1917 / 19 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Tue, 23 Jan 1917 18:00:01 GMT) scan diff

Anerbenre@t reiGlib Anwendung findet, und einzelne, wo es gar nit _in die Ersceinung tritt; aber das Anerbenrecht ist immerhin eiwas anderes als fideikfommissarishe Bindung. Deshalb muß man jedem, mag er wohnen, wo er will, die Möglichkeit offen halten, daß er von dieser neuen Einrichtung Gebrau machen kann.

Der dritte Teil des Gesezes, bér die Familienstiftungen betrifft, ist von verhältnismäßig geringerem Interesse; es ist nicht viel Neues darin gesagt. Nur das eine is wesentli, daß auch die Bildung der Familienstiftungen von einer Genehmigung abhängig sein foll, die in der Negel dem König zusteht, sonst aber von der Aufsichtsbehörde aus8gesprocén wird, ie man si regelmäßig das Amtsgericht zu denken hat, das ganzen Verhältnisse mnästen stcht, Wenn das Genehmigungserfordernis auch für tungen eintritt, dann ist der Möglichkeit vorgebeugt, die nit zu der erwünschten“ fideikommissarisen Bindung 4 können, nachher den We Familienfti 7 besd Güter dur die Familiensti für die Familie zu binden und Dem beugt das Erfordernis® lungen bor,

Eine redt wicktige Erskeinung if fommissarisde Bindung Familiensinnes bedeutet. Fideikommißbesißer ist zwar Eigentümer Interesse der ganzen daß die Verbindung der festigt wird. Und wenn des Familiensinnes erfolgt, ganzen Staat von hoher Be Zum Schluß möchte ich nur noch darauf aufme

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rfsam machen, daß

die Negelung der Angelegenheit in der Tat sehr dringlich ist, daß die

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Uebelstände, die wir jeßt haben, niht länger bestehen dürfen, und daß diese Uebelstände aber Feineswegs nur darin bestehen, daß stch jeßt Fideikommisse ohne Genehmigung bilden und erweitern, sondern daß gerade das, was ih über die Stellung der Fideikommißbesißer sagte, immerhin zu einer s{leunigen und dringlichen Erledigung führt. Nachdem wir einmal an eine organische Neuregelung des ganzen Fidei- fommißrechts gegangen sind, wäre es doch sehr lückenhaft, wenn wir jeßt einen einzigen Teil herausnehmen wollten. Der Antrag, der hier gestellt ist und auch mit zur Diskussion. steht, würde \hließlich darauf hinauslaufen. Ich glaube niht ih kann hier zwar nur für meine Person sprehen —, daß die Staatsregierung in der Lage sein wird, auf diesen Antrag einzugehen.

So möchte ich Sie, indem ich nochmals betone, daß das Geseh in der Tat höchst wichtig ist und seine baldige Verabschiedung im all- gemeinen Înteresse dringend“ erwünscht ist, hiermit bitten, diesem Geseße Jhre Zustimmung geben zu wollen. (Bravo! rets.)

Abg. Delbrüdck (kons.): Ich stelle den Antrag, die Vorlage und den Antrag Äronsohn einer Kommission von 28 Mitgliedern zu überweisen. Das Gescß war schon vor dem Kriege fast erledigt, und neu binzugefommen ist lediglih die Materie der Stammhöfe. Die Bestimmungen dieses Geseßes sind von weittragender Bedeutung, denn sie E wesentlich für die Bildung des großen und des kleinen Besißes. Auf

iesem Gebiete herrsht größte Ünsicherheit, und es muß geregelt werden, wenn nit große Mißstände eintreten sollen. Diese Miß- U fönnen durch den Anirag Aronsohn nicht beseitigt werden. Im riege sind nur ganz wenige Fideikommisse neu gebildet. Eine rößere Freiheit für die Fideikommisse ift für die Bewirtschaftung leineêwegs gleichgültig; z. B. ist es jeßt chwer, Meliorationsfkredit zu bekommen. Das Gefeß widerspriht nicht der inneren Kolonifation, sondern diese soll gerade mit dieser Gefeßgebung in Einklang gebracht werden. Es ift gesagt worden, der Entwurf erleichtere die Fidel- fommisse, statt sie zu ershweren. Das Geseß geht gerade auf Grschwe- rung und Beschränkung der Fideikommisse hinaus, es bringt gerade eine Entwicklung, die in der Nichtung der Linken liegt, nur geht es ibr darin nit weit genug. Das Geseß bewegt sich entschieden in einer den modernen Verhältnissen ih anpassenden Richtung, macht also gerade im Sinne der Linken einen Fortschri!t Wir werden in der Kommission alles fsachlich prüfen, denn es liegt uns natürli daran, - die Kräfte zusammenzufassen, wir haben den besten Willen, im Sinne neuen Geistes fsachlich zu ar- beiten und einen Boden ¿u find auf dem wir gemeinsam ein ge- deihliches Werk zum Abschluß bringen können, auf das wir später mit Stolz zurüblicken können, weil es möglih gewesen. ist, eine solche Kulturarbeit auch in den Stürmen dieser {weren Zeit zu machen.

