1916 / 260 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Fri, 03 Nov 1916 18:00:01 GMT) scan diff

Athen, 2. November, (Reuter.) Der griechische Dampfer „Kiki Jsais ist vorgestern von einem Unterseeboot an derselben Stelle wie die „Angeliki“ versenkt worden.

Nr. 44 der „Vers3ffentlichungen des Kaiserlichen GSesundheitsamts“ vom 1. November 1916 hat folgenden Inhalt: Gesundheitsftand und Gang der Volkskrankheiten. Sanitätsberiht über die dänische Marine, 1914/15. Gesetzgebung usw. (Deutsches Reich.) Anlagen für Bleifa:ben 2c Mit Süß- stoff gesüßte Waren. Backware. Mil. Fettlose Wasch- und Riintaung8mittel. Kennzeihnung von Waren. Kartoffeln. (Preußen.) Spanisches Feuerwerk. Apothekenkonzessionen. Verbaadbaumwollwatte. (Reg.-Bez. Potsdam.) Thierkadaver. (Reg.-Bez. Koblenz) Trichinen, Finnen. (Sachsen-Altenburg.) Tabafrauchen jugendliher Personen. Vermtschtes. (Vereinigte Staaten von Amerika.) Geburten und Todesfälle, 1914. Geschenk- liste. Wochentabelle über die Sterbefälle in deuts®en Orten mit 40 000 und mehr Einwohnern. Desgleichen in größeren Städten des Auslandes. Erkrankungen in Krankenhäusern deutscher Groß- eve: Desgleichen in deutschen Stadt- und Landbezirken.

erung.

Kunft und Wissenschaft.

Zum Stellvertreter tes Vorsißenden des Senats der Akademie der Künste in Berlin, Sektion für die bildenden Künste, ist für das vom 1. Oktober 1916 bis Ende September 1917 laufende Ge- \cäftéjahr der Bildhauer Professor Manzel wiedergewählt worden. Den Voisig im Senat, Sekt!on für Musik, hat an Stelle des ver- storbenen Professors Gernsheim Professor Ko ch übernommen, ebenso in der Genossen|\haft, Sektion für Musik Zum StelUvertreter des Vorsißenden tes Sena1s, Sektion für Mrsik, ift Professor Philipp Sc{arwenka berufen. Zum Stellvertreter in der Genossenschaft, Sektion für Musik, war berci:s im Sommer d. I. Professor MNüfer gewählt worden.

Literatur.

Marie von Ebner-Eschenbah: Meine Erinnerungen an Grillparzer. Aus einem zeitlojen Tagebuch, (Verlag der Gebrüder Paetel in Berlin; 4 #, geb. 5 46.) Nicht nur ein pietätvolles Gedenken an die km März d. J. Lenne gangene verehrte Dicterin mat diefe ihre legte Gabe wertvoll; ihr Gehalt an künsilerisher Reife, die abgeklärte und tiefe Lebensweisheit, die aus dem Buche sprechen, lassen es als ein würdiges Schlußglied im Lebenswerk der Ebner erscheinen. Die persönlichen Erinnerungen an Grillparzer bieten, abgesehen von dem Neiz der Darstellung, eine Reihe fein be- obahteter Tatsachen, die das Bild des selbstquälerishen Dichters einfidhtévoll ergänzen. Namentlich in sein Verhältnis zu den Shweftern Fröblich hat Marie von Ekner-Es@denbach manchen persönlihen Ein- blck erbalter, der fe, die \charfe Psychologin, dazu bejähigte, dieses komplizierte Verhältnis kiefer und treffender in Kürze anzu- deuten, als es den meisten Grillparzer-Biographen in langen, abge- Teiteten Unterfuhungen gelungen ift. Das „zeitlose Tagebuch enthält neben etnigen Stfizien, deren dihterische Kraft es nit verrät, daß eine Greisin fie geschrieben, eine Nachkese jener feingeschliffenen Apborismen, die uns in eine ebenso weise wie gütige Seele blicken Tafsen. Auf etner der legten Seiten dieses Buches bittet die Gbner, daß der Tod sie in fein stilles Reich geleiten möge: „Bevor erfüllt mein leßter Traum, Mein leßtes Wort gesprochen, Bevor von meinem Lebentbaum Die legte Frucht gebroen!" Dieser Wuns ward ihr erfüllt. Sie hat diesen Band not selbst zusammengestelit, sein Grscheinen aber nicht mehr erlebt.

Der Franzosenfee. Ein ostpreußlsGer Volksroman aus dem Jahre 1807 von Marie Tyrol. (Verlag von Karl NReißner, Dresden, geh. 4 #, geb. 5 #4.) „Der S ist einer von den wenigen, neu erschienenen Romanen, denen wir uns in dieser, unseren ganzen Menschen heischenden Zeit hingeben können, nicht nur wegen der reifen Kunst der Darstellung, sondern auch weil er innerlich mit unferem gewaltigen Gegenwartäleben durch feine Fäden verknüpft ift. Das Buch läßt eine Episode aus dem Jahre 1807 vor urs auf- ersteben und sch{ildert die innere und äußere Not ostpreußisher Bauern angesichts der Vergewaltigurg ihres Heimatbodens durch die fleges- trunkenen Franzosen. Die Charakterbilder der in dumpfer Trteb- baftigkeit binlebenden Peterswalder Bauern, die in den wilden Strudel der Ereignisse hineingezogen werden, prägen sich dem Leser tief ein. In der ungeschminkt echten und zugleich mitfühlenden Darstellung des Bolkes liegt ein großer Vorzug des Buches. Aber auch die Vertreter etner höheren Schicht, wie sie uns auf dem gleihfalls zum Schauplaß der Handlung werdenden Kcongut Osterwtek begegnen, find von plaftis@er Deutlichkeit. Gin interessantes Gegenslück zu der Herrin des Gutes, der vornehmen, großdenkenden Frau Amtsrat Mende, tritt uns in der Lehrertchter Regina Kleibit entgegen, die versckmähte Liebe zur Verräteiin maht. Sie ist eine trefflih gezeihnete Se lievebedürftig und vers@lagen, Nealpolitikerin durch und dur. Auch den Franzosen wird die Verfasserin g?!recht. Mit undbestehlicher Waßhrbeitsliebe find die fympathishen wie die unsympathischen (Iharaktere gezeihnet. Den hêchsten Wert aber verleiht dem von starkem Vater!andégefühl getragenen Roman tas Ueberzeitliche, das in ibm lebt, das aus den liebenden und leitenden Menschen, aus der Schilderung der s{lichten, herben Natur der ostpreußisck{en Landschaft vernehmlih zu uns spricht.

