1916 / 11 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Fri, 14 Jan 1916 18:00:01 GMT) scan diff

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Fleinen Lanbwirte geschädigt werden. Jhr Produktionseifer darf nicht erlahmen. Entweder müssen die Höchstpreije erhöht oder die Futter- mittel billiger - werden, sonst befommen wir überhaupt fein Schweine» fleisch. Was haben die Leute niht {on durchmacen müssen mit den Seuchon, den Preisen usw. Die Sache ist bitter ernst, und diesen Érnst wérden wir am eigenen Leibe verspüren. Die Landwirtschafts- kammer in Hannover R in dieser Sache in einer Weise vorgegangen, die den \chärfsten Tadel verdient. Die Verminderung der Brotration werden wir ertragen müssen. Redner erörtert dann noch die Frage des Vollkorns, der Düngemittel und wendet sih gegen die fozial- demokratische Resolution wegen der Beschlagnahme des Schlachtviebs. Wir müssen alles aufbieten, daß wir durchkommen. Die künstlichen Futtermittel scheinen mir doch jehr problematish zu sein. Wie steht es denn mit dem fünstlihen Mehl? Wir müssen sparsam sein und die Produktion nah Moglichkeit erhöhen, ohne daß sie Schaden erleidet. Hoffentlich trifft eine weise Regierung die Maßnahmen, die notwendig p, damit wir den Krieg auch wirtscaftlich glänzend zu Ende führen ónnen.

Abg. Fischbeck (fortsrx. -Volksp.): Der Unterstaatssekretär hat gestern den Städten den Vorwurf gemacht, daß sie, namentlich Berlin, zuviel -Zusaßkarten ‘und sogar an Gymnasiasten gegeben hätten. Gerade in Berlin ist ‘in bezug auf die Brotkarten ein sehr itraffes Regime gehandhabt worden. Wenn man zusammenzählt, wie- viel Leute unter die in Betracht kommenden Kategorien fallen, da wird man die Zahl von 750 000 nicht als zu niedrig ansehen. Selbst wenn man Gymnasiasten und Dienstmädchen, die vielleiht einmal eine Karte bekommen haben, abzieht, wird diese Zahl nicht erheblih ge- ringer. Ecst als im August die Neichsgetreidestelle generell eine Erböbuna auf 2225 Gramm zuließ, da erst folgte Berlin und gab diese Menge als Zusaßbrotkarten. Den Städten darf man also keine Schuld geben. Bei der Erörterung aller Fragen, so haben wir es ge- fordert, muß fo verfahren werden, daß die Produktion bestehen kann. Denn was nüßen uns alle Maßnahmen, wenn der Produzent nicht be- stehen kann und die Produktion einstellt. Den Schaden tragen dann immer die Konsumenten. Wir meinen, daß die Höchstpreise eine gesunde Grundlage für die Preisgestaltung bilden. Es ist klar, daß der Landwirt nicht alle Kosten, die für ihn bei Aufbewahrung von Kartoffeln usw. in Frage kommen, allein tragen fkann. Allerdings dürfen die Preise nur den erhöhten Unkosten der Landwirte entsprehen, Denn das Interesse der Konsumenten muß auch wahr- genommen werden. Zur Beschimpfung der Landwirtschaft liegt kein rund vor. Der Hochschußzoll ist immer damit verteidigt roorden, damit Deutschland im Kriegsfall Nahrungsmittel hat. Diese Stunde ist da, und jeßt soll die Landwirtschaft auch zeigen, was sie vermag. (s ist anerkennenswert, daß die Landwirtschaft für Höchstpreise eingetreten ilt. Deshalb is es aber auch unangebracht, immer darüber zu jammern. Die Schweineabschlahtungen haben sih als ein Fehler herausgestellt. Aber es geht doch nicht an, sich heute mit einer Üeber- legenheit hinzustellen und in einem Tone zu reden und das ins Lächer- lite zu ziehen, was alles angerichtet worden i, als ob etwas Ber- rüdtes getan worden ist, wie es nur von Professoren getan werden kann. Damals waren viele Parlamentarier unserer Meinung und haben mit uns beantragt, daß die Schweine abgeschlachtet und zu Dauerware verarbeitet werden sollen. Dieser Antrag ist einstimm1g angenommen worden. Wo waren damals die „Helden“? Ein Ab- geordneter, der selbst dabei gewesen ist, sollte doch nicht so reden! Es war ein Sprung ins Dunkle, dca wir getan haben, es lagen aber auch Nerhältnisse vor, wie sie noch nie dagewesen sind. Die allgemeine Behauptung, daß in den großen Städten große Fleishvorräte verdorben seien, ist unbewiesen und unbeweisbar; im ganzen haben sih die von den Städten getroffenen Maßnahmen, wenn natürlich auh nur die Grfahrung und die Praxis die rihtigen Wege weisen konnte, als zweckmà ig erwiesen. Welcher Mißbrauch dagegen ist vielfa von den S enten mit den erlassenen Verordnungen getrieben worden? Ich erinnere nur an die Verordnung, betreffend die Saatkartoffeln, an deren Uebertretung sogar eine A bivirtlcattabawmet sich mit- \{uldig gemacht hat, 1ch erinnere daran, daß für die Schweine keine Stallpreise festgeseßt worden sind, sodaß man in der Lage war, die Märkte mit thren Schweinehöchskpreisen einfach zu umgehen. Nur

auf dem Wege der gegenseitigen Verständigung, nur durch verständnis- volles Zusammenarbeiten aller wird es gelingen, auch wirtshaftlih bis zum guten Ende wirksam durchzuhalten.

Hierauf wird um 614 Uhr die Fortseßung der Beratung

auf Freitag, 11 Uhr pünktlich, vertagt. Vorher An-

fragen.

Preußischer Landtag. Herrenhaus. . Sißzung vom 13. Januar 1916, Nachmittags 31/, Uhr. (Bericht von Wolffs Telegraphishem Bureau.) Am NRegierunagstische: die Staatsminister Dr. Beseler,

Dr. Freiherr von Schorlemer, von Breitenbach, Dr. Sydow, Dr. Lentve und von Loebell.

Um 334 Uhr eröffnet der bisherige erste Vizepräsident des Hauses von Beer die Sibung mit dem Rufe,

„der uns in diesem Jahre bescnders am Herzen liegt: Seine Majestät unser Allergnädigster Kaiser und König, er lebe hoch!“

(Das Haus erhebt sih und stimmt in den dreimaligen Hochruf ein.)

