1916 / 132 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Tue, 06 Jun 1916 18:00:01 GMT) scan diff

e r P R E a rraTetor a amer e rem S s S.

S T! "O

. aber au

\hließlih bereit

nen e zutommen. Deshalb sind damit einver- _daß diese ränkungen au Az: werden. Wir haben lejem Sinne einen Antrag gestellt. Wir sind ja der Ansicht, daß VBesti wenig Bedeutung haben, aber wir wollen unser- den ften hierin entgegenkommen. Anders steht es

ei den anderen Beschränkungen der politischen Vereine, die im 8 17 des Vereinsgeseßes Wlsammengefaßt sind. Danach dürfen Jugend- Ie unter 1 ohren niht Mitglieder von politishen Vereinen sein nd an ihren V amm ingen und öffentlichen politishen Versamm- lungen nicht teilnehmen. Diese Besprehung kommt ja nur für ‘die rbeitervereine in Betracht, denn es muß dugegeben werden, daß Arbeitgebervereine Jugendlidhe unter 18 Jahren kaum zulassen. Es handel sih also hier um ein Sonderreck§t zugunsten der Arbeiter- erufsvereine, nicht zugunsten der Berufsvereine im allgemeinen. Der Abg. Heine hat hervorgehoben, daß die Gewerkschaften die Jugend brauchen, die follen sie auch haben, obwohl auh wir dagegen Bedenken aben. Die Gewerkschaften (Ma aber auf die Heranziehung der ugend verzichten, wenn sie politische, wirtschaftspolitishe oder \ozial- pie inge erörtern. an kann zweifelhaft sein, ob die Zu- a der Zugend ju Gewerkschaften, auch wenn diese sih nicht mit

i p hen Dingen befassen, zweckmäßig und nicht ungefährlih ist. ir meinen das deshalb, weil die Gewerkschaften die Jugend zum

A eem ten heranziehen und anleiten. Ein Teil will die gend für den Klassenkampf heranziehen, bei dieser Erziehun A

der Klassenha _mitgenährt werden. Ein führendes sozial- demokratishes Blatt schrieb, daß die Jugend im Geiste moderner Arbeiterbewegung Va werden müßte. Es hob dabei hervor, daß die Jugend gerade bei Lohn- und Arbeitskämpfen von erheblihem Ein- fluß sei. Dagegen sind niht nur von uns, sondern auch von Leuten, die mir Vin e gar niht nahestehen, lebhafte Bedenken geäußert worden. Ein fortschrittliher Politiker, der diesem Hause nicht an- gehört, hat direkt hervorgehoben, daß Jugendliche in solhe Kreise nicht bineingehörten. Alle diese Dinge richten \sih aber niht gegen die Gewerkschaften, die sih mit politishen Dingen befassen. Éin anderer fort\schrittliher Politiker, der vielleicht noch hier gehört werden wird, hat erheblihe Bedenken gegen die Zulassung der Jugendlichen zu den Bestrebungen der Gewerkschaften geäußert. Auch der jebige Reichskanzler hat in seiner früheren Eigenschaft als Staatssekretär einmal ausgeführt, daß die Jugend behütet werden muß vvr dem Klassenhaß. Db dies nicht hinzielt auf die Gewerkschaften und ihre Arbeit an der Jugend, will i dahingestellt sein lassen. Die Gewerk- schaften können die Jugend eranziehen, solange sie sih nicht mit politischen Dingen befassen. Der neue Geseßentwurf will nun aber, daß die Gewerkschaften nicht als politische Vereine behandelt werden, guch wenn sie politishe Fragen erörtern. Es is zwar die Ein- \{chränkung gemacht, daß es ih nur um wirtschaftspolitische und sozial- politishe Fragen handeln dürfe. Aber im Aus\{huß waren sich alle einig, daß eine solhe Abgrenzung unmöglich ist, da wirtschaftspolitische und sozialpolitische Fragen in die allgemeinen politishen Fragen hineinspielen, und man die Jugend, wenn man dieses zuläßt, direkt gu politischen - Crörterungen zuläßt. Man hat aber im Ausschuß ausgeführt, daß das Geseß nicht so angewendet werden würde. Jch fürchte, daß das Geseß weit über das Ziel hinausgeht, wie es sich die verbündeten Regierungen geseßt haben. Die Beteiligung der Jugendlichen L um so bedenklicher, als keine Grenzen nach unten gezogen sind. Knaben und Mädchen vom zartesten Alter können nun- mehr an politischen Erörterungen in den Gewerkschaften teilnehmen. Alle ‘meine Bedenken werden geteilt von Mitaliedern der verschie- densten Parteien, das hat ja auch der Aba. Dr. Junck in seiner Nede angedeutet, Das wird ja wohl auch ein Mitglied der fortschrittlichen Volkspartei bestätigen. Meine Bedenken werden geteilt auh von : vielen ra des Zentrums. Die „Kölnische Volkszeitung“ hat ja in dieser Beziehung direkt einen Aufsaß von einem alten Parlamentarier

' veröffentlicht, der bestätigt, daß im Zentrum viele Männer vorhanden e die die Annahme des Gesehentwurfs mit tiefer Sorge erfüllt.

; darf wohl annehmen, daß meine Bedenken auch in den Reihen der deutschen Fraktion geteilt wird. Das nehme ih besonders von den Mitgliedern der Reichspartei an. Was von den Parteien gilt, das gilt auch von den Ständen. Die Bedenken der Landwirtschaft sind ja schon in der Eingabe des Landwirtschaftsrates und des Bundes der Landwirte dargelegt worden. Die \{wersten Bedenken hat hier ‘der bayerische Landwirtschaftsrat geäußert, was ih die Herren aus [Bayern zu überlegen bitte. Ebenso is es in der Industrie und im E So hat noch die berufene Vertretung des Handwerks, die Deutsche Handwerks8- und Gewerbekammer, in den leßten Tagen des Mai eine Eingabe an uns gerichtet, worin daran erinnert wird, daß e {hon 1908 beim damaligen Vereinsgeseß geaen die Hereinziehung

