1898 / 18 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Fri, 21 Jan 1898 18:00:01 GMT) scan diff

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b ' e wollten, tro dem die e Stra e so YMMD?" rnoikrinbkLWFeYeYerbrecben, ie Febsruar-Erflaffe von 1890 seien unerfüllt eblieben, sodaß man auf den Gedanken kommen könnte, es babe sich damals nur um ein Wablmanöver gehandelt. DieUnternebmer brächten angeblich 1 Million täglich für die Arbeiterverstcberun auf ; das mache bei 18 Millionen Versicherten 5k 4 r Heben Arbeiter. Aker was babe der Unternehmer verdient. An dem Schlachtfelde der Industrie von 1886 bis 1896 eien mehr Arbeiter v loten worden, als während des ganzen fran ösis en Krieges ; außer 51 61 Todten so und so viel ganze und halbe &rüppel. Aber wo finde man einen einzigen yerun sückten Unternehmer? (?urufe: Vorst !) In den fiskalischen Wer stätten in Spandau sei ene Lobnberab eßun um 20 9/0 dekretiert worden; den dagegen Widerspruck) erhebenden erbeitern sei mit der Entlassung aus der Arbeit edrobt worden. Auch die Rechts:)flege sei ein wahrer Skandal. ( räsident Freiherr v on Buol: Ick muß den Redner unterbrechen. Er at vorhinscbon von einer Schinderhannes-Brutalität der Regierun gesprochen, er hat die Kaiserlichen Erlasse als ein Wahl- manöver bez ebnet und spricht jekt von dem Skandal in der Rechtspflege, Wegen die[er Wendun en muß ich den Redner zur Ordnung rufen.) Der preußsehe Justiz- inister habe den (Hrrrndsaß aufgesteut, daß, wenn zwe dasselbe tbäten, es nicht dasselbe sei: wenn die Gerichts in den Dienst der Verwaltung gestellt würden, um die Auflösung polnischer Versammlungen zu erreichen. Vorläufig solle das Koalitions- recbt beseitigt werden, um die GewerkschaftSbewegung zu beseitigen; dann würde man zur Beseitigung des Wahlrechts kommen.

Staatssekretär des Innern, Staats-Minister ])r. Graf von Posadowsky-Wehner:

Es giebt in Deutschland weite Kreise, welche meinen, die Sozial- demokratie babe sicb gemausert und sei im Begriff, eine bürgerliche Partei zu Werden, die lediglich die wirtbscbaftlirben Jnterrffen der Arbeiter Vertrete. Wenn jemals eine Rede geeignet war, alle diese harmlosen Leute über ihren Jrribum aufzuklären, so war es die eben gehörte Rede. (Lebhafter Beifall. Arb! ach! bei den Sozial- demokraten.) Es war nicht klug Von dem Herrn Redner, in dieser Weise die Karten seiner Partei und seine innere Ueberzeugung auf- zudecken. (Lebhafte Zurufe bei den Sozialdrmokraten.) Er hat KoÜegen in seiner Partei, die unendlich viel siaaisklüger die politischen Fragen behandeln und so ihre Ziele verfolgen. Ich boffr, die heutige Rede des Herrn Abg. Fischer wird als Scheinwerfer dienen für die Zustände, die von der sozialdemokratisÜen Partei angestrebt werden, und für die Gedanken, yon denen sie getragen ist. (Sehr gut!)

Es ist mir natürlich selbstverständlich ganz unmöglich, auf ail' diese Angriffe zu antworten, sonst müßte ich fast über alle Gebiete des Staatslebens sprechen. Ich wili aber doch einige markante Punkte berausgreifen.