Darauf fährt der Präsident fort:

Meine Herren! Wir stehen heute unter dem Eindruck tiefer Trauer, in’ die wir alle durch den Tod unserer beiden Präsidenten verseßt worden sind. Am 11. Juli vorigen Jahres starb hier im Herrenhauje unser erster Präsident, Hausminister a. D. von Wedel-Pies- dorf, und am 27. Oktober vorigen Jahres unser zweiter Vizepräsident, Wirkl, Geh. Rat Dr. Freiherrvon Landsberg -Velen-Stein- furt auf Drensteinfurt. Unser hochverehrter Herr Prasident hat zwar nur drei Jahre diese hohe Stellung bekleidet. Aber durch seine lang- jährige Tätigkeit in hohen Staatsstellungen, zuleßt als Minister des Koniglichen Hauses, durch seine frühere Tatigkeit als Präsident unserer vornehmsten parlamentarishen Körperschaft, des- Deutschen Neichs- tages, und als dreißigjähriges Mitglied dieses hohen Hauses genoß er bereits das allgemeinste Vertrauen, Und dieses Vertrauen hat ih während seiner Präsidentschaft durch seine Umsiht und Unparteilich- feit, seine gleichmäßige personlihe Liebenswürdigkeit und durch die warmen patriotishen Ansprachen, mit denen er während der Kriegszeit zu unser aller Grhebung unsere leßten Sißungsperioden \{chloß, noch wesentlih gesteigert. Unser zweiter Vizeprasident Herr Freiherr von Landsberg hat fast 50 Jahre, zuleßt als ältestes Veitglied diesem hoben Hause angehört und besonders in landwirtschaftlihen Fragen als langjähriger Borsißender der Agrarkommission seine - reihen (r- fahrungen bereitwilligst in den Dienit des hohen Hauses gestellt. Auch seine Stellung als zweiter Bizepräsident, welche er jeit dem Jahre 1908 bekleidete, hat er mit Treue und Umsicht ausgeübt. Wir werden unseren beiden ents{chlafenen Präsidenten dauernd ein treues, dankbares Andenken bewahren. Ich stelle fest, daß Sie sich bereits zu ihren Ghren von Jhren Sißen erhoben haben.

Der Präsident teilt ferner mit, daß er anläßlich der Ver- lcbung Seiner Königlichen Hoheit des Prinzen Joachim von Preußen mit der Prinzessin Marie von Anhalt Seiner Majestät dem Kaiser und König und dem Prinzen die Glückwünsche des Hauses übermittelt hat. Von Seiner Majestät und dem Prinzen sind Dankestelegramme einaegangen. Ferner hat er am 20. Of- tober aus Anlaß des fünfhundertjährigen Hohenzollernjubi- läums Seiner Majestät dem König die Glück- und Segens- wünsche des Haufes schriftlih dargebraht. Das Potsdam, den 24. Oktober, datierte Danktelegramm Allerhöchstdesfelben wird verlesen. Zum neuen Jahre sind ebenfalls die Segen9wünsche des Herrenhauses Seiner Majestät dem Kaiser und König über-

mittelt worden. Das darauf eingegangene Danktelegram g& langt ebenfalls zur Verlesung.

Auf der Tagesordnung stcht zunächst die Kon- ]stituierung des Haus6H.

Vom Namensaufruf wird Abstand- genommen, da das Haus augenscheinlich in beschlußfähiger Zahl versammelt ift. _ Das Haus schreitet. nunmehr zur Wahl des Prä - sidiums.

Fürst von Haßfeld.t: Jh möchte Ihnen vorschlagen, die Wah des ersten Präsidenten duür{ch- Zuruf vorzunehmen, und zwar erlaube ih mir Ihnen als ersten Präfidentén den Grafen von Arnim-Boißen- burg vorzusck{lagen.

Ein Widerspruch gegen den Wahlmodus und die vorge- hlagene Persönlichkeit wird nicht erhoben. Graf von Arni m- Boitenbur g ist einstimmig zum Präsidenten des Herren- hauses gewählt. „Auf die. Frage -des ersten Vizepräsidenten er- flärt Graf von Arnim-Boizenburg die Annahme der Wahl und bittet fsogleih ums Wort.

Graf von Arnim-Boithenburg: Herren! baben mir soeben durch Ihre in freundlichster Form volzogene Wa zum Prôsidenten des Herrenhauses ein schônes, bobes, aber au antwortungsveclles Amt Übertragen, und nicht leiht werden Maß meiner Dankbatke¡t und Freude darüber überschäßen, da mich dieser Stellung für würdig befunden haben. Denn sie ist eine Ver- trauensftellung und wird von einêèm freundschaftlichen Wohlwollen wie kaum der Präsident eines anderen Parlaments getragen. Diese Ueber- zeugung habe ih in den -16- Jahren; während denen ih die Auszeich- nung genoß, vier bochverdienten* Präsidenten als Schriftführer be- hilflih zu sein, geronnen, und dies ganz besonders bei unserem ho- verehrten leßten Präsidenten Exzellenz von Wedel, dem auch von seinem Nachfolger ein Wort“ der Dankbarkeit gewidmet sei, als einem Mann, dessen äußere ritterlibe Erscheinung nur das Ab- bild seines inneren Wesens war, der in Wort und Werk ein Edelmann und Patriot, stets éin ‘eindrucksvoller und einflußreiher Vertreter preußischer Art und: des Herrenhauses gewesen is. Nun haben Sie mich an seine Stelle gestellt in det Erwartuug, daß, soweit es an mir liegt, in diesem Saale wie bisher der alte preußishe Geist seine Geltung behalte, der unser Volk groß gemacht hat, in der Erwartung, daß ich meines Amtes walten werde in Unparteilichkeit, Gewissenhaftigkeit und Treue. Ih will és wagen, Ihrem Nuf zu folgen im festen Ver- trauen auf Jhre mir nie“ fehlende Unterstüßung und Nachsicht in meiner Geschäftsführung. Jch stelle mich für dieses wichtige Amt in einer für unser Vaterland ernsten und für seine Zukunft entscheidenden Zeit zur Verfügung, in der an unser Volk in Waffen in diesem Kriege Anforderungen gestellt werden, so“ gewaltig wie nie ‘zuvor. Noch“ ist Winter, Winter, -Duñkel und Kampf, aber es muß doch Frühling werden; neues Lebenslicht des Frühlings hmüdcke unser \tolzes und friedvolles Deutschland! Dann werden dem Reiche und den Einzel- staaten Aufgaben gestellt werden, so groß wie nie zuvor, Aufgaben, die niht nur mit dem Verstande, niht nur nah politischen Gesichts- punkten, \ondern auch aus der Volks\eele heraus gelöst werden müssen, Aufgaben, die dem deutschen Wesen neue Nahrung schaffen, daß es, frei von fremdländister Schlacke, im .Schmelzofen dieses Weltbrandes er- starre zu einem festen Fundament kommender Geschlehter. Dann wird es sich zeigen, ob unser Volk reif war, das zu werden, was das Schwert errang. Das Herrénhaus- wird aber bei der Lösung dieser Aufgaben, jeiner hohen Bedeutung entsprechend, wichtige Dienste leisten können, müssen und wollen. Es wird Arbeit und Hingebung erforderlich sein. Wenn mir auch bekannt ist von dén Herren, daß sie durch ihre Tätigkeit in wichtigen Stellungen daheim in Anspruch genommen sind, so weiß ih doch au aus Erfahrung, daß Jhr Präsident Sie noch nie vergeblih um Dienste für das. Vaterland rief. Diese Gewißheit gibt mir den

