1916 / 135 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Fri, 09 Jun 1916 18:00:01 GMT) scan diff

roßen Teil Leute, die früher dem Handelsgeschäft gänzlih fernge- tanden haben. Geradezu ungeheure Mengen Fleisch und E leiswaren werden ieten Anzeigen der großen Zeitungen Tag für Tag ange- boten. Die Kommunen haben in Erfüllung ihrer Verpflichtung, für die Ernährung ihrer Einwohnerschaft vorzusorgen, auch Fehler ge- macht, die die Mißstände nur noch gesteigert n. Eine Stadt hat Fleishvorräte aufgestapelt, die 1224 Pfund pro Kopf ergeben. Jch möchte bezweifeln, ob auf dem Lande ein großer orrat in jedem Haushalt vorhanden ist. Man kann angesichts der harten Teuerung auch an den Niesengewinnen nicht vorbeigehen, die z. B. die Groß- mühlen macen. Selbst das „Berliner Tageblatt“ hat sich sehr kritisch darüber geäußert. Dabei sind in vielen Fällen die Geschäftsunkosten troß der Niesengewinne weit geringer gewesen als vorher. Es ist unbestreitbar, daß an diesen Nieséngewinnen au die Kriegsgesell- chaften niht ohné Schuld sind. Der Berliner Polizeipräsident hat das Publikum aufgefordert, beim Einschreiten gegen wucherische Aus- \chreitungen usw. die Polizei zu unterstüßen. Bei dem Versuch, dieser Eullorperung zu entsprechen, habe ich wiederholt die fonderbarsten Erfahrungen gemacht. Jedenfalls kommt tatsächlich niht das Mindeste dabei heraus. Man versteht weder das Verhalten der Polizeibehörde noch au die unerhörten milden Urteile der Gerichte gegen Höchst- preisüberschreitungen usw.; {ließlich reiben sih die Schuldigen ver- gnügt die Hände und freuen sih, wie gut es doch in Deutschland jeßt im Kriege mit ihnen bestellt sei. Die Zentral-Einkaufs-Gesellschaft hat sogar nah dem Zeugnis des „Berliner Lokal-Anzeigers“ in vielen Fällen nicht preisausgleicend, ‘sondern preisverteuernd gewirkt; von einem Eingreifen der Behörden ist nichts zu hören gewesen. Diese Gesellschaft hat auch Vorzugs-Lebensmittelkarten an ihre Angestellten ausgegeben, die es ihnen ermöglichten, diese Lebensmittel für sich und ihre Angehörigen ohne jede weitere Bemühung zu bekommen; später soll davon Abstand genommen worden sein. Wie durfte eine solche Begünstigung Plaß greifen, wo es Tausenden und aber Tausenden wochen- und monatelang nicht glückte, troßdem sie sh „anstellten“ und s\tunden- und stundenlang warteten, etwas zu bekommen! Die Bestandsaufnahmen müssen auch auf die Privathaushaltungen ausgedehnt werden, das hat sich aus der Zuckerbestandsaufnahme als absolut notwendig heraus- gestellt. Wieder hat man der Landwirtschaft, den Großagrariern, den Vorwurf der Ausbeutung gemacht; mit Recht hat Dr. Nösicke darauf erwidert, daß alles geschehen müsse, um die Produktion und den Anreiz zu erhöhen. Zum Wildabschuß habe ich persönlich meine volle Uebereinstimmung mit dem zu erklären, was gestern der Abgeordnete Hoff darüber gesagt hat. Um die Ernährung des Volkes sicherzustellen, um auch in dieser Bezichung das sieareiche Durchhalten zu êrmöglichen, sprechen wir die zuversichtliche Hoffnung aus, daß der Präsident des Kriegsernährungsamts für die Ausmerzung der unsoliden CGlemente seine ganze Energie aufbieten wird; dann wird er sih ein unvergäng- liches Berdienst erwerben.