Hkrr Ahg. Fischer sagte zunächst: Der Herr Staatssekretär schreitet sofort ein, wenn sich Arbeitgeber melden. Wenn sich aber Arbeiter melden, so solle er doch einmal ehrlich erklären, dann würde er nicht eingeschritten sein. Eine tbatsächlich unbedingt un- richtige Behauptung! Zunächst bemerke ich zu dem fraglichen Erlaß, daß nicht nur an den BundeSrath, sondern auch an den Herrn Reichs- kanzler eine große Zahl gleichlautender Anträge auf stärkeren Schuß der arbeitSwilligen Arbeiter gegen Strikende eingegangen sind, daß es meine Pflicht war, mir für den Beschluß im BundeSratb Infor- mationen einzuholen. Und ich füge gleich bian, damit nicht wieder erst durch eine ,Jndiökretion“ eines Beamten, wie es Hier sebr ruvbe- mistiscb genannt ist, meine Absichtrn bekannt werden, daß ich auch meine Umfragkn ergänzen werde durch Erbebungrn übrr Strikrstatisiik und über die bei Strikes vorgekommenen Gewaltthätigkeitkn. (Sehr gut!) Ich glaube, das wird für das hohe Haus ein Ebenso lehrreiches wie interessantes Material Wsrdrn.

Der Herr Abgeordnete sagt also: chn fich Arbeiter gemeldet hätten, wäre die Regierung sicherlich nickt eingeschrittrn. Wie kann ein Abgeordnrter das sagen, wenn er einigérmaßen der politifchcn Geschichte der leßten Jahre gefolgt ist? Haben wir nicht auf An- regungen aus Arbeiterkreisen heraus Umiragrn gebaltc'n übér die Lxge der Handlungsgebilfen, über die drr Bäckcr und MüÜLr, übrr die Milzbrandgefabr in Pinsel- und Roßbaarfabrikcn, Über die Konfektions- brancbe? Oder haben Etwa die Unternehmer die'se Erbekungen an- geregt? Nein, die Arbriter. Und wir haben den bkrechtigten Wünschen der Arbeiter bezüglich drr Feststcllung jerxer Verhältnisse Rschnunk, getragen. (Sehr richtig!) Zum tbeil sind dicsrn Erhebungsn auch schon praktische Resultatk, z.B. in d.?r Konfektionsbranche, JLfOth.

Dann sagte der Herr Abgeordnete: Die Kaisrrlichn Erlassr wären seit sieben Jahren ein unerfülltes Versprechrn geblieben. Auch das wagt er in diesem hobrn Hause zu sagrn, wo brianni ist, daß seit fiebert Jahren das Reichsamt des Innern, drs Urrußischc Handels- Ministerium, die cinzelstaatlichen Regierungsn, der Reichstag fich fort- geseßt mit Arbeiterfragen und der Frage des Schußes der Arbeiter beschäftigen, und nachdem eine ganze Reihe Verordrungen zum Schutz der Arbeiter ergangen sind! Sie begehen wirklich mit Jhrcn Behaup- tungen und Forderungen einen taktischen Fsblkr. Eine Anzahl Forde- rungen, die Sie stellen, sind sachlich durchaus brrcchtigt; Sie Verlangen aber viel zu viel auf einmal. Krim Staat, keine Gisellschaft kann alle diese Forderungen, selbst soweit Sie fie in berechtigtem Umfange fteUen, auf einmal erfüllen; razr: febirn schon die Organe, und manche der Forderungen können nur erfüUt werden mit dsr zu- nehmenden allgemeinen Kuiiur und mit der stcigenden Wohlhaben- beit des Landes.

Es ist auch wiederum vertbeidixrt worisn, daß die Prrsse mrinen bekannten Erlaß, obgleich unredlicb in ihren Besitz gelangt, abgedruckt hat. Aber kein Redner aus kchraktion der Sozialdemokratie hat doch den Muth gehabt, den Beamten zu vertbxidigen, der diesen Ver- trauensbrucb begangen hat. Ich muß natürlich die Frage vom Stand- punkt der Diöziplin beuribeilrn. Ick glaube: auch nicht, daß die Herren den Muth haben werden, den Beamten, der diesen Vertrauens- bruch irgendwo begangen, vor dem Lande und dem Hause zu ent- schuldigen, und ich glaube auch, meine Herren, Wenn Sie in Ihrer eigenen Partei einen Vertrauensbruch erleben, dann sind Sie un- erbittlich strenge. (Sehr richtig !) Aber was innerhalb der Regie- rungen geschieht, darüber freut man sich und duldet es lächelnd. (Sehr gut!) Es heißt da auch: die Welt liebt den Verraib, nicht den Verrätber!