Der Blumenteufel. Von E. y. Handel-Mazetti. Bilder aus dem Resezrvespital, Staatscymnasfium in Linz. Heraus- gegeben vom Sekretariat sozialer Studentenarkbeit. (M.-Gladbach, Boiksvereinêverlag; geb. 1,60 4.) Die in diesem Büchlein vereinigten Skizzen find zuerst in der österretchis{chen Zeitung „NReichsvost* er- fStenen. D'e bekannte Verf-fserin \childert in ihnen die Eindrüde, die fie an den Krankenbeiten Liroler Krieger und unter den Senesenden gesammelt hat. Lreue Hingabe an tas Vaterland, {lichte Religiösität und ein gesunder Humor sprechen aus diefen von geschickter Hand aufgezeihneten Aeußerungen.

Der Professor Paul Hildebrandt, Oberlehrer am städt. Gymnoesfium Zum Grauen Kloster in Berlin, hat unter dem Titel „Vorm Feind“, Kriegserlebnisse deutsher Oberlehrer, eine Samm- lung von Friecgéschilverungen, herau8gegeben, die in mancher Hin- Gt bemerken8wert is. (Verlag von Quelle und Meyer in Leipzio, geb. 3 #.) Es kommen in ihr nur Vertreter einer beslimmten, und zwar eirer gebildeten Berufsklasse zu Wort. Dadurch wurte ktie Darstellurg nach JInbalt und Form auf eine gebobene Stufe gestellt, obwohl der Herausgeber die Aus- wohl nit nach den Gesihtepunkten literarisher Bedeutung, sovderna nach der Bedeutuvg der gesckilderten Erlebnifse gttroffen hat. Die Verfasser der im vorliegenden Bande veröffentlihten Kriegs- erTebnifse waren vor Krieasbegirn an ten vers{iedensten Arten Höberer Lehranstalten und in allen deutschen Gauen als Lehrer tätig; im Kriece standen Fe an ten verschiedensten Fronten im Westen und im Often, alle aber wurden durch das Giserne Kreuz 1. Klafse aus- gezci@net und legten Zeucnis bavon ab, daß die deutschen Oberlehrer, ionst Träger einer frieclihen Kulturarbeit, auch im Felde thren Mann geftanten haben. Die Sammlurg dürfte au über den Kreis der evgien Berufsgencsen Interesse begegnen,

Das neuefie Left 15/16 des 16, Jahr anges der bild- geichmüdien afironomisden Zeitschrift „Das Weltall“, Heraus- geber Dr. F. S. ArSenhold, Direktor der Treptow-Sternwarte, zeigt in einem anregenten, gemeinverstäublid geshriebenen Aufsay „Vebungen am Himmelszlobus“ von Professor P. Kiesling, Brom- berg, die sung mancker Aufgaben mittels des Globusses, die (eun nur durch !angwierige Nehnungen gelöft werden können, Profefsor Dr. von Hepperger erörtert in einem Aufsay über „Spektroskoyishe Doppelsierne“ den wesentlichen Unterschied zwishen der Verteilung

der Baknexzentriz!täten bei Fchtkaren und bei nur durch das Spektrum festzusiellenden Doppelsternen. In einem ferneren Aruk?l „Der gestirnte Himmel“ behandelt der Herausgeber unächst die Maffe der Kometen". Sie kann nur etnen geringen Bru teil der Grdmasse betragen, daraus erklärt sich ihre überaus nelle Spatkunksfähigkelt ; Kopf und Kern find durhsichtig. Es olgen die üblichen lehrreihen Bemerkungen über den Lauf von Sonne, Mond uad Plaueten im Monat Oktober. Aus den in diesem Abschnitt mitgeteilten neuen Forschungsergebnissen selten folgende hervorgehoben: Auf dem Merkur müssen Licht und Erwärmung siebenmal so stark sein wie auf der Erde. Der große rote Fleck auf dem Jupiter is noch unerklärt. Ungeheure Gas- mengen entquellen den - siedenden Tiefen. Seine Parallelstreifen ge- statten eine Bestimmung der Lage und Drehachse des laneten im Raume. Den S(hluß des Heftes bilden „Kleine

itteilungen“, in denen Dr. M. Blaschke eine übersihtlihe Be- trachtung über „Den Einfluß des Mondes auf die Wetterumschläge und die atmosphärisWen Störungen“ gibt, wobet er sich mit der Falbscen -Theorie von dem vorherrshenden Etnfluß des Mondes auf die Wettergestalkung tm twesentliGen zustimmend guselnanperleg. E sogenannte „kritische Tage" bilden au nach der Ansicht r. Blaschkes Höhe- und Wendepunkt des Wetters, obgleich die here Vorhersage \{chrofer Wetterumschläge, wkle z. B. von Ges wittern, nicht immer möglih sei. „Das Weltall“, das im Verlag der Treptow-Sternwarte erscheint, wird während des Krieges in allen Lazaretten kostenlos verteilt und ift zum vterteljährlichen Bezugs- preife von 3 6 vom Verlag der Treptow-Sternwarte oder von Buchhandlungen und Postanstalten zu beziehen.

Theater und Musik.

m Königlichen Opernhause wird morgen „Die verkaufte Gee mtkt E Damen Artôt de Padilla, Goez*, von Scheele- Müller, Escher, den Herren Lener und Stock als Gästen, Bischoff, Bachmann, Henke und Philipp in den Hauptrollen aufgefühit. Dirigent ist der Generalmusikdtrektor Blech.

Im Königlichen Schausptelhause wird morgen das vater- ländishe Drama „Die Quizows*“ von Ernst von Wildenbruh ge- geben. In den Hauptrollen wirken die Damen Abih, Heisler, Nesper, Schlüter, die Herren Sommerstorff, Gichholz, Lucas, von Ledebur, Vespermann und Zimmerer mit. Spielleiter ist Dr. Bruck.

Der Königlich bulgarishe Opernsänger Stefan Makedonsfki wird im Theater des Westens zum ersten Male in einem deuts{en Werk, der einaktigen Operette „Die Bulgarin“ von Hans Boden- stedt, Musik von Hermann Männecke, singen. Die Aufführung findet bei ciner Bulgarenfeier zum Besten des Hilfsausshusses für das Bulgarische Note Kreuz, zu der auch dke Köntglich bulgarische Sängerin Anna Todoroff ihre Mitroirkung zugesagt hat, am 27, d. M., Nachmittags 34 Uhr, ftatt.

