1917 / 107 p. 5 (Deutscher Reichsanzeiger, Sat, 05 May 1917 18:00:01 GMT) scan diff

ar Me Bi D O 1A E N D c D L Diet e mant. mir H GMTE dl [-TU Fd n Women S

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Nu, mehr als bisher berüdsidligt werken. Die Lokomotivführer, {ie berdtentermaßen 10 gelobt worden sind, find mitilere Beamte, und auch des nur In pemssfem Sinne. Im Kriege sdehen sie nur im Range eines Feldwebels, während andere mittlere Beamte Leutnantéranz baben. Daß eine Detlassierung der Lademeister beabsichtigt sein soil, tann ic unmöglich zugeben. Die Wagenmeister verdienen viel rveniger als die ihnen Untergebenen, auch nah 25 und mehr Jahren Dienstzeit e „Ur sie dieses Mißverhältnis bestehen geblieben; der notwendige Ausgleich sollte vet bald nah dem Kriege vorgenommen werden. Die Grauen haben in der {weren Kriegszeit auch bei den Eisenbahnen ganz nennenswerte Dienste geleistet; es ist auh für sie in sozialer GuUr)orge manches geschehen. Nach dem Kriege wird mit der Frauen- arbeit auf diesem Gebiete aufgeräaumt werden müssen: besonders ae- eignet erscheinen sie für die s{hweren Arbeiten im Bereich des Cisen- bahnbetriebes nit.

Chef des Reichsamts für die Verwaltung der Reichs- eifenbahnen, Preußischer Minister der öffentlichen Arbeiten von Breitenbach:

Meine Herren! Die Herren Vorredner haben in freundlicher Weise die Leistungen der Reichseisenbahnen während des Krieges an- erkannt. Jch begrüße das mit großem Dank und kann auch meiner- seits bestätigen, daß ich von der Verwaltung der Neichseisenbahnen den Cindruck habe, daß sie unter den \dwierigen Verhältnissen, die der Krieg mit sih gebracht hat, Großes geleistet bat bis zum heutigen Tage und sicher bis zum Schlusse des Krieges und noch darüber hin- aus nit erlahmen wird. (Bravo !)

Die sämtlihen Herren Vorredner haben Fragen ter Arbeiter-

politi? und der Beamtenpolitik, in erster Linie Lohn- und Gehalts- fragen berührt und Wünsche dazu geäußert. Ich darf mih auf das beziehen, was ich eingangs fagte. Be- zügliß der Beamtengebälter ist es mir unmöglich, Stellung zu den einzelnen Wünschen zu nehmen. Nur das kann ih den Herren Vorrednern bestätigen, daß ih die Gehaltsregelung, wie sie für die Werkführer und für die Wagenaufscher heute besteht, für dauernd unhbaltar halte. Jch bin der Veberzeugung, daß hier nicht allein ab- gebolfen werden kann durch Gehaltserhöhungen, denen wir nah dem Kriege entgegensehen, fondern daß hier aller Wahrscheinlichkeit nach organisatorish eingegriffen werden muß. Auf diejem Wege wird das Ziel erreiht werden, dem ih zustrebe, und dem auch meine Herren Vorredner zuzustreben \ch{einen. E Dem Herrn Abg Dr Haegy gegenüber darf ih feststellen, daß die Einkommenséverbältnisse der Arbeiterschaft wie aud) der Beamtenschaft pon Beginn des Krieges an sehr sorgfältig geprüft und verfolgt worden find, daß bereits wenige Monate nach Beginn des Krieges mit den ersten Teuerungszulagen vorgegangen worden ist, und daß dieses Vorgehen sh {ländig, mindestens fünf- bis sechsmal wiederholt hat, bis wir zu Beginn des Jahres zu einer umfassenden Regelung kamen bei der Arbeiter- schaft durch eine Erhöhung der Grundlöhne, bei der Beamtenschaft durch cine sehr nennenewerte Erhöhung der Kriegsteuerungézulagen.

Der Herr Abg. Warmuth und der Herr Abg. Gothein haben sich mit großer Wärme eingeseßt für eine rein technische Frage, für die Einführung eines Wasserumlaufapparats, den Herr Kunert in Breskau erfunden hat. JIch kann nur meinem Bedauern Ausdruck geben, daß die Herren es nit für angezeigt erachtet haben, mir vor- gängig von dieser ihrer Absicht Kenntnis zu geben: denn es handelt fh um wirkliche Intimitäten der Technik, die hier wohl von einem oder zwei Herren vorgetragen werden können, die aber, glaube ich, bon der ganz überwiegenden Mehrzahl überhaupt- nicht aufgenommen werden fönnen. (Sehr richtig! rechts.) Es scheint mir doch in hohem Maße getährlih, cine folhe Frage mit folher Wärme und mit fo scharfen Angriffen gegen den Vertreter der Meichseisenbahnleitung hier geltend zu macheu. Denn das stelle ih fest: die Frage is durchaus strittig und nit geklärt. Sée ist in dem ersten technishen Organ, was die deutschen Eisen- bahnen auf dem Gebiete des Loklomotivenbaues besitzen, dem deutschen Lokomotivauss{uß, in dem die hervorragendsten Maschinertechniker fißen, geprüft und no) nicht reif befunden worden. Es sind Versuche angestellt worden. Es sind eine Reibe von Lokomotiven mit dieser Einrichtung ausgestattet, die bei Ausbruch des Krieges, wie voraus- zusehen, in alle Winde gegangen find. Es liegen auch bis in die neueste Zeit abfällige Berichte vor von solchen Eisenbahndirektionen, die noch einige dieser Lofomotiven in Betrieb haben. J verurteile die Einrichtung nicht. Jch will nur damit geltend machen, daß die)e Frage durhaus umstritien und gar nicht so zweifellos ist, wie sie uns hier vor Augen geführt worden it; im Gegenteil. Troßdem lehne ih es nit ab, die Angelegenheit weiter zu prüfen, und in diesem Sinne ist vor der heutigen Sißung und ohne Kenntnis, was heute fch hier vollziehen würde, ein Auftrag erteilt.