_ Abgeordneter Wur m (soz. Arb.-Gem.): Wenn diese wirtschaft- libe Negelung éine Großtat der heutigen Gesellshaftsordnung sein soll, dann is man wirklich sehr bescheiden. Der Staatssekretär ver- wies auf die Mißernte. Ich frage, wo sind die 6 Millionen Tonnen, die wir außerdem geerntet haben? Das Schlimme ist, daß zwei Drittel die Selbstversorgungsverbände teilen, nur ein Drittel die Reichs- getreidestelle. Auf diese Weise wird sehr viel unkontrolliert verbraucht. Der Städter ist insofern gegenüber dem Lande benahteiligt. So ist es gekommen, daß ein roten Teil des für die menschliche Ernährung bestimmten Getreides zur Viehverfütterung verwendet worden i}. Ohne Zentralisation i} eine Kontrolle auf dem Lande undurchführbar. Das Nerfüttern des Getreides ist profitabler, als wenn man es dem Müller überläßt. Alle patriotischen Ermahnungen fruchten nichts: wenn das Geld im Kasten klingt . . . Die en Strafen sind beschämend gering, und das Schlimme ist, daß die Megierung Verordnungen er- läßt, die zum Uebertreten geradezu anreizen. Wir haben eine vor- zügliche Kartoffelernte gehabt, und troßdem darbt das Volk. Wo sind zwei Drittel der Kartoffeln geblieben, die niht auf den Markt R Als die Reichskartoffelstelle errihtet wurde, hatte ie nur die sogenannte Verstreckung, eine Art Enteignung, in der E . Diese Verstreckung, - dieser Zwirnsfaden, wurde zerrissen, die Jeeresverwaltung brauchte sih an die Höchstpreise nit zu halten, und die Landwirte lieferten nicht an die Städte. Ein Oberpräsident riet den Landwirten ziemlih unverblümt, zu so niedrigen Preisen nicht zu liefern. Dieser Oberpräsident war der Oberpräsident von Ost- preußen, der jeßiae Präsident des Kriegsernährungsamts von Batocki. Daraus entstand Not. Dann wurden die Kartoffelpreise erhöht. Die einzelnen Bundesstaaten wußten davon nichts, wie in der sächsischen Kammer von der Regierung ausdrücklich festgestellt wurde. Der preußische Landwirtschaftsminister hat darauf hingewirkt, daß die Kar- loffelpreise erhöht wurden. So sieht die Großtat aus, von der der Staatssekretär sprah! Die augenblicklihe Kartoffelnot wird darauf zurückgeführt, weil es heißt, die Preise würden wieder in die Hohe achen. Berlin mußte zu exorbitant hohen Preisen Kartoffeln vom Ausland beziehen, und es besteht die Gefahr, daß wir zu Pfingsten feine Kartoffeln haben. Jst denn {on soviel fortgefüttert worden, daß nicht einmal das Pfund Kartoffeln für die Person geliefert werden kann? Mir i\t versichert worden, daß es noch genügend Kartoffeln im Lande gibt. Die Landwirte verlassen sich mit Herrn von Oldenburg darauf, daß die angedrohte Beschlagnahme nur auf dem Papier stände, bder Landwirtschaftsminister und die Provinzialverwaltungen ständen dinter ihnen. Schon regen sih die Kräfte, die Kartoffeln der neuen (Frnte zu verteuern, 4,70 M4 war sogar gefordert. Der Appell an den Patriotismus versagt hier gründlich, Herr NRoesike. Die Kartoffel arf nicht teurer werden, denn sie ist fast das einzige Nahrungsmittel, mi dem die große Masse sih sättigen kann. Je ärmer jemand ist, umso mehr muß er Kartoffeln essen, je weniger Brot, desto mehr Kar- toffeln. Darum sage ih: Hände weg von der Verteuerung der Kar- toffeln, sonst können Sie etwas erleben! In der Fleischversorgung laßt die Negierung die Preise zunächst bis zum Wahnsinn in die Höhe treiben; die Fleischpreise waren unbegrenzt, und darum mußte Brot- oetreide verfüttert werden. Dann kam die Verordnung wegen der Schweineabschlahtung. Es ist ein blamabler Irrtum, zu sagen, diese Verordnung habe zu einer ungeheuren Abschlachtung geführt. Jn Friedenszeiten werden 714 Millionen Schweine geshlachtet gegenüber ÿ Millionen im Kriege. 7 Millionen Ferkel werden weniger geboren. Die Abschlachtung hätte noch viel energischer durchgeführt werden sollen, denn das unzureichende Futter hatte einen geringeren Nuß- effekt zur Folge. Eine ganze Anzahl Autoritäten hält auch heute roch die Abschlachtung für richtig. Wir hätten mehr Fleis, wenn man weniger Tiere besser gefüttert hätte. Die hohe Mastprämie verführt dazu, Vieh zu mästen, auch wo die nötigen Futtermittel nicht vorhanden sind. Es wird weit mehr Vieh zurückgehalten, als gemästet werden fann, so daß cin Schlächter sagen konnte: unsere Ochsen schen aus wie Garderobenständer. Anzuerkennen sind die Lieferungsverträge der Städte, wie Berlin. Die Zahl und Qualität der gelieferten Tiere ist gut. Das ist aber nur ein kleiner Teil. Das übrige ist dem freien Spiel der Kräfte, nämlih den Viehhandelsverbänden, überlassen. Berlin hat von thnen so erbärmliche Ware erhalten, daß es gar nicht auszumalen ist. Die Verbände hatten früher gar keine Machtbefug- nisse, erst jeßt haben sie das Enteignunasrecht erhalten. Berlin hatte sich bei der Regierung um die Einführung einer Reichsfleischkarte bemüht, bis heute hat man es aber abaelehnt, sih geweigert auf den Widerstand Preußens hin, während Bayern, Sachsen und Baden eine Landesfleischkarte eingeführt haben. Herr Rupp hat nicht be- stritten, daß auf dem Lande Vorräte vorhanden sind. Was wir jeßt bekommen, ist so teuer, daß die nichtzahlungsfähigen Leute, die Fleisch- farten aar niht cinmal benußen können. Die Preise können und müssen herabgeseßt werden. Jn bezug auf die Butterversorqung machk mam der Organisation unberechtigte Vorwürfe, die Schuld trifft vielmehr die Zeniraleinkaufs\stelle. Berlin wollte die zu liefernde Buttermenge von 125 Gramm herabseßen, wurde aber darauf vertröstet, daß mehr Butter gegeben werden ol... Die Stadt kann doch ncht geben, sondern nur weiterverteilen; die Zentraleinkaufs\telle hat einfah versagt. Die Firma Wertheim, bekam 52000 Pfund ausländishes Schmalz vom

riegsministérium zum Verkauf. Die Städt hatte nihts. Die

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Stadt Berlin bat das Kriegsministerium, ihr das Schmalz zu geben. Das wurde Dl ei E, und exst das Generalkommando verhinderte den Verkauf und überließ Berlin das S alz. Aehnliche Mißstände bestehen beim Milch- und Eierverkauf. . Es geschieht hier bei uns gar nihts, Nur Württemberg hat etwas getan. Beim Zucker haben wir eine Ueberernte gehabt, jeßt haben wir einen Zuckermangeél, Bis ist viel zu hoch. Die Fabriken haben 30 bis 40 Prozent ividende verteilt. Eingeführt werden müßte auch eine Bierkarte. Die Erbitterung des Volkes richtet sich nicht bloß gegen die ver- fehlten Maßnahmen der Regierung, sondern auch -gegen_ den Reichs- tag, der sich seine Aus\schaltung gefallen läßt. Wir haben jeßt durch eine. einfahe Verordnung das Privatmonopol der Spiritus-Zentrale bekommen, ein Monopol, welches die Gesellschaft bisher vergeblich an- gestrebt hat; sie hat Preise und Prämien zu bestinimen, sie kann die Kleinhändler kaputt machen, sie hat das volle Verfügungsreht über den gesamten Spiritusvorrat. Muß der Reichstag auch dazu still- (E Jett in seiner Reisestimmung wird er keine Lust haben, ih damit zu beschäftigen; aber im Herbst sehen wir uns ja wieder und dann werden wir hoffentlih einen Bericht der Regierung auch über diese Frage erhalten. Wir erwarten, daß auch nicht ein Ge- treidekorn mehr für Schnapsbrennerei hergegeben wird. Alle Aus- QErRS meines Parteifreundes Hoffmann entsprechen der wirklichen ‘age und sind unwiderlegt geblieben. Die ganze Regelung der Nah- rungsmittelversorgung, wie wir sie vor uns sehen, ist in erster Linie zugunsten der landwirtschaftlihen Interessenten gemacht. Herr von Batocki meinte, man dürfe die Produzenten nicht ärgern; man spricht von „Anreiz zur Produktion“, der gegeben werden müsse. Nie- mand mutet der Landwirtschaft zu, mit Verlust zu arbeiten; aber dieser „Anreïz“ wird von den landwirtschaftlichen Interessenten dahin ausgelegt, daß nur angebaut wird, was den größten Profit verspricht, nicht, was im Interesse einer rationellen Volkswirtschaft geboten ist. So war es den Besißern profitabler, die ‘Kartoffeln zu verfüttern, als sie dem Volke als Nahrung zu liefern. Höchstpreise ohne Be- \{hlagnahme sind geradezu ein Anreiz zur Auspowerung. Die Zu- geständnisse an die Kommunen in der Richtung der Beschlagnahme sind absolut wirkungslos. Die Preisprüfungsstellen sind völlig un- geeignet für ihre Aufgaben, sie bestehen fast gänzlich aus Interessenten. Die Bestandsaufnahme muß auf das platte Land ausgedehnt werden, und die Kontrolle muß durch dazu geeignete Personen erfolgen, nit ober durh die Landräte oder Bürgermeister, die selbst Interessenten sind. Das Volk braucht billigere und reichlihere Nahrungsmittel. Der Kanzler sagte, mit der sozialdemokratischen Opposition werde das Volk nah dem Kriege abrehnen; wir erwarten mit Sehnsucht diesen Tag der Abrechnung mit der Mißwirtschaft, die während des Krieges mit dem deutschen Volke getrieben worden ist. Es ist die höchste Zeit, daß es anders wird; so darf es ncht weitergehen.