èr Jugend die größten Bedenken hatte. Diese seien während des Krieges nur noch gesteigert worden. Auch in der Arbeiterschaft werden 0E Bedenken geteilt. Jh denke nur an den Bund der vaterlän-

ischen Vereine. Gerade diese erheben Einspruch gegen die Verab- schiedung des Geseßes. Viel lebhafter sind die Bedenken in den Kreisen unserer Volks- und Jugenderzieher. Ob die deute Lehrer- [Baft mit dieser Hereinziehung der Jugend einverstanden sein wird,

as wage ih zu bezweifeln. In den leßten Tagen sind auf Versamm- [lungen und in Zuschriften lebhafte Bedenken geäußert worden. Es besteht eine gewisse Unklarheit, die noch nit behoben is und auf. die der Abg. Groeber ja hingewiesen hat. Wie steht es mit dem Recht der Sbulzuht? Nach der Erklärung des Vertreters der Regierung im Aus\chuß soll die Schulzuht der höheren und“ Volks\{ulen dur das Geseß nit berührt werden. Diese können die Beteiligung von Schülern verbieten. Wie steht es aber mit den Fortbildungs\hulen? Auch wir müssen den Staatssekretär dringend bitten, hier nähere Auskunft darüber zu geben. Es wurde gezweifelt, ob die Oberlehrer

gen diesen Entwurf Stellung genommen hätten. Der Vorstand

des Verbandes akademischer Lehrer hat aber darauf verzichtet, dem

Verein als solchen in dieser Fraqe zusammenzuberufen, weil er der Ansicht war, daß die verbündeten Regierungen sich zu diesem Entwurf niht würden ent\{ließen können. Er ist aber enttäusht worden. Ich fürchte ferner auch, daß durch den Gescßentwurf alle die Bestrebungen Schaden leiden, die eine Erziehuna der Juaend für ihre spätere vater- sändische Betätigung im Auge haben. Bedenken haben dann weiter religiöse Kreise beider chrvistlider Bekenntnisse. Zwei evanaelische Synoden haben sich aegen das Geseß erklärt. Der Abg. Dr. Müller- Meiningen meinte allerdings, die N hätten sih ein Gespenst zu- recht gemacht; aber die Herren haben doch den Geseßentwurf gekannt und verstanden und die Gefahren erkannt. Im Aus\huß wurde ge- sagt, die F hätte viele andere schwere Gefahren zu bestehen, und es sei do eine aanz leichte Gefahr gegenüber den anderen Gefahren, daß sie in politishe Erörterungen hineingezogen werden könnte. Ge- wiß, der Jugend drohen allerlei Gefahren, und niemand wäre mehr als ih bereit, diese Gefahren zu beseitigen. Aber was ist das für eine Logik, weil andere Gefahren da sind, diese Gefahr zu unter- schäßen? Jch verstehe diese Loaik nicht. Damit soll man in so ernsten Dingen nicht operieren. Wir können ja gegen die Annahme des Ge- seßes nichts tun, wir führen einen aussitslosen Kampf, wir stehen fast allein, aber das stört uns nit; es stört uns au nit, daß die Herren von der sozialdemokratishen Arbeitsaemeinschaft das Gesetz nicht mitmahen. Wir haben in den lebten Jahrzehnten sehr oft ganz allein oder fast allein gestanden, und wenn nit alle Zeichen trügen, werden wir uns auch in der Zukunft oft in dieser Lage befinden, uns aber wie heute damit tröstèn: diximus et salvavimus animas keinen Teil nehmen für das, was nah

nostras. Jn der leßten Stunde heben wir noch hervor, daß wir

der Verantwortung für diese Gesebgebung mit über-

unserer festen Ueberzeugung

_— es ist uns tiefernst damit aus dieser Geseßgebun

Folgen erwachsen werden. Die Regierungen, die \i

; gefunden haben, das S mitzumachen,

tragen die Verantwortung mit der Mehrheit des Meichstaas. Es it ein erster Schritt zur Neuorientierung. Wohin die Meise peht, lassen auch ‘andere Beschlüsse des Aus\Husses erkennen. Die

Neuorientierung beschreiten, ist ver- bie Auirattrbaltene Le t E . S “1 . , . 1n er E M bitter notwendigen torität: Wir- wir können nicht aufhalten auf der Bahn, aber wir een __ Abg. Behrens Heuisde 008): Itiht nur die äußerste Linke, sondern auch die deutschen soiseporganisationen- die auf vater- [ändi m Boden stehen, und niht nur ände der Arbeiter, sondern au der Angestellten, haben denselben Wunsch, vor der Möglichkeit einer s{ifkanósen Auslegung des Vereinsgeseßes durch möglichst tlare Bestimmungen ges{üßt zu werden. Ueber die Neuorientierung wer- den wir uns spater unterhalten. Wenn die Neuorientierung für die Arbeiter einen Rechtsboden schafft, der auf anderen Gebieten bereits n ed i wes E ne E nterurs i Aen n alten. ch je ey ist lediglich ein Zweckmäßigkeitsgeseß, wir lehnen deshalb Me Antede, die über die Negierun orn T Fen, ab, wenn wir uns auch bezüglich des Inhalts der einzelnen An- râge volle Freiheit vorbehalten. Der Deutsche Arbeiterkongreß hat dieses Seis durch eine Entschließung begrüßt; er sicht darin den Aus- druck des Vertrauens zur deutschen Arbeiterschaft auf Grund der Er- fahrungen in diesem Kriege. Daraus geht hervor, wie großzn Wert die Arbeitersbaft auf das Geseß legt. Die Zahl der Jugendlichen in den N und Gewerkschaften ist übrigens nit \o groß, wie die Gegner des Geseßes angeben. Wenn die Gewerkschaften e um die Jugendlichen gekümmert und sie in thren Kreis gezogen haben, so geschah es nicht nur, um die Jugend für die Standes- interessen zu interessieren, fondern in der Erkenntnis der Notwendigkeit, 2 überhaupt um die Jugend zu kümmern. Das Elend der Jugend infolge der Erziehungslosigkeit is ziemli allgemein, Gefahren treten an die Jugend heran; und wenn der kommandierende General des IV. Armeekorps der Provinz Sachsen in einer Verfügung den Lehrern und anderen E Befugnisse polizeilicher Art gegeben hat, um die Jugend vor Verwahrlosung zu süßen, so sagt das nichts gegen dieses Geses. Jn den Gewerk\ckaften kommen nit die Jugendlichen von 16 Jahren {on zum Wort in Wahlrectsfragen, sondern die erwasenen Arbeiter halten schr wohl die Autorität über die jüngeren Mitglieder aufrecht. Die Jugend zum Klassenkampf zu erziehen, dazu sind gerade die gewerkscaftlihen Versammlungen am wenigsten zu brauchen. Das tägliche Zusammenarbeiten der Jugendlichen mit den älteren Arbeitern in den Fabriken und der Verkehr in den Ar- beitspausen sind von viel größerem Einfluß auf den Werdegang der jungen Leute als die Gewerkscaftsversammlungen. Auch die Literatur beeinflußt die jungen Leute. Die Schulzucht und die elterlicke Gewalt werden durch das Vereinsgeseß nicht beeinträchtigt. Wenn zwei evan- gelishe Synoden sih gegen das Geseß erklärt haben, wo bleiben denn die übrigen Synoden, von denen eine große Anzahl gerade in dieser Zeit getagt, aber keine Stellung zu dem Gescß genommen hat; weil au dort die Bedenken gegen das Geseß nicht geteilt werden? Die von dieser Seite vorgebrachten Bedenken sind also nit so zwin- gend, daß sie uns von unjerem Entschluß, für das Geseß zu stimmen, abbringen fönnten.

