1915 / 300 p. 7 (Deutscher Reichsanzeiger, Tue, 21 Dec 1915 18:00:01 GMT) scan diff

{Sehr richtig! rets.) Aus den Ausführungen des Herrn Abg. Hoch konnte der Eindruck entstehen, als ob ih mi dahin ausgesprochen Hätte, daß während des Krieges die notwendigsten Lebens- und Unter- baltungsmittel des Volkes durch indirekte Steuern belastet werden sellten. Mit keinem Wort habe ich davon gesprochen. J stelle fest, daß die einzige von den Steuern, von der bisher feststeht, daß sie im Reich kommen soll, die sogenannte Kriegsgewinnsteuer ist, die im wesentlicken nichts anders bedeutet, auf Grund des von mir bier miederholt entwidelten Programmes, als eine außerordentlich erweiterte und verstärkte NReichsvermögens- zuwachssteuer, also eine Besißsteuer kat? exochen, eine Besitz- steuer, wie sie in keinem der Länder, mit denen wir uns im Krieg befinden, in dieser Ausdehnung bisher angeregt oder durchgeführt worden ift. Dies will ih also hier ausdrücklih feststellen, daß von den Steuern, die kommen werden, eine ganz gewaltige und ausgedehnte direkte Steuer, eine Besißsteuer die einzige ist, die heute {on konfret vor uns steht. Was das übrige anlangt, so ist es sicher, daß wir während sowohl des Krieges, als auch nah dem Kriege nicht mit einer einzigen Steuerquelle die Geldbedürfnisse werden befriedi- gen, die befriedigt werden müssen. Ich habe auch zu den deutschen Arbeitern, die zum Teil während des Krieges doch auch ihr Lohn- verhältnis verbessert haben, das Vertrauen, das der Herr Abg. Hoch nicht zu haben scheint, daß sie sih diefer Staatsnotwendigkeit nicht entziehen werden, und daß sie ebenso wie im Schüßengraben nében ibrem Unteroffizier oder Leutnant fo auh auf dem finan- ziellen Gebiete mit uns fämpfen werden, wenn es gilt, das Vater- land zu erhalten. (Bravo! rechts.)

Die Versicherung kann ih Jhnen geben, daß wir an eine Ver- teuerung der notwendigsten Lebensmittel des Volkes während des Krieges ganz gewiß nicht herantreten werden. So klug sind wir ja von selb (Heiterkeit), daß wir dies nicht tun, daß wir auf diese Meise uns nit die Grundlage für das Durcbhalten unmöglich machen. Was haben wir denn getan, Herr Abg. Hoch, während des Krieges? Wir haben gerade diejenigen Abgaben, die den Unterhalt des armen Mannes belasten, den Zoll auf Getreide usw., aufgehoben und aus der Welt geschafft (Sehr richtig! rechts), aber keine neuen Lasten geschaffen.

Nun aber, da immer wieder die Berufung auf England kommt (Abg. Hoch: Habe ih nmcht getan!) wenn Sie es nicht getan haben, dann hat es dort Jhr Kollege Herr Dr. David getan —, hat denn England etwa nur direkte Steuern eingeführt? In England ist doch gerade von den Arbeiterführern der englischen Regierung der Vorwurf gemabt worden, daß sie den Frühstückstish und den Unter- balt des armen Mannes in einer bisher als ganz unerhört geltenden Weise belastet hat. Sie hat bei ihrer Steuer im November vorigen Jahres den Tee getroffen, der in England doch im wesentlichen die Stelle des Kaffées bei uns einnimmt. Sie hat außerdem das Bier besteuert, mit Säßen, die nach unseren Vorstellungen geradezu Pphantastisch sind, Bei den Steuervorlagen, die jeßt vorliegen und jeßt drüben angenommen werden, wird der Zucker mit ganz außer- ordentlih hohen Steuersäßen getroffen, obwohl er ohnedies in Eng- land im Preise in die Höhe gegangen ist. Die neue Vorlage hat den Tee noch einmal belastet, ebenso den Kakao, Kaffee, Kaffeeersaßmittel, gztroÆnete Früchte, Marmelade und ähnliche Dinge. Ja, meine Herren, das sind doch Verbrauchssteuern! Auch England, das, wie ich anerkenne, die direkten Steuern während des Krieges în so großem Umfange herangeholt hat, hat also geglaubt, mit den direkten Steuern allein niht auskommen zu können, fondern hat Kriegslasten, in einem Umfang, wie wir es hoffentlih vermeiden können, auf die Schultern des armen Mannes gelegt.

Also, meine Herren, tragen auch Sie keine Beunruhigung hinaus! (Sehr richtig! reckts.) Wo Sie Ihren Einfluß ausüben können, sorgen Sie dafür, daß unsere Bevölkerung sih von unserer Situation Rechenschaft gibt (Sehr richtig), und sorgen Sie dafür, daß man draußen in der Oeffentlichkeit dem, was wir Ihnen bringen werden, und wovon als einziges bisher eine direkte Steuer feststeht, ein unbe- fangenes und ruhiges Urteil entgegenbringt! Dann werden Sie dem Lande einen Dienst erweisen. (Lebhafter Beifall rechts, in der Mitte und links.) ,