Ein Schlußantrag gelangt hierauf gegen die Stimmen der Sozialdemokraten zur Annahme.

Abg. Haase (soz. Arb.-Gem.) bemerkt zur Geschäftsordnung, daß die Lederfrage noch nicht besprochen worden sei; sie bedürfe einer besonderen Erörterung, wie auch der Berichterstatter angekündigt habe.

Abg. Scheidemann (Soz.): Bis jeßt is die Lebensmittel- versorgung besprochen worden; die Beratung der Lederfrage und der Nohstoffversorgung habe noch stattzufinden.

Die Abgg. Dr. Spahn (Zentr.) und Dr. Paasche (nl.) ver- treten die Auffassung, daß mit dem Schluß der Diskussion auch diese Fragen erledigt seien; ein besonderer Ausscheidungsbes{chluß sei nicht gefaßt worden. :

Abg. Ledebour (soz. Arb.-Gem.) stellt den Antrag, die De- batte unter Beschränkung auf die Nohstoffrage wieder zu eröffnen.

Aba. Scheidemann (Soz.): Die hohwichtige Lederfrage ist chon früher in einem Antrage zur Erörterung gestellt worden; man hat diese Erörterung aber zurückgestellt. Die Besprechung liegt durch- aus im Interesse des Landes.

Abg. Dr. Dertel (dkons.): Der Referent Graf Westarp hatte nur zur Erwägung gestellt, ob es sich vielleiht empfehlen würde, die Lederfrage getrennt zu behandeln; ein Beschluß ist aber nicht gef y worden, und jeßt scheint es mir geschäftsordnungsmäßig nicht möglich, die geschlossene Debatte wieder aufzunehmen. Auch haben mehrere Nedner diese Frage con gestreift. i

Abg. Dr. Paasche (nl.): Graf Westarp hatte in der Tat den Präsidenten gebeten, die Frage besonders zur Debatte zu stellen. Es wird also über den Antrag Ledebour abzustimmen sn

Abg. Dr. Wiemer (fortshr. Volksp.) spricht sich für die Er- örterung aus. ; E

Abg. Dr. Oertel (dkons.): Ich bleibe bei meiner prinzipiellen Auffassung, will aber nicht widersprechen, daß über den Antrag ab- gestimmt wird.

Nach weiterer Geschäftsordnungsdebatte wird beschlossen, in diese Erörterung noch einzutreten. Vorher erfolgen die persönlichen Bemerkungen zu der vorhin geschlossenen Dis- kussion.

Abg. Dr. Wendorff (fortshr. Volksp.) protestiert gegen Aus- führungen, die der Abg. Dr. Noesicke gegen ihn persönlich gemacht hat: es werde ihm nit ganz leiht, diese Behauptungen nur als objektiv unwahr zurückzuweisen.

Abg. Fegter ortichr. Volksp.) wendet sih ebenfalls gegen den Abg. Dr. Noesicke, ebenso Abg. Dr. Böhme. S

Abg. Hoffmann - Kaiserslautern (Soz.) konstatiert, daß seine Ausführungen über die Gersteverwertungsagesellschaft sih auf einen Bericht des Abg. Hoesch im preußischen Abgeordnetenhause gestüßt hätten. Nachdem festgestellt sei, daß dieser Bericht auf unrichtigen Vorausseßungen beruhe, nehme er scine Behauptung zurü. /

Abg. Dr. Noeside (dkons.) hält seine Ausführungen gegenüber den Abgg. Dr. Boehme und Dr. Wendorff aufrecht; die von leßterem in dem Ausschuß getane Aeußerung habe er in dem Sinne auffassen müssen, daß die deutsche Landwirtschaft versagt habe, und er habe sofort in dem Ausschuß dagegen protestiert. / | e

Abg. Dr. Wendorff (fortschr. Volksp.) bleibt bei seiner Auf- fassung dem Abg. Dr. Noesicke gegenüber stehen. Dr. Noesidke häbe jeßt einen Nückzug angetreten. A |

Abg. Dr. R oes1idcke (dkons.): Rückzüge anzutreten ist nicht meine Art. Ich habe Ihre Aeußerung so aufgefaßt und meine, daß man sie gar U anders auffassen kann, auch wenn Sie noch so viele Worte machen.

Abg. Dr. Wendorff (fortshr. Volksp.) verbittet sich eine andere Auslegung seiner Worte, als wie er sie selbst gegeben habe.

Abg. Dr. Noesidcke (dkonf.): Sie haben sih gar nmchts zu verbitten, ih werde über Ihre Rede äußern, was mir paßt.

Präsident: Jch glaube, der Worte sind genug gewechselt,

bg. Simon (Soz.): Die Kriegsrohstoffabteilung hat zur Folge gehabt, daß alles, auch das für Heereszwecke durchaus ungeeignete Leder für die Heeresverwaltung beshlagnahmt und dem Verkehr ent- zogen worden 1st. Die Schuhfabrikanten standen vor der Schließung threr Betriebe. Man hat versprochen, die Bekleidungsämter hatten die Verfügung mißbverstanden, und es werde für Abhilfe gesorgt werden. Das ist aber keineswegs überall geschehen. Die jeßige Lederkontroll- stelle hat dafür zu sorgen, daß das Leder möglichst rasch dem Ver- braucher zugeführt wird, Sie hat 50 % der Co palte und die übrigen 50 % dem Kleingewerbe zugeführt. Die Großbetriebe haben Lederkarten erhalten. Es stehen 500 000 Kilogramm monatli zur Verfügung, während die Schuhwarenindustrie 51s bis 6 Millionen braucht, Die jeßige Verteilung zeigt eine kleine Besserung, aber nur 12 bis 15 %._ des Friedensbedarfs sind gedeckt. Sollten größere Arbeiterentlassungèn stattfinden, so müssen die Schuharbeiter, wie wir in einer Entschließung elen haben, vom Reich unterstüßt werden. Die „vorhandènen Lederbestände müssen der Privatindustrie rascher zukommen. Ist denn, überhaupt ein Mangel an Leder vor- handen? , Die Gerber behaupten, es seien nicht genügend Rohhäute vorhanden. „Däs wird von zuständiger Seite bestritten. 300 000 bis 400 000 Rohhäute lagerten und werden den Gerbereien nicht zugäng- lih gemacht und. gingen zugrunde. _ Bei den Kavallerieregimentern

soll der Kriegsbedarf jeßt schon über ein Jahr hinaus gedeckt sein,

während die Zivilindustrie kein Leder für Reparafuren hak. Ist es richtig, daß ein Verbot der Ertraktion von Gerbrinde erfolat ist? Welch ein Lederwucher getrieben wird, geht daraus hervor, daß ein

fleiner Schuhmacher für 49 Pfund unbrauchbares Treibriencenuleder

500 M zählen mußte. Im Frieden kostet das Pfund 45 bis 50 3.

Es fehlt an einem parlamentarischen Ausdrud, diesen Wucher ge-

nügend zu kennzeihnen. Wo bleibt hier der Staatsanwalt? Und Die

Strafe im Falle der Anklage? Cin Händler, der in vier Monal‘en

4 Millionen Mark erwuchert hatte, wurde zu 1500 Æ Geldstrafe ve

urteilt. Die Treibriemenlederfabrikanten klagen, daß auh-ihnen Leder“

nicht zur Verfügung gestellt wird. Den Uebelständen könnte abgeholfere

werden, wenn die Militärverwaltung sich auf die Lederquantitäten be-:

\hränkte, die geeignet sind und die fie unbedingt braucht. Die hohen:

Lederpreise find darauf zurückzuführen, daß man erst spät Richtpreise

und Höchstpreise festgeseßt: hat, aber man hat nicht die D

mit einem geringen Zuschlag. zugrunde gelegt, sondern die durch den

unvershämten Wucher hinaufgetriebenen Preise festgeseßt. _ Die

Schweiz hat einen rihtigeren Weg eingeschlagen, ihre Drese

find um beinahe 40 % niedriger. Sie sind auch in der Schweiz nody

zu hoch, aber doch immerhin erheblich niedriger als bei uns. In der

Kriegsleder-Aktiengesellschaft sißen als Vertreter der Regierung ledig-

lih Gerber. Kann man es 1hnen verdenken, daß sie die Konzunktair

P sih ausnußen? Cine andere Frage ist, ob das Volk sich das ge= allen läßt. Ein Mann, der im Vorstand der Gesellschaft saß, hatkie sich unlauterer Manipulationen schuldi gemacht und mußte aus=

scheiden. Er hatte 700000 4 mehr verdient, als er hätte verdienen dürfen. Er hat das Geld herausbezahlt, und das Verfahren {webt noch. Den Gerbern genügen die jeßigen Höchstpreise nicht einmal, ob-

wobl die Lederwerke ungebeure Gewinne erzielen. Jn Branchekreisen

wird die Kriegsleder-Aktiengesellshaft als eine Gesellschaft zur Er-

zielung hoher Gewinne für die Lederfabriken bezeichnet. Wie kommt «es, daß diese 50 bis 60 Millionen Neingewinn etgielt habe, während sie doch dem allgemeinen O dienen soll. Wie sollen die Arbeiter imstande sein, für ihre Stiefel statt 10 M 21 Æ zu zahlen? Diese Mißstände zu kritisieren, haben wir Sozialdemokraten nicht nur das Necht, sondern auch die Pflicht. Das Volk wird auch im Kriege durch eine kleine ftapitalistishe Gesellschaft ausgebeutet. Dagegen führen wir den Kampf. i

Ein Vertagungsantrag des Abg. Dr. Spahn (Zentr.) findet nicht die genügende Unterstüßung. /

Abg. Dr. Werner - Gießen (deutsche Fraktion): Es stcht fest, daß die großen Lederfabrikanten und die Großgerber riesige Gewinne gemacht haben. Auf die kleineren Fabrikanten wie auf das Hand» werk i} viel zu wenig Nücksicht genommen worden. Die Preise, dic den Großgerbern zugestanden sind, übersteigen alles Maß. Yedner führt dafür eine ganze Neihe von Beispielen an. Das Volk hat eiw Interesse zu erfahren, wohin die Kriegsanleihen zum Teil geflossen sind. In diesen Wucherpreisen liegt eine direkte Besteuerung deS& Publikums. Die Preise für Sohlleder sind erhöht worden, troßdenr der Fehlbetrag an Rohhäuten dies nicht rechtfertigt. Die Feinte können uns um einen solchen Häutebestand benciden. Auch an Gerb- stoffen fehlt es nicht. Darum ist es unverständlich, daß die Sohl- lederpreise immer noch so hoch sind. Das beste Mittel gegen alle Machenschaften und wucherischen Treibereien is die Bestandsauf- nahme und die Beschlagnahme. A : i j

Generalmajor von ©O ven : Das Kriegsministerium nimmt auf die Not der Zivilbevölkerung in bezug auf Leder und Schuhwerk soweit Nücksicht, die es nur kann. Verschiedene Verordnungen haben gewisse Besserung gebraht und werden sie anh weiter bringen. Ich muß aber der Behauptung entgegentreten, dal in den Kriegsbeklei- dungsämtern cine Unzahl von Schuhen oder Leder liegt. Es liegen bei ihnen ganz knappe Bestände. Leider kann ih die Zahl aus be- greiflichen Gründen niht angeben. Das Schuhwerk ist für den Sola daten niht nur während des Bewegungs-, sondern auch während des Stellungskrieges von dem höchsten Wert. Daß sie mit Schuhwerk gut ausgerüstet sind, ist noch mcht bestritten worden und kann nicht bestritten werden. Das hängt damit zusammen, daß unsere Beklei- dungsämter gewöhnt waren, im Frieden zu arbeiten und das Materiak niederzulegen, damit sie jederzeit in der Lage sind, wenn das Schuh= werk nachläßt, es zu ergänzen, wie es während des Feldzuges rechk= zeitig Melen ist. Jch kann Sie versichern, daß die Bekleidungs= amter der Versorgung der Zivilbevölkerung soweit entgegenkommen werden, wie sie es nur mit gutem Gewissen verantworten konnen. Weiter können wir im Interesse der Kriegsbereitschaft und der guten Beschuhung der Armee nicht gehen. :