Direktor im Reichsamt des Innern Dr. Lewald : Da der Ent- wurf eine große Mehrheit findet, möchte es vielleicht überflüssig er- scheinen, daß von dieser Stelle nohmals das Wort genommen wird. Es sind aber einige Fragen, die an die verbündeten Regierungen qe- richtet sind, zu beantworten. Der Abg. Groeber hat gefragt, wie es mit dem Verhältnis der autoritären Gewalten zum Reichsvereins- geles stehe. Der Abg. Behrens hat bereits durchaus zutreffend dieses Verhältnis carakterifiert; au ih selbst habe con im Ausschuß ausgeführt, daß das Recht der Schule durch das Vereinsgeseß nicht eingeschränkt werde. Der Entwurf von 1907 hat darüber nichts ent- halten, weil es nicht nötig ersien, diese Auffassung noch ausdrüdckl ih zu formulieren. Bei den Erörterungen, die seit 1908 fast alljährlich in diesem Hause über das Vereinsgeseß stattfanden, Erörterungen, die, wie ih hoffe, von nun ab milder und seltener werden oder auch ganz vershwinden werden, stand auch die Frage des Verhältnisses des Ver- S zu dem Disziplinarrecht der Kirche, der Schule, der Eltern, der Arbeitgeber im Vordergrunde. Der Staatssekretär Dr. Delbrück hat am 10. Dezember 1912 den Standpunkt der verbündeten Regie- rungen und der Neichsleitung dargelegt, und ihr Standpunkt i auch heute völlig unverändert. Ein srankenloses Koalitionsreht gestattet danach auch das- Vereinsgeseß nicht, Beschränkungen im Wege des Vertrages sind auch nach dem Geseß möglich, das Necht der Eltern und V orliabes sollte durh das Gese nicht beeinträchtigt werden. Das ist ja alles auch unzweifelhaft recktens und in diesem Sinne als unbestreitbar auß von den Parteien, von manchen freilih bedauernd, anerkannt worden. Nun hat der Abg. Dr. Oertel direkt den Staatssekretär des Innern gefragt, wie es mit der Fortbildungsschule steht. Das Recht der Fort- bildungsschule beruht - auf § 120 der Gewerbeordnung. Nach dem Fortbildungs\ulgeseß von 1911 gilt der allgemeine Gesichtspunkt, daß auh Disziplinarvorschriften erlassen werden können. Der Aus- übung der Disziplinarbefugnis sind bei den Fortbikdungs\culen da- durch Grenzen gezogen, daß sie in erster Linie den gewerblichen Ar-

‘beitern zu dienen haben. Der Abg. Dr. Oertel hat bestritten, daß

es sih bei dem Geseß um eine Deklaration handelt. Die verbündeten MNegierungen stehen demgegenüber auf dem Standpunkte, daß es ein deklaratorisches Geseß ist, entstanden aus dem Umstande heraus, daß gegenwärtig zahlreiche Personen unter 18 Jahren den Gewerkschaften angehören, und aus dem weiteren Umstande heraus, daß unzweifelhaft in allen Gewerkschaften im Sinne der Wirtschafts- und Sozialpolitik Politik getrieben wird, wie ja auch die Gewerkschaftsführer aller Nich- tungen zugeben. Wenn man leßteres in dem Sinne auffaßt, wie es durch das pre Oberverwaltungsgericht 1911 geschehen ist, dann bitte ih, mir diejenigen Gewerkschaften zu zeigen, wo keine Politik etrieben wird. Nach der Auslegung der Gerichte S dieser ustand unfehlbar gegen das A und da konnte man sich nur fragen: sollte man einen Zustand fortbestehen lassen, daß Hundert- tausende etwas betreiben, was gegen das Geseß verstößt, wenn das \{ließlich vom Geseßgeber- _# gewollt ist? Auch darüber hat der Staatssekretär Dr. Delbrüc y Ko dem Kriege 1914 sich ausgesprochen: „Darüber werden wir uns L bmmen klar sein, daß die Gewerk- schaften nah dem Willen des Geseßgebers nicht als politische Vereine angesehen werden können.“ Jn Bayern hatte schon 1908 ganz ähnlich der Minister von Perfall dargelegt, im Ngbmen des § 152 der Ge- werbeordnung könnten die Jugendlichen alt, llen gewerkschaftlichen Bestrebungen teilnehmen. Besonders mit Rucksicht auf jene gericht- liche Entscheidung is seinerzeit der Berliner Polizeipräsident mit vollem Recht gegen gewisse gewerk\chaftliche Vereinigungen als N vorgegangen. Die Statistik über die Beteiligung der Zugendlichen an den Gewerkschaften ist leider niht genau und sollte ausgebaut werden. Aus einer Arbeit eines Mitgliedes des Statisti- hen Amts ergibt sich, daß die Zahl der jugendlichen Gewerkschafts- mitglieder im Vergleih zu der Zahl der überhaupt gewerbetätigen Jugendlichen äußerst gering ist; in der Metallarbeiterschaft sind 18,9 % Jugendliche, im Metallarbeiterverbande aber nur 4,2 %, bei den Brauerciarbeitern sind die entsprechenden Ziffern 7,2 und 1/2. Der Verfasser erklärt das" damit, daß an ih diese jungen Arbeiter unter 18 Jahren nicht genügendes Verständnis für die gewerkschaft- lihe Bewegung haben. Die Gefahren, die Herr Dr. Oertel aus dem Entwurf herausgelesen hat, sind also sehr aerinq. Gegen die Zugehörigkeit der Jugendlichen zu den Gewerkschaften hat auch Herr Dr. Oertel kein Bedenken aeäußert, er sicht die Gefahr darin, day die Jugendlichen durh die Beschäftigung mit wirtschaftlichen Fragen zum Klassenhaß aufgereizt werden könnten. Sollte bei den Lohn- fragen nicht iv viel höherem Maße der Klassenhaß gepredigt wert en können, als bei Fragen über Arbeitershußbestimmungen usw.? Seine Befürchiung wäre do nur berechtigt, wenn er auch die Zuaehörigkeit verbieten wollte; das hat er aber nit gefordert. Niemand wird ver- kennen, daß die Teilnahme der Jugendlichen an gewerblihen Kämpfen au nit politischer Art mit {weren Gefahren verbunder. sein kann; aber das liegt in der wirts{aftlihen Entwicklung, die niht mel, gestattet, die Jugend vom Erwerbsleben fern zu halten. Diese be- sonderen Gefahren werden von den ‘verbündeten Reaierungen und der Meichsleitung durchaus nicht unterschäßt; aber sie sieht in dem Gesey-

entwurf nicht eine Verschärfung dieser Gefahren, sondern bestehenden Zustand Eee deflaratoritie S A vermeidet, daß solche vergiftende Kämpfe -eintreten. Ich f a ihm die Zustimmung zu erteilen. B

Abg. Herzfeld (soz. Arb.-Gem.): Man hat unsere An 4

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für eine Demonstration erklärt, wir. halten sie für not