Abg. Bitte (Zentr.): Auch das Zentrum ist für die Verwei- sung der Vorlage und des Antrages Aronsohn an eine Kommission von 28 Mitgliedern, erflärt aber hon jeßt die Ablehnung des An- trages, da er mit der Tendenz und dem Zwedke des Geseßes nicht im Einklang steht. Der neue Geseßentwurf trägt den Wünschen Rechnung, welche in den Kommissionen der beiden Häuser des Land- ages zum Ausdruck gebraht worden sind, und insbesondere dem von meinen Parteifreunden wiederholt geäußerten Wunsch, die rechiliche Bindung auch dem kleinen und mitileren Grundbesiß zugänglich zu machen. Wir können also der Regierung dafür Dank ‘sagen, daß sie diese Materie sorgfältig und in den (Einzelheiten zrweckmäßig geregelt hat. Sn diesem hohen Hause ist man stets darüber einig gewesen, wie nötig die Erhaltung, Festigung und Vermehrung des kleinen Besißes sür das Ganze ist, wie die innere Kolonisation eine Notwendiakeit darstellt. In diesem Hause ist das \chóne Wort geprägt worden, daß der Bauern- ftand der Junabrunnen unserer Volkskraft und Volksaesundheit ift. Auch mit Nücksicht auf die Kricgsgewinne und die Erweiterungsbestre- bungen des Grundbesibßes und der Jndustrie muß hier jeßt zugegriffen werden. Die Kriegsgewinne sucht man in Landankäufen anzulegen, um sich eine Jagd und andere Annehmlichkeiten, die der Grundbesitz bietet, zuzulegen. Es ist Gefahr vorhanden, daß durch die Uebermacht des Kapitals und der Industrie der kleine Besiß aufgesogen wird, deshalb ift das Stammgutgeseß nur zu begrüßen. Nun ist in einigen Landesteilen, und zwar gerade in denjenigen, die uns näherstehen, die Stammautbildung nicht gerade sympathish begrüßt worden. will dort ein freter Mann sein. Dem steht ja aber nichts entgegen; wird niemand aezwungen, feinen Besiß zu binden, es brauht au gar nicht der ganze Besiß gebunden zu werden. In der Kommission wird über die Einzelheiten ausführlicher zu reden sein. Die Schäßung des bäuerlichen Besißes müßte übrigens nah anderen Grundsäßen als die des arößeren Besißes stattfinden. Es wären dafür vielleicht be- fondere Kommissionen einzusehen. Daß der Großgrundbesiß ein in unserem Wirtschaftsleben unentbehrlicher Faktor. ist, hat man im Mai 1914, fast allseitig anerkanat. Aber es muß ein ge- rechtes Verhältnis. zwischen beiden bestehen. Die Anhäufung des Grundbesibes ist ebenso gefährlih wie seine Zersplitterung. Darum muß der Latifundienwirtschaft. energish entgegengewirkt werden, deren verderbliche Wirkungen wir -niht nur aus dem Altertum kennen, sondern heutzutage namentli& in England sehen, In dieser Bes- iehung bietet die Vorlage cine große Anzahl von beschränkenden Bei aiutiten: die doch alle durhaus im Sinne der Linken sein müßten.

Aba. Dr. Lohmann (nl): Wir müssen die Wiedereinbringung des M für verwunderlih, ja für befremdlich erklären. Die von dem Aba. Delbrück vorgeführten Gründe kann ih nicht als stichhaltig ansehen; um in größerem Miulange zu \{lagen, braucht man nicht die Gesepgebung zu bemühen, as uns zur Ab-

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lebnung des Geseßes veranlaßt, ist, daß niemand von uns weiß, welche Ziele unsere Agrarpolitik nah dem Kriege wird in Angriff nehmen müssen. Wir balten eine so starke Erweiterung der fideifommissarischen Bindung, wie sie das Geseg will, nicht für rihtig, Jn den leyten fünf Jahren ift diese Bindung schon außerordentlich viel größer ge- wesen als in den leßten zwanzig Jahren und im Osten stär er als im Westen. Wir werden dem Antrage der fortschrittlichen Volkspartei zustimmen und beantzagen, ihn nicht an eine Kommission zu ver- weisen, sondern darüber abzustimmen. Jm Herrenhaufe hat seinerzeit Graf Vork von Wartenburg eine Reihe von technischen Gründen an- geführt, die für die Fideikommisse spreen sollen und vor allem be- hauptet, daß sie intensiver wirtscaften als der kleinere Besiy. Die Erfabrung und die. Wissenschaft beweisen das Gegenteil. Der Groß- arundbesiß bat eine verbältnismäßig geringe Zahl von Pferden, Kühen und Schafen. Wenn Graf Yorck auf den Nußen hingewiesen hat, unab- bänaige Éristenzen zu- schaffen, so haben meine Freunde dafür an sich volles Verständnis. Unabhängige Eristenzen gibt es aber auch in jedem anderen Berufe, so im Handel und in der Gelehrtenwelt. Cntscbheidend ist die Frage, ob die Fideikommisje geeignet sind, einen ‘leistungsfähigen Grundbesiß zu erhalten. Diese Frage habe ich schon verneint. Was wir brauchen, ist eine Mischung von großem, kleinem und mittlerem Besiß. In einem Zeit- vunkt in dem wir alles an Steuern zusammensuchen, was nur möglich ist da erlassen wir die Stempel in einem Geseß, das doch gewt]sen Ständen ein Privilegium gibt. Außerdem liegt bei diesem ntwurf die Gefahr vor, daß unter der Flagge der Stammgüter die Zahl der TFideikommisse vergrößert wird. Das kann sicher nicht dazu dienen, die wirtschaftliche Energie unseres Bauernstandes zu steigern.

Abg. Krause - Waldenburg (freikons.): Die Bedenken des Herrn Lohmann teilen wir niht. Daß ein leistungsfähiger Großgrundbesiß notwendig ist, 1] anerkannt worden, ebenso aber au, daß dies nur auf dem Wege der Fidei- fommisse geschehen kann. Jch verstehe nicht, weshalb dabei nicht der Weg der Gesetzgebung beschritten werden soll. Aus der Steigerung der Zahl der Fideikommisse in den leßten Jahren geht do das Be- dürfnis hervor. Das Geseß will diejes nun auf das nüßlihe Maß beschränken. Es isf auc anerkannt worden, daß das gegenwärtige Ge- seß dringend verbesserungsbedürftig ist. Wir wollten anfänglich eben- fails beantragen, den Antrag der Freisinnigen der zu bildenden Kom- mission mitzuüberweisen. Wir haben aber nichts dagegen, daß über ihn ohne Kommissionsberatung abgestimmt wird. Es ergibt sich aus unserer Stellungnahme voñh felbst, daß wir thn ablehnen werden. Veber die Stempelfrage können wir uns ja nah dem Kriege ein- gehender unterhalten.