Mannigfaltiges.

Ihre Majestät die Kaiserin und Königin besuhte, wie „W. T. B.“ meldet, gestern nachmittag die Volksspeiseanstalt in der Markthalle am Mee und daran anschließend die ia demselben Gebäude befindlihe Station für Säugltngs- fürsorge. Dann begab sich Ihre Majestät nah der Kaserne des Kaiser Alexander-Gardegrenadterregiments, wo Sie der am Vormittag in Gegenwart Jhrer Kaiserlihen und Königlichen Hoheit der Frau Kronprinzessin in der Exerzierhalle eröffneten Aus- stellung von Obst- und Obsterzeugnisseu aus dem Ver- waltung8gebtiete des Oberbefehlshabers Ost einen Besuch abstattete. Die von dem „Verein zur Förderung des Obst- und Gemüseverbrauhs in Deutshland® veranstaltete re!chbaltige Schau enthält außer frishem Obst, das in den beseßten Gebieten des Ditens von unseren Truppen gezogen wurde, auch in dort vorhandenen und entsprechend umgeänderten Fabriken zu Dauerwaren verarbeitete Er- zeugnisse, S E

Ihre Kaiserlihe und Königlihe Hoheit die Frau Kronprinzessin, die Schußberrin des Berliner Krippen- vereins, besuchte „W. T. B.“ zufolge gestern die Moabiter Krippe, Wilhelmshavener Straße 22, und im Anschluß daran die Auguste Viktoria-Krippe in Berlin-Schöneberg.

Die Berliner Stadtverordneten beschäftigten ih in threr estrigen Sitzung mit etner Vorlage des Magistrats, betreffend die Ab EKdbruno der Satzung für die Sparkasse der Stadt Berlin. Der Kämmerer Boch leitete die Verhandlungen mit einigen erflärenden Worten etn, in denen er hervorhob, daß das Ziel der Vorlage der weitere Ausbau der Organisation und gleichzeitig die Förderung des bargeldlosen Verkehrs sei, Die nahfolgende Aussprache über die BWorlage, an der sich die Stadty. Düring, Manasse, Sonnen- feld beteiligten, führte, obwohl alle Redner den bargeldlosen Verkehr ais wünshenêwert bezeihneten, noch niht zur Annahme der Vorlage. Diese soll tielmehr tn etnem Autshusse ncch einmal durchberaien werden. Nach Erledigung einer Reihe kleinerer Vorlagen wurde dann die öffentlihe Sißung, der eine geheime Sitzung folgte,

ges{chlofsen. E

Unter Mitwirkung des Bildhauers Professor August Gaul hat der Preußische Landesverein vom Roten Kreuz einen Kriegsfingerhut geschaffen. Der eiserne Fingerhut trägt die Jahreszahlen 1914, 1915, 1916, zwischen denen je ein Kreuz ein- geprägt ist, und i} von der Staatsbehörde in Preußen und einigen anderen Bundesfsaaten für den Handel zum Preise von 20 „§ fret- gegeben. Der Ertrag kommt der Verwundetenpflege zugute.

„Mars, seine Kanäle und Eisfelder“ lautet das Thema eines Vortrags, den der Direktor Dr. F. Archenhold im großen Hörsaal der Treptower Sternwarte am Dienstag, dem 7. November, Abends 7 Uhr, an der Hand zahlreicher Licht- bilder halten wird. Ferner finden in den nächsten Tagen folgende kinematographis@e Vorträge ftatt: Sonnabendnahmittag 9 Uhr: „Unfere Martne*“, Sonntagnahmittag 3 Uhr: „Polarjagden (See- Iôwen, Renntiere und Elche), 5 Uhr: „Unsere Lufflotte“ (Lichtbilder und B, Abenès 7 Uhr: „Unsere Marine“; Mittwoch, 8. No- vember, Nachmittags 5 Uhr: „An den Ufein des Rheins". Kriegs- verwundete haben zu allen Vorträgen umsonst Zutritt. Mit dem großen Fernrohr werten bei klarem Wetter am Tage die Sonne mit thren Flecken, Abends Doppelsterne, Sternhaufen, der Mond und der Jupiter beobachtet. Die Sternwarte {t bei klarem Wetter bis 10 Uhr Abends geöffnet.

auptquartier Oft, 2. November. (W. T. B.) Auf der Retse zur Ostfront besuhte heute Seine Majestät der König von Bayern, wie der Korrespondenz B. aus dem Hauvpt- quartier Ost gemeldet wird, seinen Bruder, .den Oberbefeblsbaber Oft, Seine Königliche Hohett den Prinzen Leopold von Bayern im Hauptquartier. Seine Majestät traf mit Gefolge im Hofzuge kurz nah Mittag etn und wurde von Setner Köntglichen Hoheit dem Prinzen Leopold und dem Chef des Generalstabes, Oberst Hoff- marn, empfangen. Nach der Sena auf dem Bahnhof begab sih Seine Majestät zum Frühstück in das a Ag Während des Frühslüicks hieß Setne Königliche Hoheit der Prinz Leopold seinen Köntglichen Bruder im Namen der ihm unter- stellten Armeen des Ostheeres, insbesondere der bayrishen Truppen, willkommen und brate ein Hoh auf den König aus. Seine Majestät der König dankte mit einem Hoh auf den Prinzen, den Bezwinger von Warschav, dem durch das Vertrauen Seiner Majestät des Kaisers der Oberbefehl über das größte deutsche Heer übertragen worden fei, und wünschte seinen Waffen weiteren Erfolg,

Nah dem Frühstück fand die Vorstellung der im Standort des

| Hauptquartiers befindliden baye. ien Offizizre, Beamken und Marne

ihaften statt. Am 3 November früh wird die Reise nah der Front zum Besuche baye: ischer Truppen fortgeseßt.

Dessau, 2. November. (W. T. B.) Unter großer Beteiligung fand becte auf dem Gbrenfriedbof die Beiseyzung der Leiche des Hauptmanns Boelcke statt. Bei der Trauerfeier, welcher der kommandierende General von Lvnder als Vertreter Seiner Majestät des Kaisers und Königs, der Graf von SGaß- berg von der Feldfliegerabteilung der Kronprinzenarmee als f: treter Seiner Katfserlihen und Königlichen Hoheit des Kronprinzen beiwohnten, war Seine Hoheit der Herzog LoN Anhalt- Dessau persönli erschienen, desgleihen Seine König- lihe Hoheit der PrinzFriedrich Siaismund von DoeuBen. Die Einsegnung der Leiche vollzog der Onkel des Verstorbenen Pastor Boelke. Bei der Niederlegung des Kranzes für die Stadt Dessau, die die Beisezung übernommen hatte, widmete der Oberbürgermeister Dr. Ebeling dem Hauptmann Boelcke einen warm empfundenen

Nachruf.