Ich bedauere außcrordentlih, daß in diesem Zusammenhange mein erster Techniker auf dem Gebiete des Maschinenwesens unter Namensnennung, Exzellenz Wichert, angegriffen worden ift und ihm vorgeworien wurde, daß er einen hbhaltlosen Einwand gemacht babe. Jch glaube, das wird in ten Kreisen seiner Fach- genossen einen \{chlechten Eindruck machen. Eins aber nehme ich für die Neichseisenbahnen unkdie preußischen Staatsbahnen voll in An- spruch, auf dem Gebiete des Lokomotivenbaues sind sie führend ge- wesen. Veeine Herren, wenn Sie in der Lage wären, zu verfolgen, was si auf dem Gebiete des Lokomotivenbaues im Laufe der leßten zehn Jahre vollzogen bat, dann würden Sie ein anderes Urteil fällen- Die Einführung der Heißdampfmaschine, die die preußischen Staats- eisenbahnen und Neichseisenbahnen in einer Fülle besitzen, wie keine Verwaltung der Welt, hat die ungeheuren wirtichaftlihen Erfolge und zum Teil auch unsere Kriegêerfolge herbeigeführt. (Sehr richtig ! ret.)

Ich habe mich mit einer gewissen Wärme ausgesprochen. Meine Herren, Sie werdkn es verstehen, wenn aus einem Spezialgebiet der Technik heraus der Minister unvorbercitet vor cine Frage gestellt wird, die doch höchst zweifelhaft ist.

(83 find noch weitere Beschwerden vorgebracht, die ih in ihrer Bedeutung zu würdigen weiß, insbesondere ein lebhaftes Unbehagen über den Verkebr in den Perfonen- und Schnellzügen. Wir baben un8 zu Einschränkungen verstehen müssen, Einschränkungen, die nit so weitgehend find wie in den feindlichen Staaten, die aber immerhin doch von dem reisenden Publikum als sehx unbequem empfunden werden. Ich halte es durchaus für richtig, was gesagt worden ist, daß das Ieisen heute eine {were Last ist, daß keiner reisen wird, der nicht reisen muß. Für die Verwaltung ist es an- gesihts dec Ueberfüllung der Züge eine außerordentliche Schwierigkeit, Ordnung in ten Zügen zu halten, zumal ihr Aufsihtspersonal ver- mindert ist und zumal das fahreade Publikum das möchte ich

dod auc hervorheben —, die Fabrgäste selbst in vielen Fällen Par'et nehmen, wenn si) Unregelmäßigfeiten berausstellen, gegen tie Auf- 1btsorgane. Das haben wir leider bei einer großen Zahl ven Be- schwerden bis in die neueste Zeit empfinden müssen. l

Ein ganz zweifelloser Mißstand ist es, daß der Sclafwagen- verkehr dadurch erheblih behintert “wird, daß ein Verkauf von Schlafwagenkarten von den Hotelportiers, die sie aufkaufen, stattgefunden hat. Diesem Mißstand habe ih dadurch, zu be- gegnen versucht, daß vor einiger Zeit angeordnet worden ist, die Schlafwagenkarten nur mit den Fahrkauten zusammen zu ver- kaufen. Das gilt freilich nit für diejenigen, die genötigt sind, Schlafwagenpläßze telegraphisch zu bestellen, wie es vielfach bei deim Verkehr von entfernten Orten, insbesondere von der Front, der Fall ift.

Noch einmal möchte ih zurückkommen auf die Gestaltung der Teuerung8zulagen, wie wir sie der Arbeiterschaft gewähren. Wir unterscheiden zwischen großen, größeren, fleinen Orten und ländlichen Gebieten. Dem Herrn Vorredner kann ich nicht beipflichten, daß ein vollständiger Ausgleich in den Kosten der Lebenshaltung stattgefunden hat. Die Lebensverhältnisse und die Kosten der Lebenshaltung sind heute noch, fo erheblich sie an sich find, vershieden; ich gebe aber ohne weiteres zu, daß in dieser ¿Frage niht s{ematisch ver- fahren werden darf, daß vielmehr auch im Einzelfalle nachgeprüft werden muß, ob nicht ein ländliher Ort unter besonderen Teuerungs- verhältnissen leidet.

Abg. Fu chs (Soz): Die gewährten Lohnerhöhungen bilden auch nicht annähernd einen Auvgleih für die enorm hohen Lebens- mittelpreise. Die in Aussicht gestellte Anhörung der Arbeiter bei ber künftigew Revision der Lohnordnung ist ein kleiner Schritt vor- wärts infolge des Drucks der Arbeiterorganisationen. Wenn der Mi- nister den guten Willen hätte, so könnte er sehr leiht Schlichtungs- ausschüsse in seiner Verwaltung einführen.

Der Etat der Reichseisenbahnverwaltung wird bewilligt.

Das Haus geht über zum Etat der Heeresver- waltung.

Berichterstatter is Abg. Nehbel (dkonf.): Er verweist auf das Telegramm, das der Hauptaus\{uß an den Generalfeld- marschall von Hindenburg gerichtet hat, und worin der Reichstag unsern Tapferen im Felde den heißen Dank des Vaterlandes ausspricht. Der Generalfeldmarshhall hat darauf im Namen des Heeres gedankt. Die im Ausschuß vorgebrachten Beschwerden haben zur Annahme einer großen Meihe von Mesolutionen geführt, die der Berichterstatter auch dem Plenum zur Annahme ent Er stellt {ließlich fest, p unsere Kriegslage im Westen und Osten cine geradezu glänzende ift, und gedenkt mit Wehmut der gefallenen Helden und auch des Prinzen Friedrih Karl.

Preußischer Kriegsminister, General von Stein:

Meine Herren! Während hier über den Militäretat beraten wird, kämpfen draußen an der entscheidenden Front unsere Heere mit einer unvergleihlihen Tapferkeit, Hingabe, Treue und Selbstüber- windung. Wir werden kaum in der Lage sein, von unserem nahen Standpunkte aus die gewaltigen Leistungen aller der Beteiligten von dem obersten bis zum jüngsten herunter richtig bewerten zu können. Das wird erst beschieden sein den nachfahrenden Geschlehtern, die von einem entfernteren, unberührten Standpunkte aus die Sache objektiv übersehen werden.