Aba. Graf von Westarp (dkons.): Die Frage, wie der übermäßige und unlautere Gewinn in Anspruch genommen werden soll, ift durchaus nicht leiht lösbar; wir werden abzuwarten haben, was die Regierung uns bringt, aber von Anfang an muß der Ge- fihtspunkt in den Vordergrund gestellt werden, der auch bei der Aus- arbeitung der Geseße niht unberücfsihtigt bleiben darf, daß wir alles vermeiden müssen, was den Eindruck hervorrufen könnte, als wollten wir gegen Industrie, Handel und Landwirtschaft Vorwürfe erheben. Ich meine vielmehr, daß das Unternehmertum in der Industrie und Landwirtschaft und auch im Handel sih ungeheure Verdienste in der Kriegszeit erworben hat. Die Verdienste beruhten zum großen Teil darauf, daß mit großer organisatorisher Kraft und Entschlossenheit allerlei Betriebe auf die Bedürfnisse des Krieges eingerichtet worden sind. Neben Gewandtheit gehört dazu aber auch Unternehmungsgeist. (s wurde mit Recht darauf hingewiesen, daß man nicht jeden hohen Preis als übermäßig bezeichnen kann. Wenn es gelang, einige Preise allmählich herabzumindern, so ift das erfreulich. Aber man darf keineswegs daraus \chließen, daß die früheren Preise übermäßig hoch waren. Man darf nicht vergessen, daß in vielen Betrieben plößlich ganz andere Gegenstände hergestellt werden mußten, als worauf fie eingerichtet waren, deshalb mußten allerlei Neubauten, Neuanschaffun- gen usw. vorgenommen werden. Dann darf man aber auch nicht yer- gessen, daß es fraglich ist, inwieweit diese Neueinrichtungen noch nach dem Kriege nußbar gemacht werden können. Bei dem Geseh ist eine große Gefahr vorhanden, nämli, daß dadurch ein Angebertum übler Art hervoraecrufen wird. Auf keinen Fall darf der Ünternehmer- geist, der in: diesem Kriege so großes geleistet hat, lahmgelegt werden.

Abg. Lie. Mu mm (wirth. Vagg.): Mit Recht ist von einer eisernen Zeit gesprochen worden, die über ganz Europa gekommen ist. Von ihr werden die Unterlegenen mehr zu leiden haben. Wir werden auf jeden Fall in die Lage kommen, durchzuhalten und auszuhalten. Das Wort, der Unternehmergeist dürfe nicht gestört werden, kann ih nicht gelten lassen. Jch glaube auch nicht, daß na diefer Richtung irgendeine ‘Gefahr vorliégt, denn es is doch nmcht richtig, ih wahrend : des Krieges zu bereihern. Jeder muß damit zufrieden sein, wenn sein Besiß unangetastet bleibt. Deshalb babe ih in der Kommission den Antrag eingebracht, den Be- trag auf 75 % zu erhöhen. Man war anscheinend der Ansicht, dadur den Kaufmanknösstand zu sehr zu belasten. Aber nach meiner Ansicht be- steht in unserer Kaufmannschaft ein- derartiger Geist, daß man 1hr diele Belastungéprobe ruhig hätte zumuten dürfen. Jn Betracht zu zieben is auch der Umstand, daß hier bei der Preisbemessung eventuelle MNerluste turch Nichtbezablung der Waren ausgeschlossen sind. Han- delte si toch um den denkbar sichersten Abnehmer, um den Staat. Wir dürfen auch nicht vergessen, daß jede Besteuerung des Gutes, tie

wix auf uns nehmen, gering ist, gegenüber der Blutsteuer draußen in

ga engraden aan. det Ms, a nuna e ies Lan 0 A ias eri arti (U Î ai s A. E

_ Abg. Dr. David (Soz.): J wollie gegen die Zeichner der Kriegsanlethe keinen Vorwurf erbeben, als ob sie aus unedlen Mo- tiven gehandelt hätten. “Jh nahm nur den kategoriscken Imperativ der Pflichterfüllung auch für die Hergabe von Geld und Gut ohne 9 % in Anspru. Die Einzelstaaten und Gemeinden erheben zwar Kriegésteuern, aber davon werden doch auch die kleinsten Leute be- troffen. Schwierigkeiten bei der Veranlagung eines neuen Wehr- beitrages balte ih für ausgeschlcssn., Gegenüber den Einwendungen, daß der Wehrbeitrag ja nur einmal erboben werden sollte, weise ih darauf hin, daß dies ja auch bei einem neuen Wehrbeitrag der Fall ist. Durch Belastung des Konsums wird doch s{ließlih das Wirt- schaftsleben viel mehr gestört als durch direkte Steuern. Schlachten will ih die Henne nit, nur einige Federn soll sie lassen, Wir wollen thr gar nicht einmal alle Federn nehmen. Abg. H o ch (Soz.): Jb babe mich nur dagegen gewandt, daß der cbaßsetretär überhaupt kein Wort über die neuen Steuern gesprocen vat. Gehen die bürgerlichen Parteien jeßt auseinander, ohne unsere Fesolution oder eine ähnliche angencmmen zu haben, dann wird der chabsekretär für sih daraus das Recht ableiten, nun mit neuen in- direkten Steuern zu kommen, die das arbeitende Volk belasten. Das wollen wir verhindern. Der Schabsêkretär weiß doch aanz genau, daß der Ertrag der Neichskriegsgewinnsteuer gar nicht für das nachste Etatsjahr bestimmt ist. Die neuen Steuern, die uns für den Marz oder April angekündigt werden, baben mit dieser Steuer gar nichts zu tun. Wer l : den Arbeitern und dem Mittelstande, daß sie für die staatlichen Notwendigkeiten ein- treten werden, so ift darauf zu erwidern: Wo nichts i}, bat auch der | E tloren. Es wäre das \s{chlimmste Verbrechen an fen Klassen und am lande überhaupt, wenn nah dem Kriege uern besclcssen werden, welcke die große Masse noch mehr be Wenn wir das Vo!k beruhigen wollen, so muß uns doch der Schaßsekretär erst dic Moglichkeit dazu geben. Aus seinem Verhalten aber muß ich die Befürchtung entnehmen, daß wir mit neuen in Steuern zu rechnen haben merden. Wir können das nicht täuschen. Beunrubigung tragen nicht wir, fondern | Bolf. Wenn Sie erklären, daß die neuen Lasten von den großen Ein- fommen und Vermögen getragen werden sollen, dann werden wir das

d wir sind verpflichtet, der Wahrheit die Ehre

Oh Ta Bater

dem Volke sagen, aber zu geben.