Konstanz, 2. November. (W. T. B.) Mit dem 20. No-

vember wird der Austausch Schwerverwundeter zwischen Deutschland und Frankreih wieder aufgenommen. Zugleich sollen wieder erholungsbedürftige Offiziere und Soldaten von Frankreih, England und Deutschland, die von einer Schweizer Aerztekommission untersucht sind, als Internierte nach der Schweiz kommen. Eingeschlossen sollen diesmal au österreihise Zivilinter- nierte in Frankrei werden, falls sie noch rechtzeitig von der s{chweize- rishen Aerztekommission zu erreihen sind. Frankreich hat seine Zu« flimmung dazu gegeben.

Wien, 2. November. (W. T. B.) Heute vormittag fand auf dem Zentralfriedhofe eine Trauerfeier für alle im Felde gefallenen und im Kriege verstorbenen Angehörigen der bewaffneten Macht statt. Der Erzherzog Leopold Salvator erschien in Vertretung des Kaisers Franz Joseph. Ferner nahm der Kriegsminister von Krobatin mit der Generalität und sämtlichen dienstfreien Offizieren der Garnison sowte den na Wien zur Dienstletstung kommandierten deutshen Offizieren an der Feter teil. Nach der Trauermess2 fand eine Gedächtntisfeier beim Heldengrabe statt, wo der Erzherzog am Sockel des Heldendenkmals einen Kranz des Kaisers Franz Joseph ntederleate. Auch der Bevollmäcßtigte des preußishen Kriegsministerlums, Oberstleutnant von Kornaßki legte für die auf dem Zentralfriedhof ruhenden deutschen, öôsterreihishen und ungarishen Soldaten einen wit Schleifen in den Farben der beiden verbündeten Staaten geschmüdckten Kranz nieder.

London, 31. Oktober. (W. T. B.) Der britishe Dampfer „Hacumet“ (2500 Tonnen) ist gestrandet, ebenso der Ft ch - dampfer „Gird Edith“.

Paris, 2. November. (W. T. P.) „Petit Parisien® meldet aus Cartres: In einem Militärdepot, in dem ungeheure Warenmengen aller Art untergebraht waren, brach ein Brand aus, der starken Schaden verursachte. Wie dasselbe Blatt aus Brest meldet, scheiterte bei den leßten Stürmen der Dreimaster Grebe“ (234 Brutto-Reg.-Tonnen) mit einer Salzladung bei der

Insel Molöne.

(W. T. B.) „Corriere della Sera"

Ltvorno, 2. November.

ivorno: Eine große Stearinkerzenfabrik ist voll- i ea Dee Se beträgt eine halbe Million Lire.

ständig abgebrannt.

Amsterdam, 2. November. (W. T. B.) Der nieder- ändi ve Dampfer „Oldambt* wurde bei Hoek van Holland

auf Strand gesetzt.

Christiania, 2. November. (W. T. B.) Nah einer Mel- dung des „Norsk-Telegrambureaus“ ist gestern früh bei Lister ein brennender Ballon beobachtet worden, der \{chließlich in einem Moor niederging, wahrschetnlich ein Beobachtungsb alion von einem englischen Krieg3\chiffe; das Schiksal seiner Be- faßung ist nicht bekannt. Die Reste des Ballons sind nach Farsund gebraht roorden.

(Fortsezung des Nichtamtlichen in der Ersten Beilage.)

Theater.

Königliche Schauspiele. Sonnab. : Opernhaus. 235. Aboune- E Die verkaufte Braut. Komische Oper in dret Akten von Frkedrich Smetana. Text von K. Sabina, deuts{ch von Marx Kalbeck. Musikalische Leitung: Herr Generalmusikdirektor Blech. Negie: Herr Regisseur Bachmann. Chöre: Herr Professor Rüdel. Ballett : Herr Ballettmeister Graeb. (Hans: Herr Hubert Leuer vom K. K. Hofoperntheater in Wien als Gast.) Anfang Uhr.

Swauspielhaus. 242. Abonnementsvorstelung. Die Quitows. Vaterlänbishes Drama in vier Aufzügen von Ernst von Wildenbruch. Negie: Herr Negisseur Dr. Bruck. Anfang 74 Uhr.

Sonntag: Opernhaus. 236. Abonnementsvorstellung, Dienst- und Fretipläße sind aufgehoben. Ariadne auf Naxos. Oper in einem Aufzuge nebst einem Vorspiel von Hugo von Hofmannsthal. (Neue Bearbeitung.) Musik von Richard Strauß. Anfang

74 Uhr. 243. Abonnementsvorstellung. Dienst- und

Schauspielhaus. p 1 1 aceipite s aufgehoben. Judith. Eine Tragödie in fünf Auf- Anfang 74 Uhr.

zügen von Frliedrih Hebbel.

Familiennachrichten.

Verlobt: Laie A Tely mit Hrn. Hauptmann Horst von [aten e8baden).

O4 (ta Sohn: Hrn. Major Ruoff (Göttingen). Hrn. Dr.-Ing. Herbert von Klemperer (Berlin).— Eine Tochter: Hrn. Major Siegfried von Krosigk (Hannover-Baller. stedt). _— Hrn. Leutnant Werner Reinecke (z. Zt. Thorn). Hrn. Rittmeister Carl von Wallenberg-Pachaly (Breslau).

Gestorben: Hr. Oberstleutnant a. D. Ferdinand von Quednow (Berlin-Wilmersdorf).

Verantwortlicher Nedakteur: Direktor Dr. T y rol in Charlottenburg, Verantwortlich für den Anzeigenteil: Der Vorsteher der Expedition, Rechnungsrat Mengering in Berlin.

Verlag der Expedition (Mengering) in Berlin.

Druck der Norddeutschen Buchdruckerei und Verlagsanstalt, Berlin, Wilhelmstraße 32.

Fünf Beilagen (etnschließlih Warenzeichenbeilage Nr. 87) sowie die 1243, und 1244. Ausgabe der Deutstheu

Verlusftlisteu.

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zum Deutschen Reichsanz

260.

VYarlamentsberichGt.*)

Deutscher Reichstag. 72. Sißung vom 2. November 1916, Nachmittags 3 Uhr.

Am Bundesratstische: die Staatssekretäre Dr. Helfferich, Dr. Lisco und der preußische Kriegsminister von Stein.