Meine Herren, unsere Armeen da draußen haben den Kampf aufgenommen und führen ihn durch in dem vollen Vertrauen und Bewußtsein, daß hinter ihnen die Heimat und das gesamte Volk steht. (Bravo! rets.) Das Volk, das durch die tägliche Not, die der Krieg heraufbes{chworen hat, cbenso in den Kampf verwidckelt ist und das troß alledem mit seinen Gaben und seiner Arbeit für die fâmpfenden Truppen das geleistet und geschaffen hat, was ihnen zur Durchführung des Kampfes unumgänglich nötig war. Unsere Armeen sind der vollen Zuversicht, daß das fo bleiben wird.

Gegenüber den großartigen Leistungen der Truppe sind natur- gemäß manche Wünsche laut geworden, die si auf die Bewertung au der einzelnen, aus denen sich das ganze Heer zusammenseßt, beziehen.

Es spielt da in erster Linie eine Nolle die Behandlung. Das Kapitel der Mißhandlung ist ja ein düsterer Punkt der leßten Jahre, der uns, fowohl die Beteiligten, wie das Volk, beschäftigt hat. Ich bin dankbar dafür, daß meine Vorgänger in - demselben Sinne gearbeitet haben, in dem ich das Werk fortzuseßen beabsichtige, und ich habe mit Freude von ver)\chiedenen Seiten gehört, daß an der Front hierüber sehr wenig Klagen eingelaufen sind. Das ist natürlich, da dort die gemeinsame Gefahr, der gemeinsame Kampf und die Kameradschaft diese Sache leichter überwinden lassen.

Mehr wird geklagt über das auszubildende junge zum Teil auch alte Heimatsheer. Meine Herren, man muß berücksichtigen, daß dort mangels anderer Kräfte viele kaum hergestellte, unter Um- ständen noch angegriffene Ausbildner arbeiten, auch viele alte Leute, die einer anderen Zeit angehöfken, und daher sind diese Aus\chreitungen, die sih in Handlungen und Beschimpfungen äußern, erklärlich,

aber nicht zu entschuldigen. (Sehr richtig) Sie kfêônnen überzeugt fein, meine Herren, daß ih in dieser Sache rücksihtslos gegen jeden vorgehen und vor keiner Person Halt machen werde, die sch etwas zuschulden

kommen läßt. (Bravo!) Ich habe seit der jüngsten Zeit meines Soldatseins auf ‘diese Mängel immer nur mit einer gewissen Ver- achtung gesehen ; denn ih halte es für unwürdig, denjenigen, der durch seine Lage ohnchin der \{chwächere Teil ist, irgendwie zu vergewaltigen. (Lebhafte Zustimmung.)

Meine Herren, durch den Krieg sind bei uns manche Elemente miteinander verbunden worden, die ganze geistige Kraft, die ganze Arbeitskraft ist in diesem einen Heere zusammengetan, um für das Vaterland einzutreten, und es ist felbstverständlih, daß da die Würde des einzelnen gewahrt werden muß. Die Frage hängt eng mit manchen anderen Fragen zusammen, in erster Linie - mit der Disziplinarstraf- gewalt und allem, was damit in Verbindung steht. Es hat. sih ein Ünwille gegen die Art der Durhführnng einer Strafe, nämlich des strengen Arrests dur Anbinden, erhoben. Es ist keine Frage, daß das eine dere, sehr schwere Strafart ist, die schr viele Nachteile im Gefolge haben ftann. Jch kann mitteilen, daß Seine Majestät an alle Dienststellen Befehl gegeben hat, diese Art der S1rafvollstreckdung auf das äußerste ein- zuschränfken, und es ist jeder Vorgeseßte, der diese Strafvollstreckung anordnet, unter strenge Kontrolle gestellt, indem er sofort der vor- geseßten Dienststele über Grund und nähere Umstände Meldung maden. muß, Meine Herren, wenn dort, oie, i es roobl verstehe, im Brustton der Ueberzeugung von der Moheit dieser Stcasvoll- |

streFung8art gesproen wird, so möchte ih auf eins hinweisen, nânt- lich, ob nicht unter Umständen diese Art der Strafe oder eine ähn- liche troß ihrer {weren Form in der Lage ist, Schwereres zu ver» hüten. In mein Korps kam eines Tazes eine Kolonne junger Leute- Hierunter befanden sih zwei Schwerbestrafte. Sie hatten Straf- aufshub erhalten, um draußen im Felde ihr Vergehen gutmachen zu können. Als sie in die Gefahrzone famen und unsere Quartiere lagen alle in der Gefahrzone —, machten sie an einer Brücke- halt und erklärten, sie gingen nicht weiter, sie wollten nach Hause und ibre Strate verbüßen. Meine Herren, man kann sich hier in der Nuhe gar nicht vorstellen, wie solche Momente wirken; es hätte sofort die ganze übrige Gesellshaft mit in den Taumel hineingerissen werden, und das für sie und für die Sache die schwersten Folgen haben fönnen. Wenn nun in diesem Augenblick der Vorgeseßte die Geistesgegenwart besaß und sagte: ih bestrafe Euch ohne Rück- sicht auf die nähere Untersuhung und die rechtlihe Fest- stellung mit drei Tagen \trengem Arrest und lasse ihn sofort vollziehen, so könnte das in vielen Fällen eine Rettung sein und könnte den Vorgeseßten vor dem Schlimmsten bewahren, unter Umständen davor, von seiner Waffe Gebrauch zu machen. (Sehr richtig !) Troß alledem stehe ih auf dem Standpunkt, daß man zur Gesamtheit der Armee das Zutrauen haben kann, daß diese Strafe fällt. (Erneute Zustimmung.) Glauben Sie nicht, daß in der Sache ohne Ueber- legung und genaue Prüfung vorgegangen wird. Ich habe viele Stimmen gehört darunter au solche, die auch Ihnen bei ver- schiedenen Gelegenheiten wichtig und bedeutungsvoll vorgekommen sind und ich habe die s{chwersten Bedenken gehört, von diesér Art der Strafvollstreckung Abstand zu nehmen. Troy alledem {hon nach dem Vorgang, wie der oberste Kriegsherr sich zu dieser Frage gestellt hat, werde ih die nötigen Schritte tun, damit auch diese manchem als Schand- fleck unserer Armee erscheinende Strafe verschwindet. (Bravo! links)