Es ist weiter gesagt worden, man könnte doch den Strikern nicbt verdenken, daß sie nicht besonders freundlich den Strikebrechern gegen- überständen; und wie auf den Fall in Torgelow Bezug genommen wurde, hieß es, der Mann wäre wahrscheinlich am Schlage ge- storben. Ich babe mich beeilt, mir von dem preußischen Herrn Minister des Innern die Akten kommen zu lassen und will Ihnen mit Erlaubniß des Herrn Präsidenten aus diesen Akten einiges vor- tragxn. Der Strike ia Torgelow hat begonnen am 1. November und es liegt mir ein Akteubericht vom 30. November vor, von dem Herrn

Landratb des Kreises erstattet, in dem verschiedene Gewalttbätig- keiten und Vedrobmigen mitgetheilt werden, die sich die Striker gegenüber den Strikebrechern hätten zu, schulden kommen lassen. Dann findet sich ein zweiter Bericht vom 17. Januar 1898, der aner- dings die Annahme des Herrn Abg. Singer bestätigt, daß der Arbeiter am Schlage gestorben, _ aber nicht ganz. Es beißt dort wörtlich - wenn der Herr Präsident gestattet, verlefe ich den Bericht theilweise _:

„Die Arbeitswilligen, die zum iheil in den benachbarten Orten Wohnen und sich nach Ausbruch des Strikes Abends gesammelt und gemeinsam nach Hause begeben batten, traten den Heimweg wieder wie in ruhigen Zriten einzeln oder in kleinen Trupps an; da auf einmal wurden am Abend des 10. d. M. die heimkehrenden Arbeiter auf zwei Steaen im Walde von den Ausständigkn über- fallen. Dic Strikenden und Angreifer solirn hier in einer Zahl von über 60 Mann einheitlich geleitet und völlig organisiert aufgetreten sein

(hört! böri! rechts.) und so auf ein Zeichen des Anführers dir Ueberfälle vorgenommen haben.

Auf dem Wege nach Aschersleben ist der Uebrrfali durch ca. 20 Strikende ausgeführt wvrden. Wikviel Personen dort über- fallen find, steht noch nicht genau fest.

Und zum Schlusse:

Auf dem Wege nach Stollberg ist erst ein Arbeiter, dann sind

zwei und zuletzt vier Arbeiter überfallen und mit starken Knüp-

prln gemißbandelt worden, wobei der Arbkxiter Arndt aus Stollberg erschlagen ist.“

Also nicht am Schlage gestorben, sondkrn erschlagen isi (hört! hört! rechts) und der Herr Landratk) macht in dem Bericht eine intereffanie Mittheilung, die ich auch noch verlesen will. Er sagt nämlich:

In drm ganzen Strike sind Fragen über die Höhe des Lohns, Behandlung drr Leute, ArbeiTSOrdnung oder dergleichen übérhaupt nicht in Frage gekommen. Lediglich die durch Berliner Agita- toren geleitete Agitation für den Metallarbeiter- „verband bezw. für die Ausbreitung der Sozial- demokratie bat die Erregung hervorgerufen.

(Hört, hört!) Also garnicht Ausbeutung durch die Unternehmer, sondern lediglich das Bestreben, jeden Arbeiter zu zwingen, einem be- stimmten Verbande beizutreten und die Arbeiter zu mißbandeln, die dem Strike nicbt beitreten, war die [eßte Ursache. (Sehr richtig!) Das ist ja auch ein Vorgang, der recht beweist, wie nothwendig es ist, dem Schuß der friedlichen Arbeiter, die die Arbeit fortfeßen woüen, ein schärferes Augenmerk zuzuwenden wie bisher. (Sehr richtig!) Der Herr Abgeordnete hat sich dann auf verschiedene Aeuße- rungen, die ein höherer Beamter, der jeßt im landwirthschaftlichen Ministerium fungiert, gethan haben soll, bezogen. Meine Herren, ich glaube nicht, daß auf dem Kongreß dieser Herr als Delegirter des Landwirtbschafts-Minisiers odcr überbaupt der Regikrung fungisrt da?. Der betreffende Bramte ist dort offenbar als Privatmann und Ge- lehrter geWesen, und ich begreife nicht, wie man hier der Regierung Aeußerungen entgrgenhalten kann, die ein Beamter infolge seinrr Privatstudien auf dem Kongreß, an dem er als Privatman thril nahm, gethan bat. Dafiir könnrn wir doch nicht verantwortlich sein. (Schr richtig!) Die persönlich? Ansicht Lines Bramten obligiert in kcinrm Falle die rerbündstrn Rrgiürungen.