Erster Vizepräsident Dr. Paasche eröffnet die Sibung 314 -UHE.

Zur Beratung steht zunächst der mündlice Bericht des Ausschusses für den Reichshaushalt über Fragen der Gefan - genenbethandlung.

Der Ausschuß beantragt:

1. Folgende Resolutionen anzunehmen:

a. Den Herrn Reichskanzler zu ersuchen, dur Vermittlung des Heiligen Stuhles oder einer anderen neutralen Macht unter sämtlichen kriegführenden Mächten alsbald in Kraft zu sebßende Vereinbarungen zu treffen, dur welcke

l) das Los der Kriegsgefangenen wesentli verbessert wird,

so daß in der Folge Vergeltungsmaßregeln allen Art beseitigt werden fönnen:

2) sämtliche Zivilgefangene ohne Untersckied des Alters frei-

gelassen und auf ihr Verlangen in ihr Heimatland zurückbefördert werden gegen das ausdrücklihe Versprecen der einzelnen Staaten, die Entklassenen nicht in die Wehrmacht einzureihen. __ b) Den Herrn Reichskangler zu ersuchen, zu veranlassen, daß die Lohnung unserer Gefangenen an deren Angehörige 1n allen Fâllen' gezählt werde, wo dies zur Unterstüßung der Gefangenen notwendig erscheint.

c) Den Herrn Neichskanzler zu ersuchen, eine Vereinbarung mit der französischen Negierung zu erstreben, die bewirkt,

_1) daß die troß des im Januar d. J. abgeschlossenen Auslie-

lieferungsvertrags noch in Gefangenschaft zurückgehaltenen Frauen, Kinder und über 55 Jahre alten oder friegguntauglichen Männer baldigst freigegeben werden:

2) daß die in jenem Auslieferungsvertrage für die Männer festgeseßte Altersgrenze von 55 Jahren auf die für unsere Militär- pflicht geltende Zahl 45 herabgeseßt werde, wie das von seiten Gngl\ands in nächster Zeit zu emvarten ist:

3) daß diejenigen, die weiter in Gefangenshafb verharren müssen, vertrag8mäßig den kriegsgefangenen Soldaten in jeder Hin- sicht aleichgestellt werden;

_4) daß noch zahlreicher, als bisher geschehen, kranke Zivil-

gefangene zuu Erholung in die Schweiz gesandt werden:

9) daß die gegenseitige Verpflichtung, die über Militärper- jonen verhängten Arrvest- und Gefängnisstrafen Lis Beendigung des Krieges auszu}eßen, au auf die Zivilgefangenen ausgedehnt wird;

6) daß die schreienden Mißstände in verschiedenen Gefangenen- lagern, 1nsbesondere in dem der Chartneuse près le Puy, beseitigt

werden.

[1 Die zu der Frage der Gefangenenbehandlung vorliegenden Petitionen dur die Annahme der obigen Nefolutionen für erledigt zu erklären,

Referent Abg. Prinz zu Shönaich-Carolath (nl): Die

der deutschen Kriegégefangenen in den feindlichen Ländern ift Gegenstand eingehender Erörterungen gewesen. Es find die lebbaf- testen Klagen geführt worden über s{lechte Beköstiguna, \chlechte Lagerstätten, sc{lechte Behandlung, Beschränkung der Bewegungs- freiheit, über die unwürdige und grausame Art der Beschäftigung, \o- wie über körperliche Mißhandlung. Das gilt insbesondere von Franf- reich und Nußland. Es genügt, auf die Mitteilungen in der „Nord- deutschen Allgemeinen Zeitung“ zu verweisen. Was die Behandlung betrifft, so scheint es damit am besten in den englischen Gefangenen- lagern bestellt zu sein. Zur Besserung des Loses de?-Kriegsgefangenen empfiehlt der Aus\s{uß die Annahme der von ibm“ vorgeschlagenen Resolutionen unter Ie. Der Forderung unter b \téht au die Mia litärverwaltung, wie aus den Verhandlungen si ergab, sympathisch gegenüber.

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l er. In der Kommission sind von verschiedenen Rednern auch die Zustände in den deutschen Gefangenenlagern besprochen worden. Im allgemeinen sind diese Zustände als befriedigend anerkannt worden; auch haben si die neutralen Besucher derselben in gleihem Sinne ausge]prochen, Einzelne Mißstände sind scharf fkritifiert worden, es ist Untersuchung und eventuelle Abstellung zugesagt. Klagen sind ferner erhoben worden über die in Deutschland internierten Polen fremder, besonders russische Nationalität. Es handelt sich da um sehr erheblide Zahlen. Das Abkommen mit England, betreffend die über 991ahrigen, hat der Kommission nicht vorgelegen. Die Grundsäße der Genfer Kommission, die Grundsäße der Menschlichkeit sind in diesem 45 F , 9) v - N Dn 7 D as a 7 A D 4 af. ° f

entseßlichew Weltkriege leider vielfach in der beklagensmertesten Weise verleugnet worden. __ Preußischer Le

Seins Majestät der Kaiser und König hat mit hierber befohlen. Ich komme unmittelbar aus den Kämpfen an der Somme und habe mich beeilt, nah Erstattung der Meldung bei Seiner Majestät hier dem hohen Hause mi vorzustellen. Meine Herren, ich bin nicht bewandert in den Gebräuchen, Sitten und Pflichten, die hier walten. Ich muß deshalb um Ihre gütige Nachsicht für einige Zeit bitten, bis ih mich in alle diese Dinge hineingelebt habe. In dem langen Krieze mit jeinen furchtbaren Eindrüen geht manches verloren, was früher Vesiß schien. Selb Worte, Ausdrücke, Begriffe {winden bis- weilen, und man muß si Mühe geben, wieder auf den alten Stanr- punkt zurückzukommen. Jn der langen Schlacht, die id jeßt Gelegen- hett gehabt habe, mit meinen Truppen führen zu müssen wir haben Uber vier Monate unmittelbar und ununterbrochen in Kampfe ge- standen —, habe i aber manches andere gelernt und mitgebracht, was für mich und meine nächsten Aufgaben die größte Bedeutung hat. Ich kann mi nicht mit einzelnen Fragen beschäftigen, al nicht mit einzelnen Personen in der nästen Zeit, so nahe wie mir Beschwerden, Klagen, die Not Einzelner menschlih gehen mögen. J hatte noch nicht die Allerhöchste Order für meine Ernennung in der Hand, da trafen mih {on eilige Briefe von Privatleuten, die alle möglichen Wünsche hatten. Alle diese Dinge muß ich zurückstellen hinter dem, was mich die Erfahrung in diesen schweren Zeiten der leßten Monate gelehrt hat. Unsere Gegner, in erster Linie die Engländer, führen immer neuo und immèér schwerere Mittel in den Kampf. Die ganze Welt steht ihnen dazu zur Verfügung, und sie wollen mit allem Nach- druck ihr Ziel erreichen. "Es sind mir in der leßten Zeit mehrfach Briefe von Gefangenen und Gefallenen und Tagebüchèr vorgelegt worden, Jn: ihnen fanden sid viele Klagen englischer Soldaten und besonders solcer, die irgendeine Bildung genossen hatten. Die standen