Mit der Strafe in enger Verbindung hängt eine andere Sache, die vielfah erörtert worden ist: das ist die Beshwerdeordnung. ZJch habe das Empfinden, daß, wenn nicht immer wieder das ganze Bes \chwerdeverfahren so sehr herabgeseßt würde, die Leute mehr Zutrauen dazu haben würden; denn unsere Beschwerdeordnung ist nicht so rück- ständig, seitdem darin die Bestimmung aufgenommen ist, daß der Mann, der sih beshweren will bei den höheren Chargen kommt das niht zur Sprache —, si sofort an seinen Hauptmann wendet, Dadurch werden alle die kleinen Zwischeninstanzen ausgeschieden, die am ersten geneigt find, den Beschwerdeführern Steine in den Weg zu werfen. (Sehr richtig! links.)

Meine Herren, der gute alte Hauptmann den wir vom Frieden her kennen, der oft ges{chmähte, der aber jeden Mann in seiner Kompagnie fennt, der alle nach ihrem Wesen beurteilt und für jeden sorgt man braucht nur einer bei Sonnenhiyze marschierenden Kom- pagnie zuzusehen, wie er wie ein Schäferhund seine Truppe umfkreist (Heiterkeit), jedem ins Angesicht sieht, um zu sehen, wo er eingreifen muß, dieser alte gute Hauptmann ist leider auf den vielen Schlacht feldern geblieben oder in Stellen gerückt, wo seine Vordérmänner in böberen Chargen vers{chwunden sind. An seine Stelle sind junge Männer getreten. Auch die Truppe hat sich geändert, sie wech\elt von Tag zu Tag, man kennt sich niht mehr: aber der große Zu- \ammenhalt der gemeinsamen Gefahr und die Kameradschafit gleichen vieles aus. Wir dürfen hoffen, daß diese jungen Vorgeseßten mit der Zeit wieder ebenso genau unterrichtet sein werden, wie die alten Hauptleute.

Das, meine Herren, was in unserer Beshwerdeordnung vielleicht am meisten angreifbar is, könnte der Um|tand sein, daß ein Mann, der eine ungerechte, leichtfertige oder in der Form falshe Beschwerde anbringt, strafbar ist. Wie ist es in der Praxis damit ? Seitdem ih eine verantwor!tlihe Stellung als Hauptmann bekleidet habe, ist es mir begegnet bei Beschwerden, die weiter gehen müssen, daß an dem Rande eine Bemerkung eines Vorgeseßten stand: „Der Mann ift nicht zu bestrafen !" Diese selbe Nandbemerkung habe ih bei meiner späteren Stellung selbst mehrfach wiederholt. Es ist aber wünschenswert, daß in dieser Beziehung cs nicht dem Ermessen des einzelnen überlassen bleibt, sondern daß darin auch allgemeine Bestimmungen gegeben werden. Selbstverständlich muß die bewußte unwahre Beschwerde, die alle möglichen bôsen Folgen nah sich ziehen kann durch: die ganze Art der Aufhezung usw. —, strafbar bleiben.

Wenn wir von der Behandlung unserer Leute in bezug aufdie Disziplin sprechen, so liegt es nahe, auch an unsere Gefangenen in der Hand des Feindes zu denken, die manchen Strafen und manchen Mißhandlungen ausgeseßt sind. Ich habe vor längerer Zeit Gelegen- heit gehabt, hierüber das Weitere auszuführen. Jch würde aber un- gereht handeln, wollte ich heute nicht- ebenso sagen, daß unsere leßten Verhandlungen mit den französishen Kommifsaren ein merk= würdiges Entgegenkommen gefunden haben. Die Maßnahmen, die

wir ergriffen haben, haben dazu: geführt, daß uns die französische,

Regierung mitgeteilt hat, sie würde alle deutshen Gefangenen aus der Gefahrenzone bis auf 30 km zurückziehen, und sie bâte, daß ihr Zeit gelassen würde bis zum 1. Mai, dann würde dies - vollendet fein, dann sollten wir auch die französishen Gefangenen zurückziehen. Gewiß ein Entgegenkommen, meine Herren, da sie es abhängig gemacht haben von der Vollendung ihrer Ausführung. Wir haben natürlich sofort, nachdem wir am 1. oder 2. Mai das Telegramm bekommen haben, daß die Sache dur{geführt sei, dieselbe Maßregel durhgeführt und ih hoffe, wir haben sie in fehr viel s{chnéllerem" Tempo erledigt. (Bravo!) Es ist aber noch weiter gegangen: unter der tatkräftigen Mitwirkung der Schweizer Regierung haben sich die französischen Kommissare bereit erklärt, eine noch weitere Zurückziehung der Ges fangenen durchzuseßen. Die Zustimmung der Regierung ist bei uns noch nicht eingegangen. Es würde das von ganz besonderer Bedeutung deswegen sein, weil erfahrungsmäßig, je näher der Front, desto shroffer die Behandlung ist. Es ist ja vielleicht erklärlich, daß unter der \ Einwirkung des Kampfes der Haß noch ärger geschürt ist und daher Ausschreitungen am chesten vorkommen. Leider haben wir fürzlih erfahren, daß einige gefangene deutsche Flieger-: gerade un? mittelbar an der Front wieder unwürdig behandelt worden sind, uut von ihnen alles Mögliche zu erpressen, was sie etwa über unsere Lage aussagen könnten, (Hört, hört!) Wir haben die französishe Ne« gierung niht im Zweifel gelassen, daß wir |jofort ähnlihe Maßregeln ergreifen (bravo!), und ih habe die Oberste Heeresleitung ersucht, in diescm Sinne an der Front zu verfabren. E

(Fortsebung in der Zweiten Beilage} -

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2 107.