ut, au die Königliche Staatsregierung zu bitten, mih in dem Be- streben ‘zu E dem Herrenhaus ein reiches Maß geseß- geberischer Arbeit zukommen zu. lassen. Es wird diese das kann wohl ohne Ueberhebung - gesagt ‘werden in sahgemäßer Weise lösen; dafür bürgt die Art seiner Zusammenseßung aus Mannern, be- wahrt in ihrem Beruf, aus Kennern äller Verhältnisse des öffentlichen Lebens und aus Bekennern ihrer Ueberzeugung, die 1hre Ent- \{ließungen weitblickend fassen lédiglih nah dem Gesichtspunkte, der au mir der leitende fei: Salus rei publicae suprema lex! Jch über- nehme hiermit den Vorsiß und die Geschäfte des Herrenhauses.

Auf Vorschlag des Freiherrn von Richthofen wird darauf zum ersten Vizepräsidenten Herr von Becker durh Zuruf wiedergewählt.

Herr von Béckèêr: Jh nehme die Wahl mit Dank an.

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Meine

Auf Vorschlag des Herzogs zu Trachenberg wird zum zweiten Vizepräsidenten durch Zuruf Fürst zu Salm-Salm gewählt.

Fürst zu Salm-Salm : Meine Herren! Ich werde die Wahl in der Hoffnung auf Ihre Nachsicht. annehmen. Für die hohe Chre und das mir erwiesene Vertrauen sage ih Jhnen meinen allerverbind- libsten Dank.

Zu Schr1iftführxern werden auf Vorschlag Freiherrn von Richthofen die bisherigen Schriftführer Graf von Balle rem 0d QuUitten- Sap atl, a Johannsen: von Kling, pon Seilodllü-Sañi- dreczki, Dr.*Veltinckn und Dr. Graf von Wedel- Gödens wiedergewählt únd: an Stelle des bisherigen Schrifi- führers Grafen - von Arnim-Boitenburg der Graf von Eulenburg-Prassem neugewählt.

Der Präsident erklärt, daß die Konstituierung des Hauses nach der - bevorstehenden ; Vorschrift Seiner Majestät dem König und dem Abgeordnetenhause werde mitgeteilt werden.

Auf Wunsch des Freiherrn von Richthofen wird, da sich die konservative Fraktion über das Fißchereigeseß noch nicht {hlüssig geworden ist, die Beratung diejes Gesehes nicht hon am Freitag, sondern erst am nächsten Dienstag erfolgen.

Schluß gegen 414 Uhr. Nächste Sißung Freitag, 1 Uhr, (Geschäftliche Mitteilungen, Veretdigung eines Mitglieds, Be- schlußfassung über die geschäftliche Behandlung von Vorlagen.)

Haus der Abgeordneten. 1. Sißung vom 13, Januar 1916, Nachmittags 2 Uhr. (Bericht von Wolffs Telegraphishem Bureau.)

Am Regierunastische: die Staatsminister von Breitenbach, Dr. Sydow, Dr. Lenße ‘und von Loebell.

Der Präsident der- vorigen Tagung, Graf von Schwerin, übernimmt geschäftsordnungsmäßig den Vorstß, eröffnet die Sißung mit einem- Gruß an die Mitglieder zur neuen Tagung und beruft als- provisorische Schriftführer die Abgg. von dem Hagen, Dr. Röchling, von Wenden, Dr. Mugdan. è

Der Präsiden t fährt sodann fort:

Meine verehrten Herren Kollegen! Als wir uns beim Schlusse unserer leßten Tägüung am 24. Juni vorigen Jahres hier trennten, habe ich der Hoffnung Ausdruck gegeben, daß, wenn wir uns nah einigen Monaten ‘in diesem Saale wieder zusammenfinden würden, wir dann dem großen genteinsamen Ziel unseres vollen Sieges und der Erreichung eines- ehrenvollen, die Sicherheit unseres Vaterlandes auf lange Zeit hinaus véerbürgendèn Friedens abermals um ein gutes Stü väheraeckommen sein würden. Jch glaube, Sie werden mir zustimmen, wenn ih heute age, daß sih diese unsere Hoffnung in reidem Maße erfüllt hat, auch wenn wir vielleiht noch lange niht am Ziele ange-