Interesse einer rihtigen Gestaltung des Vereinsrehts, Wi el.2 Demonstration, so müßte die ganze Geseßgebung eine soldhe j Das Geseß ist nicht eine Deklaration, sondern eine arunbl f Umwälzung des bestehenden Vereinsrehts. Es deklariert dak Gewerkschaften politishe Vereine sind, für welche nur S 4 bestimmungen in diesem Geseß gewöhrt werden. Diese Deklariers wird zum Nachteil der Gewerkschaften aus\{lagen. Wir L i hier ein Stük Neuorientierung, das man als Geschenk, gz 8 lohnung erhält. Solche Geschenke sind im politischen Leben jy außerordentli geringem Wert. Wertvölle (Errungensaften sind m durch Kampf, dur Klassenkampf zu erreichen. Was wir nicht wud rücsichtslosen Klassenkampf erreichen, werden nur Brosamen is Ist irgendwo eine Agitation zur Aufnahme von Jugendlichen in N Gewerkschaften betrieben worden, sind massenhaft Jugendlite auf nommen worden? Die Nücksiht auf die Jugendlichen fann hi Geseß also nicht veranlaßt haben. Die Auslegung der Gerichts - klärt sich daraus, daß die Gewerkschaften eine Macht gewor, sind, ein Vermögen von über 80 Millionen besißen, daß man m den Gewerkschaften die Partei treffen wollte, wie eine Denkst des Berliner Polizeipräsidenten von 1913 beweist. Wenn Eünftig die Gewerkschaften Sozial- und Wirtschaftspolitik nicht im Einl sondern gegen den Willen der Unternehmer treiben, so wird das np, Geseß in demselben Sinne ausgelegt werden wie das alte, 9j Unterscheidungen in den Motiven sind geradezu ein Mittel der Yj legungskunst der Staatsanwälte und Richter zu Ungunsten der 4 werkschaften. Die Negierung hat sih selbs ein Mittel vorbelglh die jungen Leute den Gewerkschaften fernzuhalten, dur den Hj weis, daß die Disziplinargewalt der Schule und der Lehrhberren dur dieses Geseß nicht berührt werden. Die meisten jungen Leute fj in der Fortbildungsschule, und die Arbeitsordnungen in den Fabrik könnten ein entsprehendes Verbot erlassen. Die sogenannten Ärbeity Jugendvereine, die die Volksbildung und Bolksgesundheit förded wollen, werden von den Gerichten als politische Meins bebantal werden. Daß diese Vereine ausgenommen werden, bedeutet Ausnahmegeseß gegen die sozialdemokratische Partei. Die fozialdend kratischen Jugendvereine sind Kulturvereine. Es wird ihnen Klas bewußtsein eingeprägt, ein großes, {önes Ziel gezeigt. Das Geis it auch ein Ausnahmegeseß gegen die polnischen Gewerkschaft

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weil es den Sprachenparagraphen aufrecht erhält; ferner it es au

ein Ausnahmegeseß geaen die Staatsarbeiter und Angestellte: i Koalitionsrecht kann durch Vertrag aufgehoben werden, obwohl by der Beratung des Bürgerlichen Gesebßbuches von der Regierung q ertannt wurde, daß folhe Verträge wider die quten Sitten verstoßen Dies Gesetz ist ein Geseß für „gute“ Gewerkschaften, die sich woll verhalten, die nah russishem Muster geduldet werden können. Diesel Weg geht die sozialdemokratisce Arbeiterschaft nicht mit. Vi {lagen den Gesetzentwurf von 1915 vor, den der Neichstag fast ci sUmmig angenommen hat. Er ist gewiß kein Ideal, aber er enthil wenigstens feine Kautschukbestimmungen mehr. Sollen die A nahmebestimmungen für die Landarbeiter erst aufgehoben werde wenn ein neues Jena kommt? Den Unternehmern werden t Taschen mit Gold gefüllt, den Landarbeitern wird keine Spur bg Necht gewährt. Wo wollen Sie (rechts) Ihre Landarbeiter spät hernchmen, nachdem Sie 800 000 Jhrer Arbeitskräfte im Kriege ba loren haben? (Abg. Kreth: Danach werden wir Sie später 1 Nat fragen!) Es gibt nur ein Mittel, wieder Landarbeiter zu bi kommen, nämli daß Sie den Landarbeitern die Nechte der gewe lichen Arbeiter geben, fie von der Sklaverei befreien. Abg. von Laszewski (Pole): Die Aufrechterhaltung d Sprachenparagraphen wird von den Polen \{merzlich ermpfund Wir verdienen cine sole Ausnahmestelluna nicht zu einer Zeit n viele Polen vor der Front stehen. Immerbin ist die Erklärung d

A O u dem Auss{uß ein Fortschritt. Wir werden für d C

Aus\cuß chluß stimmen, obwohl wir damit noch nicht alles 41 reichen, was wir erreichen wollen.

Staatssékretär des Jnnern, Staatsminister Dr. Helfferiá

Meine Herren! Ich möchte zunächst die Erklärungen bestätign die von seiten des Vertreters der verbündeten Negierungen in dd Kommission über die von dem Herrn Vorredner behandelte Fra gegeben worden sind. Der Vertreter der verbündeten Regierungen h dort erklärt:

Berufsvereine könnten nicht lediglich deshalb, weil sie ail MNeichsangehörigen nichtdeutscher Nationalität beständen und sid | ihren Versammlungen fremder Sprachen bedienten, für politisk Vereine erklärt werden. Es kämen auch den aus polnischen M gliedern bestehenden Vereinen der in der Vorlage bezeichneten M deren Vorteile zugute, solange sie sih innerbalb der vorgeschrieben Grenzen hielten.

Damit ist ja festgestellt, daß wie auc der Herr Vorredner erlennt auch für die deutschen Neichsangehörigen polnischer Nati nalität dieses Gescß immerhin eine Erleichterung und einen Fo schritt bedeutet. Dies kann man nur bestreiten, wenn man nach des zweiten Herrn Vorredners von vornherein den verbündeten Regi rungen eine illoyale Ausführung dieses Gesetzes unterstellt.

Was nun den Junitiativantrag anlangt, so habe ih zu bemerk

daß es einer alten und wohl begründeten Gepflogenheit entspricht, di

sih die verbündeten Regierungen an der Beratung von Jhunitiali anträâgen dieses Hauses nicht beteiligen. Von dieser Gepflogenheit i zugehen, sehe ih im vorliegenden Falle um so weniger Veranlassuil als die verbündeten Regierungen in den Kommissionsverhandluns über das Vereinsgeseß, aus denen ja dieser Jnitiativantrag herbs gegangen ist, in der bestimmtesten Weise erklärt haben, daß si t verbündeten Megierungen nicht dazu verstehen konnen, unter den ge wärtigen Zeitverhältnissen über den Nahmen des vorliegenden Gei entwurfs hinauszugehen. Das ist mit besonderer Deutlichkeit gerad auch gegenüber dem Antrag auf Streichung des Sprachenparagraplt des Vereinsgesetes erklärt worden.

Die Gründe, die für die verbündeten Negierungen in dies Punkte bestimmend sind, darf ih wohl als bekannt ansehen. Jch fa mich deshalb kurz fassen.