Dann hat der Herr Abgrordncfe gesagt: die Millionen, die die Unternehmer werdirnrn, von wrm haben src fie? Von dcn Arbeitern. Das ist leicht «sagt. Dr: UnternaHmrr trägt doch aber auch das Risiko, und Von den Unternehmern, dir in ihrem Geschäft zu Grunde geben, Von desen spricht krin Mensch mrbr. (Sehr richtig !) Er hat mir fernkr Vorgrworfen, ich hätte garnicht gesagt, was die Ardriter zahlen zu drr MiÜion, dir täglich im Deutschen Rkich für dieselbkn im sozialpolitiscvcn Jnrercsss aufgewendrt werden müßtsn: das Hab? ich wirllich als bekannt Vorausgesrßt, in wrlchrmVerhältniß dic Arbeirrr zur Invaliditätsm'rfiäyerung, in wslch€m Verhältniß fie: zur Kranken- vsrsicherung briiragrn. Aber immrrbin blkikt doch die Zahl bestehen, das“, die Akdrijcr seil Besirbrn der sozialpolitischen Geseßzr 540 Miliionen mehr erhielten, als fir- zahlxrn, und ich glaube, das ist cine imposantr Zahl. (Se'Hr richtig!)

Der err Ulbg-ordncie hat dann auch eine Anzahl Bel)auptun,;rn aufgestelir, di:? srch stützten auf Zrugenaussagen im T.;usch-Prozrssr. Ick muß drm errn Angordne-ten offen grsteben: ich habe drn Proz??? Tausch in nisinrr damaligen SteUung als Schaßsekrctär wcnig odcr garnicht verfolgt. Ich habe nicht einmal die Zeitungsrcferate dariibrr gelesen; ich Weis; also nicht, wie weit ssine Behauptungen berechtigt sind oder nicht, wie weit es nur Kombinationen find, die auf die Zeugenaussagrn im Prozeß Tausch sich stürzen. Aber das will ich dem Herrn Abgeordnrren ganz offen sagen: ich billige in keinem Fakir, wenn irgend einr Behörde oder ein Beamter etwas thut, was fich mit den strengen (Heseßrn won Recht und Moral nicht verträgt. (Bravo!) Und Sie gc'stattrn mir, daß ich auf dem Standpunkt siehe, und diescn Standpunkt auch den mir nachgeordneten Beamten gegenüber zur Geltung bringe. (Bravo!)

Der Herr Abgrordnete hat auf Grund der Unfaljsiatisiik darauf bingewirsrn, daß im leßtcn Jahre 7000 Arbeiter auf di!!! Schlachtfelde der Arbeit geblieben seien. Gewiß , meine Herren, eine sehr betrübliche Zahl! Was soll denn aber daraus folgen? Will der Herr Abgeordnete daraus folgern, das; überhaupt keine Arbeiten im Interesse der gesammteir Kultur, der gesammten bürger- lichen Gesellschaft vorgrnommen Werden, die lebenögefäbrlicb sind? (Widerspruch links.) Giebt es ein Mittel, das zu verhindern? Wenn er daraus deduzierte, wir Müssen den Schuß gegen die Unfall- gefahr verstärken, wenn er darauf eigene positive Vorschläge baute, so ließe man sick) das gefallen; aber mit der einfachen Zahl ist absolut nichts zu machen. Ich habe auch einen Artikel in einem Organ der sozialdemokratiscben Partei gelesen, der diese Zahl ebenfalls ausbeute, und am Schlusse sagt: Nun steht man, wie es in Deutschland zugeht; in dem Staat der Stumm-Posadowsky müssen die Arbeiter über die Thür schreiben: Ihr Arbeiter, lasset alle Hoffnung hinten! (Heiterkeit.) Es wird aber der Welt verschwiegen, daß die 7000 Arbeiter, die auf dem Felde der Arbeit ebrenbaft gefallen sind, doch versichert waren und daß fie die Segnungen der sozialpolitischen Gesetze genießen, daß ihre Wittwon und Kinder auf Grund derselben Renten bekommen. (Sehr richtig!)