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angt sind. Rein zeiilih bekrahtet mag es auch heute noch dabin; gestellt chleiben, wie langs der Krieg noch dauern mag und wis lange wir seine Last und soins Bpfor noch werden tragen müssen. Uber, wz ensere Zuversuhi +— }a, t darf fagen unsere Gewißheit dafür gy, zeht, daz wir als Sieger aus diesem uns. so frevelhaft aufgezwungenen Kampf hervorgehen werden, so hat diese doch inzwischen durch die berr, lichen Erfolge unserer Waffen und der Waffen unserer treuen Ver, bündeten einen ganz gewaltigen Zusaß erfahren. Nach dem Dur. bruch Madckensens durch die für ganz unerschütterlih gehaltene russis&s Karpathenfront die Wiederbefreiung Galiziens, die Beseßung ganz Polens, Litauens, Kurlands und eines großen Teiles des eigentliden Mestrußlands! An unserer Westfront die vom Feinde mit einem ganz beispiellosen Aufgebot aller nur denkbaren militärischen Mittel unter. nommene „vierte große Offensive“ vollkommen gescheitert, gesdeite mit einem Verlust des Feindes von über 200 000 Mann an dem un- ershütterliden Widerstand unserer - unvergleihlich heldenmütigen Truppen. (Lebhafter Beifall.) Ebenso an der italienishen Front all; fast täglih erneuten Angriffe Cadornas vou unseren österreichis{-un. garischen Verbündeten gleichfalls mit einem Gesamtverlust des Feindes von mebr als einer halben Millionen Truppen restlos abgewiesen! Dazu die Unterwerfung ganz Serbiens und eines großen Teiles von Montenegro und die Herstellung unserer Verbindung mit der Türkei Und nun gar vor wenigen Tagen auch noch das klägliche Scheitern der mit einem so ungeheuren Aufwand von Nuhmredigkeit unternommenen Dardanellenexpedition. (Beifall.) Ja, wenn diese nur noh bzj Nacht und Nebel mögliche Flucht einer großen englischen Armee wie der englishe Ministerpräsident meint, „für immer in der rubm- reihen Geschichte Englands (Große Heiterkeit) einen hervorragenden Play einnehmen wird”, so beweist das jedenfalls, daß unsere Herren Nettern jenseits des Kanals in ihren Ansprüchen auf wirkliche mil}. tärishe Erfolge doch schon sehr viel besheidener geworden sein müssen, (Sehr richtig!) Das aber sind mit roeaigen: Worten die bauptsäg listen Kriegsereignisse seit unserer leßten Tagung. Mit Stolz und Bewunderung blicken wir heute auf unsere treuen, fieggekrönten Ver; bündeten und beglückwünschen sie ‘die alten wie die neuen zu den glänzenden Erfolgen ihrer und unserer Waffen: - Oesterreih-Üngärn zu der Befreiung Galiziens und zu der Niederwerfung Serbiens, dieser alten Brutstätte von Königsmorden und Bedrohungen des Völker, friedens, Bulgarien zu der Wiederbefreiung seiner mazedoni\{en Stammesgenofsen aus der serbischen Knechtschaft und die Türkei w der glänzenden Verteidigung ihrer Meerengen und ihrer bedrohten Hauptstadt. Das Band aber, welches im verflossenen Jahre Blut und Eisen um das Deutsche Reich und seine Verbündeten ge)chmiedet haben wird sobald keine Macht der Erde wieder zerreißen. (Lebhafter Beifall. Ja, dieser starke, unerschütterlih feste Vierbundsblock von den Küsten des enalishen Kanals bis an den persishen Meerbusen bedeutet \chon heute eine so vollfommene Veränderung. der gesamten Weltlage, daf er vielleidt einmal als das weltgeschichtlich bedeutsamste Ergebnié dieses ganzen gewaltigen Völkerringens gelten wird. (Zustimmung, Mit mccht minderem Stolz als auf unsere Verbündeten und mit un- begrenzter Dankbarkeit aber gedenken wir- heute auch unserer eigenen unvergleihliden Truppen und ihrer glänzenden Führer. (Lebhafter Beifall.) Sie haben an Heldenmut und uners{ütterliher Stand: haftigkeit fast Uebermens{liches geleistet. (Lebhafter Beifall.) Aber meine Herren, niht nur bewundern und danken wollen wir, sondern ich denke, wir wollen alle auch weiter mithelfen zum Siege, jeder an feiner Stelle, wohin er auch gestellt sein mag, ob draußen an der Front oder bier daheim, ob Volksvértreter, Beamter, Gewerbetreibender Landwirt oder Arbeiter, ja, ob Mann oder Frau, wir wollen alle aud weiter mithelfen bis. zu einem vollen, von unseren Feinden nicht mebr weazutäushenden Siege, (Beifall.) Und so, meine Herren, hoffe id, daß auch unsere heute beginnenden Beratungen nur von dem einen, alles beherrs{enden Gedanken getragen sein werden, nichts zu unter lassen, was’ der möglichst baldiäèn Grreihung dieses großen gemein samen Zieles eines vollen Sieges-und eines dauernd gesicherten Friedens dient, aber ebenso auch alles einsGließlih des Austrags persönli oder parteilicher Meinungsverschiedenheiten zu unterlassen, was die baldige Erreichung dieses unseres höchsten gemeinsamen Zieles beein- trächtigen oder auch nur verzögern könnte. (Lebhafte Zustimmung. Mit diesem erneuten Bekenntnis des festen, unbeugsamen Willens zum Siege bitte ih Sie heute, wie immer am Beginn unserer Tagung, einzustimmen in das Hoch auf unseren Obersten Kriegsherrn, unseren aeliebten Kaiser und Könià, den Kaiser, uns allen ein leuchtendes Vorbild des starken, uners{ütterlichen Gottvertrauens, mit welchem wir diesen Kampf bestehen wollen, und mit welchem er, unser Kaiser die Niesenlast der höchsten und darum \{wersten Verantwortung in diesem Daseinskampf seines Volkes trägt. Seine Majestät unser Alleranädigster Kaiser und König lebe hoh! (Das Haus stimmt mi! Begeisterung dreimal in den Hochruf ein und \pendet sodann den Worten des Präsidenten nochmals allgemeinen lebhaften Beifall. Di: Sozialdemokraten sind während des Hochrufs im Saale nicht ar wesend.) Darauf nimmt der Finanzminister das Wort zut Einbringung des Staatshaushaltsetats für 1916. Finanzminister Dr. Len e: Meine Herren! Mit Allerhöchster Genehmigung Seiner Majesti breiten: 1) die allgemeinen Rechnungen über den Staatshaushalt fu die Etatsjahre 1910, 1911 und 1912, 9) die Uebersichten von den Staatseinnahmen und -ausgak für die Etatsjahre 1912, 1913 und 1914, 3) den Geseßentwurf, betreffend die Feststellung des Staats haushaltéetats für das Etatsjahr 1916, 4) den Entwurf eines Gesehes, betreffend die Erhöhung ? Zuschläge zur Einkommensteuer und zur Ergänzungssteuer

5) den Entwurf eines Gesehes über weitere Beihilfen 8! Kriegswohlfahrtsausgaben der Gemeinden und Gemeint® verbände.