Stoatssekretär NReichsschaßamt3, Staatsminister Dr. Helfferich:

Meine Herren! Es bleibt also na den Ausführungen des Herrn Abg. Hoch dabei, daß ich derjenige bin, der Beunruhigung in das deutsche Volk hineinträgt (Zurufe von den Sozialdemokraten.) Be- unruhigung in das deutshe Volk hineinträgt, weil ih gesagt habe: die einzige Steuer, von der heute bereits feststeht und in Jhrer Kenntnis steht, daß sie kommen wird, ist eine Besißsteuer, und zwar eine sehr dicke Besißsteuer. Meine Herren, ih verwetle bei diesem Punkt einen Augenblick. Die Säße, wie sie jeßt beim provisorischen Gesecß schon vorgesehen sind, und die Säße, über die wir uns in der Kommission wenigstens andeutungésweise unterhalten haben, sind in der Tat solche, daß hier auf den Vermögenszuwachs, und zwar einerlei, ob er durch den Krieg oder troß des Krieges entstanden ift, eine kolossale Belastung gelegt wird, wie sie ich wiederhole das in dieser Allgemeinheit und Ausdehnung in keinem Lande bisher als Kriegsgewinnsteuer beschlossen worden ist. (Lebhafte Zustimmung.) Das ift das einzige, was beute feststeht.

Im übrigen, Herr Abgeordneter, mit keinen Mitteln Jhrer Veberredungsfunst werden Sic mich dazu bringen (Heiterkeit und leb- hafter Beifall), daß ih dem Hause eine Vorlage unterbreite, über die die verbündeten Regierungen noh nicht beshlossen haben. Dazu habe 1ch kein Recht.

Wenn Sie nun hinausgehen, dann unterstreichen Sie bitte aber auch, daß ich gesagt habe: notwendige Lebensbedürfnisse des Volkes haben wir in diesem Kriege nicht belastet, sondern haben wir entlastet, und wir werden auch die notwendigsten Lebensbedürfnisse des Volkes weiterhin nicht belasten. (Sehr wahr!) Wenn Sie sich auf den Boden stellen wollen, daß jede indirekte Steuer und jede Verkehrs- steuer eine Belastung der breiten Massen i}, meine Herren, fo können wir auf dem Boden überhaupt nicht diskutieren. (Hört, hört! bei den Sozialdemokraten.) Es gibt sehr wohl Verkehrssteuern und indirekte Steuern, die nit in erster Linie die breiten Massen treffen, sondern diejenigen, die sih immerhin etwas über die breiten Massen berausheben. Aber ih kann in eine Diskussion über diese Dinge heute beim besten Willen nicht eintreten. (Sehr richtig! rets.) Ich glaube, das, was Sie heute bereits wissen, muß Ihnen genügen.

Nur in einem Punkte eine kleine Ergänzung mehr technischer Natur. Der Herr Abg. Dr. David sowohl wie der Herr Abg. Hoch waren der Meinung, daß deshalb, weil die Kriegsgewinnsteuer erst zum 31. Dezember des kommenden Jahres veranlagt werden soll, es unmöglich fet, aus dieser Gewinnsteuer irgendwelche Einnahmen für das Nechnungsjahr 1916/17 zu gewinnen. Jch mache darauf auf- mersam, meine Herren, ohne mich irgendwie festlegen zu wollen, daß der Wehrbeitrag mit dem Stichtag des 31. Dezember 1913 ver- anlagt worden ist, und daß troßdem das erste Drittel des Wehr- beitrages noch in den Etat des NRechnungsjahres 1913/14 eingestellt worden ist. Es wurde eine Bemerkung in dem Dispositiv gemacht, nach der diejenigen Beträge, die auf die erste Nate nah Schluß des Nechnungsjahres eingingen, auf das Rechnungsjahr verrechnet worden sind. Es steht also keineswegs fest, daß von dieser Steuer, von der ih doch boffe, daß sie bei der großen Vermögensverschiebung, die während des Krieges eingetreten ist, ansehnliche Beträge bringen wird, fo spurlos an dem Rechnungsjahr 1916/17 vorbeigehen wird.

Nun zum Schluß, meine Herren. Es handelt sih für mich nicht um Phrasen oder Nedensarten, sondern es handelt sih einfach darum, daß die Situation, in der wir heute stehen und kämpfen, es not- wendig macht, daß diese Dinge, von denen heute die Rede war, nicht mit aufgeregten Worten und niht im Geiste einer gegenwärtigen oder zukünftigen Agitation behandelt werden. (Sehr richtig! rets.) Es handelt sich darum, daß unserer Bevölkerung klar gemacht wird, wie groß die Ansprüche sein werden, die in finanzieller Beziehung an das Reich herantreten werden und daß es unmöglich sein wird, fo wenig wie in irgendeinem andern Lande, so wenig wie es auch in England möglich war, diese großen Ansprüche alle aus einer einzigen Steuerquelle zu befriedigen; daß wir es ferner nicht nur mit dem Neich zu tun haben, fondern au mit den Kommunen und mit den (Finzelstaaten (Sehr richtig! recchts),- und daß wir alle diese öffentlich rechtlichen Körperschaften, die zusammen mit dem Reich unser staat- liches Leben ausmachen, am Leben erhalten müssen auch über den Krieg hinaus im Frieden. (Sehr richtig! rechts.) Und darum muß ich die Herren bitten, die Vorlagen, die im März kommen werden ih bitte darum heute {on als ein Ganzes zu betrahten und fie in Zu- sammenhang zu seßen mit dem, was in Einzelstaaten und Kommunen geschieht oder bereits geshehen ist. Nur als Ganzes werden Sie diese Dinge würdigen und gerech{ beurteilen können; und ih nehme

an, die gerechte Beurteilung und Würdigung ist auch Ihr Wunsch vnd Ihr Interesse. (Lebhafter Beifall.)

_ Mg. Freiberr Heyl zu Herrnsheim (b. k. P.): Der Abg, David bat auch E Gingli mißverstanden. Von der sozi d

4 ç sozialdemo- kratisden Resolution habe id gar nit gesprohen. Was die Henne

betrifft, so werden, wenn man ihr so viel Federn âusrupft, daß sie nit mehr lebensfähig ist, den Schaden au die Arbeiter haben.

Damit {ließt die Generaldiskussion. S8 1 und 2 der Verlage gelangen nach den Kommissiensvorschlägen ein- stimmig zur Annahme.