Die verbündeten Regierungen haben zwar geglaubt, beretigl Wünschen durch eine Deklaration des bestehenden Geseßes Mechnl tragen zu können, durch eine Deklaration, die eine mit den Absicht des Geseßgebers nicht in Einklang stehende Anwendung des besteht den Gejeßes nah Möglichkeit ausschließen soll. Aber die verbüntelt Regierungen glauben nit, auf einen bisher immerhin umstritte Boden Aenderungen bestehender Gesehe vornehmen zu sollen, sola der Krieg noch dauert und. der Frieden noch: nicht gesithert ist.

Alle unsere Anstrengungen, alle unsere Kräfte gehören zuni und vorläufig dem Kriege, gehören heute der Verteidigung des Vall! landes und der Erkämpfung des Sieges, gehören der Sicherstelll eines Friedens, der uns gestattet, unbehelligt von außen unser 98 neu zu bestellen und die Arbeit an der Verbesserung der Lebensverhi! nisse unseres Volkes, an der Hebung seines gesamten Lebensständ wieder aufzunehmen.

Die Neubestellung unferes Hauses wirb si vollzießen auf ber ndlage des Erlebnisses, das diefer Krieg für unser Volk und für

L einzelnen von uns bedeutet. Wer dur dicses größte Geschehen

or Weltgeschichte hindurchgeht, ohne es innerlich zu erleben, ohne bis in alle Tiefen davon erfaßt zu werden, der hat weder Herz und kein Nerständnis, der ist als Staatsbürger verloren. In dieser großen und schwierigen Zeit ist das Bewußtsein der Staatsbürgerpflicht, die Er-

' fenntnis der Staatsnotwendigkeit in! allen Schichten des Volkes ge- | reift. Jn brüderlihem Zusammenhalten, in der Gemeinsamkeit der

n 7 2 1 . ° T Taten und der Opfer mußte sich das gegenseitige Verhältnis der ein- zelnen Berufsstände, Klassen und Konfessionen wandeln und klären. Das Gleiche erwarlen wir mit Zuversicht aub für das Verhältnis zwischen den nicht déuts{sprachlichen Teilen unserer Volksgemeinschaft und dem großen deutschen Grundstock unseres Reiches.

Dem neuen Inhalt unseres völkischen und staatlichen Daseins werden sich neue Formen anpassen. Die Aufgaben, die uns hier bevor- stehen, sind so umfassend und so weitshichtig, sie hängen auch so eng miteinander zusammen, daß es nit angebt, die eine oder andere Frage, mag sie im einzelnen auch noch so brennend und witig er- scheinen, getrennt für sih vorweg zu behandeln. Man foll die Früchte nicht pflücken, ehe sie reif sind. (Sehr gut! rets. Daß die Früchte gut ausreifen, das, meine Herren, liegt mit in Ihrer Hand. Sie fönnen heute son die Zukunft vorbereiten, wenn Sie dafür sorgen, ein jeder in feinem Wirkungskreise, daß unser Volk in allen feinen Teilen das Erlebnis des Weltkrieges im rechten Geiste aufnimmt, daß die Erkenntnis der Staatsnotwendigkeiten, daß der Geist der Einigkeit und Brüderlichkeit, der Geist der gegenseitigen Achtung und des gegen- seitigen Vertrauens in unserem Volke über den Krieg hinaus erhalten hleibt und fruchtbar wird.

Das ist der Boden, meine Herren, auf dem wir zu bauen haben werden.

Jch habe zu unserem deutshen Volke das Vertrauen, daß wir diesen Boden haben werden. Jch habe den Glauben, daß unser Volk in allen seinen Schichten nah dem Kriege mehr als je durchdrungen fein wird von der ewigen Wahrheit, daß Rechte nur auf dem sittlichen Boden der Pflichb bestehen und gedeihen können. (Lebhaftes Brabvo!)

Abg. Han ssen (Däne): Jn dem Anfang des Krieges wurde cuch den Bewohnern der Grenzprovinzen eine Neuorientierung ver- sprochen. Jeßt, nach 22 Kriegsmonaten, ist damit noch nicht ein- mal ein Anfang gemacht worden, ja in Nordschleswig ist die Willkür der Verwaltungsbehörden gegen den Gebrauch der dänischen Sprache noch stärker geworden. Die einzig richtige Politik ist die der Gerechtig- keit, und die fordert, daß die Dänen in Preußen nicht s{lechter gestellt werden als die Polen in Rußland. Darum muß auch der Sprachen- paragraph fallen. Es ist ja sehr erfreulich, daß auch die große Mehr- heit des Hauses das für notwendig hält und ein Sondergesecß diese Forderung aufstellt. Nehmen Sie dieses Geseß an; die Negierung wird damit in die Lage verseßt, die Aufhebung des § 12 nochmals zu erwägen, und so wird dieser Schandfleck des Neichsvereinsgeseßes doch vielleicht endlih vershwinden. :

Abg. Dr. Kerschensteiner (fortschr: Volksp.): Die Novelle zum Vereinsgeseß hat in mir große und {were Bedenken erregt, nicht politischer Art, denn die Befreiung der Berufsvereine von der Klassi-