Ich erlaube mir, sie dem Herrn Präsidenten hiermit zu überrei (Geschieht.)

des Staatshaushaltsetats unter Verhältnissen vorzunehmen, die v dem normalen Zustande weit abliegen. Der {were uns aufgedrug" Krieg ist noch nicht beendet; nach wie vor stehen nach West und D nah Süd und Nord unsere Truppen und unsere Flotte dem Few gegenüber und s{hüßen den heimishen Herd. Troß aller pompha/? Ankündigungen und Drohungen ist es den vereinigten Anstrenguns® von England, Frankreih und Rußland nicht gelungen, den Krie( l! unsern Heimatboden hinüberzuspielen oder uns irgendeine Niederla! von Belang zuzufügen. Im Gegenteil, unsere Truppen fämp!t dauernd in Feindesland, und unsere unbezwungene Front im West der Siegeszug gegen Rußland, der glänzende Feldzug gegen Serb und die Großtaten unserer tapferen Verbündeten in den Alpen, dem Balkan und den türkishen Kriegsshaupläßen lassen es au der voreingenommensten Zuschauêr allmählih immer klarer wérden, def die Palme des Sieges uns und unseren Verbündeten zufällt, und df unsere Feinde den Krieg verlieren werdên, so sehr und so raff

Gnde des Krieges ist aber leider noch nit abzusehen; es sind nf große Opfer an Gut ynd Blut erforderlich, ehe wir so weit Wir hier zu Hause sind es daher unser tapfern Truppen {ch1 daß wir durch unser Verhalten und durch geeignete Maßnahmen S

VFnnern sie beim Niederringen unserer Feinde unterstüßen,

sie auch die Welt durch Lügen zu täuschen versuchen. (Bravo!) "M

Meine Perten, ivie t# gar nit anbet# \eïn fonte, Gat Der Wrieg auf das gesamte deutsche Wirtsaftsleben einen gewaltigen Einfluß ausgeübt, Wenn mehrere Millionen von erwerbstätigen Männern zu den Fahnen gerufen wurden und der Verkehr mit dem Auslande, namsentlih mit Uebersee fast vollständig aufhört, dann kann das nit ohne tiefeinshneidende Rücwirkungen bleiben. Aber es bat sh gezeigt, daß uns die Gabe verlieben ist, daß wir uns zu helfen wissen, und daß wir uns au unter den \chwierigsten Verhältnissen zurecht finden können und ihrer Herr werden. ,

In zahllosen Fällen sind unsere Frauen und unsere Töchter an die Stelle der Männer getreten und haben ihre Arbeiten übernommen. Manche Wirtschaft auf dem Lande und manches Geschäft in der Stadt wird von einer Frau fortgeführt, und zahllose Arbeitsftellen, in denen bis dahin nur Männer beshäftigt wurden, werden beute von Frauen versehen. Unsere deutschen Frauen baben bewiesen, daß sie in den Zeiten der ‘Not auch noch vorhanden sind und daß sie tapfer in die Bresche treten, wenn es gilt, tatkräftig zu handeln und zu helfen. (Bravo!) Voll Stolz und voll Dankbarkeit erkennen wir das an: sie haben sich dieser großen Zeit in jeder Hinsicht würdig und gewachsen erwiesen.

Die ‘veränderten wirtschaftlichen Verhältnisse und die Absperrung vom Auslande zwangen unsern Handel und unsere Industrie dazu, sich vollständig neu zu orientieren. Während früher beim Austausch und bei der Produktion der Güter der Handel und der Absaß nah dem Auslande eine immer größere Rolle spielten, mußte jeßt alles auf den inländischen Markt abgestellt werden. Außerdem mußten wir zahlreihe Güter, welche wir bis dahin aus dem Auslande zu beziehen gewohnt waren, nunmehr entweder selbst herstellen oder für sie einen Grsaß \chaffen. Es war unsere Rettung, daß unsere Industrie nah jeder Nichtung hin leistungsfähig und selbst den allershwierigsten An- forderungen gewachsen war, und daß unsere deutsde Wissenschaft sie dabei unterstüßen konnte.

In geradezu glänzender Weise hat sih diese Neuuorientierung vollzogen. Namentlich der Kriegsbedarf war dabei maßgebend; was für den Krieg notwendig war: Waffen und Munition, Ausrüstungs- und Bekleidungs\tüde, künstlicher Dünger und künstlihe Futtermittel, alles mußten wir im Inlande herstellen, überall mußte die Industrie einspringen und, wo es not tat, die erforderlihen Anlagen schaffen. Was wäre aus uns geworden, wenn unsere Industrie außerstande ge- wesen wäre, uns zu helfen! Wir konnten nicht, wie unsere Feinde, die Hilfe der Amerikaner und Japaner für Waffen und Munitions- lieferungen in Anspruch nehmen; uns half keiner; wir waren auf uns ganz allein gestellt und mußten uns selbst helfen. (Sehr richtig!) Da- durch haben wir aber auch viele Tausende von Millionen unserem Lande erhalten, die font ins Ausland gegangen wären. (Sehr richtig!) Die starken Zeichnungen auf die deutschen Kriegsanleihen sind der beste Beweis dafür, wie nüßlich dies für die deutshe Volkswirtschaft ge- wesen ist.

Die Neuordnung der Dinge konnte natürlich nicht ohne tief- greifende Eingriffe in das gesamte Wirtschaftsleben und in die Wirt- schafts des einzelnen bleiben. Was man vor dem Kriege für unmöglich gehalten hätte: daß das freie Spiel der Kräfte und der freie Wett- bewerb in Handel und Wandel einmal ausgeschaltet oder eingeshränkt werden könnten, ift unter dem Zwange der Not zur Wirklichkeit ge- worden. In zahllosen Fällen mußten obrigkeitlich festgeseßte Höchst- preise, eine obrigkeitlihe Beschlagnahme, Produktionsregelung und Produktionsverteilung erfolgen; nur das Wohl des Ganzen durfte dabei die alleinige Richtschnur sein.

Dieses trat namentlich auf dem Gebiete der Lebensmittel- versorgung zutage. Unsere deutshe Landwirtshaft war, dank der Wirtschaftspolitik des leßten Jahrzehnts, allmählich so erstarkt und hatte sich so entwickelt, daß sie weit höhere Ernten hervorbrachte als in den früheren Jahren. Dadurch waren wir bei Ausbruch des Krieges im Besiß einer Ernte an Brotgetreide, die durchaus hinreichte, um das ganze Land zu ernähren, wenn wir nur haushälterisch damit umgingen und sie richtig verteilten.

Diese Verteilung griff beim Brotgetreide nah einigen Monaten Plaß. Dadurch, daß einem jeden seine täglihe Brotration zugeteilt, das Getreide beshlagnahmt und das Mehl von den Kommunen monopolartig verkauft wird, ist es gelungen, die Versorgung Deutsch- lands mit Brotgetreide für die Dauer des ganzen Krieges zu erträgs lichen Preisen sicherzustellen. (Bravo!)