Aba. Waldstein (forts{hr. Volksp.): Jn der Einbringung dieser Vorlage sehen wir einen Bruch des Burgfriedens. Es gibt keine Frage, bei der die Meinungen fo auseinandergehen, wie hierbei. íShre Lösung hängt aufs innigste mit der ganzen Gestaltung unserer inneren Politik zusammen. Im Jahre 1913 beschloß der Neichstag, die verbündeten Megierungen aufzufordern, einen Geseß- entwurf einzubringen, durch den die weitere Bildung von Fidei- fommissen verboten wird. Und nun kommt die preußische Megierung mit diesem Entwurf. Es heißt, die Fideikommißbildung erfahre durch das Geseg eine starke Erschwerung, z. B. durch die Kontingen- tierung, wonach nux 10% des gesamten landwirtschaftlihen Areals des Staates fideikommissarish gebunden werden dürften; aber davon sind Ausnahmen gemacht, so daß insgesamt 17 bis 18% des gesamten Staatsgebiets herauskommen können. Nach dem Tempo der Fidei- fommißbildung in den Jahren von 1905 bis 1912 werden die 10% in 39 Jahren erreicht sein. Auch das Erfordernis der Königlichen Geneh- migung wird die Fideikommißbildung nit erschweren, sie wird durch die Kontingentierung entwertet, denn es wird der Königlichen Geneh- migung {wer werden, innerhalb der Kontingentigrenze eine Genehs migung zu versagen. Auch die sonstigen Erschwerungen, z. B. die Ver- pflichtung, auf dem E zu wohnen, werden nichts nüßen. Vue diése sogenannten Erschwerungen werden aber tausendfältig da- durch überwogen, daß die Höhe der Kösten in einer nahezu unglaub- lihen Weise dur diesen Cntwourf herabgeseßt wird. Dafür ist wirklich kein Wort des Tadels zu scharf. Es handelt sich um eine Er- mäßigung auf ein Drittel bis zroei Fünftel. alten Sie es für denk- bar, daß eine Steuerherabseßung in solhem ungeheuren Umfange in der Zeit des vaterländischen Hilfédienstes eintreten soll? Es wird so viel von der richtigen Mischung von Groß- und Kleingrundbesißz ge- \prochen. Welche Mischung hält die Reaierung für die richtige? Daß der Großgrundbesiß mehr Boden hat, als nötig ist, erkennt die Vor- lage durch ihr Erscheinen an. Eine genügende Menge Großgrund- besik wollen auch wir. Aber is dieser nicht {hon in den Staats- domänen vorhanden? Sie sind doch gewiß ein genügend sicherer Be- ftandteil der Menge von Großgrundbesiz, die wir brauchen. Vom allgemeinen MNechtsstandpunkt aus unerträglich erscheint die Be- stimmung in Paragraph 70, wonach, auch wenn ein Kind während der Che geboren ist, seine Zugehörigkeit zur fideikommißberehtigten Fa- nilie wegen unehelicher Geburt bestritten werden kann, wenn der Zu- gehörigkeit von der Familienvertretung oder einem Familienrziiglied in óffentlih beglaubigter Form gegenüber der Fideitommißbehörde widersprochen wird, und diefer Widerspruch soll zulässig fein bis zum Ablauf von drei Jahren nah dem Tode des Ehemanns der Mutter. Hier wird im Gegensaß zum bürgerlichen Recht ein bésonderer Be- ariff der Ghbelihfeit des blauen Blutes für die Fideikommisse sta- tuiert. Wenn der Minister der Kommission die Unterlagen darüber vorlegt, was der Krieg in dieser Hinsicht zutage gefördert hat, gesondert nach dem gebundenen und ungebundenen Grundbesitz, so wird 1h daraus ergeben, daß der gebundene Grundbesiß weniger steuer- frôftin, weniger Ertrag liefernd ift, also s{chlechter wirtischaftet. Je mehr Grundbesiß gebunden wird, desto mehr muß bei dem verbleibenden Nest, der allein noch den Gegenstand des Ums\aßes bil- den fann, ganz unzweifelhaft cine außerordentliche Preissteigerung ein- treten, die noch weiter getrieben werden würde, wenn auch der mitt- lere und kleine Besiß gebunden werden kann. Dieses Geseh hat einen Standescharakter. Es ist ein Ausnahmegeseß im Interesse einer An- zahl von Namensträgern. Die Familie wird benachteiligt zugunsten eines bevorzugten Sohnes. Der Fideikommißbesißer hat ein ninderes Interesse an der Meliorierung des Grund und Bodens als der freie Besißer, er hat ein Interesse . daran, möalichst viel bevauszuwirt\chaften und wenig hineinzustelen. Durch unseren Antrag wollen wir verhindern, daß vorerst die Fideikommiß- bildung gesteigert wird. Er paßt sich den Kriegsverhältnissen an. Kein Mens kann in der Tat wissen, wie sich nach dem Krieae das Bevölkerungsproblem gestalten wird. Wir werden in viel höherem Maße als biéher Menschen, Menschen und wieder Menschen brauchen. Der Großarundbesiß ist nach seiner ganzen Vergangenheit kein Mittel zur Vermehrung der Bevölkerung, sondern er befördert die Ab- wanderung der Bevölkerung ins Ausland. Es erhebt sich die shwierige Frage, woher man die Menschen zur Bewirtschaftung der großen Lati- fundien nehmen foll. Wir werden nach dem Kriege vor einer Neuregelung unseres wirtschaftlichen Lebens stehen, in erster Reihe unserer Agrar- verhältnisse, und nun wird dieser Punkt vorweg aenommen. Wenn wir diesen Gesehentwurf hier und in der Kommissiow beraten, \o

rauben wir die Zeit zu viel wichtigeren Geschäften.

Minister für Landwirtschaft, Domänen

Freiherr von Schorlemer:

Bei dem Umfange der Ausführungen des Herrn Vorredners, glaube ich Ihnen einen Gefallen zu erweisen, wenn ich auf einen großen Teil seiner Einwendungen gegen den vorliegenden Geseß- entwurf jeßt nit eingehe, sondern dies der Beratung in der Kom- mission ‘vorbehalte (Zuruf links), welche ja auch der Herr Abge- ordnete Waldstein bestimmt zu- erwarten sckeint. Ich möchte mih aber doc entschieden gegen die leßte Wendung des Herrn Vorredners verwahren, als wenn die Staatsregierung mit der Einbringung dieses Gesetzentwurfs sich in einem Gegensaß zum vaterländischen Hilfsdienst gestellt Hätte! (Sehr gut! rechts und im Zentrum.)

und Fo-sten Dr. Fos

- gegenwärtig weggefallen.

Anklang an diese Wendung des Herrn Vorredners fand sh p auch in der Bemerkung des Herrn Vertreters der nationalliberaley Partei, der die Cinbringung dieses Gesegentwurfs im Auftrage seine, Fraktion als befremdlich und bedenklich wenn ih ih ret verstanden habe bezeidmete. (Sehr richtig! links.)

