Soviele Porträts von der Königin Luise, deren Schönheit und Güte so hoch und mit Recht gerühmt worden, bereits bekannt find, es kann |ch do bisher kaum eines an Liebreiz und Anmuth mit dem oben erwähnten messen. Das- selbe erscheint gerade zur rehten Zeit, da sih alles für die Jubel- feier des 22. März 1897 rüstet, und i} in dieser photographischen Ausgabe je nah der Größe des Formats für 18, 7,50, 4, 3 und 1 M, fowie ferner als Gravüre zum Preise von 15 Æ von dem genannten Verlage sowie durch alle Kunfthandlungen zu beziehen.

Literatur.

f. Die deutsche Kaiseridee in Prophetie und Sage. Von Dr. F. Kampers. München, H. Lüneburg, 1896. Pr. 5 #4 In der Einleitung dieses Buches wird dargelegt, daß sh bei allen Völkern der Welt Sagen finden, die von einem goldenen Zeitalter, einer Gpoche ewigen Friedens und vollendeter Glüseligkeit berihten, und cbenso Prophezeiungen, die die Wiederherstellung dieses Glückes dur einen großen Helden oder Befreier verheißen. Naturgemäß treten diese Zukunftshoffnungen immer am stärksten in Zeiten der Trübsal und Bedrängniß auf, und mit Vorliebe knüpfen sie an große geshihtliche Persönlichkeiten an. Auf dieser Grundlage untersucht nun der Verfaffer die deutshe Kaisersage, die tn der Kyffhäuserlegende ihre voetischste Form (en hat, und stellt fest, daß das ganze Mittelalter hindurch Hoffnungen auf das Ers(einer eines solhen Messias gehegt wurden, als den man bald Karl den Großen, bald Otto 1, bald einen der Hohenstausen ansah. Die Sagen erfüllen sich mit nationaldeutshen oder impe- rialistischen oder flerikalen oder antipäpstlicjen Gedanken; je nah der Lage der politischen, kirhlihen und sozialen Verhältnisse ändern sich die Wünsche, deren Erfüllung man von dem kommenden oder wieder- er)cheinenden Helden erwartet. Das Werk behandelt den Gegenstand sehr gründlich und sei daher allen, die ih für den Sra iuteressieren, als fleißige, ershöpfende Darstellung dieses Themas

empfohlen.

v Freun ide Feldherren und Helden. Als Beitrag zur vaterländischen Geschihte von Wilhelm Bußler. 4. Band. Gotha, Schlößmaun, 1896. Preis 3.4 Diefe Sammlung „kurz-

efaßter Lebensbilder |ämmtliher Heerführer, deren Namen preußische

Megimenter tragen“, behandelt im vorliegenden Bande die Namen: Prinz August von Preußen, von Podbielski, von Peucker, von Holgen- dorf, von Scharnhorst, von Clausewiß, von Linger, von Hindersin, Ende, von Dieékau, Fürst Radziwill, von Rauh. Das Buch will keine ershöpfenden Biographien dieser Generale bringen, sondern nur furze Skizzen ihres militärischen Lebens und ihrer Verdienste, die die Persönlichkeit des Einzelnen in den Hauptcharakterzügen erkennen lassen. Die Erzählung ist im allgemeinen zutreffend, nur hätte hier und da der Stil etwas sorgfältiger gefeilt werden können.

ff. Die Schihreckenstage von Saalfeld und der Helden- tod des Prinzen Ludwig Ferdinand von Preußen. Von B. E. König. Meiningen Sanakans und Korigzer, 1896. Pr. 1 #6 Dieses Büchlein giebt nicht eine zusammhängende Darstellung des Treffens von Saalfeld, sondern es behandelt nach einer kurzen Ueber-

cht über das Gefeht nur einige Momente und stellt insbesondere die Berichte über den Tod des Prinzen Ludwig Ferdinand zusammen. Es geht daraus hervor, daß der Prinz im Kampfe mit einem franzö- fischen Segae gelallen ist. Das Buch ist mit einigen hübschen

[lustrationen geshmüdckt. : 2 p Men ex Lausivis@es Magazin. 72. Band, 1. Görliß, H. Tzschaschel, 1896. In dem vorliegenden Heft schildert Hermann Seeliger die Geschichte des Oberlaufißer Sechsstädtebünd- nisses während der Zeit von 1346 bis 1437. Da die Krone Böhmen, zu der die Oberlausiß gehörte, niht im tande war, für Ruhe und Sicherheit zu sorgen, so thaten sich die Städte Görliß, Lauban, Zittau, Baußen, Löbau, Kamenz a rew um sih in der Abwehr

eden Friedensbruches und der Ver oigura von Verbrechern zu unter- Lagen, Der Bund wurde in jener Gegend bald ein wichtiger Faktor, und nicht nur dec räuberishe Kleinadel hatte ihn zu für fondern auch mächtige ¿wb wie die benachbarten

rafen von Meißen und Mähren, hatten mit ihm ju renen.

jelbe Thema behandelt P. Arras, der eine Anzabl Negesten aus Bauyener Raths- Archiv, die sich au die sechs Städte

fammenstellt. Einen wiayigen wirths{aftsge]chichtlichen *

rührt Hermann Knothe, nämlich die Aufkaufung von Bauer

Rittergutsbesizer. Die Bauern der Lausitz, ursprünglich