fizierung als politische Vereine 1istt zu begrüßen, weil die Gewerk-

schaften nun ohne Bevormundung ihre Betätigung auf dem erzieh-

lichen Gebiet für die Jugend ausüben können: meine Bedenken sind vielmehr pädagogischer Art, da zuglei das Verbot der Teilnahme der Jugendlichen an den öffentlihen Versammlungen aufgehoben wird. Der Abg. Heine sieht keinen Unterschied zwischen geschlossenen und öffentlichen Versammlungen. Nach meiner Erfahrung gibt es aber den klaren Unterschied, daß in geshlosseuen Versammlungen die Teil- nehmer sich gegènseitig die Köpfe, 1n öffentlihen Versammlungen dié Köpfe anderer waschen, und zwar nicht immer mit reinem Quellwasser, sondern auch mit Schmierseife und Spülwasser. Das i} oft der Geist in den Versammlungen, und darum habe ih Bedenken, diesen Geist in die Jugendlichen hineinzutveiben. In meiner Amtsführung als Pâdagoge hat die Freihaltung der Jugend von den politischen Kämpfen für mich immer eine große Nolle gespielt; einmal habe ich Bedenken wegen der Unreife der Jugend, ferner wegen des Unter- schiedes zwischen öffentlichen und ‘geschlossenen Versammlungen und wegen der Notwendigkeit der staatsbürgerlihen Grziehung, für die ih mein ganzes Leben lang gekämpft habe. Die Unreife der Jugend liegt auf der Hand; wir halten ja die Schüler in höheren Lehr- anstalten von der Leidenschaft der Versammlungen zurück. Auch 1m römischen Volk nahmen Jugendliche erst an öffentlichen Versamm- lungen teil, wenn sie die toga praetexta erhalten hatten; daß die Römer ibre Söhne {hon mit 14 Jahren in den. Senat mitnehmen durften, ist absolut unrichtig, denn erst in der Kaiserzeit wurde die toga praetexta mit 15 Jahren gegében, und zu dieser Zeit befand sih das römische Volk {on im Niedergang. In dem Alter der Pubertät erwächst das Gefühl der Selbständigkeit, des Nevolutio- nierens gegen das, was von Eltern und Lehrern dem Kind ls Wert beigebracht ist. Besteht in dieser Zeit nicht eine starke Führung zu wirklih höheren Werten, so geht ciner großen Mehrzahl der Jugend jede Wertschäßung der höheren Güter verloren. Gerade di öffent- lichen Versammlungen sind Kampfpläke, es gilt, die Unfähigkeit oder das Uebelwollen des Gegners hervorzuheben. Das gilt auch von Lohn- kampfen. Ja, wenn es noch so eanfach wäre, wie bei der Wahl zwischen dem langen Lincoln und dem kurzen dicken Parker. Da hieß es: Wenn ihr den langen Lincoln wählt, dann werdet ihr mit dem Psalmisten ausrufen: Ach Gott, wie lange wird dieses Unglück noh dauern! Aber wenn ihr den kleinen, dicken Parker wählt, könnt ihr mit dem andern Psalmisten rufen: O Gott, wie kurz währt diese Freude. Jch höre schon in den Versammlungen wieder die Drehorgel der Schlagworte von der Auspoverung, von Kapitalismus usw., die ewig abgeorgelt werden. Es handelt sih um die Grziehung der Jugend zu ganz bestimmten Werten. Angenommen, die öffent- lien Versammlungen könnten belehren, so zerstört doch der Ton der Versammlungen jede Belehrung. Jch erinnere nur an die Versamm- lungen des Abg. Hoffmann. Wir müssen der Jugend einpflanzen, daß das Staatsleben cin gemeinsames Leben 1 und daß wir nur um den Ausgleih der Interessen kämpfen können. Eine Jugend ohne Staatsgesinnung ist immer ein Unglück. Die Erziehungstätigkeit der Gewerkschaften erkenne ih durchaus an, sie werden auch weiter an der sittlichen Erziehung der Jugend arbeiten. Aber selbstverständlich sucht eine jede Partei die Jugend in ihren Idealen zu erziehen. Die Jugend kann doch nicht ihre Interessen selbst wahren, sie muß es den Reiferen und Aelteren überlassen. Zwischen dem Abg. Müller- Meiningen und mir besteht kein Gegensaß, wir sind beide einig, und ih brauche mich in dieser Hinsicht nicht zu bessern. Einen stichhaltigen Grund für die Teilnahme der Jugendlichen an öffentlichen Versamm- lungen gibt es niht. Es wird Ihnen die Zeit kommen, die Sie an den Zauberlehrling erinnert, der die Geister nicht mehr bannen konnte, die er gerufen hatte. Es geht niht ohne Erziehung der Jugend aus die Autorität; nur dur die Autorität geht der Weg zur Freiheit.

Abg. S ch ulz - Erfurt (Soz.): „Es tut mir in der Seele weh, en ih Dich (zu dem Vorredner) in der Gesellschaft des Abg. Oertel seh.“ Daß die sfozialdemokratishe Arbeitsgemeinschaft mit der äußersten Rechten den Geseßentwurf ablehnt, bedauern wir. Daß die Gewerkschaften keinen sehnlicheren Wunsch haben, als die Jugend- lihen in das politische Parteigetriebe binein uziehen, ist eine arge Uebertreibung. Der Abg. Kerschensteiner sprach ja auch nur von dén öffentlichen Vérfémmlungon, Wir wollen die ¡Jugend an die \taat- lichen Formen gewöhnen, sie auf die Wehrbastigkeit der Erwachsenen vorbereiten. Wir sind aber Gegner der öden Soldatenspielerei. Eben-

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E E Æ

J sowenig wollen wir eine politishe Solbakenspielerei, Arbeiter und E iasten kann man nicht miteinander vergleiden. Die ersteren stehen s{chon mit 14 Jahren im Arbeitsprozeß, sie wollen ihre wirt- scaftliche Stellung verbessern. Soll die staatsbürgerlice Gesinnung den Jugendlichen anerzogen werden, so kann dies nur in den Gewerf- ften geschehen. Der Klassenkampf ist doch nit ein gegenseitiges

Jugendlichen ungeheuer viel. Man mat sich von ihrer Tätigkeit und von der der jugendlichen Arbeiter vielfach ein falses Bild. Der Arbeiter muß sich als ein unentbehrlihes Glied des Kulturganzen fühlen. Die Erzichung des proletariscen E Nes in soztialisti- {em Sinne ist eine Selbstverständlichkeit. Der Abg. Dr. Oertel mmmt für sich doch jedenfalls in Anspruch, seine Kinder im agrarischen Sinne zu erziehen. Dasselbe Recht beanspruchen wir für unsere Kinder. Wir stimmen der Vorlage zu, weil sie einen Schritt vor- waris bedeutet.

Verichterstatter Abg. Dr. Müller - Meiningen (forts{r. Volksp.): Es handelt sich nicht um eine Aufhebung des § 17, sondern um eine authentische Interpretation dieses Paragraphen. Wir baben 1908 angenommen, daß die Gewerkschaften überhaupt feine politischen Vereine wären. Die Regierung nahm dieselbe Stellung ein. Die bayerische Regierung war bezüglih der Jugendlichen derselben Bei- nung wie die Mehrheit des Reichstages. Die Scheidung zwischen ge- werkschaftliden Versammlungen und politischen Versammlungen: ist in den Motiven klar gezogen. Es besteht vollkommene Klarheit, was die Jugendlichen in Zukunft tun dürfen. An den öffentlichen Ver- sammlungen dürfen sie aub in Zukunft nicht teilnehmen. Die Be- surhtungen des Abg, Kerschensteiner sind nicht begründet.

_ Abg. Dove (forishr. Volksp.): Der Abg. Kerschensteiner wollte nit als Politiker, sondern als Pädagoge \prechen. Darin ist er sachverständig. Die Arbeiterjugend, die im wirtschaftlichen Erwerbs- leben steht, muß schon früh politis vorgebildet werden. Das Geseh ist eine Bekundung des Vertrauens gegen die Gewerkschaften, zu der wir in diesem Kriege alle Veranlassung haben. Es is au zu ver- ¿rauen, daß die Befürchtungen einiger Pädagogen wegen Auswüchse bei der Teilnahme der Jugendlichen an diesen wirtschaftlichen Fragen nicht begründet sein würden. s „Abg. Stadthagen (soz. Arb.-Gem.) wendet si gegen das Geseß, das er im Gegensaß zu den Ausführungen der Abgg. Heine und Schulz-Erfurt für eine Schädigung der Gewerkschaften hält, für ein Danaergeschenk zuungunsten der Arbeiter.