Der Abg. Legien, der sonst in unendlich viel vorsichtigerer Weise als heute der Abg. Fischer, und viel geschickter gesprochen, hat eine Aeußerung gethan, die mich außerordentlich gefesselt hat. Er hat nämlich ganz klar deduziert - klar, wie man es überhaupt nur thun kann _, wohin die Sozialdemokratie auf politischem und wirtbscbaftlichem Gebiete-strebt. Er deduziert als eine Art Naturnotbwendigkeit: aus dem absoluten Staat bildet sich der konstitutionelie Staat, die Regierung der Monarchie unter Theilnabme des Volkes in geordneter VolkSVertrerung, aus dem konstitutionellen Staat folgt mit Notbwrndigkeit die Republik. Parallel deduziert er: aus der absoluten Verfügung des Fabrikherrn, des Unternehmers über seine Anlage folgt zunächst die konstitutionelle Fabrikleiiung, die Fabrikleiiung, getbeilt zwischen Unternehmern und Arbeitern, und daraus folgt schließlich die sozialdemokratische Fabrikleitung. die kollektivistisckye Produktion. Meine Hrcrsn, es ist mir zweifelhaft, ob diese Deduktion thatsächlich richtig ist, und ob überhaupt diese beiden (Entwicklungen auf politischem und wirtbschaftlicbem Gebiete voll- kommen paraÜel neben einander laufen. Einen Einwand möchte ich schon yrjrrra 715133, dagegen machen: wenn diese beiden Entwicklungen nsben einander liefen, so müßte man doch eigentlich folgern, daß da, wo dis Rrpublik erreicht ist, auch die koÜLkiivistische Fabrikleitung und Wirthsciyaftsordnung eingeführt sein müßte. Ich glaube aber, wir haben in Deutschland, das als Bundesstaat und in den Cinzelstaatsn monarchisck) regiert wird, mehr für das Wohl der Arbeiter gethan, als srhr viele Republiken. (Sehr richtig !) Wir haben auch in Deutschland in den meisten Staaten einen Schritt gethan, den man in sehr bedeutenden Republiken noch nicht fertig gebracht hat: die Steuerzahler nach ihrem Einkommrn und nach einem progreffiven Maßstabe heranzuziehen. (Sehr wahr!) Also die Theorie, daß die politische Entwicklung bis zur Republik und die wirihschaftlicbe Ent- wicklung bis zur kollektivistischen Unternehmung parallel läuft, ist voll- kommen verfehlt und am grünen Tischc? angeklügelt. (Sehr richtig !) Und, meine Herren, nur ruhig Blut: im deutschen Volk ist der dynastische, monarcbische Sinn so tief ent- wickelr, daß Sie zusammen mit Ihrer ganzen Partei den Endpunkt Ihrer Theorie in Deutschland nie erleben werden! (Lebhaftes Brady!)

Ich bin überhaupt der Ansicht -- und damit möchte ick) schlirßen -, der große Kampf zwischen der sozialdemokratischen Partei und den bürgerlichen Parteien wird durch kéine Reden in diesem hoben Hause entschieden werden (sehr WWU), ich bin der Ansicht, er wird nur dadurch Entschieden werden zu Gunsten der bürgerlichen Parteien, wean die bürgerlichen Parteien durch Wort und That sich die Achtung der arbeitenden Klassen erwerbrn, er wird nur zu ihren Gunsten rni- scbiedrn werden, wenn die bürgerlichen Parteien den Muth und die Selbstentsagung baben, Schulter an Schulter gegen die sozialdemokratifche Sturm- flut!) zu d€ichen, und Er wird nur beendet werden, Wenn auch die rrligiössn Mächte im Lande den Einfluß Und die SteUung er- ringen, die es ibnrn ermöglichen, ihre Versöbnende und heilende Tbätigkrit im bürgerlichen und wirthschaftlichen Lebcn erfolgreich zu irben. (Lebhaftes Brady! rechts, in der Mitte, bri den National- liberalen).