Nach § 3 i} Geschäftsgewinn im Sinne dieses Geseßes der in einem Geschäftsjahre erziélte, nah den geseßlichen Vor schriften und den Grundsäßen ordnungsmäßiger kaufmännischer Buchführung berehneie Bilanzgewinn. Abschreibungen sind insoweit zu berücksichtigen, als sie einen angemessenen Aus- gleich der Wertverminderung darstellen.

Nach einer kurzen Auseinanderseßzung zwischen den Abgg. Schiffer (nl.) und Dr. dek um (Soz.) über die Möglichkeit der Rückwärtsrevision der Bilanz und über die Behandlung der stillen Reserven wird auch dieser Paragrapi) öngencmmen. Die S8 4 bis 7 werden nicht angefochten.

S 8 bestimmt:

Die Sonderrücklage it der freien Verfügung der Gesellschaften entzogen, getrennt von dem sonstigen Vermogen zu verwalten und in Schuldverschreibungen des Deutschen Reiches oder eines Bundes staates anzulegen.

Abg. Schiffer (nl) hält den von der Kommission gematen Zusaß: „der freien Verfügung der Gesellschaften entzogen“ nicht für ganz klar, er müsse durch eine Ausführungsbestimmung näher er lautert werden. Redner hofft, daß die Organisationen des Handels, die bei diesem Gesehe in hohem Maße beteiligt sind, boi der Vor bereitung des neuen Geseßes hinzugezogen werden, daß eine Fühlung- nahme mit ihnen stattfindet.

Stoatsfsekretär des Dr. Helfferich:

Was die von dem Herrn Abg. Schiffer angeschnittene Frage anlangt, so möchte ich bemerken, daß, was mit den Worten „der freien Verfügung der Gesellschaften entzogen“ gemeint ist, allerdings in den Austübrungsbestimmungen noch näher wird definiert werden müssen. Diese Worte standen ja nicht in dem Regierungs- entwurf, sondern sind erst in der Kommission eingeführt worden. Im allgemeinen kann ich den Bemerkungen des Herrn Abg. Schiffer zustimmen, obschon einige Zweifelspunkte vorhanden find, namentlich in bezug auf die Frage, wieweit durch den Ausschluß

\

der freien Verfügung seitens der Gesellshaften eine Pfändung scitens Dritter ausgeschlossen wird. Es scheint mir jedenfalls nicht einwands8- frei festzustehen, daß durh die Worte „der freien Verfügung der Ge- fellshaften entzogen“ nun auch die Pfändung von dritter Seite aus- geschlossen werden sollte. Aber dieser Punkt mag wohl in der Theorie streitig sein, in der Praxis aber wieder feine allzu große Nolle spielen, weil die Gesellschaften, die hier allein für die Besteuerung in Frage fommen, prosperierende Gesellschaften sind, die während des Krieges verdient haben, während Pfändungen doch nur bei folchen Gesell: schaften ernstlih in Frage tämen, dié während des Krieges nicht ver- dient haben, vielleiht einen Teil ihres Vermögens eingebüßt haben.

Was die Fühlungnahme mit den Kreisen der Industrie und des Handels anlangt, so bin ih der Leßte, der verkennt, wie außerordent- lich wichtig eine solche Fühlungnahme ist, aber bei einem folhen Gesetze spielen zum Teil Erwägungen mit, die eine solhe Fühlung- nahme vor der Zeit etwas erschweren. Die Sachverständigen sind doch in den meisten Fällen auch Interessenten, und so gern man den Nat der Sachverständigen hört, so schwer ist es unter Umständen, den einen Interessenten vor dem anderen Interessenten einzuweihen. Das find Gesichtspunkte, die natürlih berücksichtigt werden müssen, und die uns hier eine gewisse Schranke auferlegen.

Nun möchte ih noch auf cinen Punkt hinweisen, der auch mit dem 8 8 in Verbindung steht. Es wird von verschiedenen Seiten die An frage an uns gestellt, wie es gehalten werden soll mit der Anwendung des Absatzes 4 für den Fall, daß das erste Kriegsjahr einen Minder gewinn gegenüber dem Frieden ergeben hat, die späteren Geschäftejahre dagegen höhere Gewinne. Im Absatz 4 ift gesagt:

Bleibt der Geschäftsgewinn eines Kriegsgeschäftsjahrs hinter dem durschnittlichen früheren Geschäftsgewinn 5) zurück, so ist die Gesellschaft berehtigt, aus der Sonderrücklage den Betrag zu entnehmen, um den etwa die Sonderrücklage die Hälfte des im Gesamtergebnis der abgelaufenen Kriegsgeschäftsjahre erzielten Mehr gewinns übersteigt.

Die Bestimmung is în einem Fall ganz klar und eindeutig. Wenn das erste Kriegsjahr einen Mehrgewinn gebraht hat, so wird die Hälfte des Mehrgewinns in die Reserve gelegt: wenn das zweite Kriegsgeschäftsjahr einen Mindergewinn- gebracht bat, so vird ein Ul der eserve Mel Und beser frei werdende Teil kann aus der Reserve entnommen werden. Wenn die Sache dagegen umgekehrt liegt, so ist die Bestimmung, daß etwas aus der Neserve entnommen werden fann, dem Wortlaut nach auf das erste Kriegsjahr niht anwendbar. Wenn cin Mindergewiun im ersten Kriegsgeschäftsjahr vorliegt, dann ist eben noch teine Neserve vorhanden, und infolgedessen ist das Entnehmen aus der Reserve praktis unmöglih. Der Sinn der Bestimmung geht zweifellos dahin, daß in der Reserve niemals mehr liegen soll als die Hälfte der in einander gerechneten jeweils abgeschlossenen Kriegsgewinnjahre. In dem Falle, den ih eben anführte, geht die Sache so vor si, daß im zweiten Geschäftsjahr die Hälfte des erzielten Mehrgewinns in die Reserve gelegt wird, und dann kann, nachdem diese Operation buchmäßig erfolgt ist, festgestellt werden, wie groß auf Grund des Mindergewinn8 des. ersten Kriegsjahres der in- einander gerechnete Mehrgewinn der beiden Kriegsgeschäftsjahre 1k, und die Entnahme kann dann aus der Reserve erfolgen. Auch dieser Punkt foll in den Ansführungsbestimmungen klargestellt werden. Abg. Dr. Dove (fortshr. Volksp.) glaubt, daß die Sonderrück- lagen gegen Pfändungen nicht sichergestellt seien. i Abg. Schi ffe r (nl.) teilt diese Auffassung nicht; träfe sie zu, |0 widerspräche das den Absichten des Gesehgebers. Abg. Dr. Süde kum (Soz.) weist darauf hin, daß die Gesell- schaften doch selbstverständlih mit ihrem ganzen Vermögen haften. Abg. Mertin (Rp.) tritt der Auffassung des Abg. Dove bei. Nach dem Wortlaut des Paragraphen sei die Pfändung von seiten dritter Gläubiger nicht ausgeschlossen. Es könnten Forderungen fingiert werden, um Rücklagen beiseite ju schaffen.