Meine Herren, wenn darauf hingewiesen worden ist, daß in vorigen Jahre die Staatsregierung gegenüber dem Widerstreben der fortsrittliten Volkspartei auf eine Weiterberatung dieses Geseh, entwurfs verzichtet habe, so ist dabei außer acht gelassen worden daß es si damals um die Frage handelte, ob bis zur Vertagung deg Landtages dieses Geseheswerk noch zu Ende gebracht werden könnte. (Widerspru bei der fortsritilicen Volkspartei.) Da die for. s{rittlice Volkspartei Widerspruch. erhob, und“ nach den. big, herigen“ Beratungen zu erwarten war, daß dieser Widerspruch aug eine Ausdehnung der Beratungen zur Folge haben würde, so mußte die Staatsregierung es als auégeschlossen erachten, bei dem Wider: spruch der fortsrittliden Volkspartei die Beratung des Gese. entwurfs zu Ende zu führen. Das ist der Grund gewesen, warum im Jahre 1915 der Gesehentwurf nicht wieder vorgelegt worden ist,

Jeßt stehen wir im Beginne einer neuen Tagung, und der Grund, der damals für die Staatsregierung maßgebend war, ist Aber ih möchte auch noch etwas anderes hervorheben. Die Vorlage dieses Geseßentwurfs soll einen Bru des Burgfriedens darstellen! (Sehr richtig! bei der fortscprittlichen Volkspartei.) Meine Herren! Ein Kodex des Burgfriedens und ein Verzeichnis derjenigen Angelegenheiten, welde unter dem Schuße des Burgfriedens behandelt werden dürfen oder von demselben aus: ges{lossen sind, ist bis heute nicht vorhanden. (Zurufe bei der fort: \chrittliden Volkspartei.) Was mit dem Burgfrieden vereinbar ist, ist wesentlich Sade des Gefühls. Jch gehöre gewiß zu deRjenigen, welcke mit Jhnen der Meinung sind, daß soweit wie möglich aus dem Soße unserer Beratungen alle Grörterungen ausgeschlossen werden müssen, welche ein Aufeinanderplaßew der Parteigegenfäße zur Folge haben. (Zurufe.) Ich kann aber nit zugeben, daß dies bei dem vorliegenden Geseßentwurf vorausgeseßt werden mußte, und ih darf mich in dieser Ansicht auf keinen geringeren als den Vertreter der Forts{rittépartei berufen, auf Herrn Abgeordneten Dr. Padctmitke, der in der Sihung vom 12. Juni 1915, als die Weiterberatung des Fideikommißgeseßentwurfes besprochen wurde, folgende Ausführung gemacht hat der Herr Präsident wird einverstanden sein, daß ih diese kurze Ausführung hier verlese:

Die Bildung neuer und die Erweiterung bestehender Fidei- kommisse hat zum großen Teil auf Grund der Kriegsgewinne eine bedroblide Zunahme erfahren. Eine Handhabe hiergegen würde der Gesetzentwurf bieten, der die landesherrlihe Genehmigung für alls Fideikommisse vorsieht.

(Hört, hört! rechts und im Zentrum.)

Dieser Entwurf aber kann, da die Schließung des Landtages beliebt wird, nit mehr zur Erledigung kommen.

Und in einer weiteren Ausführung bemerkt derselbe Abgeordnete:

Herr Abg. Dr. v. Heydebrand kann do nit verlangen, daß die eine Seite allein Entgegènkommen zeigen soll. Wären Sie uns entgegenkommen, fo hätten wir unter Wahrung des Burgfriedens ja aub am Fideikommißgeseß weiter arbeiten Tönnhnen.

(Hört, hört! reckchts und im Zentrum.)

Meine Herren, wenn im vorigen Jahre der Vertreter der fort- schrittlichen Volkspartei der Meinung war, daß eine Weiterberatung des Fideikommißgeseßes unter dem Schuß des Burgfriedens möglich war, dann vermisse ih in den Ausführungen der Gegner des Fidei- femmißgeseßentwurfs heute alle Beweisgründe, welche die Ansicht des Vertreters der fortschrittlihen Volkspartei im vorigen Jahre ent- räften können. (Sehr richtig! Techts und im Zentrum.) Jch glaube,

3 man wirkli einmal vergessen muß, daß das Fideikommißgeseß

it vielen Jahrzehnten das Schrelkgespenst gewesen ist, mit dem man die Volksmassen einzuwirken gesuht hat. (Sehr richtig! rechts

und im Zentrum.) Sie können mir persönlich diese Empfindung nicht übel nehmen, da i einer Provinz entstamme, in der das Fideikommiß oder, rTidtiger gesagt, die ungeteilte Vererbung des ländlichen Besißes vom Vater auf den Sohn kein Vorreht des blaues Blutes und des Adels ist, sondern eine Eigenart, die auch beim kleinsten Hofbesißer und Kötter hervortritt! Ic bin stolz darauf, daß in meiner westfäli-

schen Heimat au heute noch der kleinste Bauer seinem Ehrgeiz darin |

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ebt, das väterliche Erbe, die heimisde Scholle, einem seiner Kinder zu vererben, und unter allen Umständen den Verkauf dieses Besißtums bei der Erbteilung zu verhindern. (Zurufe.)