Major von Köth: In der Verurteilung wucherischer und be- trügerischer Gewinne stimmt das Kriegsministerium selbstverständlich mit den Vorrednern überein: Jch habe {bon Gelegenheit gehabt, mich über die Ledersahe mit Ihnen in der Kommission zu unterhalten. Neues is} hier nicht vorgebraht worden. Wir haben ohne weiteres zugestanden, daß scit Kriegsbeginn der Bedarf sehr enorm war, und daß in diesem Gedränge tatsählih eine ganze Reibe von Fehlern gemacht worden ist, weil in der ersten Zeit unsere Beschaffung nicht zentralisiert war. Es galt, tagtäglih die Neuformationen richtig ausgerüstet hinauszuschicken. Diese Aufgabe ist gelöst worden. (T3 hat dem Heere an nichts gefehlt und wird ihm nmchts fehlen. Jeb hat es feinen Zweck, eine retrospektive Kritik zu üben. Die ge- machten Sünden werden cingesehen, und cs würd versucht, darüber hinauszukommen. Daß wir den Höchstpreisen nicht Friedenspreise zugrunde legen konnten, liegt auf der Hand. Es galt, einen lang- samen Heilungsprozeß durchzuführen. Die Kriegsledergesellschaft muß ich auch etwas in Schuß nehmen. Sie hat ganz Ausgezeichnetes ge- leistet. Die Versorgung des Heeres is im großen und ganzen glatk verlaufen im Jnteresse aub der Zivilbevölkerung. Wenn bezweifelt wurde, daß die Gesellschaft. keine Gewinne für sih mache, so kann ich das nur nochmals betonen. Die Gewinne der Kriegsledergesell- schaft stehen hauptsächlih auf dem Papier; es sind durchlaufende Posten. Es i} hier eine bestimmte Firma acnannt worden, deren Geschäft als wucherisch bezeichnet wurde. Das Verfæhren schwebt, und man kann deshalb nit ohne weiteres sagen, daß es sich um einen Wucher handelt. Die Herren erhalten doch auch mance Klagen, und sie werden zunächst den betreffenden Leuten ins Gesicht sehen. Wirk- liche Chrenmänner muß man hören. Es gibt aber auch Sensations- macher und Schwäbßer, und dann gibt es auch noch welche, die unter der Maske von Vaterlandsrettern und Biedermännern marscieren. Sehen Sie den Leuten ins Gesicht, so glimmt in ihren Augen etwas Niederträchtiges und Gemeines. Es spricht aus ihnen Gewinnsuchk und der Neid darüber, daß ihnen etwas entgeht, was anderen zU- gefallen ist.

Damit schließt die Besprechung.

Jn der Abstimmung werden sämtliche von der Kommission vovgeschlagenen Entschließungen angenommen, die Ent- schließung, die den Reichskanzler ersucht, alsbald anzuordnen, daß die im Januar 1916 erhöhten Haferpreise in entsprechender Weise auf die vor diesem Zeitpunkt erfolgten Lieferungen rü- wirkende Kraft erhalten, gegen die Stimmen der Sozialdemo- kfraten und Freisinnigen.

Auf Antrag des Abg. Dr. Spahn (Zentr.) wixd die Besprechung der Entschließungen zu der Novelle zum Vereins- geseß und die auf der Tagesordnung schließlich noch stehenden Kommissionsberichte von der Tagesordnung abgeseßt.

Präsident Dr. Kae m pf gibt Kenntnis von zwei Glük- wunschdepeschen des ungarischen Abgeordneten- und Magnaten- hauses anläßlich des Seesieges am. Skagerrak und von der Antwortdepesche, die die türkischen Parlamentarier auf die Begrüßungsdepesche gesandt häben,. die der Präsident ihnen beim Verlassen des deutschen Bodens übersandt hat. (Leb- hafter Beifall.)

Präsident Dr. Kaempf: Mei) unserer Beratungen und damit am Schlü

Meine A wir e am Ende

e ‘eines denkwürdigen“ Ta- Jch nenne ihn denkwürdigi

gungsabschnittes int Reichstage angelangt.

My Asiho 4 0M J e c : , h Präsident Dr. Kaem pf (die Abgeordneten erheben sid, au

Y Am Regierungstische: Trott zu Solz.

amme eingegangen sind.

Uber eine Bemerkung aus der leßten Sibßung richtig,

¡l id weiß, daß durch die Bewilligung von Steuern, die weit über j vou den verbündeten Regierungen geforderten Betrag hinaus- pen, der Reichstag darin dem festen Entschluß Ausdru 9b, auch ¿hrend des Krieges. Ordnung: in den Finanzen -im Reichshausbalt ¿ Deutschen Reiches E au erhalten. Jch nenne- ibn denf- indig, weil wix erst gestern von neuem 192 Milliarden Krie 6; dite bewilligt haben, um den gewaltigen Krieg bis zu einem sis : den Ende zu führen, Jun die Zeit des zuenocgebenden Absnittes len wichtige Triegerifche Greignisse, die, so vertrauen wir, uns dem jieden um einen. Schritt näher bringen: Kut-el-Amara ist gefallen ¿ Feste Vaux befindet sich in unseren änden, österreichisch-ungarishe ruppen stehen siegreich auf italienishen Boden. Den heldenmütigen ruppen _entbieten war unseren Gruß und den Ausdruck unserer E den Tuankbarkeit. (Beifall) In die Zeit, die zu Cnde geht fällt aud r deutsche Seesieg beim Skagerrak, der den Glauben an die Un- orwindluchkeit der britischen Flotte zerstört hat. (Beifall) Walt. chitlihen Ruhm und den heißesten Dank des Vaterlandes hat si jere Flotte erworben in allen ihren Teilen von den Matrosen ¿ zu thren Fühwern und zu ubnen Begründérn. (Beifall.) Und scsen von dieser Stelle aus den Dank des Vaterlandes zu sagen ist s Herzensbedürfnis eines jeden Deutschen. Hart und eas, ift : Weg zum Ziele. Die Vindernisse, die si uns etitgégdiftellen d unendlich, aber um den Frieden zu erreichen und zu erringen, 1 wir wünschen, und! den wir erreichen müssen, um ungebindert [seren kulturellen Aufgaben in der Zukunft recht leben zu können (t es für das deutsche Volke keine Schwierigkeit, die es nicht ent- lossen wäre, zu überwinden, (Lebhafter. Beifall.) Ein Volk fann 1 Anspruch auf geistige und wirtschaftliche Größe nur. dann erbeben nm es thn erwirbt in hartem Kampfe dur uners{ütterlihen Willen d, wenn es sein muß, auch durch Entbehrungen. (Lebhafter Beifall.) ir haben den Kämpf aufgenommèn und werden ihn zu Ends führen

| Vertrauen auf unferen Sieg, im Vertrauen auf die glücklihe 2u- 7 A Herr Präsident! Sie

nft des Deutschen Reiches. (Lebhafter Beifall.)

Abgeordneter. Dr. Spahn (Zentr.): He. ben in Jhrer besonders \{wierigen Aufgabe die Geschäfte des uses mit Hingebung und Unparteilichkeit geführt. Es war zum ten Male, wo NMepräsentantenpflichten zu erfüllen waren gegen- ¿r Abgeordneten des Auslandes, den Abgeordneten des uh 4 ndeten Bulgariens und der Türkei. Sie haben diese Repräsentation einer des Jeichstags würdigen Weise erfüllt. Jb gestatte nir Namen des Reichstags Jhnen den Dank des Neichstags für Ihre chäflsführung auszusprechen. i p Präsident Dr. Kaempf:

E D. CH

| N : Indem ih diesen Dar - une, übertrage ich ihn, wie selbstverständlich, e die de ¡epräsidenten, deren Hilfe ih fo oft in Anspruch nehmen mußte h übertrage. ihn aber auch auf unseren verehrten Herrn Dr Spahn,

als Vorsibender des Ausschusses für den Haushalt so Außer- entlictes geleistet hat. (Lebhafter Beifall.) Ih übertrage ihn aber h auf Unsere sämtlichen Herren Beamten (Beifall), in erster Linie

den Direktor beim Reichstag (Beifall), der gegenüber 397 Ab- ndneten jederzeit ein freundliches, liebenswürdiges Entgegenkommen igt hat, au wenn die Arbeit ihn beinahe erdrückte, (Lebhafter fall.) J übertrage den Dank auf sämtliche Herren Beamten „durch zahlreicbe Einziehung zum Heere auf eine geringere Zahl üdgeführt, dennoch die große Arbeit, die ihnen oblag, mit Geshick ude und obne eine Schwierigkeit zu. machen, ausgeführt haben. fall.) Meine Herren, wir kommen zum Ende unseres Tagungs- duittes. Genau Jhnen anzugeben, an welchem Tage und zu [cer Stunde die näste Sißung stattfinden soll, bin ih augen- [id nicht imstande. Ich bitte um die Ermächtigung Tag Stunde

Tagesordnung meinerseits selbständig festzuseßen, wenn Mider- id nicht erfolgt. Jch stelle fest, daß das Haus damit einver-

iden ist.