Reichsschazamt3, Staatsminister

(Fortseßung in der Dritten Beilage.) #

Dritte Beilage

zum Deutschen Reichsanzeiger und Königlich Preußischen Staatsanzeiger.

¿ 300.

Berlin, Dienstag, den 21. Dezember

1915.

(Fortseßung aus der Zweiten Beilage.)

Staatsfekretär des MReichs\haßamts, Staatsminister Dr. Helfferich:

Fch habe vorhin {on ausgeführt, daß au ich aus dem Wort- laut ‘des §8 nicht herleite, daß eine Pfändung von dritter Seite aus- geschlossen ist. Ich teile nach dieser Richtung hin die Auffassung, wie sie die Herren Abgeordneten Dove und Mertin vertreten haben. Ich ziehe aber nit die Konsequenz daraus, die Herr Abgeordneter Mertin eben gezogen hat. Ich habe vorhin ausdrüclih erwähnt, praktis ist die Sache nicht von Bedeutung. Sie liegt so, daß eine Ge- fährdung der Steuer doch nur dann vorhanden sein wird, wenn die Gesellsbaft in Zahlungsschwiecrigkeiten kommt, also in Fällen, die für dieses Geseß, das die während des Krieges erzielten Mehrgewinne erfassen will, praktisch niht in Frage kommen. Es ift dabei auch die Birkungszeit dieses Geseßes zu berücksichtigen, die eine relativ be schränkte sein wird. Das Gesetz ist ein Sperrgesez und wird in feiner definitiven Wirkung in Bälde erseßt werden durch das endgültige Kriegsgewinnsteuergesez. Also eine Gefahr sehe ih niht. Wenn aber wider Erwarten in dem einen oder andern Falle bei einer Gesellschaft, die an sich zablungsfähig ist und Krieg8gewinne erzielt hat, cine Pfändung in die Papiere, aus denen die Sonderreserve besteht, ausgebraht werden soll, dann ist der Fall sehr einfa. Dann hat die Gesellschaft die Verpflichtung, die Sonderceserve wieder auf- zufüllen. Sie ist geseßlih verpflichtet, den vollen Betxag der Sonder- reserve in den Papieren zu halten, wie sie vorgeschrieben find. Wenn von dritter Seite eine Pfändung ausgebracht wird und ein Teil dieser Papiere weggenommen wird, so wird das unter keinen Umständen die Verpflichtung zur Haltung der vollen Sonderrücktlage vecinflufsen, dann hat die Gesellschaft die klare Verpflichtung, die Sonderrüdcklage wieder aufzufüllen. Damit sind praktisch die Bedenken beseitigt, die von verschiedenen Seiten an die Pfändbarkeit der Papiere der Sondec- rüdlage gefnüpft worden find. Jh möchte mich deshalb dahin aus- sprechen, daß eine Ergänzung der Bestimmung des § 8, wie fic in Ausficht genommen ist, niht notwendig ift.

g. Dr. Blunck (fortscr. Volksp.) kann die Befürchtung nicht teilen, daß die Rüdlagen beiscite geschafft werden.

Nach weiteren Bemerkungen des Abg. Schiffer (nl.) wird & 8 unverändert angenommen, ebenso der Rest des Geseßyes.

Die von der Kommission vorgeschlagenen Resolutionen gelangen ebenfalls zur Annahme; die Resolution Albrecht wird gegen die Stimmen der Sozialdemokraten und des Dänen Hanssen abgelehnt.

Abg. Bassermann (nl.) beantragt, sofort in die dritte Lesung des Gesepentwurfes, betreffend die vorbereitende! Maßnahmen zur Besteuerung der Kriegsgewinne, einzutreten.

Da niemand widerspricht, wird in die dritte Beratung ein getreten und die Vorlage ohne wesentliche Diskussion im ein zelnen und darauf im ganzen einstimmig endgültig genehmigt.

Das Haus geht über zur zweiten Lesung des Ge- seßentwurfes, betreffend die Kriegsabgaben der Reichsbank. Die Vorlage will den Reingewinn der Reichsbank aus den Jahren 1915 und 1916, soweit er den durchschnittlichen Reingewinn von 1911 bis 1913 übersteigt, bis zur Hälfte an das Reich fallen lassen. Die Kommission, Referent is Abg. Dr. dekum (Soz.), schlägt vor, diesen Reingewinn zu drei Vierteln an das Reich abzuführen. Von den Sozialdemokraten ist beantragt, den gesamten Reingewinn dem Reiche zu überweisen.