Menn Sie bedenken, daß unter dem Schuße des preußischen

Landrechts und {on lange vorber die Bildung der Fideikommisse in Preußen sich vollzogen hat, und daß troßdem auh gegenwärtig die Zahl der Fideikommisse nur eine sehr langsam ansteigende und keineswegs erschrecklih gegenüber der Gesamtfläche des preußischen Staates geworden ist, dann weiß ich wahrlih nicht, woher diese so erheblichen Bedenken gegen den vorliegenden Geseßentwurf kommen. J würde den Herren von der fortscrittlihen Volkspartei vielleicht recht geben, wenn es sid heute darum handelie, einew Geseßentwurf zu beraten, der als Neuheit die Gründung von Fideikommissen einzuführen bestimmt ift! JIch würde vielleiht dann mit Jhnen sagen müssen, daß es besser sein würde, in gegenwärtiger Zeit eine so wichtige wirtschaftliche Frage nicht zur Entscheidung zu bringen! Aber, meine Herren, die wirtschaftliche Lage, um die es sih_ hier handelt, ist längst entschieden. Es handelt sich jeßt nur um eine Neform des Fideikommißrechts, und wie ih in der Kommission noch beweisen zu können hoffe, nicht im Sinne und Interesse der Fideikommiß- besißer, sondern im Interesse der Gesamtheit, wesentlich zu dem Zwecke, um der ungesunden Neubildung und Erweiterung von Fidei- kfommissen entgegenzutreten. (Bravo! und sehr richtig! im Zentrum.) Wenn das wahr ist, dann kann man, glaube ih, wohl sine ira et studio an die Beratung dieses Geseßentwurfs herantreten und wird der Staatsregierung nicht den Vorwurf machen können, daß sie eine Materie hier Ihrer Beratung unterstellt hat, die unter allen Um- ständen den Burgfricden in diesem hohen Hause stören wird.

Sind denn die Fideikommisse nun wirklih so staatsgefährlich, wie es den Anschein hat? Meine Herren, es ist {on von ver- schiedenen Nednern auf die Bedeutung des Waldes und darauf hin- gewiesen worden, wie wichtig es ift, daß auch der Privatwaldbesiß in pfleglicer Hand bleibt. Das wird durh den Fideikommißbesiß gewährleistet, und die Statistik zeigt uns, daß nahezu die Hälfte

ganzen fideikommissarisch gebundeuen Fläche aus Wald besteht. Das ist kein Nacteil, sondern im Gegenteil ein Vorteil, nit allein fir den einzelnen Waldbesißer, sondern auch für den Staat als jlhen, ein Vorteil, der si, wie {on hervorgehoben wurde, ganz sonders au in diesem Kriege geltend gemaht hat. (Sehr richtig!) Und was die Landwirtschaft. und die landwirts&aftlih genußte

ide angeht, so bin ih gewiß der leßte, der die Notwendigkeit der meren Kolonisation leugnet und der gewiß auch mit Jhnen der Meinung ift, daß es nah diesem Kriege unser ernstes Bestreben sein mß, wieder Menschen überall da anzusehen, wo ihr Gedeihen und Fortkommen au? dem Lande au nur einigermaßen gewährleistet ist.

Aber sehen Sie fich die verschiedenen preußischen Staatsgebiete at, betraten Sie, daß die Bildung der Fideikfommisse im Often und iy der Mitte der Monartie entsieden größer ift als im Westen, \o gibt sich schon aus dieser Tatsache, daß sich nicht alle Gebiete gleid- náßig für die Ansepung kleiner und mittlerer Bauern eignen, daß s die Fideikommißbildung und die Bildung größeren Grundbesißes von selbst denjenigen Gegenden zugewendet hat, wo die Bevölkerung in Kleinbesiß sich niht dauernd auf dem Lande halten konnte. Jh ehe nit zu weit in der Behauptung: niht die Fideikommisse haben die ländlichen Bewohner und die Bauern im Osten von ihrer Solle vertrieben und nah dem Westen abgelenkt, sondern erst die andflucht der Bauern und der Arbeiter nah dem Westen hat es er- jgliht, daß sich auf diesen Gebieten große Fideikommisse gründen nd ihren Umfang entsprechend erweitern konnten. Ich glaube des- regen auch nit, daß die weitere Bildung von Fideiklommissen in hirtschaftlicher Beziehung die bedenklichen Folgen äußern würde, die Sie vorausseßen.

Es ist ja auch Hier die Frage gestreift worden, was der größere mnd der Großzgrundbesiß in diesem Kriege in der Erzeugung von cbens- und Nahrungsmitteln geleistet hat. Ich will darauf nicht ber eingehen. Aber auf eins möhte ih doch au: nach den Er- hrungen, die ih bisher gemaht habe, hinweisen: Wenn gegen- rig große Zweifel darüber obwalten, ob die Zukererzeugung im kidsten Sommer noch für die Bedürfnisse der Bevölkerung genüge! ird, dann wird es zweifellos nur der größere Grundbesiß noch fein innen, der in bezug auf den Zuckerrübenanbau noch einigermaßen den nforderungen der Gesamtheit nabkommen kann. Wer mit dem (bau von Zuckerrüben vertraut ist, wird mir recht geben in der hauptung, daß der kleinere und kleinste Bauer gar nit in der ge ist, hon wegen der Fruchtfolge und auck| aus verschiedenen nderen Gründen (sehr ridtig! vechts) dauernd dieselbe große Fläche it Zuckerrüben zu bestellen wie der größere Grundbesiß. (Sehr idhtig! reis.) Und daß dem so ist, das beweisen Jhnen wieder die hrhältnisse in der Provinz Sachsen, rwoo sich eben infolge des Zucker- ibenanbaues ich sage gern dabei: cdauerlicheßveise im Laufe r Jabre auch eine Bauernflucht bemerkbar gemacht hat, aber diglih deswegen, weil eben die Tleine Bauernwirtschaft auf die quer mit dem Zuckerrübenanbau nit verträglih war, weil der uer in der Proving Sachsen dazu überging, sein Besißtum den tübenfabriken oder größeren Gutsbesißern zu verpahten und, nach- m er sih einmal des eigenen Betriebes entwöhnt hatte, auf die huer es vorzog, sein Besißium zu verkaufen und in die Stadt ziehen,