Kriegsminister, Generalleutnant von

*) Ohne Gewähr, mit Ausnahme der Neden der Minister und

Erste Beilage

Berlin, Freitag, den 3. November

auf dem Standpunkt, daß der Zwang, der ihnen. auferlegt würde, und die Beeinträchtigung der Sélbstbestimmung ihrer Person unerträgli sei. Und ein Zweites betonten sie, was für uns deutshe Soldaten unverständlich ist: es sei eine ungeheure Last, mit dem ungebildeten Pöbel zusammenleben zu müssen. (Hört, hört!) Troß alledem, meine Herren, schließen alle diese Auslassungen mit demselben Gedanken: troß alledem müssen wir dies tragen, weil der Staat und die Nation es verlangt.

Meine Herren, sollen wir nicht davön lernen und nit ebenso denken und noch viel schärfer denken, um allen den Mitteln, die sie gegen uns ins Treffen führen, nihcht nur gleich zu bleiben, fondern sie zu übertreffen? Jn dieser Nichtung zu arbeiten, das werden die nächsten Zeiten von mir verlangen, und i bitte bei allen diesen s{werwiegenden, für unser Vaterland fo wichtigen Arbeiten um die Unterstüßung des hohen Hauses. (Lebhaftes Bravo!)

Direktor im Auswärtigen Amt Dr. Kriege: Mit der ersten Resolution kann ich mich im Namen der Verbündeten Negierungen einverstanden erklären. Wir begrüßen auf das lebhafteste, was zur Berbesserung der Lage der Gefangenen beitragen kann. Bei diesem Bestreben sind wir vom Heiligen Stuhle und von anderen neutralen Mächten, insbesondere der Schweiz, unterstüßt worden. Wir können diese menschenfreundliden Bestrebungen -niht hoh genug: bewerten, und ih möchte auch von dieser Stelle dafür unserm lebhaftesten Dauk Ausdruck geben. Das Los unserer Gefangenen im feindlihen Aus lande ist, wie der Neferent schon bemerkt hat, fehr wenig befriedigend, und was nach dieser Richtung geschehen kann, um durch Wereinbarungen mit dem feindlichen Ausland das Los unserer Angehörigen zu ver- bessern, soll und muß geschehen. Wir sind gern bereit, eine Zu- sammenstellung der Vereinbarungen temnäcbst dem Neichstage vorzu- legen, die mit den feindlichen Staaten getroffen worden sind. Sollte es gelingen, auf diesem Wege das Los unserer Gefangenen grundsähß- lich zu bessern, so werden selbstverständlich die Vergeltungsmaßnahmen vershwinden. Sind sie doch nicht getroffen, um Nache zu üben, jondern um : den Schuß unserer unglücklichen Angehörigen sicher“ zustellen. Soweit aber unsere Gegner fortfahren, s{hweres Unrecht zu begehen, werden wir zu unserm lebhaften Bedauern vor Bergeltungs- maßnahmen nicht zurüs{hrecken fönnen. Von größter Bedeutung würde es sein, roenn es gelänge, sämtliche Zivilgefangene ohne Unter- schied des Allers freizulassen und in ihr Heimatland zurückzubefördern: Deutschland hat das Vorgéhen unserer Gegner, Zivilpersonen, die mit dem Kriege nichts zu tun haben, festzunehmen und nicht in ibre Heimat zurücfzulassen, als mit dem Völkerrehte unvereinbar angesehen und bezeichnet. Aber es hat auf Grund- des Vorgehens unserer (Begnèr nicht umhin gekonnt, ihrem Vorgehen zu folgen. Es wäre fehr zu begrußen, wenn es gelänge, diesen Zustand zu ändern. Sollte es zu einem solchen Abkommen kommen, so sind wir selbstverständlich bereit, die Verpflichtung zu übernehmen, die zurückgekehrten nit in unsere Wehrmacht einzustellen, Ich sage dies, damit nah dieser Richtung keinerlei Vorwand vom feindlichen Auslande eintritt. Große Hoffnung, unser Ziel zu erreichen, haben wir allerdings namentlich in bezug auf &ngland nicht. Einverstanden sind wir auch mit der Resolution, daß die troß des im Januar d. J. abgeschlossenen Auslieferungsvertrggs noch in Gefangenschaft zurückgehaltenen Frauen, Kinder und über 99 Jahre alten oder kriegsuntauglichen Männer baldigst freigegeben werden, Selbstverständlih kann dies nicht auf dem Wege der WVer- einbarung geschehen, sondern nur mit Hilfe von DruEmitteln. sFranfk-

reih hat eine Anzahl von Deutschen, insbesondere aus Glsaß-Lothrin- gen zurückgehalten. Dementsprehend i} eine Anzahl französischer Ungehöriger aus den beseßten französishen Gebieten interniert wor- den. Diese Leute werden natürlich sofort freigelassen werden, fobald Frankreih sich verpflihtet, die Elsaß-Lothringer usw. freizugeben. Was die Auslieferung der älteren Gefangenen betrifft, so ist eine Vereinbarung mit England zum Abschluß gekommen, daß die Alters- grenze von. 59 auf 45 Jahréê herabgeseßt wird. Einverstanden sind wir serner damit, daß diejenigen, die weiter in Gefangenschaft verharren mussen, vertragsmäßig den fkriegsgefangenen Soldaten in jeder Be- ziehung gleichgestellt werden, ebenso damit, daß noch zahlreicher als bisher kranke Zivilgefangene ‘zur Erholung in die Schweiz gesandt werden. Im Augenblicke steht die Sache so, daß die Invaliden nach Hause und die Halbinvaliden nach der Schweiz geschickt werden. Gbenso sind wir einverstanden mit der Forderung, daß dié Zivil- gefangenen von Strafen während der Gefangenschaft befreit werden. Auch nach dieser Nichtung sind Verhandlungen im Gange. Frank- reich steht grundsäßlich auf unserem Standpunkt. Ueber die \hreienden Mißstände in verschiedenen Gefangenenlagern, insbesondere der Chartreuse près le Puy is ein umfangreihes Material von uns gesammelt und wird in diesen Tagen der französischen Negierung mit dem nachdrüdcklihsten Verlängen auf Besserung zugehen. Aus alledem ergibt sib, daß die Reichsleitung bereits manches erreicht bat. Sie wird weiter tun, was mögli ist, was geschèhen kann, um das Los unserer Gefangenen zu verbessern. Wir betrachten das als heilige Pflicht unseren Angehörigen gegenüber, die für das Vaterland géblutet und gelitten haben.