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Q „e (Fortsehung aus der Ersten Beilage) | # Meine Herren, bei allen diesen Dingen, die ih Ihnen hier vor- trug, habe ih geglaubt, nur das berühren zu sollen, was für mi am wichtigsten war. Denn alle Einzelheiten kann i, um nit gar zu fang zu werden, nicht berühren und muß das meinen Vertretern überlo.ssen, wenn später Anfragen gestellt werden. Nur auf cinen Punkt möchte ih noch kommen, es betrifft das die Forderung im Etat für die neue Hauptkadettenanstalt. Meinc Herren, ih gebe mi nicht der Hoffnung hin, daß nit Beendigung des Krieges ein ewiger Völkerfriede eintritt. So lange wir Menschen bleiben mit allen unseren Schwächen, mit allen dunkeln Seiten, so lange die Interessen einzelner und vieler gegeneinander- laufen, wind es Kriege geben, und zu einer Zeit, wo zwei große Völker, die bis dahin nit daran gedacht haben, sih große Heeresmassen zu halten, solche sih geschaffen haben, oder dabei sind, solche zu \{haffen, da werden die Aussichten auf einen ewigen Frieden nicht gerade sehr glänzend sein. (Sehr richtig! rechts.) Wir werden die Pflicht haben, auch nah diesem Kriege uns zu sichern, um unseren Nachfahren das zu bewahren, was wir ihnen erÉämpft haben. (Bravo !) A Ueber die Kadettenanstalten find mancherlei Klagen erhoben. Es ist eine Materie, mit der ih mihch noch nit viel beschäftigt habe. Jch selbst bin nicht Kadett gewesen. Ich möchte aber darauf hin- weisen, daß doh das ganze System niht so s{chlecht gewesen scin kann. Denn unsere besten Namen, der Feldmarschall von Hinden- burg und der General Ludendorff, sind aus diesen hervorgegangen neben vielen anderen, die ebenfalls in diesem Kriege hervorgetreten find. Ih nehme aber keinen Anstand, zu prüfen, ob Veränderungen möglich find. Jch bin gebunden an die Bestimmungen, dête ja nicht mehr ganz neu sind. Das Negulativ ist vom Jahre 1838, und ich bin gern bereit, mit allen maßgebenden Stellen, die dabei in Be- tracht tommen, in Verbindung zu treten, um in dieser Beziehung zu prüfen und zu sehen, wo Verbesserungen möglich sind.

Bei den Arbeiten, die wir jeßt im Kriegsministerium zu tun haben, bitte ih, auf ‘eins hinweisen zu dürfen, damit auch das er- Elärlich erscheint, was so oft angegrrffen wird, daß nicht die Wirkungen von Maßnahmen, Wünschen usw. sofort eintreten. Gewiß ift an vielen Stellen mit Necht über Bureaukratismus und dessen Folgen geschimpft, und wenn die vielen ernsten und manchmal au sehr scherzhaften Seiten desselben aufgedeckt werden, so finden sih leiht Lacher gegen ihn. Aber das eine muß man hervorheben, durch den Bureaukratismus ist eine un- geheure Gewissenhaftigkeit der Arbeit erzielt. Man mag das er- reichen können auf einem Yürzeren Wege, und wir werden zu überlegen haben, wie das zu geschehen hat. Wenn ein einzelner allein zu ent- scheiden hat und schnell entscheidet, so ist das der fürzere Weg. Er wird aber au sehr häufig angegriffen werden. Dies ist ein Punkt, über den ih manchmal nahgedaht habe. Wenn über den Bureaukratismus ges{himpft wurde in der Oeffentlichkeit, so wurde gerufen nach starfen Männern, die sh durchseßen und schnell handeln. Ja, meine Herren, wenn fie das tun, so geschieht dos sehr leiht und es ist gar nicht zu vermeiden unter Verleßzung von Bestimmungen, und dann wird gegen sie geschrien. Also auf beiden Seiten sind Schatten- und Lichtsciten, die beahtet werden müssen.

Meine Herren, von der Arbeit, die uns im Kriegsministerium vbliegt, glaube ih, besteht wohl manchmal doc noch keine richtige Vorstellung. So gern ih spreche von meinen Soldaten, so ungern spreche ih von mir. Ih mache in diesem Falle eine Ausnahme, um meine Lage zu kennzeihnen.

Ich habe den ganzen Feldzug mitgemacht von Anfang an und Habe während des ganzen Feldzugs nicht einen Tag Urlaub gehabt. Denn meine Leute lagen Kopf an Kopf mit dem Feinde, und ich konnte es nit verantworten, sie zu verlassen. Nach einer ununterbrochenen Schlacht, die über vier Monate dauerte, wurde ih durch den Befehl meines Allerhöchsten Kriegsherrn hierher berufen und an die Spitze des Kriegsministeriums gestellt. Jch war niemals im Kriegsministerium, und vor mir lag lauter Neuland. Es würde für mich ganz unmöglich gewesen sein und beute noch unmögli sein, wenn mich niht umgeben hätte ein Stab von treuen, vergntwortlichen, erfahrenen und arbeitsamen Menschen, die da Tag und Nacht ihr ganzes Können in den Dienst stellen. (Bravo!) Wenn also, meine Herren, alle die Wünsche, die geäußert werden, die Klagen und Beschwerden, die laut werden, niht in dem shnellen Tempo erledigt werden können, wie die Ungeduld es wohl wünscht, so bitte ih, zu bedenken, daß es geschieht besonders zu einer Zeit, wo neben den ungeheuren Arbeiten anderer Art ih alle meine Aufmerksamkeit rihten muß auf die kämpfenden Kameraden dort an der Westfront, und wo ih mi für verpflichtet halte, in erster Linie dafür zu forgen, daß ihnen all das zugeführt wird, was ihnen die Gelegenheit und die Mittel gibt, diesen Niesenkampf durcch- zutämpfen, damit wir das erreichen, was wir alle wünschen : den ehren- vollen Frieden. (Bravo!)