Abg. Graf von West a rp (dkons.): Wir können der Aufhebung des Strafenparagraphen nicht zustimmen. Die Verhältnisse der Polen werden nach dem Kriege einer organischen Regelung untérzogen werden. iner vorzeitigen Regelung können wir uns niht ansdliecßen.

Damit schließt die Besprechung.

Unter Ablehnung der Anträge Bernstein, für die nur die Antragsteller, die Polen und Elsässer stimmen, und des An- trags Graf Westarp, für den außer den Konservativen ein feiner Teil des Zentrums stimmt, wird die Vorlage ange- nommen und dann auf Antrag des Abgeordneten Spahn (3.) fofort in dritter Lesung. Der zweite von dem Ausschuß vorgeschlagene Gesekentwurf wird ebenfalls in zweiter Lesung und unmittelbar darauf in dritter Lesung angenommen: die namentliche Gesamtabsnmmung wird verschoben.

Es folgt die dritte Beratung der Steuergeseßt- entwürfe.

Abg. Scheidemann (Soz.): Die Sozialdemokratie kann neue Belastungen des Verkehrs und Verbrauches nicht zulassen. Unter ihnen haben gerade die unteren und mittleren Volksklassen fast aus\chließlich zu leiden. Schon die bisherigen Verkehrs- und Ver- brauésteuern bedeuten eine {were Belastung. Dazu kommt, daß der Verkehr und Verbrauch im Kriege und in der Uebergangszeit zum Frieden sowieso {on äußerst {were Lasten zu tragen hat. Deshalb lehnen wir diese Steuern ab und ebenso die Tabaksteuer. Die zur Balanzierung des Etats erforderlichen Summen hätten nicht dur neue Steuern auf Verkehr und Verbrauch, sondern durch eine \cärfere Heranziehung des Besißes gedeckt werden können. Es wäre Pflicht des Besibes gewesen, diese Steuern auf sih zu nehmen, da allein die Besißenden fast alle Vorteile haben. Der Grundgedanke des Kriegs- steuergeseßes ist gesund. Wir stimmen ihm deshalb zu, troßdem es in der zweiten Lesung Verschlehterungen erfahren hat. Das Volk wird daraus seine Lehren ziehen und später mit Nachdruck eine richtige Steuergeseßgebung verlangen.

Abg. Haase (soz. Arb.-Gem.): Wir stehen hier einem festen Block oller bürgerlichen Parteien gegenüber. Man hat die von der Regierung vorgeschlagenen Verkehrssteuern noch gewaltig vermehrt. Auch eine allgemeine Krieg8gewinnsteuer, die gefordert worden ist, ist durch das Kompromiß nicht zustande gekommen. Wir werden also dagegen stimmen. Die bürgerlihen Parteien werden die Verant- wortung für ihr Werk übernehmen müssen.

Damit {ließt die allgemeine Aussprache.

- Auf Anirag des Abg. Bassermann wird das Gesetz im einzelnen en bloc angenommen. (Der Reichskanzler Dr. von Bethmann Hollweg ist inzwischen am Bundesrats- tisch erschienen.) /

Das Haus nimmt dann in dritter Lesung ohne jede Debatte das Geseß über den Warenumsaßstempel, Erhöhung der Tabakabgaben, Erhöhung der Post- und Telegraphen- gebühren und das Frathturkundenstempelgesez im ganzen an.

In namentlicher Abstimmung wird der Entwurf eines Kriegssteuergeseßes im ganzen mit 312 gegen 24 Stimmen bei einer Stimmenthaltung angenommen.

Ebenfalis in namentlicher Abstimmung wird dann der von der Kommission vorgeschlagene Geseßentwurf wegen Auf- hebung des Sprachenparagraphen des Vereinsgeseßes in ¿weiter Lesung mit 265 gegen 74 Stimmen bei drei Stimm- enthaltungen angenommen.

Auf Antrag des Abg. Dr. Müller-Meiningen tritt das Haus sofort in die dritte Beratung cin.

Abg. von Seyd a (Pole): Der Reichstag hat eben bes{lossen, daß der unglückselige Sprachenparagraph sofort aufgehoben werde. Troß der ablehnenden Haltung des Staatssekretärs des Innern glaube ich der Erwartung Ausdruck geben zu dürfen, daß die verbündeten Regterungen diesem wiederholten Beschluß des Reichstages doch bei nodmaliger Erwägung stattgeben werden. Sollte das nit der Fall ein, so würde ich darin eine unbegreifliche Nichtachtung eines Be- Laa des Neichstages erbliden. Die polnifche Bevölkerung würde daraus den Schluß ziehen, daß die verbündeten Regierungen in Wirk- lichkeit eine Aenderung der Verhältnisse nit eintreten ‘alen wollen und daß das Wort des Abg. Hanssen sih bewahrheitet: Der Mohr hat seine Schuldigkeit getan, der Mohr kann gehen.

Der Gesetzentwurf wird im ganzen gegen die Stimmen der Rechten angenommen. c i

Alsdann tritt das Haus in die dritte Lesung des Reichshaushaltsetats für 1916 ein.

Reichskanzler Dr. von Bethmann Hollweg!:

Meine Herren! Der Reichstag hat soeben mit großer Mehrheit die Steuern bewilligt, deren das Reich bedarf, um auch im Kriege eine geordnete Finanzwirtschaft fortzuführen. Der Reichstag hat sich dainit den Dank der ganzen Nation verdient und unseren Feinden gezeigt, daß wir auf allen Gebieten bereit und willens sind, auszu- halten. Jch habe die Ghre, namens der verbündeten Regierungen dissem Danke hier öffentlichen Autdruck gu geben. :

Meine Herren, ih will an diese Worte des Dankes einige all- gemeine Bemerkungen anknüpfen. Vor einem halben Jahre, am

oischlagen. Die Gewerkschaften tun für die deine Ausbildung tct— 1

9. Dezember, habe i hier zum ersten Male auf Grunb if

tärischen Lage von unserer Friedensbereitschaft gesprochen. Jch ko

das tun in der Zuversicht, daß si die Kriegslage noch weiter ver-- bessern würde. Die Entwicklung hat diese Zuversicht bestätigt. Weitere Fortsritte sind gemadt, auf allen Fronten sind wir noch stärker als zuvor. (Bravo!) Wenn i, mit dieser Entwicklung vor Augen, erklärt habe, daß wir bereit zum Frieden wären, fo habe ich das nicht zu bedauern, auch wenn unser Angebot bei den Feinden keinen Erfolg gehabt hat.

In der kritischen Zeit des Juli 1914 war es die Aufgabe jedes, vor Gott, vor dem Lande und vorx seinem Gewissen verantwortlichen Staatsmannes, nichts unversut zu lassen, was in Ehren den Frieden bewahren konnte. Ebenso wollten wir nach erfolgreicer Abwehr unserer Feinde nichts versäumen, was geeignet wäre, die furckchtbaren Leiden der Völker mitten in einem solcken Brande abzukürzen.