Departementsdirektor im preußischen Kriegsministerium, General Friedrih: Jch will auch namens der Heeresverwaltung zum Ausdruk bringen, daß die Wünsche des Ausschusses fich vollkommen mit dem Standpunkt der Heeresverwaltung decken. Eine Anzahl dieser Wünsche ist bereits seit einiger Zeit der Géegénstand der Be- arbeitung îm Kriegsministerium, und wir können wohl erwarten, daß bei dem näbsten Zusammentritt des Neichstags eine Anzahl dieser Wünsche verwirklicht sein wird. Es sind noch einige andere sehr wichtige Punkte bezüglih der Erleichterung des harten Loses der Kriegs- und Zivilgefangenen, die uns gugenblicklih beschäftigen: ih will heute darauf mcht näher einaehen, aber 1 alaube, daß einige von diesen wichtigen Punkten eine Besserung des Loses unserer Lands- leute berbeiführen werden.

Abg, Erzberger (Zentr): Meine Freunde haben in der Kommission den Antrag eingebracht, der vom Auùs\{uß angenommen ist, wona durd# Vermittlung des Heiligen Stuhls oder einer anderen neutralen Macht das Los der Gefangenen verbessert werden soll, Deutscland kann um \o mehr die Initiative dazu ergreifen, als in Deutschland viel mehr Kriegsgefangene sind als deut\che Kriegsgefangene in anderen Ländern. Das Los aller Kriegsgefangenen ohne Unterschied der Nationalität zu bessern, ist allgemeine Pflicht. Die Verhältnisse waren in keinem Lande auf die lange Dauer des Krieges zugeschnitten, aber kein Staat kann allein an die Besserung des Loses der Kriegsgefangenen herantreten, denn ein unbegrenzter Edelmut auf diesem Gebiete würde die Pflichten gegen die eigenen Soldaten vernachlässigen. Daher ist cine Vermittlung neutraler Mächte nötig. Wir stellen hierbei den Heiligen Stuhl in den Vorder- grund, nit weil wir in erster Linie Katholiken sind, fondern weil durch den Heiligen Stuhl {on unendlich viele gute Taten in der Krieaszeit geschaffen sind. Es is ein Gebot der Dankbarkeit und dey Gerectigkeit, hervorzuheben, daß die Vermittlung des Heiligen Stuhls in demselben Maße den Deutscken wie den Angehörigen anderer Staaten zuteil geworden ist. Mit Dank ist au anzuerkennen, don die deutschè Regierung allen Anregungen aus Nom entgegen- gekommen ift, daß die verschiedenen Akkionen des Heiligen Stuhls in erster Linie die Zustimmung der deuts{Gen Regieruna gefunden

Staatssekretäre.

eiger und Königlih Preußischen Staatsanzeiger.

1916.