Aba. Ke il (Soz.): Selbst wenn man der Reichsbank die 29 % des Meingeroinns läßt, den ihr die Kcmmission belassen will, so be kommt sie so viel, worauf sie in dieser Kriegszeit keinen Anspruch hat. Der Durchschnittsgewinn der leßten Friedensjahre betrug 7,08 %. Dat st eine Kapitalsrente, mit der man sih in Kriegszeiten bescheiden ann,

Neichsbankpräsident Havenstein: Ich bitte, den Antrag der Sozialdemokraten abzulehnen. Es versteht sfich. von selbst, daß ein starker Teil des besonderen Kricgsgewinnes vom Reiche angefordert wird, Auch die Reichsbank muß da von ihrem durh den Krieg außer ordentlich gesteigertenGewinn einen sehr starken Teil demNeicbe dienst ar maden. Der Neingewinn wird voraussichtlich für 1915 220 Millio-

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ien betragen. licenen, während nur 16 Millionen den Anteilseignern zur Berfügung stehen. - Wenn man auf die Privilegien der Reichsbank hinweist und hr dann den Gewinn ganz entzieht, so wäre es ein privilegium odiosum für die Reichébank. Es rourde ausgeführt, daß die Divi- dende der ‘leßten Jahre eine völlig ausreichende wäre. Nun bleibt aber die Dividende des Jahres 1915 hinter dem zurück, was die An- teilseigner in den leßten vergangenen Friedensjahren bekommen haben. (s mwâre aub eine Harte, wenn sie in dem Jahre, wo der Umsaß ein Mehrfaches übersteigt, keinen Anteil haben sollten. Ich bitte, auch zu erwägen, daß die großen Gewinne der Reichsbank nicht ausflicßlich aus Krieasgewinnen berrühren. Man muß auch in Betracht ziehen die Anlagesumme, für die die Inhaber die Anteile erworben haben. Dieser Preis stellte sich in den leßten Jahren zwischen 150 und 170 %. Abg. D r. Arendt (Rp.): J bin immer eingetreten für die Uebernahme der Aktien der Reichsbank auf die Neichsrechnung. Troß- dem kann i für den sozialdemokratischen Antrag nit stimmen. Die Rechte der Anteilseigner der Reichsbank müssen jeßt auf jeden Fall gewahrt werden, auch“ in der Zeit des Krieges. Wir dürfen nicht ver- gessen, daß den Anteilscignern gegenüber das Reich ein kontrakt- \hließender Teil ift. Ich hoffe, daß die Notensteuer, die ih immer be- kämpft babe, aub nach dem Kriege mcht wiederkehrt. Die Reichsbank sollte nah dem Kriege in besonders greßem Umfange ihren Geschäfts- betrieb fortseßen müssen. Jch will aub noch daran erinnern, daß es heftiger Kämpfe bédurfte, um zu verhindern, daß das Retichsbank- privileg nur um zehn und nicht um zwanzig Jahre verlängert wurde. Abg. Keil (Soz.): Es ist auf die große Summe hingewiesen worden, die jept schon infolge dieses Geseßes in die Neichskasse fließt. em steht aber die Tatsache gegenüber, daß der Reingewinn der Reichsbank im Jahre 1915 \{äßungöweise auf 220 Millionen Mark angegeben und wahrscheinlich noch größer sein wird. Die Einnahme der leßten drei Friedensjahre war demgegenüber nur 38,5 Millionen. Ferner ist hervorgehoben ‘worden, daß nach dem vorliegenden Entwurf die Reichsbank {on sowieso stärker zur Steuer herangezogen werde, als es nach bem Kriegsgewinnsteuergeseß der Fall fei. Das halte ich für selbstverständlich. Jch weise demgegenüber auf die besondere Stel lung der Neichsbank und ihre Vorrechte hin. Deshalb muß man ihre

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Davon erhalt das Reich nah dem Gesetzentwurf 165 Mil-

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Kriegsgewinne nah anderen Gesichtspunkten versteuern. Dazu kommt no, Taß tur dieses Geseß den Anteilseignern eine ab \ und feste Verzinsung gewahrleistet wird.

Neichsbankpräfident Havenstet daß es sih um eine Kriegsgewinn werden soll, was über die Gewinne der

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LTUNUE fonnen dem foziald en Antrage nicht zustimmen. Ich meine, daß au hier der Grund} : latrocinium maximum muß eine obere Grenze hab Man darf auch nicht ‘vergessen, daß jedes Kapital angesammelte it ist und entschädigt werden muß, w

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Reichsbank gewidmet werden.

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wir ihnen aber vorenthalten wollen, ijt die 1 erhalten follen und die feine normale Pramié

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Abstimmung wird die »ors{chlägen angenommen. F! M D L as bag. Bajjerma

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(fortschr. Volksp.) werde: l Unterstüßungsfragen noc geseßt.)

Nr. 52 des „Zentralblatts für das Deutsche Neich“, berausgegeben im Reichsamt des Innern, vom 17. Dezember hat folgenden Inhalt: Konsulatwesen : - Todesfall. Haydels- und Ge- werbewesen: Neues Verzeichnis der regelmäßigen Untersuchungen unterliegenden und amtlih aïs den Anforderungen der Internattonal-n Neblausk'onventton entsorechend erkiärten Gartenbau- oder botaniiche?n Arlagen, Schulen und Gärten. Militärwesen: Zeugnis über die wisse: shaftlihe Befähtaung zum eirjäbrig - freiwilligen Dienste. Medizinal, und Veterinärwesen: Erscheinen der Deut'hen Arzneitaxe 1916. Zoll- und Steuerwesen: Aenderung der Grenze des Zoll- a 1s\chlufgebie!s in Bremen. Polizeiwesen: Ausweisurig von Aus- ländern aus dem Retichsgebtete.

Nr. 165 des Amtsblatts des Neichspostamts vom 17. Dezember hat folgenden Inhalt: Verfügungen: Kennzeißnung der Pakete nah dem Auslande; Pafketverkehr mit Dalmatien ; Stadt- postsendungen in Angelegenheiten der militärishen Jugendvorbereitung ; Z iturgévertiieb im Gebiete des Generalgouvernements Warschau ; Postverfehr mit dem Generalgouvernement Warschau; Paketverkehr mit der Bukowina ; Aenderung des Umrehnungsverhältiisses für Post- anweisungen nah fremden Ländern. Nach richten.

Theater und Musik. Konzerte.