Meine Herren, so liegen die Dinge in Wirklichkeit, und o iden Sie au, wenn Sie- objektiv urteilen wollen, die eins{lägigen {lben Verhältnisse niht genügend berüdsihtigen, wenn Sie ohne teres ein Verdikt über den Großgrundbesiß und seine Bedeutung llen! Cine gesunde Mishung von der auch Herr Abgeordneter aldstein gesprochen hat des größeren, mittleren und kleineren esibes ist gewiß wünschenêswert, aber die allgemeine Formel für se Mischung bat Herr Abgeordneter Waldstein niht geben können, id ich habe sie auch in den von ihm verlesenen Anträgen der Herren ationalliberalen und der fortschrittlichen Volkspartei nicht ent- fen können. Warum, meine Herren? Weil es cine folhe Formel fach nicht gibt. (Zuruf.) Das ‘richtet sih wieder ganz nah den lilihen Verhältnissen. Nehmen Sie die Provinz Hannover: sie tet wie ich {on früber einmal in diesem hohen Hause aus- hren durfte im großen Ganzen das Bild einer gesunden ishung des Besißes; aber klimatische und Bodenverhältnisse haben } bewirkt, teilweise vielleiht auch gescbitlibe, in der Bevölkerung flende Traditionen. Anderwärts liegen die Verhältnisse jedoch ders, und wenn Sie im Osten der Monarchie wie auch in weiten | Boden vorhanden ist, wo der Kiefernwald rherrs{t, Großgrundbesiß und wenig Kleinbesiß antreffen, so ist ÿ ebenso erflärlih, wie das entgegengeseßte Verhältnis in der ovinz Hannover. | Meine Herren, auf die Rechenerempel, was in kleinem, selbst- bvirtschaftetem Besiß und was im großen Grundbesiß erzeugt, wird, e ih nit allzu viel. Eine Autorität auf landwirtschaftlichem kbiete, auf die ich mich berufen kann, ist zweifellos mein Amts- gänger Herr von Arnim, der entschieden den Standpunkt ver- tien hat, daß zweifellos an sih der größere landwirtschaftliche Be- eb mit seinen besseren Maschinen, mit weniger Arbeitskräften und seren Düngemitteln und Saatgut mehr hervorbringen müsse an treide und Früchten als der kleinere Besiß. (Sehr richtig! rets.)

bezug auf Viehzucht will ih eher der Meinung des Herrn Ab- brdneten Waldstein beitreten: die Viehzucht kann unter Umständen den kleinen und mittleren Besißern in besseren Händen sein. Aber s die Erzeugung der notwendigsten Lebensmittel angeht, bin ih h mit vielen landwirtshaftlihen Autoritäten der Meinung, daß ifellos der größere Besiß an sih in der Lage ist, niht nur mehr erzeugen, sondern auch jedenfalls mehr der Allgemeinheit zur Ver- jung zu stellen. Nun ist behauptet worden, der große Fideikommiß- ißer es wurde ja auch das Beispiel des Fürsten von Schwarzen-

g in Böhmen vom Herrn Abgeordneten Waldstein angeführt

nit in der Lage, intensiv zu wirtschaften, weil ibni das not- dige Betriebskapital fehle! Dem halte ih do éftgegen: wenn t landwirtschaftliche Besiß, der entweder gegen hohe Abfindung

den übrigen Geschwistern in der Familie erhalten oder zu hohem ufpréise aus dritter oder vierter Hand erworben ist, das Erforder- be noch aufbringen soll, danw muß si dev Besißer jedenfalls ge- ltig anstreigen gegenüber dem Fideikommißbesißer, der sein Gut pacto ot providentia majorum erworben hat, dem es mit einem r viel nicdrigerem Preise zu Buche steht und der mit den hohen lichen Zinsen für Abfindungen und Hypotheken nit belastet ist. ehr richtig! rechts.)

So, nmoine Herren verzeihmn Sie meina efwas längeren Aus» rungen habe ih Jhnen darlegen wollear, daß alle Dinga ihre

zirken, wo nur leiter

v

¿wei Seiten Haben (Sehr richtig! links), und daß es mir jedenfalls etwas bedenklich erscheint, so abfällig über den Großgrund- besiyer und den Fideikommißbesißer zu urteilen, wie das dur den Herrn Vorredner gesehen ist. (Sehr gut! rets.)

Meine Herren, ih komme zum Sc{bluß und mödhte nur noch einiges über den Stempel sagen, dessen Höbe ebenfalls von dem Vor- redner bemängelt worden ist. J beme ke im allgemeinen, daß der jeßt vorliegende Gesehentwurf mit geringen Abänderungen eine Wiedergabe der Beschlüsse darstellt, die im Herrenhause und bei der ersten Lesung in der Kommission dieses boben Hauses gefaßt worden sind. Das bezieht sib aub auf die Stempelbestimmungen, die ent- sprechend den zuleßt im Abgeordnetenhause gefaßten Beschlüssen bei- behalten worden sind. Die Vorschläge der Staatsregierung erseinen meines Grachtens deshalb gerehtfertigt, weil sie ledigli dew Zweck verfolgen, die Bildung von Wald- und kleinerem Grundbesitz zu Fideikommmissen zu begünstigen, wogegen der größere landwirt- schaftliche Besiß, falls er zum Fideikommiß gestiftet werden soll, den früheren hohen Stempel von 3 % zu entrichten hat. Ueber die ein- zelnen Bestimmungen dieses Stempelparagraphen {a man sich

1INT jedenfalls au in der Kommission nockch verständigen. J möchte nun noch eins bemerken.

Der Herr Abg. Walbstein hat bemängelt, daß der Stempel- berecknung der Grtragawert zugrunde

ociegt werde. Hier ift zu berüd- sichtigen, daß sich der Wert des Grundkesißes aus dem 25fachen Be- trage desjenigen Ertrages zusammenseßt, den der Grundbesiß bei ordnungsmäßiger Bewirtschaftung nah sachverständiger Meinung nach- baltig gewähren kann. Wir haben auch font in der Gesehgebung, besonders auch beim Anerbenrecht, den WBfachen Jahresertrag der Weriberechnung zugrunde gelegt, und landrwirtschaftlite Sachverstän- dige werden gern bestätigen, daß man damit auch den wirklichen Wert eines Gutes erfaßt, den es unter Brüdern hat, Konjunkturen, die sih aus der besonderen Lage in der Nähe größerer Städte, durch baldige Verwertung als Bauland ergeben, natürli ausgeschlossen. Das ist au in diesem Geseße geschehen. Solchen Grundstücken, die nur vorübergehend lTand- oder forstwirtschaftlihen Zwecken dienen, kommen cbenfalls die Vorzüge des geringeren Stempels nicht zugute.

Zu dem Antrage, den die Herren von der fortschrittlichhew Volks- partei gestellt haben und dem meines Wissens auch der Redner der nationalliberalen Partei seine Zustimmung gegeben hat, hat gegen- wärtig die Staatsregierung nob keine Stellung genommen. Aber ih glaube, die arößere Mehrheit dieses Hauses wird gegenüber diesem Antrage doch auch das Bedenken des römischen Dichters haben: timeo Danaos et dona ferentes. (Hört, bort! Tints.)