Abg. Schöpflin (Soz.): Wenn der Kriegsminister erklärt, der bureaukratische Weg sei langsam, aber sicher, so is der Weg des Militärbureaukratismus zwar sehr langsam, aber keineswegs sehr sicher; Bs Erfahrung haben die drei Kriegsjahre nur zu sehr be- stätigt. ie loyalen Worte des Herrn Kriegsministers in allen (hren; aber die Botschaft höre ih wohl, allein . ih will nit gerade sagen, mir fehlt der Glaube, aber er is nur sehr \{Gwach. Iw der Kommission hatten wir bei Beratung des Militäretats oft das Gefühl, auf dem Stuhle des Kriogsministers siße ein steinerner Gast; so wenig geneigt hat er si gezeigt, überhaupt auf unsere Be- s{werden einzugehen. Mindestens mehr orientiert hatte er sein müssen. Die Kommission 1} doch dazu da, Beschwerden zu erörtern und aus dem Wege zu räumen; geht der Kriegsminister auf die Dinge aber gar nit ein oder verweigert er uns direkt die Auskunft, so kann ih seine heutigen \{önen Worte nur mit einigem Mißtrauen aufnehmen. Die Behandlung ist immer noch eine leidige Angelegen- heit. Die tätlichen Beleidigungen im Felbe find zurückgegangen, aber bie Zahl dec Beleidigungen is um so mehr gewahsen. Ganz be

Zweite Beilage

Berlin, Sonnabend, den 5, Mai

schärfsten und schlimmsten Weise. Daß das die Stimmung der Mannschaften, “die zum Teil {hon 20 oder 30 Monate kämpfen, die chon 1m Osten und im Westen gestanden haben, nicht heben fann, ondern sie verbittern muß, is doch selbstverständlih. Dem über- mäßigen Drill muß die Oberste Heeresleitung ein Ende machen. Jn den leßten 14 Jahren wird gerade auf den Drill überhaupt von oben großer Wert gelegt. Es kostet mich Ueberwindung, zu einer Zeit, wo unsere deutschen Truppen in so unerhörter Anstrengung an der Westfront Uebermenschliches leisten, solche Klagen über den über- mäßigen Drill und die s{lechte Behandlung der Mannschaften erheben zu mussen, die demnächst auh in diese Kämpfe hinausgehen sollen. Was den Leuten, jungen und alten, die jeßt als Rekruten ausgebildet werden, an s{lechter Behandlung, an Beshimpfungen usw. zugemutet wird, ist unerhört. Wenn ein Offizier, der im bürgerlichen Leben Amtsrichter ist, in Greifswald die Leute mit „ihr Säue, ihr Hunds- sotter, 1hr Idioten“ anredet, was foll man dazu sagen? Je weiter nach Norden, desto stärker werden die Klagen. Diese Vorkommnisse in den Garnisonen sind keineswegs Einzelerscheinungen; es ist Pflicht der Heeresverwaltung, ihnen ein Ende zu machen; aus militärischen Gründen hatte der Kriegsminister im Greifswalder Falle alle Ür- “fache, energisch durzugreifen. Die Briefzensur im Felde, wenn sie denn schon sein muß, sollte niht von Gefreiten oder jungen Leuten, sondern von einer höheren Stelle wahrgenommen werden. Die Ur- laubsfrage lritt immer und immer wieder in den Vordergrund, weil eine befriedigende Megelung nod immer auf sih warten läßt. Es gibt Fälle, daß Leute nah 18 Monaten und selbst 2 Jahren noch leinen Urlaub aus dem Felde erhalten haben, andere aber kommen im Jahre zwei-, drei-, viermal auf Urlaub. Wer si bei den Offizieren oder auf materielle Art bei den Feldwebeln beliebt maden fann, der bekommt Urlaub. Die ganze Urlaubsregelung muß reformiert werden, damit solche Willlür ausgeschieden wird. Die Erhöhung der jämmer- lichen Löhnung von 33 auf 35 Pfennig ist unbedingt notwendig; möchte doch der Schaßsckretär endlich seinen Widerstand dagegen aufgeben. Desgleichen muß den Mannschaften, die zwei Jahre unter der Fahne stehen, ein zweites Pubßgeld gewährt werden. Mit der Ernährung müssen wir verflucht haushaälterischb umgehen, um nur überhaupt schr knapp dur{zukommen; da muß doppelt gerlgt werden, daß das Wenige, was den Soldaten gegenüber den Offizieren zusteht, auch ncht cinmal gut zubereitet wird. Gerade über die s{lechte Zubereitung sind die Klagen aber allgemein; die Vorgeseßten müssen sich darum kümmern, sonst ist die Sauerel da. Berechtigte Klagen werden auch über das Kantinenunwesen cr- hoben, besonders darüber, daß die Kantinenübershüsse ihnen nicht zu- gute Tommen. Es ist doch auffällig, wenn das erst seit K riegóbeginn erxistierende Ersabbataillon des zweiten Gardereserveregiments aus seinen Mitteln nicht weniger als 60000 # Kriegsanleihe zeichnen konnte! Wohin geht das Geld später, wenn der Krieg zu Ende ist, wofür wird es verwendet? Möge es für Unterstüßungen usw. ver- wendet werden, erbitternd muß auf den Soldaten wirken, daß aus feinen paar Pfennigen noch solde Fonds herausgewirtschaftet werden. Schwere Klage wird darüber geführt, daß die Offiziere im Felde Vor« râte der Kantinen in großen Mengen aufkaufen und durch 1hre -Bur- schen nach Deutschland