Staatssekretär des Jnnern, Staatsminister Dr. Helfferich: Meine Herren, ich habe dem hohen Hause cine Allerhöchste Ver- nung mitzuteilen. /

(Das Haus erhebt si.) } Die Verordnung lautet:

Wir, Wilhelm, von Gottes Gnaden Deutscher Kaiser, König on Preußen usw., verordnen auf Grund der Artikel 12 und 26 der erfassung, mit Zustimmung des Neichstags, im Namen des scihs, was folgt: è Sli

Der Reichstag wird bis zum 26. September 1916 vertagt.

S 2. S

Der- Neichskanzler wird mit der Ausführung dieser Verordnung “auftragt. | Urkundlich unter Unserer Höchsteigenhändigen Unterschrift und feigedrucktem Kaiserlichen Insiegel.

Gegeben Großes Hauptquartier, den 7. Juni 1916,

(gez.) Wilhelm 1. R. (gegengez.) Dr. Hel fferich.

F habe die Ehre, die Urschrift dieser Allerhöchsten Verordnung iem Herru Präsidenten zu überreichen. (Geschieht)

Pn Saale befindlichen Sozialdemokraten, von ihren Pläßen): Bi erren, wir trennen uns wie immer mit dem Rufe: Seine a der Veutshe Kaiser, Volk und Vaterland, leben hoch! 0210 L, D Ar I Af ( Dio Mitglieder des Reichstags und des Bundesrats men dreimal begeistert in diesen Ruf ein.

Schluß nach 6 Uhr.

N N10

Preußischer Landtág. Herrenhaus.

. Sißung vom 8. Junt 1916, Nachmittags 1 Uhr. Präsident Graf von Arnim-Boitenburg die ung um 1 Uhx 27 Minuten.

Nr Präsident teilt mit, daß er aus Anlaß des 50 jährigen hubiläums an den Generalfeldmarschall von Hindenburg [an den Kronprinzen anläßlich dessen Geburtstages ein dwunschtelegramm gesandt habe, auf die Antwort-

eröffnet

Zu Ehren der inzwischen verstorbenen Mitglieder, des ieralfeldiiarschalls Frhrn. von der Golß und des n. von Twickel, erhebt sih das Haus. M E in. das Haus ist der Gutsbesißer Hugo nru h. Vor Eintritt in die Tagesordnung stellt Dr. N über das Frauenstimmrecht in Amerika gemacht hat. Crster Punkt der Tagesordnung if} die Beratung über Antrag des Freiherrn von Bissing, betreffend ¿lalpädagogik. Darnah wird die Regierung er- l, einen bestimmten Betrag in den Etat einzustellen zur eug der Geschlechtskuünde als „pflichtmäßiges. Lehrfach, AUsnahme der Haut-- und Geschlechtskrankheiten als pflicht- 19e Pyifungsfach bei der ärztlichèn- Staatsprüfung, -Ab- ing vôn Belehrungen, für Preisäus reibungen und ‘zur

L Dr. Neub e r berichtet über die Verhandlungen des Eibe MLEDt folgenden Antrag: Die Regierung zu ersuben, im ets men mit den kirhlichen Behöitén eine stärkere Berüc he [O Aer, Serxualpädagogik an den Lehrerseminaren und Hoch- jens, A ua me der Prüfung in-_Haut- und Geschlechtskrankheiten ot H ¡hen Prüfung durch Fachvertreter: geeignete serualpäda- g! e Veeinflussung der Schüler und Schülerinnen aller Scul- Gesellidbaft. zur ete e ertb E Bestrebungèn der Deutschen Mlell]chaft zur Bekämpfung der C strankhei ähnlicher Organisationen in die Wegs “ey Co R E

.. „Sthr. von Bissing: Kürz vor Ausbrub des Krieges ich schon einen ähnlichen Antrag gestellt. Den mathe e vit gg Pee a rungen memes jeßigen Antrags stimme ih zu. Die Notwendigkeit er Bekämpfung un Vorbeugung der Geschlechtskrankheiten habe i L in meinem jeßigen Amte. von neuèm kennen gelernt. Die An- ge Farnhbeit ist fut die Zukunft Deutschlands von der größten Wich- e #4 Durch recbtzeitiges Eingreifen kann auch dem. drobenden n pt aag vorgebeugt werden. Notwendig ist dazu aber eine tbe: ige Aufklärung der Jugend. Dazu sind aber die geeigneten ars er zu s{affen. Dás Bewußtsein muß allgemein geweckt wer- den, daß die bisher erzielten Erfölge nicht ausreihen. Wir dürfen (Am amen Augenblick zögern. Die ungünstigen Einflüsse der G2- [Glehtsfrankheiten auf das Seelenleben der Betroffenen habe {ch in den Lazarelten selbst kennen gelernt. Der Giftherd des Uebels Die Seucthenherde in der Heimat müssen