Später habe ih einem amerikanischen Journalisten gesagt, daß Friedenêverhandlungen nur dann ihr Ziel erreiden fönnten, wenn ste bon den Staatsmännern der friegfübrenben Länder geführt würden auf Grund der wirklichen Kriegslage, wie sie jede Kriegskarte zeigt. Von der anderen Seite is das zurückgewiesen worden. Man will die Kriegskarte nit anerkennen. Man hofft, sie zu verbessern. Ja, inzwischen hat sich die Kriegsfkarte weiter verändert, zu “unseren Gunsten. (Lebhaftes Bravo!) Wir haben in sie eingetragen die Uebergabe der englis&en Armee von Kut-el-Amara, die Niederlagen und gewaltigen Verluste der Franzosen vor Verdun, das Sceitern der russisben Märzoffensive, den mahtvollen Vorbruch der österreihis- ungariswen Truppen gegen Jtalien (Stürmischer Beifall), die Festigung der Linie vor Saloniki, und in diesen leßten Tagen haben wir mit jubelndem und dankbarem Herzen die Seeschlacht vom Skagerrak erlebt. (Erneuter stürmisher Beifall.) So sieht die Kriegskarte {on wieder anders aus. Unsere Feinde wollen davor noc die Augen verschließen, Dann müssen, dann werden und dann wollen wir weiter kämpfen bis zum endgültigen Sieg. (Anhaltender \türmischer Beifall.) Wir haben das Unsrige getan, um den Frieden anzubahnen. Die Feinde haben uns mit Spott und Hohn zurük- gewiesen. (Sehr richtig! links und im Zentrum.) Damit wird jedes éFriedensgespräb, wenn es von uns begonnen wird, zurzeit ni&tig und vom Uebel. (Lebhafte Zustimmung.)

Meine Herren, von verschiedenen Staatsmännern in England und au anderswo sind Versuche unternommen worden, unserem Volke den Puls zu fühlen und dur partikularistishe oder inner- politische Gegensäße unsere Schlagkraft zu lähmen. Diese Herren leben in merkwürdigen Vorstellungen. - Wenn sie sich nicht selbst täuschen wollen, dann müssen sie dabei gemerkt haben, wie fest der Herzscblag des deutschen Volkes ist. (Lebhafter Beifall.) Es gibt keine Einwirkung von außen her, die unsere Einigkeit au nur im geringsten erschüttern könnte. (Zustimmung.). Gewiß, meine Herren, au wir hab:n unsere Meinungsverschiedenheiten. Aber diese Meinungsver- schiedenheiten werden sahlich ausgekämpft. Wir haben sehr ein- gehende Auseinanderseßungen in der Kommission gehabt, wir haben starke Differenzen namentlich in der V-Bootfrage und über unsere Beziehungen zu Amerika gehabt. Die Ansichten sind \{roff aufein- ander gestoßen. Aber i kann und will hier feststellen, daß bei diesen Verhandlungen von allen Seiten die gegenseitige Ueberzeugung und Ansicht geachtet worden ist. Die Verhandlungen sind immer auf dem sachlichen Boden geblieben.

Meine Herren, unsere vertraulichen Ausspraten inder Vere-. \hwiegenheit der Kommissionsz#nmer haben das Bedürfnis nah öffentliier Aussprache nicht befriedigen können. Weshalb wir der Oeffentlichkeit ersehnte Aufklärungen vorenthalten müssen, das wissen Sie. J glaube, wir waren in der Kommission einig darüber, daß eine Grörterung dieser Fragen vor der breiten Oeffentli#keit, wenn sie den Gegenstand ers{öpfen sollte, das Land schädigen würde. (Sehr richtig! links und im Zentrum.) Davon kann aub ih niGt abweichen. Allerdings, meine Herren, wünsche auch ich die Zeit herbei, wo die Zensur mit allen ihren Beschränkungen und Belästigungen, die nun einmal untrennbar mit ihr verbunden sind, 1hr Ende erreiWen kann. Meine Herren, ih will die Zensurdebatte von neulib nit wieder neu beleben. Jch glaube nicht, daß man den vorigen Mittwoch im Lande als einen besonders erhebenden Tag empfunden hat. (Lebhafte Zustimmung links.) Nur einige Worte will ih sagen. Jede poli- tische Maßnahme in diesem Kriege jede ohne irgendeine Ausnahme hat allein zum Ziel: wie bringen wir. den Krieg zu einem sieg- reihen Ende? Nur unter diesem Gesichtspunkt soll au die Zensur geübt werden, mögen Sie sie nun militärische oder politische Zensur nennen. Jch werde dahin wirken, daß in solchen politischen Ange- legenheiten, die nur lose mit der Kriegführung zusammenhängen, der Zensurstift so wenig wie irgend möglich angewendet wird. (Bravo!) Die Presse, die troß aller Widerwärtigkeiten und Schwierigkeiten in dieser ernsten Zeit ihre hohe Aufgabe mit Pflichtgefühl auffaßt und erfüllt, soll in gerechter und unparteüscher Würdigung ihrer Ziele nach meinem Willen so wenig Fesseln empfinden wîe mögli. (Er-= neutes Bravo!)

Meine Herren, das. Bestehen der Pressezensur hat einen fehr bedauerlichen Mißstand aufkommen lassen, über den ih einige Worte spredben muß. Ich meine die Treiberei mit offenen und geheimen Denkschriften, die teils anonym, teils mit Namen in Umlauf gebracht worden sind. (Stürmische Zustimmung links.) Meine Herren, wenn das Vertrauen unseres Volkes zu erschüttern wäre =— einige dieser Schriften haben ih alle Mühe gegeben, das zu tun. (Erneute leb= hafte Zustimmung.) Jn Tausenden von Eremplaren, wie es \ceint, ist dieser Tage ein anonymes Heft verbreitet worden, das-in der Pamphletliteratur, wenigstens soweit sie mir bekannt ist, an der Spiße marschiert. (Bewegung.) Jn diesem Heft trägt der Ver- fasser mit der Miene des besorgten Patrioten Dinge aus der diplo- matischen Vorgescbichte des Krieges vor, die eine fortlaufende Kette von Unwahrheiten und Verdrehungen des wahren Sachverhalts sind. Lassen Sie mich ein paar Beispiele anführen. 09

Dieser Mann wagt es, zu screiben, daß der deutsche Reichs- kanzler geradezu zusammengebrochen sei, als ihm der englische ‘Bot- schafter den Abbruch der Beziehungen mitgeteilt habe. Natürlich braucht der Schreiber dieses Heffes das historishe Faktum nit zu wissen, daß der Abbruch der Beziehungen bereits einige Stunden vorher erfolgt war in einer Unterredung, die der englische Botschafter mit Herrn von Jagow hatte, der in meinen “Auftrage spra. - Der Schreiber :brauht“ au ‘nicht zu: wissei,-daß meine Unterxedüng mit Sir Goward Goschén, die et: im Auge hat, där pátsönliche Abschieds-

besu war, den mir’ der britische Botschafter machte. Und er braucht

auch nicht zu wissen denn die englische Quelle, die ihm gut genug