schien, während die Mannschaften so in den Zuschüssen zu ihrer Verpflegung verkümmert werden. In diese Wirt- schaft muß eingegriffen werden, dieser Skandal darf nicht weiter be- stehen. Einzelne Offiziere draußen, selbst im Hauptmannsstand, halten si 2 oder 3, Regimentskommandeure sogar 5 bis 6 Burschen; ein größerer Unfug im Felde n faum dentbar. Die alten 45jährigen Landstürmer gibt man nit frei von der Front; und demgegenüber Ne eine sole Armee von Offiziersburshen! Nicht Hunderte, nein aufende bon Briefen aus dem Felde tragen uns diese Klagen zu, die nur ein {wacher Niederschlag aus diesen Zuschriften sind. Eine Ausschußresolution will die Aufhebung dev Bestimmung, daß nur Cinjährige zu Offizieren befördert werden können. Auch wenn das Haus die Resolution annimmt, wird danach nicht gehandelt werden. Wir machen ständig auch während des Krieges die Wahrnehmung, wie gründlich bei der Beförderung zum Offizier aesiebt wird. Von unserer Seite ift cine Nesolution beantragt, wonach die Verordnungen ver- schiedener Generalklommandos über Arbeitshilfe in der Land- und æorstwirtschaft aufgehoben werden sollen, weil sie mit dem Hilfs dienstgeseß in Widerspruch stehen. Eine solche offenbare Geseß- widrigkeit darf niht geduldet werden. Gegen den Militärbureau- kratismus, den der Kriegsminister gelobt hat, spricht vor allem, daß die Verlustlisten sih fortdauernd vershlehtert haben; sie bestehen nur noch aus einem alphabetishen Negister, die Bezeichnung der Truppenteile ist fortgefallen, und die Auffindung einer bestimmten Det ist damit sehr erschwert. Wix ersuchen dringend, hier Remedur zu schaffen. Das Anbinden erklärt der Kriegsminister als eine Strafe, die er verschwinden lassen will. Jn der Kommission flang es zunächst anders und lange niht so entgegenkommend: ih hoffe, daß dieser heutigen Erklärung schnell die Tat folgen wird. Mit den Zusicherungen der Herren vom preußischen Kriegsministerium ist es eine eigene Sache; sie werden gewiß ehrlich gegeben, aber die Herren haben ja die Durchführung gav nicht in der Hand. Da ist die Stellung des bayerischen Krieqsministers viel selbständioer und maß- oebender. Wie hätten auch Herren, wie Herr vow Falkenhayn und Herr Wild von Hohenborn, die eben ers Generalleutnants und Kriegsminister aeworden waren, etwas durbseßenw fönnen den foms mandierenden Generalen aecgenüber. Der Chef des Kriegsamts, General Groener, hat anläßlich der Streiks einen Erlaß herausaegeben, der die berühmten Worte enthält: „Ein Hundsfott, der streikt." Der Streik vom 16. und 17. April war ein Unrecht, zumal angesichts der Miesenschlaht im Westen. Man hat diese Streiks benußt, um eine Hebe gegen die Streifkfenden und geaen die gewerkschaftlihen Organi- sationen cinzuleiten, wie sie namentlich von der reaktionären Presse betrieben worden i}; wie fonnte da der General Groener mit einem solben Erlaß derart öffentlich eingreifen. In Zukunft sollten solcke temperamentvollen Erlasse doch besser unterbleiben. Wollen Sie es den Arbeitern verdenken, wenn ibnen endlich der Geduldsfaden reißt gegen- über der Behandluna, die sie 24 Jahtke in bezug auf Behandlung und in bezug auf die Grnährungsfragen seitens der maßgebenden Stellen in Reih und Staat erlitten haben? Können Sie es den Arbeitern verdenken, wenn sie eine Friedens\fehnsuht haben? Die süddeutshenm Negierungen sind aanz anders auf dem Posten, als die preußische Regierung. Man hätte die Arbeiter nicht so anhauchen sollen, wie cs General Groener getan hat. Es ist jeßt Unsitte ge- worden, bei jeder Gelegenheit den Generalfeldmar|{chall von Hinden- burg als Cideshelfer anzurufen. Dies Hineinziehen is nicht allzu chevaleresf. Er und Ludendorff sind von dem Mißbrauch threr Namen feineswegs erbaut. Jn dieser Zeit, wo es sih um das Schicksal der Nation handelt, sollte man dur drakonishe Maßregeln die Arbeiter nicht verbittern. Sorgen Sie alle dafür, daß den Arbeitern der Ge- duldsfaden nit reißt. (Beifall bei den Sozialdemokraten.) _ Präsident Dr. Kaempf rügt nachträglih den von dem Abgeord- neten Schöpflin, wenn auch hypothetisch gemeinten Ausdruck, die Re- gierung habe in s{ändlicher Weise ihre Pflicht verleßt. Chef des Kriegsamts Generalleutnant Groener: Der Abge- ordnete Schöpflin hat über den Streik Worte gefunden, die meinen Anschauungen durchaus entsprehen. Er hat im Laufe seiner Nede darguf hingewiesen, daß es Dinge gibt, die man deutlich bezeichnen müsse. Jch habe den Eindruck, daß in seiner Heimat mein Aufruf richtiger und besser verstanden wörden ift als vom ihm selbst. Jch habe zablreihe Zuschriften von Arbeitern und Arbeiteraus\{üssen ‘gerade