Wenn es gelingen würde, bei dieser Gelegenheit einmal für einen Zeitraum von bestimmter Dauer die Errichtung von Fideikommissen ganz außer Kraft zu seßen, so liegt die Versuchung sehr nahe, diesen vorübergehenden Zustand zu einem dauernden zu gestalten. Jh muß für meine Person schon heute sagen, daß ih kaum erwarten kann, daß der Antrag der fortschrittlihen Volkspartei die Zustimmung der Königlihen Staatsregierung finden - könnte. Die Staatsregierung wird sich voraussichtlich auf den Standpunkt stellen, daß der vorliegende Geseßentwurf sehr wohl in dieser Session durhberaten werden kann, daß er allen berechtigten Ansprüchen nah rechts und links Rechnung trägt und vor allem im Sinne der Staatsregierung dahin wirken soll, eine zu weit gehende und irgendwie ungesunde Fideifommiß- bildung auch in Zukunft zu verhindern und ebénso und das würde dur den Antrag der fortschrittlichen Volkspartei nicht erreiht werden auh den bestehenden Fideikommissen und ihren Besißern größere Verpflichtungen gegenüber der Familie und der Allgemeinheit aufzuerlegen, als fie fie gegenwärtig zu erfüllen haben. Jch hoffe au, auf Grund meiner Ausführungen die Erwartung aus- sprechen zu können, daß Sie diesen Gescßentwurf Jhrer Kommission überweisen und demnächst mit Annahme desselben eine geseßgeberische Arbeit abschließen werden, die nun {on Jahrzehnte hindur die Ministerien der Justiz und für Landwirtschaft beschäftigt hat, die beide sehnlidst wünschen, dieses gewaltige volkäwirtschaftliche Werk endlich vollendet zu sehen. (Bravo! rechts.)

Abg. Leinert (Soz.): Dem fortschrittlichen Antrag stimmen wir zu. Die Auslegungen des Ministers entsprechen nicht dem, was seinerzeit zwisben den Parteien und der Regierung als Burgfriede erklärt worden ist. Das Gefühl hätte es der Megierung nahelegen müssen, ‘einen sfolhen Geseßentwurf nicht einzubringen. Der Entwurf wird die Fideikommisse nicht einschränken, sondern ausdehnen. Der Landwirtschaftöminister hat einfa an die Stelle des Fidei- fommisses den Großgrundbesiß geseßt, um das Geseß zu empfehlen. Es trifft nicht zu, daß für den Zuckeranbau nur der Großgrundbesiß in Betracht kommt. In der Provinz Hannover befassen si viele Genossenschaftsfabriken damit, bei denen der Großgrundbesiß gar feine führende Molle spielt. Um den Kartoffelanbau hat fich der Großgrundbesiß, wie sih gerade in diesen Tagen der Kartoffelnot ergibt, fast gar nicht gekümmert.

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Das Geseß bat tatsächlich den Zweck, der Neuorientierung entgegenzuarbeiten und die Junker am Ruder zu halten. Darum werden auch neue Standesvorrechte ge- schaffen, was mit dem Bürgerlichen Geseßbuch absolut unvereinbar ist. Für die Stammgutsbildung im mittleren und kleineren Guts- best. t in Diesen Kren felbst nur eber wenig Mes gung vorhanden. Man hat weder mit dem Hofreht noch mit dem Anerbengesez besonders aünstige Erfahrungen gemacht, im Gegenteil nehmen die Prozesse auf diesem Gebiete kein Gnde. Nur um das Privileg des gebundenen Großgrundbesißes* zu retten, foll au der Bauer mit diesem Vorrecht beglückt werden. Die Vorlage ift auch mit den neuen Grundsäßen der deutschen Wirt- \chaftspvolitik unvereinbar, sie kehrt den Grundsaß „freie Babn jedem Tüchtigen“ ins Gegenteil um; nicht die Tüchtigkeit, sondern die Erb- folge soll allein entscheiden.

Justizminister Dr. Beseler J

Meine Herren! Jch habe nur ein paar tatsächlice Bemerkungen zu machen, und zwar im Anschluß an die Rede des Herrn Abgeordneten Maldstein. Herr Abgeordneter Waldstein bat dem Justizministerum wegen der vom Justizministrium in das Geseß hineingebrahten Be- stimmungen über die Legitimation von Kindern Vorwürfe gemacht. Ex hat gesagt, die durch nachfolgende Ghe legitimierten Kinder, die allgemein als ehelice Kinder gelten, würden vom Entwurf nicht in Betracht gezogen. Jch meine, das ist gar nicht richtig, es steht kein Wort von den durch nachfolgende Ehe legitimierten Kindern in dem Geseßentwurf. Und wenn Herr Abgeordneter Waldstein, wie i an- nebme, auh die Motive des «Gesehes sehr genau studiert bat, so wird er auch auf Seite 94 ausdrücklih ausgesprochen finden, daß Kin- der, die durh nachfolgende Ghe legitimiert sind, als Mitglieder der fideikommißberechtigten Familien zu gelten haben, oôgleich es gar micht nôtig war dies hervorzuheben; es steht kein Wort, das eine andere Auslegung zuließe, in dem Gesehentwurf. Vielleicht hat Herr Abge- ordneter Waldstein mit seinen Ausführungen die für ehelidi erflärten

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ungarischen Staatsbahnen, als au die übrigen ungarischen B

Westfälischen Kohlensyndikats Esfen

unebeliden Kinder gemeint; diese sind allerdings ausgenommen. Das sind die dur besondere staatlide Verfügung für ehelich erklärten unebelichen Kinder. Diese sind aber keineëwegs inm Widerspruch mit dem Bürgerlichen Geseßbuh ausgesclossen. Jn § 1737 des Bürger- lichen Geseßbuches heißt es:

Die Wirkungen der Cbelichkeitserklärung erstrecken fi auf die Abkömmlinge des Kindes, sie erstreken fih niht auf die Ver- wandten des Vaters.

Die Auss&ließung der für -chelic erklärten Kinder von der Zugebörigkeit zur fideikommißberchtigten Familie tedt sih also mit den Vorschriften des bürgerlichen Rechts.