Ein auserlesenes Programm wies das leßte Sonntag3konzert des Schillertheaters Charlottenburg auf, das unter der Leitung von Professor Zajic am 12, d. M. stattfand. Mitrwokzkende waren die Herren Otto LW.ke, Pianist, Hugo Decbert, Kammervirtuose, Professor Hans Hasse, Professor Mayer-Mahr, Königlicher Kammer- jänger Kurt Sommer, Professor Florian Zajtic und die Violinvtrtuosin Gertrud Steiner-Rothstein, die in einträhtigem Zusammenspiel bet der Wiedergabe ron Franz Schuber!s C-Moll-Sonatire für Klavier und Bioline, Beetbovens Variationen über das Mozartshe „Reich mir die Zand, mein Leben“ Ausgezeichretes boten. Auch die Ausführung des Klapierquintetts vov Robert Shvmann durch die Herren Mayer- Mahr. Florian Zajic, Hans Hasse und Hugo Decert und Frau Steiner- Rothstein ließ nichts zu wünschen. Der König!iche Opernsärger Kurt Sommer trug mit s{öner Stimme und gutem Ausèruck die zweite Octavio Arie aus Mozarts „Don Quan* und einige Lieder von Brat ms, Schubert, J- nien und Peter Cornelius vor. Die Wiedergcbe des Mozart})ch@en Tonftückes wurde aler ding? dadurch beecinträ&tiot, daß der Sänger sich eine der un- glüdlicsten, weder den fprohlihen, noch den muüsikalishen Erforder- niffen Nechvung tragende Tertübersegung avkgesuht hatte, in der z¿. B. die beiden Zeilen „Saget ihr: Dein Verbrechen treffe gerechte Strafe“ dem Sinne nach gänzlih unverständlich wurden, da der \praclihe Etnchnitt bet dem Kolon, der musikatishe dagegen hirter dem Worte „Verbrechen® liegt. In der Katjer-Wilhelm- Gedächtnisfkirhe führte am Abend desfelben Sonntags der Mengeweinshe Oratorienverein unter der Lettung feines ständigen Dirigenten Fritz Krüger das ,Weihnachtsoratorium“ von Bach auf. Herc Krüger hat seine Sängershar tüchtig berangebildet, die Chöre klangen rein, und auf Erzielung der Genautig- keit der E niäße und auf den Ausdruck des Gesungenen batte der Leiter offenbar viel Sorgfalt verwendet. Weniger gut folgte an diesem Abend die verstärkte Kapelle des Ersaizbataillons des Neîerve- Infanterteregiments Nr. 203, die den orcstralen Teil auszuführen batte, der freilih nit hr \traffen Zeicheng-bung des Dirigenten. Die solistisch mitwirkenden Damen Elsa Laube und Hertba Dehmlow und Herren Jan Trip und J. von Raag- Bro ck- mann sowie der Organist Walter Fischer führten ihre Aufgaben mit bewährtem Können dur.

Ein am Mittwoch in der Singakademie von Max Trapp (Klavier) und Georges Georgesco (Violoncello) veranstaltetec Sonatenabend hinterließ den Eindruck, daß die beiden Konzertgeber

im Grunde oenommen' ein recht ungleihes Gespann darslellten. Der Cellist fann mit etnem zarten Pianiisimo aufwarten, während sein Ton, der im allgemeinen nur dünn ist, im Forte durch gewaltsame Anstrengung unedel und kragend wird. Der Pianist beherrsht zwar alle Klangstärfen und weist tine gute Techatk auf, er bevorzugt aber auf Kosten seines Partners die ftärk:ren Fa1bzn, fo daß ein fein- abgewogenes Zusammen'piel nur selten zustauz- fam. Außer den Sonaten von Bratms (&-Moll) urd César Frarnck (A-Dur) kam eine neue D-Dur-Sonate von Mar Trapy, Op. 5, zu Sobör. Die hervor- stehendste Eizenschaft dieses Werkes ist eine ermüdende Seihwäyigkeit. Zeichnet sich der ersie S2 no durch gure Thematik, logiihe Verarbeitung und teilweise eigenartize Harmonik aus, so verflahen die anderen Säße immer mehr, bis man im letzten bei nih1éfagenden Phrasen und Semeinvlätzen angelanat it. Es mar deehalb nit zu verwur dern, daß der größere Teil der Fadbfritif fi vor dem endlosen Tonshwall zurüdckzog und nur ein sehr geringer Biuchteil bis zum Schluß aus- hielt. Herr Trapp ist als Komponist jedoch keineswegs unbegabt, er môge aber aus dieser Erfahrung ti? Lehre ztehen, daß man zum Komponteren Fetertagsstimmung atwarte-n muß: mit der hantwe1ks- mäßigen Gescidlihkeit allein ist es nicht getan, diefe muß ohne die nôtige Insptratioa bei g ößeren Werken unbedingt versagen. In der Pbiiharmonie fand am Mittwoch in Unwesenteit Ihrer FKaiserlihen und Königaliben Hoheit der Frau Kron- prinzessin ein Konzert zum Besten der Krtiegsftnderipent deutscher Frauen statt, das durh die erlesene Schar der mit- wirfenden Künttler eine aroße Anziehunaétfraft auf das Publikum aus- geübt hatte: diese waren die Kammersänger Jadlowker und Knüpfer, Frau Böhm van Endert, der Pianist Wilhelm Radbhaus und das Philbarmonishe Orchester unter der Leitung von Dr. Leopold Schmidt. Letzteres steuerte die aroße Leonoren-Ouvertüre von Beethoven und eintae feurtae flawische Tänze von Dyoïak bei, die in gleicher Vollkommenheit dargeboten wurden wie die Bealeitung der verschiedenen Gesänge und der Orchesterpart des Beethoven\chen K/lavierkonzer!s in G-Dur. Die Wogen des Beifalls gingen an diesem Abend, wie zu erwarten war, recht ho.