muß ausgebrannt werden. Hohen Standes der "dutlder Wiel Pon i ader troß dd Aucb die Leiter der co Derliie e ti nucgs E Een. Maßregeln, wie fie mein Antrag vorschlägt i Von ‘dét A E c C z ae 5 at. e „Wear, dat jeder Deutsche aus idealen Gründen sittlich i, sind wir leider nod s epifernt. Die Bestrebungen der Deutschen Gesellschaft zur tin, Na ene C Strantbaiten smd tatkräftig zu unter- Lehrer, damit der amb gében die GeNBe IELLEeEN a V BeBlhele Umfange aufgenommen werden kann. A a Minister der geistlihen und Unterrichtsangelegenheiten Dr. von Trott zu Solz: aaf, Been! _Der zur Beratung stehende Antrag hat in Ihrer L ION EIne Faffung gefunden, die es mir zu meiner Genugtuung ermoögliht, eine weit entgegenkommendere Haltung zu ibm einzu- N als das der ersten Fassung gegenüber mögli géwesen wäre. Der Antrag behandelt obne Zweifel eine überaus wichtige Frage, Mae FLnE Frage, die namentli, soweit es sich dabei um eine t as dei i Get handelt, mit großer Vorsicht zu behandeln It, auf dice Hebiete können Fehlgriffe sehr leiht zu Schäden führen, die nichk wieder gut zu machen sind. Es ist {on hervor- achoben worden, daß von Seiner Exzellenz dem Herrn Freiberrn von Vissing bereils vor einiger Zeit ein ähnlicher Antrag in diesem hohen Hause eingebracht worden war. Dieser Antrag ist damals alsbald der Kommission überwiesen worden, und so war ich meinerseits nicht in der Lage, zu ihm Stellung zu nehmen. Um so mehr begrüße ich es, daß mir das heute zu dem vorliegenden Antrage mögli ist, um zu- gleich darzulegen, wie den Fragen und Problemen, die ihm zugrunde liegen, auch meinerseits die gebührende Aufmerksamkeit in vollem Maße gewidmet wird, und daß die hier und da bervorgetretene Be- hauptung, es sei dies nicht der Fall, unzutreffend ist. J werde mir erlauben, bei meinen Ausführungen den einzelnen Teilen des vor- liegenden Antrages zu folgén, und zunächst auf diejenigen eingehen, bei denen zwar auch mein Geschäftskreis, aber nicht allein, beteiligt ift. Ich beginne mit dem am S{hluß des Antrags unter Nr. d aus- gesprochenen Wunsche, daß cine weitgehende Unterstüßung der Be- Na gur Vekämpfung der Geshlehtskrankheiten ‘erfolgen möge. Vie Betätigung solcher Bestrebungen von seiten privater Gesellshaf- ten fällt jeßt vorwiegend in den Geschäftskreis des Herrn Ministers des Jnnern, nachdem die Medizinalabteilung von dem Kultus- ministerium auf das Ministerium des Innern übergegangen ist. Solche privaten Vereinigungen haben aber auch bisher {on Unter- stüßungen von seiten der Staatsregierung erhalten. Das ist zu der Zeit geschehen, als die Medizinalabteilung noch beim Kultus- ministerium war. Das geschieht auch jebt, und ih bin überzeugt, es wird auch in Zukunft geschehen, wenn diese Gesellschaften wertvolle Dienste in dem Kampfe gegen die Geschlechtskrankheiten leisten und die Behörden bei ‘dieser Aufgabe unterstüßen. Wenn die Gesfsell- schaften dabei auch Maßnahmen treffen, die meinen Geschäftskreis berühren, und ich diese Maßnahmen zu billigen vermag, so steht nichts iin Wege, daß ihnen auch meinerseits Beihilfen zur Unterstüßung dieser Maßnahmen gewährt werden. Unter Nr. b des Antrags, zu der ih nunmehr komme, wird ge- wünscht, daß die Abnahme der Prüfung in Haut- und Geschle{ts- krankheiten bei der ärztlichen Prüfung durch den Fachvertreter er- folgen möge. Bereits in der Kommission ist mitgeteilt worden, daß über diefe Frage zurzeit Verhandlungen {weben zwischen den be- teiligten staatlichen Stellen, dem Ministerium des Junnern und dem mir anvertrquten Ministerium. Beteiligt sind dabei auch in beson- derem Maße die medizinischen Fakultäten der Universitäten. Der Wunsch, der hier ausgesprochen wird, ist auch {on von anderer Seite an die staatlichen Stellen gelangt. Man kann ihm gewiß auc die Verechtigung nicht ohne weiteres absprechen. Allerdings stehen ihm au gewisse Bedenken entgegen. Wir stehen in dem Unibersitäts- betriebe schon jeßt vor der Gefahr ciner allzu weitgehenden Speziali- fierung der wissenschaftlichen Disziplinen, sodaß man ih hüten muß, auf diesem Wege weiter vorzugehen. Aber ih erkenne an, daß solche Bedenken hier zurücktreten müssen bei der Bedeutung, welche die Ge- \{lechtskrankheiten für unser ganzes Volk haben, bei der Bedeutung, die sie für die Gesundheit haben, zumal sie in allen Teilen des Körpers Verheerungen anrichten, wenn sie einmal ausgebrochen sind. Ich bin deshalb bereit, den Wunsch, der hier zum Ausdruck gebracht? ist, bei den weiteren Verhandlungen zur Geltung zu bringen. Wenn ih nunmehr, meine Herren, zu. dem Teil des Antrags komme, der ausscließlich meinen Geschäftskreis berührt, so wird in ihm wohl der Schwerpunkt dieses ganzen Antrags liegen. Jch finde ihn in den Nummern a und €, die wohl sachlich. zusammengehören: denn selbstverständlich kann der Wunsch unter e nicht wohl zur Aus- führung gebracht werden, wenn nicht diejenigen, die die dort ge- wünschten Cinwirkungen auf unsere Schuljugend ausüben follen, dazu geeignet sind, dazu die nötigen Kenntnisse und Fähigkeiten besißen. Deshalb wird mit Recht verlangt, daß bei der Lehrerausbildung auf die Serxualpädagogik die gebührende Nücksiht genommen werde. Jch gche wohl nit fehl, meine Herren, in der Annahme, daß -mit dem nicht gerade glüdcklichen, Ausdruck Sexualpädagogik der Teil der Päda- gogik gemeint ist, der sich mit der körperlichen, der geschlechtliden Ent- wicklung und ihrem Ginfluß auf Körper und. Seele der Jugend be- schäftigt. Sexualpädagogik ist also. ein Teil der Pädagogik über-

„übung der Bestrebungen der Gesellschaft zur Be- ung der Geschlechtskranfheiten. A d

Aus\cusses

nicht an diesem für unser Erziehungswerk besonders wichtigen Teik vorübèrgegangen werden, . Auf -der andérn Seite aber, meine Herren,

kann die Sexualpädagogik auch nici losgelost werden von der übrigen

Pâdagogik; es ginge nit an, auf den Universitäten etwa nur Sexual- pâdagogik zu lehren, sie kann dort nur in dem Rahmen der wissen- schaftlichen Behandlung der gesamten Erziehungslehre der Gegenstand von Lehre und Forschung sein. Nun wird ja allerdings noch immer bon mancher Seite der Pädagogik der wissenschaftliche Charakter und damit das Heimatret auf den Universitäten bestritten. Sie sei cine Kunst, nit eine Wissenschaft, heißt es. So hat man einst auch von der Medizin gesagt. Niemand aber wird es heute noch wagen, der Medizin den wissenschaftlichen Charakter abzusprechen. Gewiß ist die Pädagogik in ihrer Ausübung eine Kunst, aber sie ist auc Wissenschaft, und sie kann mit Recht den Anspruch erheben, ibren Plaß auf den Universitäten zu finden, und dort nicht nur nebenbei, sondern als ein besonderes Fah in Anlehnung an Ethik und Psycho- log betrieben zu werden. Ich bin bemüht, meine Herren, dieser Auffassung, die von der größten Bedeutung für unser Erziehungs- wesen ist, Geltung zu verschaffen und ibr die Wege zu bereiten. Ih kann deshalb auch sagen, daß ih durdaus bereit bin, in diesem Rahmen dem hier ausgesprobenen Wunsche zu entsprechen und für eine stärkere Berücksichtigung der Sérualpädagogik auf den Univer- nlâten einzutreten. (Bravo!)