line beklagen sih die Mannschaften, daß, sobald sie in Nuhe- stellung gekommen sind, der Drill wieder einseßt, und zwar in dex

zeiger und Königlih Preußischen Staalsanzeiger.

will, Sie (zu den Sozialdemokraten) schen die Dinge aus cinem andern Gesichtswinkel an wie 1ch. Jch will Ihnen sagen, wie ich die Dinge ansehen muß. In diesen Tagen, nah dem 18., das war der Tag, an dem die Gemütlichkeit aufhörte und aufhören mußte, mußte i mich in deutlichen und klaren Worten an unsere deutschen Arbeiter wen- den, weil ich das Vertrauen habe, daß sie doch noch Gefühle für ein deut- liches und offencs Wort haben, und ih habe mich darin nicht ge-

täusht. Nicht nur alle Arbeiter, sondern das ganze Volk muß Co 7 9 # ch L Li, G 7 à n N 5 Klarheit gewinnen, und darum sage 1ch, es bleibt ein Verbrechen,

4 daß Streiks in der gegenwärtigen Zeit gemacht worden sind. (Leb=- hafte Zustimmung rechts.) Aus welcher Seele sprehe ih denn? Aus der Seele des ganzen Heeres. Sie dürfen überzeugt sein, daß i mir Tag und Nacht überlegt habe, ob ih mit der Sache herausgehen sollte, und Sie dürfen weiter überzeugt sein, daß nur die allerschwerste Beranwortung für die Versorgung des Heeres mih dazu veranlaßt hat, für jeden Mann im Granaten- und Maschinengewehrfeuer einzu- treten. Im übrigen muß selbstverständlich den berechtigten Wünschen der Arbeiter Mechnung getragen werden. Das habe ich in der Kom- mission ebenso deutlich und klar gesagt; man muß nicht nur an ‘den Worten kleben und deuteln, man muß sih an die Sache halten. Ich sage hier vor der Oeffentlichkeit des ganzen deutschen Volkes: das deutsche Volk war nah meiner innersten Ueberzeugung an einem verhängnisvoll2n Scheidewege angelangt. An diesem Scheidewege führte der eine Weg zur Niederlage! Jch sage das klipp und klar, damit jeder deutsche Arbeiter das weiß. Unser Heimatheer muß unver- brüchlih verbunden sein mit unseren Feldgrauecn da draußen, niemand darf dazwischenstehen und nichts dazwischengeshoben werden. Jch verkenne nicht, daß die Gewerkschaften sich alle erdenklihe Mühe gegeben haben,“ auf die Arbeiter in ihrer Weise cinzuwirken. Daß ste eine andere Sprache reden, ist selbstverständlich, aber Sie müssen mir erlauben, daß ich in meiner Sprache rede. Jch würde die Seele des deutschen Volkes nicht richtig eins{äßen, wenn ich von dem ge- samten deutschen Volke in diesen Noten mcht glaubte, daß es die einmütige Ueberzeugung hat, daß von jeßt ab bis zum Ende des Krieges eine absolute Ruhe herrshen muß unter unserer Arbeiter- schaft. Das ganze Volk muß zusammengehalten werden, alle müssen für einen und ciner für alle stehen. Mein Aufruf war keine Schimpferei, sondern nur ein deutlicher und derber Ausdruck von dem, was 1h in mir fühlte. (Lebhafter Beifall rets.)

Preußischer Kriegsminister General von Stein:

Der Herr Abg. Schöpflin scheint zu wünschen, daß ih mehr rede. Vielleicht gewöhne ih mir das an. JIch muß aber dem Herrn Abge- ordneten anheimgeben, da ih niemals Worte gemacht habe, ruhig ab- zuwarten, ob ich zu handeln verstehe. (Lebhaftes Bravo Zurufe

von den Sozialdemokraten.)

Hierauf vertagt sich das Haus.

Der Präsident teilt mit, daß von den Sogialdemo- fraten und von der elsaß-lothringishen Zentrumspartei zwei «Znterpellationen eingegangen sind, welche die fortdauernden Verstöße der militärischen Oberbefehlshaber in Elsaß-Loth- ringen gegen die Beschlüsse des Reichstags, betreffend die Aufhebung der Schußhaft usw., sowie die Nichtverabschiedung des Etats der Reichslande für 1917 infolge angeblichen Verbots des Zusammentritts des Landtages durch die militärischen Kommandobehörden betreffen.

Schluß nah 714 Uhr. Nächste Sizung Sonnabend 12 Uhr. (Jnterpellationen betreffend die Vorgänge in Elsaß- Lothringen; Fortseßung der Beratung des Militäretats.)

Nickamilißes.

(Forlseßung aus dem Hauptblatt.) j

Großbritannien und Jrlaud.

Die Reichskriegskonferenz, an der die leitenden Staatsmänner der großen "Dominien über See teilnehmen, nähert sich dem Ende ihrer Arbeiten. Während einige der angenommenen Enischließungen nicht vor dem Ende des Krieges veröffentlicht werden fönnen, können, wie das Kolorial- amt laut Meldung des „W. T. B.“ mitteilt, folgende Tat- sachen jeßt bekannt gegeben werden: Es ist beahtenswert, daß alle Entschließungen einstimmig gefaßt wurden. Die Konferenz „nahm! Entschließungen zugunsten einer Vereinheit- lihung der Waffen und Munitionsgegenstände aller Teile des Reiches an, die der {weren Artillerie und dem Personal der verschiedenen militärishen Organisationen des Neiches eine ähnliche Ausbildung sichern soll, und ersuchte die Admiralität, un- mittelbar nach dem Abschluß des Krieges einen wirksamen Plan zur Verteidigung des Reiches zur See auszuarbeiten und den auf der Konferenz vertretenen Regierungen zur Beratung zu unterbreiten. Die Konferenz empfahl die Einberufung einer besonderen Neichskonferenz nah dem Kriege, um cine Um- gestaltung der verfassungsmäßigen Beziehungen der Be- standteile des Reichs zu erwägen, die cine ständige Beratung und einheitliches Handeln in allen wichtigen Angelegenheiten von gemeinsamem Jnteresse schaffen würde. Die Konferenz verlangt dringend, die Bürgerrechtsverleihung im ganzen Reiche gleihmäßig zu behandeln. Sie erklärt es für wünschenswert, in London eine Reichsstelle für Erzvorkommen in den Bestand- teilen des Reiches einzurihten und Maßregeln zu ergreifen, fie nußbar zu machen, um die Metallbedürfnisse des Reiches zu be- friedigen. Die Konferenz betonte im Hinblick auf die im gegen- wärtigen Kriege gewonnenen Erfahrungen die Bedeutung ein- heitlichen Handelns: erstens zur Entwicklung einer angemessenen Fähigkeit, Material für Flotte und Heer, Munition sowie Nahrungsmittel in allen wichtigen Teilen des Reiches zu er- zeugen, zweitens zur Verfügung über die natürlichen Hilfs- mitiel im Reiche, in8besondere diejenigen, die für die nötigen nationalen Zwette im Frieden und Krieg wichtig sind, drittens zur Verarbeitung dieser natürlichen Hilfsmittel innerhalb des Neichs. Die Konferenz nahm außerdem folgende Entschließung an, deren Hauptpunkte vor kurzem in der Guildhallrede des Premierministers Lloyd George angekündigt worden sind:

Vie Zeit ist gekommen, da der Entwicklung der Hilfsmittel des Retch?8 jede möglihe Unterstützung gewährt werden sollie, bejonders, um das Ret bezügli Nahrungsmittel, Rohstoffe und wichtiger Industrien unabhängig von anderen Ländern zu machen. Angesichts diesèr Ziele hat si die Konferenz für den Grundsaß ausgesprochea, daß jeder Teil des Reicbes, bei \{uldiger iht auf die Interefsen der Verbündeten, den Erzeugnkssen und Fabrikaten anderer Teile des

aus [einex Heimat erhalten. Nun mag man darüber denken, wie man

Reiches eine besonders günstige Behandlung und Erleichterungen zus