Das Datum des 11. Symvhontekonzerts von Karl Maria Art mit dem Philharmonti}chen Orchester, Donnerstag, den 16. Dezember, gab dem Konzertgeber Leranlassurg, Beetbovens Ge- burtstag durch die Auffübrung der Ouvertüre zu „Eamont" und der 1, Symphonie felich zu begehen. Die vielge\pielten Weike gaben dem jngen Künstler Gelegenheit, feine gesunde und natürlihe Auffassung dieser Musik zu zeigen. Nicht selten mußte man es in den legten Jahren erleben, daß nicht nur anerkannte Kapellinetsier, sondein auch uns retfe Anfänger sh die Beethovenshen Meisterwerke als Tummel- plaz für iwelfelhafte neue Auslegungen und gesuchte \chi:ullen- hafte „Offenbaruygen“ erwählten. Demgegenüber wirkt der natürlide und ungesuhte Vortrag, dessen sh Herr Arg mit bl chter Sachl'hfeit bifl-ifigte, doppelt angenehm; der herzliche Beifall seine: Z höôrer wird ihm bewiesen haben, daß er hiermtt auf dem richtigen W'ge ist. Im Gegensaß ¿ur Wiedergabe Beethoven- her Werke muß der Dirigent beim Vortrage der Symphonie Bruckners bemübt sein, die hier ofen zutage itegenden formalen und logischen Lüden dur ltebevolles Nachhelfen zu úb-rbrücken und zu vertushen. Gerade die 11. Symphonie in C Moll dieses Meisters bietet troy ihrer wundervollen Thematik dur) tie zerrifsene musivishe Form dem Dirigenten bedeutende Schwierigkeit n. Es gerechte deshalb dem Kenner zur Freude, bei dieser Gelegenheit festzustelen, daz dke Konzertgeber - auf diesem schwierigen Gebtete ganz bedeutende Fortschritte ges mahi hat und seine Aufgabe mit bezwingendem Tempera- ment und Sc{wung durhführte. Daß dem Philharmonischen Orchester an diesem Abend einige kleine Versehen unterltefen, war der bekannten Tücke des Obj-kts zuzusbreiben, der auch der beste Dirtgent maichtlos gegenübersteht. Die von Walter Fischer veranstalteten, allwöhentiih an jedem Donnerstaa, Abends von 6 bis 7 Uhr, siattfindenden geistlihen Musikaufführungen în dec Kaifer-Wilbhelm-Gedächtniskirhe erfreuen sh mit Net großer Neliebtheit. Am 16. d. M. ta!te man Gelegenheit, in diesem Nabmen zum ersten Male die weiter oben {hon erwähnte verstärkte Vtusikabteiluna des Gr'aßbataillons des Reserve J-fanterie- regiments Nr. 203 zu hören. Ste würd von dem Kompon'iten und Mufikschriftsteler Arnold Ebel geleitet und fsegt sich zum Teil aus bekannten Tonkünstlern zusammen. Kein Zweife!, daß Herr Ebel tüchtig aearbeitet haben muß, denn das Orchet:er ist gut gechult und zeigte sh unter seinem energischen Anführer sowobl in den Solos- vorträgen wie auch in den Begleitungen den nicht geringen Anforde- rungen in jeder Hinsicht aewachsen. Außer Kompositionen von Bac, Cornelius und Huao Beer und dem interessanten, aber zu weit aus- gesponnenen G-Pèoll. Konzert für Orgel und Oichester von Rheinberger (von Walter Fischer vortrefflich ge\pielt) standen zwei Eritauiführungen auf dem Programm. Das von Frau Minna Cbel-Wilde mit symvathisher Stimme und inniaem Vortraa gesungene „Wiegenlied der Hirten“ für Sopran, Orgel und Orchester von Arnold Ebel zeichnet |{ch durch reizvolle Verarbeitung einer alten MWeibnachtsmelodie und farbenrethes instrumentales Gewand aus; da sich hierzu {öner Aufbau und stimmungsvolle Textausdeutung ge- sellen, muß es als eine weci»olle Bereicherung dieies nur wenig be- bauten musifalishen Gebiets bezeihnet werden. Auch die beiden Ge- sänge „Shlafendes Zesuskind“ und „Gebet“ von Hugo Wolf sind von Wilbelm Guttmann mit großem Geschick für Bariton, Orchester und Orgel instrumentiect worden. Der ais geshägter Sänger be- fannte Bearbeiter trug fie übrigens felt sebr geschmackvoll vor. An demselben Donnerstag fand in der Philharmonie wiederum ein großes Wohltätigkeitskonzert stait, des ten großen Saal mit einer erwartungév llen Zuhörerschaft gefüllt hatte. Hervorragende Kun'tkrä'te hatten si vereinigt, um zugunsten der Weibnachtsbe\ch-ung für die in den Lazaretten des I1I1. Armeekorps bi findlihen Soldaten zu wirken. Mit \{önen Gesangsgaben beteiligten fich Hertha Dehmlow und F. von Naatz-Brockmann an dem Konzert; den instrumentalen Teil des Programms führten, niht minder vollendet, der Pianist Joseph Lhávinne und der Eeiger Professor Karl Klingler aus. Eindruck8volle Gedichtvorträge steuerte Hermine Körner, der neue Stern des Deutschen Theaters, bei, und Felix Pbilippti las feine prächtige Schilderung des Einzugs der siegreichen Truppen durch das Brandenburger Tor im Jahre 1871 lebendig und mit zündender Wirkung vor.

Zum Besten des Vereins für Volksküchen in Schöneberg (E. V.) veranstalteten am Sonnabend im Beethovensaal die Altistin Paula Werner- Jensen, die Geigerin Edith von Voigt- laender und der Konzertsänger Sidney Biden (Bariton) ein Konzert, in dem ältere und neuere Kompositionen zu Gebör gebracht wurden. Dies geschah in durweg ahttarer Weise; insbesondere ver« diente Fräulein Voigtlaende!: 8 Geigenspiel, namentli in der Nomanze von Max Bruch, vollste Anerkennung. Auch der g: sang!ice Teil des Prograinms, der Lieder von Sthubert, Hugo Wolf, Br'bms u a, aufwies, li-ß von der mitunter etwas undeutliden A ssprache der Sinagenden abgesehen faum ‘twas zu wünshen und brachte den Vortragenden r-ihzn Beifall ein, den auch der Begleiter am Klavier, Fri Lindemann, mit Reht für sih in Anspru nehmen konnte.