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gewiesen, daß, wenn ein Anerkenntnis des Vaters erfolgt wäre, das Kind als ehelich zu gelten habe, und die Ehelichkeit dann niht mehr angefochten werden könne. Das ift ridtig, das Kind gilt dann im allge- meinen auch als ebelid. Herr Abgeordneter Waldstein hat nun seine Unzufriedenheit darüber ausgesprochen, daß der Fideikommißberechtigte eine Ausnabumne macken soll. Das ist jedo wiederum ganz begreiflich; denn wenn die Befugnis tes Anwärters, die Anerkenntniserklärung des Vaters anzufehten, ausgeschlossen würde, so würde es dem Vater ganz unbenommen sein, ein vollständig fremdes Kind in die Fidei- fommißfolge einzubeziehen. Aus dem Grunde is die fragliche Be- stimmung des bürgerlihen Rechts absichtlih nit Hineingenommen worden. Die Frage ist im übrigen bei dên früheren Kommissions- verhandlungen besprochen roorden, und es ist auch bei der Bearbeitung des Bürgerlichen Geseßbuches ausdrücklich darauf hingewiesen worden, daß diese Angelegenheit gerade in den einzelnen Bundesstaaten bei der Negelung des Fideikommißrechtes miterörtert werden solle. Meine Herren, ih weiß nicht, wie Herr Abgeordneter Waldstein seine Aus- führungen hat machen können, die doch mit dem Wortlaut und dem Sinn des Geseßes gar niht im Einklang stehen. Jch glaube mi jedenfalls dagegen verwahren zu müssen, daß Herr Abgeordneter Wald- stein so in einem etwas von oben herab klingenden Tone von meinem Ressort gesprochen hat.

Herr Abgeordneter Waldstein gibt mir Anlaß zu einer ferneren tatsählihen Bemerkung. Er hat gesagt, es wäre hier bor den Loren Berlins an Stelle eines verkauften ein großes neues Fideikommiß errichtet und genehmigt worden. Ich weiß, (welches Fideikommiß er hierbei im Auge hat. Es handelte sih um ein Feideikommißgrund- stü, das durh Familienbeshluß verkauft worden war. Auf diese Weise stand der Familie ein erheblicher Geldbetrag zur Berfügung. Die Familie erwarb mit dem Gelde ein anderes Grundstück, das da- durch, indem nunmehr eine sogenannte Surrogation stattfand, wiederum Fideikommiß wurde. Dazu war die Familie auf Grund des geltenden Nechts in der Lage, ohne daß eine staatliche Genehmigung hierbei in Frage kam, es war ein durhaus geseßmäßiges Vorgehen. Herr Abgeordneter Waldstein hat aber gesagt, das hätte von der MNegierung nicht genehmigt werden dürfen. Gine folche Genehmigung war aber gar nit nötig, denn das Fideikommiß entstand auf dem Wege der Surrogation, und hierbei hatten wir nicht mitzureden. Also der Vorwurf, daß solche Dinge doch auch ‘vorkämen, trifft nit zu. (Bravo! rechts.)

Hierauf wird die Generaldiskussion geschlossen und die Vorlage gegen die Stimmen der gesamten Linken einschließlich der Nationalliberalen einer Kommission von 28 Mitgliedern überwiesen.

Schluß gegen 714 Uhr. Nächsie Sißung Diénstag, 11 Uhr. (Zweite und dritte Beratung des Diätengeseßes und der Hiberniavorlage, Anträge und kleinere Vorlagen.)

Verkehrêwesen.

Jn nächster Zeit ist es erforderlih, eine Reihe von Gütern von der Eisenbahnbeförderung zurück- zustellen. Es wird daher allgemein empfohlen, bei be- absichtigter Aufgabe von Gütern sich vorher bei den Annahme- stellen zu erkundigen, ob sie entgegengenommen werden können. Für besonders dringlihe Güter sowie für Militärgut und Privatgut für die Militärverwaitung wendet si der Absender am besten an die für den Verladeort zuständige Linien- kfommandaniur.

Auch im Personenzugfahrplan treten Aenderungen ein. Fn dieser Beziehung wird auf die öffentlichen Bekanntmachungen der Eisenbahnverwaltungen in den Zeitungen verwiesen.

Handel und Gewerbe.

im Reichsamt dés Inneru- zu j „Nachrichten Handel, Jndustrie

und Landw D OesterreiW-Ungarn.

Aufbebung der Eisenbabntarifvergünstigung für Musterkoffer von Handlungsreisendew Laut Mitteilung des K. K. Eisenbahnministertums baben mit Kundmachung im öster- reihischen Verordnungsblatte für Eisenbahnen und Schiffahrt Ir. 127

31. Oktober 1916 die öfierreihischen Staats- und Privatbahnen ste die K. u. K. Militärbahn Banjaluka—Doberlin und die bod- nish-herzegowinischen Landesbahnen die im Anhang Il des öfterrelchi- \Gen und bos3nis-herzegowinischen Eisenbahn-, Personen- und Geväk-

(Us den zusammen- gestellten |

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| tarifs, Teil T, vorgesehene Tarifbegünsligung für Musterkoffer (au

Musterkörbe mit AussGluß von Fahrradmust:-rn) von Handlung®- reisenden mit Wirksamkeit vom 1. Januar 1917 aufgehoben.

Mas Ungarn betrifft, so beabsictigen sowohl die Königlich z bnen die Muiterkofferbegünstigung gleichfalls aufzuheben.

Die gestrige Versammlung der Zechenbesiger des Rbeinifch- i befaßte fich laut Meldung des .W. T. B.* zunähst mit der Zusammensetzung der ständigen Autshüfse und nahm odann die Aameldung der Berkaufse vereine entgeger. Die Abgabe und Enats{ädigung für Mehr. und

| Minderabsag wurde wie bisher auf 1,50 „& für die Tonne und die

Höhe der Strafen für tede Tonne der von den Beteiligten dur eigene Shuld nicht gelieferten Menge wie btsher auf 2 6 festgeseßt. Die Veisammlung erledigte fodänn aud die fonftigen zu Begînn des Jahres üblichen Gegenstände der Tagesordnung und fette die Beteiligungkantetle für Februar in der bisherigen Höbe fest. Der Antrag der Gewerkschaft Graf Bismarck auf Erhöhung der Vers rechuungtpreise für ihren Großkols wurde abgelehnt.