Abg. Jorns (yl): Ich kann namé'ns drr Naiionalliberalrn rr- klären, daß wir kemi? Geqner der Koalitionsfreibeit find; aber wir vrrlangen disselbr auch für die Arbeiißeber, die oft Schulter an Stbulter mir ihren Arbeitern gekämpft ba en, wie ich das selbst durch- gemacht babs, dir: auch schqn frübsr für ihre Arbeiter gesorgt Haben, ohne_ gescßlicb dazu Verpfltrhtkt zu sem. Als ich den Erlaß des Grafen Pojadowsky las, dgchte. ich an den Harz. Die Eissngewinnung ist dort zurückgrgcrngen; die Harzer wollten aber nicht auswandern und sick) anderwarts Arbeit suchen. So bildete sich die Möbel- fabrikation heraus, nicht durch Unternehmer, sondern die Arbeitkr wandten fich an einen Kaufmann. Ich war dabsr erstaunt, als ich dörie, Holzarbeiter in Lautxrberg 2a. gehörten den Berufsvereinrn an. Die Arbeitrr, die gar sparliche Verdienste batten, geben dafür viel Geld aus, sodaß die Frqucn zu den Unternehmern kamen und fie baten, dagegen cinzuschrerten. Die Unternehmer haben darauf Lina Fabrikordnunq erlassen, nach welcher die Arbeiter nicbt mrbr dyn Berufsvereinen anZehören sollten. Darauf kam der Ausstand, der von eincm erliner Agitawr geleitet wurde. Die Unternehmer, wclchr" Verp ichtungen batisn, ließen Arbeitcr kommen; diese wurden jamnxer ich behandelt. Sie kamen mit zer- schlagrn€n Gesichtern in ihre Heimatb zurück. (Es smd damals Dinge vorgsirmmen, die _ich vor) einer ordentlich9n Arbettcrschast nicht für möglia) gehalten bgtte, dre ich aber jrtzt nach der gehörten Rede für möglich halte. Die Sirikrunterstüßungen wurden gezahlt nicht in !*aarem Gelbe, sondern in Bier, Brot, Wurst u. s. w. Sobald die Unterstüßun aufhörte, war auch der Strike vorbei. Ich kann mich gegsn dic ozialdemokratrn allein Wehren. Aber daß das Rund- ichrkibrn des Grafen Posadywsky in vielen Herzen Widerhall ge- funden hat, das kann ich bestatigen.

Auf eine Anfrage des Abg. Beckh (fr. VolksP.) erklärt

Staatssekretär des Innern, Staats = Minister ].)r. Graf von Posadowsky-Wehner:

Meine Herrrn! Im Jahre 1895 hat in Paris ein Kongrrß statt- gefunden, betreffend den Schuß der Vögel, und dieser Kongreß ist Von den meistkn europäischen Staaten beschickt Worden. Einzelne Staaten haben aber noch Bedenken gegen den Inhalt der damals entworfenen KonVention, und hierin liegt der Grund, daß diese Konvention bisher noch nicht ratifiziert ist. Deutschland ist grundsäylich eniscbloffcn, der Kondention beizutreten, und da jetzt noch weiter über diese Konvention Verhandelt wird, so ist Hoffnung vorhanden, daß in nicht allzu langrr Zeit diese Ratifikation erfolgen wird.