L Aber, meine Herren, damit ist es noch nicht ges{ehen. Damit wird das Ziel noch nicht erreicht, die Lehrer in ausreichendem Maße zu der gewüns{ten Einwirkung auf die Schuljügend zu befähigen." (s muß hinzukommen, daß nach der Absolvierung der Universität die jungen Lehrer während der Vorbereitungszeit, die sie an einer höheren Schule zwei Jahre lang zurückzulegen haben, zur Ausübung ihres Berufes als Lehrer und Erzieher auch auf diesem Gebiete angeleitet werden. Das soll dort unter der Leitung erprobter und bewährter Schulmänner geschehen. Jch bin augenblicklich gerade damit be- schäftigt, eine neue Ordnung der Prüfung und praktischen Ausbildung für das Lehramt an unseren böberen Schulen zu erlassen, in der au die Serualpädagogik ihren Plaß finden wird. (Bravo!) ) Dieser mein Plan ist ganz besonders darauf gerichtet, die Lehrer immer mehr auch zu Erziehern zu machen, sie gerade in diesem Teil ihrer Aufgabe cine besonders \{öne und wichtige Stelle ihres Be- rufes erfennen zu lassen. Der Erzieher der Jugend muß aber auc Einblick in deren körperlihe Entwiflung haben, in die Entwitsung vom Knaben zum Jüngling, vom Mädchen zur Jungfrau, muß Ein- sicht haben in den Einfluß, den diese Gntwicklung auf Scele und Gemüt der Jugend ausübt. Er soll Verständnis haben für die Freuden, für die Bedürfnisse der Jugend, aber auch für ihre Nöte und die Gefahren, die ihre Entwicklung ‘zur Reife begleiten. Er soll die dem Kinde natürliche Schamhaftigkeit \{üßen und pflegen und dahin wirken, fie allmählich zu bewußter Sittsamkeit und Reinheit zu ent- wickeln. Dazu hat die Sthule die Mittel auf ethishem Gebiete. Ihr ist von jeher die sittlich-ethishe Einwirkung auf die ihr an- vertraute Jugend oberster Grundsaß der Erziehung gewesen, und auf diesem Wege wird sie beharren müssen. Je mehr der Wille gestärkt, der Charakter gefestigt wird, um so mehr wird die Jugend vor Ver- irrungen, auch in geslechtlicher Hinsicht, bewahrt werden. - Nach diesem Ziele, nah der Festigung des. Charakters und des Willens, strebt die Schulverwaltung planmäßig hin. Sie tut es auch: durch eine stärkere Anspannung_ des jugendlichen Körpers, indem sie ganz bewußt auch unter dem Gesichtspunkt, vor geshlechtliden Verirrungen zu bewahren, Turnen, Bewegung im Freien, Spiel und Sport fördert, Sie tut es vor allem aber in dem Unterricht selbst, wozu dieser in den verschiedenen Lehrfächern mannigfache Gelegenheit gibt. Namentlich ist dies der Fall in dem Neligionsunterricht, der bier in allen Scbularten einer alten, bewährten und geheiligten Tradition folgt, aber auch im Geschichtsunterricht, im sprahlihen und deut- schen Unterricht. Darauf, daß diese Aufgabe von den Lehrern immer besser erfüllt wird, ist mein eifriges Bemühen gerichtet, auf Hoch- schule, auf Lehrer- und Lehrerännenseminaren und in der Vote bereitungêzeit, von der ich vorhin spra. | Nicht die Aufgabe der Schule ist es dagegen, in dem Unterricht direkte sexuelle Belehrungen zu geben. Auch der biologisbe Unter- richt, so hoch er zu bewerten ist, darf dazu nicht verwendet werden. Wo das cinmal in taktloser Weise geschehen ist, da haben die Eltern mit Recht dagegen protestiert, und es ist untersagt worden. Anders liegt die Sache, wenn den Schülern der höheren Lehranstalten nah Ablegung der Reifeprüfung vor ihrer Entlassung von berufener Seite eine Belehrung gegeben wird, in der sie vor den sittlihen Gefahren

gewarnt werden, die ihnen drohen, und in der thnen au physiologische Aufklärungen zuteil werden.

l Dabei ist aber die Zustimmung der Eltern nicht zu entbehren, und es muß die Gewähr gegeben sein, daß der Belehrende mit Takt zu verfahren und seine Hörer mit ethischer Veberzeugungskraft zu belehren vermag. Solche Versuche sind schon wiederholt mit gutem Erfolge gemacht worden. Es kann aber meiner Auffassung nah niht in Frage kommen, etwa allgemein vorzuschreiben, daß überall an den Schulen derartige Belchrungen stattfinden müßten. Das könnte von verhängnisvollen Folgen für unser Grziehungswerk an den Sculen werden. Diese Dinge bedürfen im höchsten Grade der individuellen Behandlung, und es ist und bleibt in erster Linie doch die Aufgabe der Eltern, ihre Kinder aufzuklären. Ich weiß sehr wohl, daß die Elternkreise in dieser Beziehung vielfa ver=- sagen. Deshalb foll man auf sie einwirken, daß sie auh auf diesem Gebiete ihre Pflicht erfüllen. Es wird der Lehrer nah Möglichkeit auch auf diesem Gebiet sich in Kontakt mit dem Elternhause zu halten haben, worauf ich noch fürzlich mit Nachdruck allgemein wieder hin- gewiesen habe. Die Schule selbst wird in diesen Dienst unmittelbar nicht gestellt werden können. Auch soll man sid, meine Herren, von diesen Aufklärungen doch nicht zuviel versprechen. Wir sehen ja, wie schr die völlig Aufgeklärten den Gefahren der Gesblechtskrankheiten unterworfen sind. Jch darf nur darauf hinweisen, daß auch unter den Studenten der Medizin die Seuche niht weniger grassiert, als unter den Studenten der anderen Fakultäten. Rükfälle zeigen auch, daß selbst diejenigen, die den Schaden gehabt haben, dadur nit gewarnt worden sind. Also überschäßen darf man den Erfolg’ dieser Aufs ksärungen- nidt. Dort ‘liegt nit das Hauptmittel, und namentli nicht das Mittel, von dem die Schule in weitem Umfang Gebrauch. machen känni. Für sie ‘bleiben in der Hauptsache die Mittel welhè auf deni Göébiëte der Ethik, der Moral und“ der Religion liegen und das sind Kräfte, die auch sonst in den Kanipf, üm den es si hier handelt, gestellt werden“ niüssén; obne sie geht es' nicht. Gewiß

haupt, und wo diese gelehrt und gehandhabt wird, da darf ganz gewiß

mußvon den bérufenen Stellen allés Geeignete- gesehen, ‘auf polizei

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