deutschen Negierung, die si sämtlichen Anträgen gegenüber wohl- wcllend. verhalten hat. Die erste Anregung des Heiligen Stuhls, allgemeine Weihnachtsfeiertage in den Kämpfen eintreten zu lassen, [betterte an Rußlands Verhalten. Auch für den Austausch der Kriegsuntauglichen und der niht im Militärdienstalter befindlichen Personen it unsererseits alles restlos geschehen, aber Frankrei und Gngland sind nit so entgegenkommend. Auf Anregung des Heiligen Stuhls ist für die Hospitalisierung der kriegsgefangènen Kranfen, besonders der Tuberkulosekranken, Staunenêwertes geleistel worden. Die Schweiz hat diese Leute besonders am Vierwaldstättersee“ unter- gebracht, Der Dank Deutschlands an. die Schweizer Bevölkerung kann nicht warm genug ausgesprochen werden. Alle SckEweizer ohne Ünter- [hied bemühen sih jeden Tag, den internierten Kriegsgefangenen gute Taten zuzuwenden. Der völlige Austausch ist wieder bei Frankreich gescheitert, das nicht die Zusicherung geben wollte, daß dié Aus- getauscchtèn nit wieder in die Front eingestellt werden. Durch Ver- mittlung des Heiligen Stuhls i ferner die Sonntagsruhe für die Kriegsgefangenen durchgeführt worden. Die geplante Unterbringung Kriegsgefangener in Rumänien scheiterte an dessen Kriegserklärung, es hat seine Strafe dafür bekommen. Deutschland hat, wie man obne Veberhebung sagen kann, für die hohe Zahl von fast zwei Millionen Kriegsgefangenen das denkbar Mögliche geleistet, und wir wären herzlich zufrieden, wenn die deutshen Kriegsgefangenen im Ausland ebensogut beköstigt und untergebraht würden. Jeßt ist die Zeit ge- fommen, an die Durführung neuer internationalev Liebeëwerke für die Kriegsgefangenen heranzutreten. Da öffnet sih ein weites Gebiet edlew Wektbewerbs für sämtliche neutrale Staaten. Auch Holland, Dänemark und Scweden haben Dankenswertes geleistet. Die kriegsgefangenen Kranken sollten, ebenso wie die Kvyiegsbuntaug- lichen, in die Heimat befördert werden, natürli unter der Voraus- seßung, wie sie von der deutsden Regierung angenommen ist, daß sie nah ihrer Wiederherstellung nit wieder in den Dienst eingestellt werden. Ferner hallen wir für erstrebenswert und möglich eine Ver- ständigung über die Arbeitszeit der Kriegsgefangenen und die Ge- währung einer Nuhezeit; natürlih müssen auch Garantien für die strikte Durchführung dieser Abmachungen gegeben werden. Gelingen diese Verständigungen, so kann man allseitig auf ‘Repressalien ver- zichten, die ja doch nur ein Notbehelf sind und unsererseits au ntckt gern, sonderw nuv als leßtes Mittel, zur Erreichung eines guten Zieles angewendet worden sind. Von einem Verzicht auf Nepressalien kann aber erst die Rede sein, wenn. die Verbesserung des Lofes unserer Kricegsgefangenen absolut gesichert ist. Daß offene Sitädte von Flieger- angriffen verschont bleiben, sollte auch ein Gegenstand eifrigster Be- mühungen in gleiher Richtung sein. Großen Wert legen wir dann au auf den Antrag, betreffend die Zibilgefangenen. Nach mehr alls zwei Mriegsjahrew 1st die Zeit gekommen, sämtliche Zivilgefangenen restlos. frei zu lassen. Leider hat England sich gegen diesen Vorscblag ausgesprochen. und ihn als undürdführbar erklärt, Dur die heutige Erklärung der Vertreter der Regierung ist die Bahn für neue Ver- handlungen in diesem Sinne frei gemacht worden; quch England wivd dann Gelegenheit haben, zu ‘zeigen, ob es noch als“ Kulturland geliew will. Jch gebe mih der Hoffnung hin, daß auch im englischen- und’ in den anderen. Parlamenten ein. gleiches Entgegenkommen in dieser Frage wie vom Deutschen Reichstage bekundet werden wird. Abg. Emmel (Soz.): Die Frage der Kriegögefangenenbehand- lung hat eine” ganz außerordentliche Bedeutung erlangt, nachdem der Krieg nun schon 27 Monate dauert. Tausende schmachten schon zwei Jahre. und länger in Gefangenschaft. Ju der Theorie wird allgêmein angenommen, daß der aus den Reihen der Kämpfenden Ausgeschiedene anständig und mens{lich behandelt werden. .foll: aber die Praxis hat vielfach dargetan, daß das Gegenteil. der Fall ist. Die gute Beband- lung des Feindes in. der Gefangenschaft erzwingt au die Achtung des Gegners; darum sollte es Aufgabe aller Nationen sein; die Ge- fangenen gut und gerecht zu behandeln. Um so merkwürdiger mußte es berühren, wenn in leßter Zeit hier und da in der Presse darauf hingewiesen wurde, daß bei uns die Gefangenen zu gut behandelt würden. Selbstverständlih verlangen wir, daß au die deutscken KriegSgefangenen im Auslande entsprechend qut behandelt werden. Was die Klagen über \{leckchte Behandlung der. fremden Klriegs- gefangenew bei uns betrifft, so ist uns in der Kommission versichert wörden, daß es sich nur um Ausnahmefälle handelt und daß Nemedur geschaffen und eingesritten werden wird. Wir hoffen, daß das ge- sieht, und daß mam insbesondere das Aufsichtspersonal peinlich sovg- faltig auswählt. Die zivilgefangenen Deutschen im Auslande sind im Anfang des Krieges sehr s{lecht behandelt worden; die ersten Zivil- gefangenen, die na Frankreih aus Elsaß-Lothringen verschlepp? wurden, haben teilweise eine ganz scheußlide Behandlung erfahren. Auch die Errichtung von Kriegögefangeneulagern in ungesunden Gegenden fällt ini dasselbe Gebiet. Sehr {wer zu leiden haben aud die deutschen Kriegögefangenen in Rußland, und England suhte ja besonders V-Bootleuten eine ausgesu{t- \{leckte Behandlung zuteil werden zu lassen. Bleiben die diplomatischen Vetständigungsversuche erfolglos, so Haben aùuh wir nichts dagegen, daß zu Nepressiv- maßnahmen geschritten wird, / denn wir können uns nit gefallen lassen, daß die gefangenen Deutschen im Auslande. schleckchter behandelt werden als die fremden Kriegsgefangenen bei uns. Die Anwendung von MNepressalien hat ja auch bereits manche Bésserung gebracht. Bei allen solchen Maßnahmen därf nicht wahllos verfahren werden, sondern es müssen die Angehörigen der herrschenden Klassen heraus- gegriffen werden, wenn man auf die Gegenseite mit den Vergeltungs- maßnahmen Eindruck machen will; sonst würde man ungerecht und hart verfahrèn, obne doch irgend einen Erfolg zu erzielen. Dieser Standpunkt ist auch von den Regierungsvertretern als berechtigt an- erkannt worden. Um die 150 reihsländishen Geiseln frei zu be- kommen, welche Frankreih widerrechtlich noch immer zurüdhält, sind ebt 200 Franzosen aus den beseßten Lanvesteilen in Deutschland interniert worden. Frankreich hat troß des getroffenen Abkommens erklärt, jene 150 seien nicht als Deutsche zu betrachten: das ift natür- lich eine ganz unhaltbare Ausflucht, Frankreich hat eben jenes Ab- kommen nit loyal erfüllen wollen. Mit der Forderung der Aus- \chußanträge unter c sind wir ebenfalls einverstanden und hoffen, daß der Reichstag sich thnen möglichst einstimmig anschließen wird. Die Forderung unter b beruht auf einem von uns gestellten Antrage. Die Moöglichkeit, die Löhnung an die Angehörigen der Gefangenen zu zahlen, besteht schon jeßt, ist aber an den Nachweis der Bedürftigkeit gebunden. Jn den Städten und Jndustriezentren kann man mit der Durchführung zufrieden sein; auf dem Lande wird aber--der Begriff der Bedürftigkeit so ausgelegt, daß dringende Not vorhanden sein muß. Das ist falsch, der Begriff darf nit fo engherzig aufgefaßt werden. Hoffen wir, daß die Gefangenenbehandlung überall von -mens{lichen Rücksichten geleitet und äuf diese Weise die internationalen Be- ziehungen, die ja doch wieder angeknüpft werden müssen, wieder ange- bahnt und so der kommèénde Friede auh auf diesem Wege vor- bereitet wird, Aba. Bruck hoff (forts{r. Volksp.): Auh wir werden den Aus\c{ußänträgen zustimmen. Das Los der Kriegsgefangenen müß verbessert, E Zivilgefangene müssen freigelassen werden, das ist das Ziel, das wir erreichen wollen. Anerkennen müssen wir, daß das Auswärtige Amt und die Heeresleitung alles, was bezüglich des Austausches ‘und der Behandlung zu tun möglich war, auch getan hat. Bedauerlich bleibt, daß die französishe Regierung in bezug auf den Zei immer noch Schwierigkeiten mat. Die Internierung der Zibvilgefangènen war geradezu völkerrechtswidrig. Die Behandlung unserer Gefangenen, besonders in Nordaftika, war himmelschreiend.

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haben. Wenn siè nickt alle Erfolg hatten, \o ist es nicht Schuld der

Noch \{limmer werden unsere Gefangenen in Sibirien behandelt.