Die Eingriffe sind freilich nicht gering. Der Landwirt empfand es lange als eine Härte und als eine Unbequemlichkeit, daß er über das von ihm gezogene Getreide über seinen eigenen Lebensbedarf hinaus nicht frei verfügen und es namentlih- auch niht zu Futterzwecken ver- wenden durfte, und der Verzehrer mußte sich erst daran gewöhnen, daß er sih niht mehr Brot in beliebiger Menge und Beschaffenheit, son- dern nur in der ihm zugeteilten Portion und in der ihm dargebotenen Brotsorte zulegen konnte. Das ging nicht ohne Reibungen ab. Aber es ist au dieses überwunden worden, und inzwischen hat sich wohl ein jeder an diesen Kriegszustand gewöhnt.

Auch der Kartoffelverkauf mußte der obrigkeitlichen Regelung unterworfen werden. Da die Kartoffeln als leichter verderblihe Ware nit denselben Maßnahmen unterworfen werden durften und konnten, wie das Brotgetreide, wurde versucht, die Frage durch Festseßung von Höchstpreisen und Verstriung eines Teiles der Vorräte bei den Land- wirten zu lösen. Diese Regelung hat aber eine allseitige Befriedigung bisher noch nicht erzielt.

Noth viel \{chwieriger gestaltete sih die Versorgungöfrage auf dem Gebiete der Futtermittel. Deutschland hatte im Frieden sehr beträhtlihe Mengen von Kraftfuttermitteln aus dem Auslande ein- geführt. Nachdem die auswärtige Einfuhr aufgehört hatte und der Bedarf für das Heer ausgesondert war, stellte sih eine fühlbare Knappheit an Kraftfuttermitteln ein. Deshalb mußte auch hier eine behördlihe Beschlagnahme und Verteilung der Futtermittel erfolgen. Das bedeutete für die Landwirtschaft eine {were Last und ein großes Opfer. Sehr viele Landwirte mußten und müssen auch noch heute das gesamte von ihnen gezogene Futter zu Höchstpreisen an die Allgemein- heit abgeben und sind genötigt, das Futter für den eigenen Verbrauch dann zu höheren und oft kaunr ershwinglichen Preisen zu kaufen. (Sehr richtig! rechts.) Die Viehzucht wird dadurch außerordentlih erschwert und verteuert, und das hat zur Folge, daß nicht nur die Viehbestände verringert werden und die Produktion von Fleisch, Milh und Butter zurückgeht, sondern daß auch die Preise für diese wichtigen Lebensmittel in empfindlicher Weise in die Höhe gehen. i

Die Königliche Staatsregierung hat gegenüber diesen Schwierig- keiten versudt, zu helfen, soweit sie es nur eben vermochte. Mit Hilfe des Reichs und Preußens sind verschiedene Fabriken zur Erzeugung

bon efveißbaltigen Futferinitteln und Hinte Sutterstoffern errichtet worden. Ferner hat es die preußische Staatsregierung unternommen, eine Vermehrung der Produktion von fetten Schweinen, also pon Schweinefleisch und Fett, dadur herbeizuführen, daß sie die aus dem Balkan bezogenen teuren Futterrüittel “an bestimmte M ästungs- genossenschaften und Mästungsunternehmer zu mäßigen Preisen gegen die Verpflichtung abgibt, mit ihrer Hilfe Scweine zu mästen und sie mit besheidenem Gewinn an bestimmte volkreiche Kommunalverbände noch unter dem Höchstpreise zu liefern, und den Unterschied der Kosten auf die Staatskasse übernimmt. Vom Februar ab sollen zunächst auf diese Weise 400 000 fette Schweine in monatlichen Lieferungen auf den Markt gebraht werden, und sobald wir mehr Kraftfutter aus dem Balkan bekommen haben werden, wird in derselben Weise verfahren werden. Es ist zu hoffen, daß wir auf diese Weise der Futtermittelknappheit allmählih Herr werden. Die Futtermittelknappheit wäre gar nit so größ geworden, wenn nit in den verschiedensten Gegenden unseres Vaterlandes im vorigen Jahre die Futtermittelernte fast vollständig mißraten wäre. Wie manche Mißstimmung und wie manche Verbitterung im Inneren wäre uns er- spart geblieben, wenn das überall erkannt und berücksihtigt worden wäre. Nicht Wucher und Habgier auf seiten der Landwirte und des Handels, sondern die Futterknappheit und die Teuerung sind die Ursache davon, daß die Preise für Mil, Butter und Fett so erheblich in die Höbe gegangen sind. (Sehr richtig! rechts.)

Auch die Industrie ‘hat sich empfindlihe Cingriffe ge- fallen lassen müssen. Wo die Rohstoffe knapp wurden und nicht sofort wieder ergänzt werden konnten, mußte eine obrigfeitlide Be- \{lagnahme oder Produktionsverteilung und Produktionsregelung er- folgen. Hiervon ist namentlih die Textilindustrie, die Kupfer ver- arbeitende Jndustrie, das Brauereigewerbe, aber auch manche andere Industrie betroffen worden. Auch hier gilt es, sich nah der Dee zu \strecken und bis zum Siege durczuhalten.

Meine Herren, der Etat für das Jahr 1914 is noch zu einer Zeit aufgestellt worden, wo niemand von uns an einen Krieg dahte. Er ging überall von einer friedliden Weiterentwicklung aus und konnte niht in Erfüllung gehen, sobald diese aufhörte und fi in das Gegenteil verwandelte. Die ersten Monate des Wirtschafts- jahres konnten fih noch unter friedlidben Verhältnissen abspielen. Dann aber kam der Krieg. Seine Einwirkungen \piegeln sich in dem Nechnungsergebnis für 1914 wieder. Der günstige Abschluß des (tats, der in sih balancierte und noch dazu eine Ueberweisung von 79 Millionen an den Ausgleichsfonds der Eisenbahnen vorsah, ver- wandelte sich bei dem gesamten Staatshaushalt in einen Fehlbetrag von 116 Millionen Mark, und bei den Eisenbahnen ergaben sich so bobe Mindereinnahmen, daß nicht nur nicht eine einzige Mark in den Ausgleichsfonds überwiesen werden konnte, sondern daß noch eine beträchtlihe Summe zur Herstellung des Gleichgewichtes in der Rech- nung der Eisenbahnen aus ihm entnommen werden mußte.

Das Nechnungsergebnis is im wesentlichen auf einen starken

Rückgang der Staatseinnahmen zurückzuführen. Allerdings sind ja auch die Ausgaben an vielen Stellen in die Höhe gegangen. Allein für die ostpreußishen Flüchtlinge sind im Jahre 1914 außeretatsmäßig 16 Millionen verausgabt worden. Die Mehrausgahen wurden aber durch Ersparnisse und Minderausgaben an anderen mehr oder minder wieder ausgeglihen. Die Hauptursache ist der. Rückgang der Staats- einnahmen gewesen, und hieran sind alle Einnahmequellen beteiligt; sowohl die direkten Steuern, die indirekten Steuern und die Gerichts- kosten, wie auch die Staatslotterie, die Bergwerke und die König- lichen Forsten, sie alle sind in ihren Erträgen zurückgegangen und sind auf diesem Tiefstand bis heute geblieben. Der Rüdckgang in den Einnahmen der Staats- eisenbahnen ist auf verschiedene Ursachen zurückzuführen, Die Aenderung des Wirtschaftslebens und der ganzen wirtschaftlichen Ver- hältnisse, wie auch die militärishen Anforderungen brachten es mit sih, daß der Eisenbahnverkehr sih niht in dem Umfange und nicht so regelmäßig und. niht in so geordneten Bahnen abspielen konnte wie im Frieden. Außerdem mußte eine ganz beträchtlihe Zahl von Fahrzeugen und Lokomotiven dauernd in den Dienst des Heeres gestellt werden. Sehr viele Strecken waren wiederholt durch Militär- transporte gesperrt, und dazu kam noch, daß der Personenverkehr ganz erheblih zurückging. Diese Umstände haben es verhindert, daß die Reineinnahmen, obschon in den leßten Monaten der Güterverkehr stark zugenommen hatte, wieder in die Höhe gingen,

Die Mindererträgnisse der Eisenbahnen sind jedoch dem Staats8- haushalt nicht zur Last gefallen. Da der Ausgleichsfonds der Eisenbahnen über hinreihende Mittel verfügte, so konnten die Mindererträgnisse aus ihm gedeckt werden, Der Ausgleichsfonds hat dadur bewiesen, daß er den: an ihn gestellten Erwartungen in jeder Hinsicht genügt hat, und daß es dringend notwendig 1, nach dem Kriege so bald wie möglih wieder an seine Auffüllung heranzugehen. (Bravo!)

Aber noch ein anderer Teil der staatlichen Finanzpolitik bei den Eisenbahnen hat in diesein Kriegsjahre seine Feuerprobe bestanden. Wie oft ist die Finanzverwaltung angegriffen und getadelt worden, daß sie nicht die gesamten Kapitalsaufwendungen [für die bestehenden Bahnen auf die Anleihe übernehmen wollte, sondern immer darauf bestand, daß auch ein Teil aus den eigenen Einnahmen der Eisen- bahnen bestritten werden müßte. Wie oft ist uns vorgehalten worden, wir betrieben. zum Schaden des Verkehrs eine Thesaurierungs- politik, die mit kaufmännishen Grundfäßen unvereinbar sei und über jede Voraussiht hinausgehê. In welche Lage wären wir wohl gekommen, wenn wir diesen Natschlägen gefolgt wären! (Sehr richtig!) Nah dem Etat für 1916 beträgt unsere Cisenbahnkapitalschuld 8,2 Milliarden Mark und das statistische Anlagekapital 13,9 Milliarden Mark. Die Eisenbahnkapitalschuld is also 5,7 Milliarden Mark geringer als das statistische Anlagekapital, Jn dieser Differenz stecken 32 Milliarden Mark, also 3200 Millionen Mark, welche aus dem Extraordinarium herstammen. Wenn wir diese 3,2 Milliarden Mark auf Anleihe übernommen hätten, wie es von uns verlangt wurde, dann würden wir für Verzinsung und Tilgung heute 150 Millionen Mark mehr aufbringen müssen. Da nun weder der Staatshaushalt noch die Einnahmen der Eisenbahn hierfür eine Deckung bieten, würden diese 150 Millionen Mark der Defizitanleihe zuwachsen, und es würden Sculdenzinsen durch neue Schulden bezahlt werden. In den nächsten Jahren ift auf günstigere Abschlüsse niht zu rechnen, die jährlichen 150 Millionen Mark würden daher sehr bald zu einem neuen staatlihéèn Schuldkapital anwasen, weldes wiederum erheb- liche Schuldenzinsen erforderte, Das würde unsere preußischen

eger

Finanzen ïn eîfiem anz ?rheblihen Maße BersbleHtern. Die gegew teilige Politif war wirtshaftlich nur durchführbar, wenn wir dauernd Frieden behalten hätten; sobald fkriegerisde Zeitläufte cintraten, konnte sie niht bestchen, und davor batte sih dié Staatsregierung immer. gefürchtet. Jch glaube daher nicht, daß die Staatsregierung nach diesen Lehren und Erfahrungen den gegenteiligen Wünschen jemals Rechnung tragen darf.

Der Haushaltsplan für das Jahr 1915 ift {on während des Krieges aufgestellt. Allerdings ist bei ihm davon ausgegangen, daß der Friede bis zum Inkrafttreten wieder- einkehren würde, weil sonst gar feine Grundlagen vorhanden gewesen wären. Es mußte eine Anlehnung an normale ‘Verhältnisse erfolgen. Dementsprechend sind für das Jahr 1915 im wesentlichen die Zahlen des Haushaltsplanes für 1914 zugrunde gelegt, jedoch überall da, wo bereits bekannt war, daß Einnahmeverminderungen und Ausgabevermehrungen eintraten, die entsprebenden hierfür ‘notwendigen Aenderungen - berüdcksichtigt. (s waren dies namentlih die Mindererträgnisse infolge des Ueber- ganges von einigen indirekten Steuern an das Reich, die bestimmt zu erwartenden Mindeterträgnisse bei den direkten Steuern und der Mehrbedarf bei der Verzinsung der Staatsschuld sowie bei den Ge- hältern und Pensionen. Zu gleicher Zeit - wurde darauf Bedacht ge- nommen, zu sparen, soweit es nur irgend möglich war. Abgesehën von den Eisenbahnen ist das Extraordinarium überall gekürzt. Ge- kürzt sind auch die Zushuß- und Dispositionsfonds, und bei der Ein- richtung neuer Beamtenstellen ist die äußerste Zurücckhältung geübt worden, Dadurch i} es erreiht, dem Ernste der Lage Rechnung zu tragen und den Etat ins Gleichgewicht zu bringen. Die Wirklichkeit ist allerdings ganz anders verlaufen. Es ift weder am 1. April noch bis heute der Friede eingefkfehrt, sondern der Krieg tobt weiter mit allen seinen Folgen. Wie im Jahre 1914, so sind au im Jahre 1915 aus genau denselben Gründen die gesamten staatlichen Ginnahme- quellen in ihrem Ertrage bisher erhbeblih zurüdgeblieben und es besteht auch zurzeit noch gar keine Aussicht, daß es irgendwie besser werden kann. Die Ausgaben sind an verschiedenen Stellen erheblich in die Höbe gegangen. So erwies es sih wegen der hohen Preise für alle Lebensbedürfnisse als notwendig, für die Beamten und Lehrér, welche ein Einkommen bis zu 2100 Æ haben, jedoch aus\chließlich des Wohnungsgeldes und der Mietsentsh¿tigung, besondere Beihilfen zu gewähren, die sh nach der Anzahl der vorhandenen Kinder rihten. Die Staatsregierung ging dabei von der Erwägung aus, daß unverheiratete Personen und kinderlose Familien heute mit ihren Einnahmen zur Not noch auszukommen vermögen, daß aber bei allen Beamten in diesen Gehaltsklassen mit der Zahl der Kinder auch der wirtschaftlihe Druck steigt. Infolgedessen werden K inde r- zulagen gewährt, und zwar für Kinder unter fünfzehn Jahren bei ein und zwei Kindern monatlich je 6 und für jedes weitere Kind 3 M. Im übrigen wird auf die Unterstüßungsfonds zurückgegriffen, und diese reichen, da sehr viele Personen sih im Kriege befinden, für die Zurückgebliebenen durchaus aus.

Da auch bei den Eisenbahnen gegenüber 1914 keine Verände- rungen eingetreten find, so müssen wir für das Jahr 1915 ebenfalls mit einem Fehlbetrage des Staatshaushalts ‘rechnen.

Der Haushaltsplan für das Jahr 1916, den wir jeßt beraten sollen, ist nach genau denselben Grundsäßen - auf- gestellt wie der Haushaltsplan für 1915, nur sind wir dabei womöglih noch sparsamer gewesen als im vorigen Jahre. Dies gilt namentli vom (Frtraordinarium und von den Staatsverwaltungsausgaben. Trot- dem ist der Teuerung der Lebensmittel auch bei diesem Etat Rech- nung getragen, und es werden deshalb nicht nur die Kinderbeihilfen weiter gewährt, sondern es sind au die Unterstüßungsfonds. für die ausgesdiedenen Beamten und ihre Hinterbliebenen durch Ausbringung eines besonderen Fonds auf dem Etat des Finanzministers um 1% Millionen Mark erhöht worden. Es teht zu hoffen, daß wir dadurh in die Lage gebracht sind, der vorhandenen Not zu steuern. Der Mehrbedarf an Schuldenzinsen für das nächste Zahr ist gleih- falls berückfihtigt. Ebenso ist in Anrechnung gebracht, daß die direkten Steuern voraussichtlih um 10 Millionen Mark im Ertrage zurück- geben werden. Der Staatshaushaltsetat balanciert in sih ohne An- leihe mit 4810431 641 Æ, also mit 5932288 M weniger als im vorigen Jahre. Nichtsdestoweniger is n i cht damit zu renen, daß die Wirklichkeit so auss{lagen wird, als wir angenommen haben, selb wenn wir im Jahre 1916 wieder Frieden - haben. Wie die gesamte Volkswirtschaft, so wird auch die Staatswirts{haft Jahre brauchen, ebe sie sih wieder im Gleichgewicht befindet.

Diese Erkenntnis nötigt die Königliche Staatsregierung dazu, sich gegenüber den Fehlbeträgen aus den Jahren 1914 und 1915 anders zu verhalten, wie sie es früher den Fehlbeträgen gegenüber getan hat. Nach der sonstigen Praxis sind früher die Fehl- beträge stets auf Defizitanleihe übernommen worden, weil erfahrungs- mäßig durch hinterher wieder eintretende günstige Jahre die Ueber- schüsse so hoh wurden, daß mit ihrer Hilfe die Fehlbeträge entweder ganz oder zum großen Teil wieder abgetragen werden konnten. Dieses Verfahren ift heute unmöglih. Mit dem Defizit des Jahres 1914 könnte man sih zur Not noch abfinden, da es nur 116 Millionen Mark beträgt und nicht böher ift, wie die au sonst im Frieden schon vor- gekommenen Fehlbeträge. Wenn. zu diesem Defizit aber in den folgen- den Jahren wieder ein neues hinzutritt und die Neihe der aufeinander- folgenden Defizits noch gar nicht abzusehen ist, dann wird die An- leihesumme so hoch, daß sie durch spätere Uebershüsse niht annähernd wieder abgestoßen werden kann. Das ist ein ganz unmöglicher Zustand, und wenn es sih auch gezeigt hat, daß die preußishen Staatsfinanzen gesund sind und auch einen Stoß vertragen können, so könnte . diefer Stoß doch verhängnisvoll werden, wenn er nicht rechtzeitig wieder ab- ges{wächt wird.

Diese Erkenntnis nötigt die Königliche Staatsregierung, wie ge- sagt, zu anderen Maßnahmen. Es ist nicht angängig und mit einer gesunden Finanzwirtschaft niht vereinbar, daß Defizitanleiben als An- leiben zu niht werbenden, fondern zu absolut unproduktiven Zwecken in größerem Umfange aufeinanderfolgen. Es entspricht dem Ernste der Zeit, daß diese Defizits sobald wie möglih wieder abgetragen werden müssen, ganz besonders deshalb, weil wir heute nicht übersehen können, wann die Defizitjahre wieder aufhören werden.

Das Königliche Staatsministerium hat ih daher ents{lossen, \chon. während des Krieges zur Abbürdung des entstehenden Defizits eine Erhöhung der Staatseinnahmen um 100 Millionen Mark durch eine stärkere Anspannung der direkten: Steuern im Wege einer Kriegssteuer herbeizuführen. Dieser Entschluß ist ihr nit ganz leiht geworden; denn die Kriegszeit bringt hon für jeden Lasten