Wenn der Herr Vorredner darauf bingedeutet hat, daß auch schärfere Ausführungsbestimmungen des Vogelschußgesetzes erwünscht seien, so kann ich ihm darin vollkommen beitreten. Wir haben aber bisher eine Aenderung der Verordnung deshalb noch nicht Vor- genommen, weil wir erst wissen wollten, welcbe Bestimmungen die internationale Konvention erhalten wird, und weil sich unsere neuen Bestimmungen selbstverständlich nach dieser Konvention richten müßten. Im übrigen kann ich aber erklären, daß die verbündeten Regierungen den Wünschen des Herrn Vorredners durchaus sympathisch gegenüber- stehen und daß die Sache seitens des Herrn Reichlanzlers nach Kräften gefördert werden wird. (Bravo !)

Nach einigen persönlickzen Bemerkungen wird darauf gegen 51/2 Uhr die weitere Berat ung auf Freitag 2 Uhr vertagt.

Preußischer Landtag. Haus der Abgeordneten. 6. Sißung vom 20. Januar 1898.

Auf der Tagesordnung sieht die erste Beraibung des (Heseßentwurfs wegen Abgnderung des (Heseßes vom 26. April 1886, betreffend dre “Beforderung deutscher Ansiedelungcn in den Provtnzen Westpreußen und Posen.

Reichskanzler und Präsident des Siaats-Minisreriums Fürst zu Hohenlohe:

Meine Herren! Wenn die Staal'srrgierung den heute Ihrer Genehmigung unterstellten Gesetzentwurf eingebracht bat, so ist sie dabc-i sowohl von wirjbschaftlichem wie von politischen Erwägungen ausgegangen. In wirtbscbaftlicher Beziehung hält die Regierung an dem Grundsatze fest, daß es für die Wohlfahrt der Provinzen Posen und Westpreußen förderlich ist, die Zahl der selbständigen Bauern- güter und Vauerndörfcr zu vermehren. Wann sich aus und neben den angeseßten Bauern eine Klasse tüchtiger ländlicher Arbeiter ent- wickelt, so wird damit ein Vortheil Erreicht, der auch dem Großgrund- befiß, sei er deutsch, sei er polnisch, zu gute kommen wird.

Was die politische Séite der Frage betrifft, so ist es eine That- fache, daß in jsnén national gcmischten Landestbeilen die polnische Nationalirät sich mehr und mehr auf Kosten der dcutscben ausbreitet. Dieser Entwicklung enigegenzutreten und das Deutschtbum zu stärken, ist Zweck dieses Geskßes, Daß wir dabei von keiner feindlichen Ten- denz grgen die polnische Bevölkerung geleitet werden (Heiterkrit bei den Polen), ist sekbstverständlich.

Die ganze geschichtliche Entwickelung der ehemals polnischen Landestheile, der materielle und geistige Aufschwung, drn fie seit der Vereinigung mit Prcußen genommen haben, giebt Zeugnis; yon der Fürsorge der Preußischen Rrgicrung in allen Phasen des Bestehens diesrr Verbindung.

Dafür müüxn wir aber auch an die Polen die Forderung stellen, das; sie ihre Pflichten als Preußkn erfüllrn (Zuruf bei den Polen: Thun wir!), fich als treue Untertbancn des Königs betrachten und füblén.

Ich weiß, daß es nicht wenige Polen girbt, die auch jsßi schon von solchrr Gesinnung durchdrungen sind. Andererfrits sind jedoch auf polnischer Srite leider aucb starke Bestrebungen bemerkbar, welche darauf gcrichtet sind, Feindschaft gegkn die Deutschen zu erregen. Solchen Bestrebungen, einer solchen Propaganda treten wir entgegen; denn dadurch werden unmögliche Zustände geschaffrn, die? eine Gefahr für Deutsche wie für Polen bedeuten.

Noch immer wird mit Gedanken gespislt und werden Hoffnungen erregt, die sich nicht verwirklichen können, seien es Hoffnungen auf Trsnnung der ehemals polnischen Landesibeile Von Preußen, srien es Hoffnungen auf größere Srlbsiändigkéit, das bsißt auf eine Art föderativr Verbindung mit Preußen. Für föderatiVe Tendenzen giebt es aber in Preußkn keinen Boden, und wird niemals ein Boden sein. (Sehr gut!) Eine Trennung dsr Provinz Posen von Preußen oder auch nur Line Lockerung ihres Verhältnisses zu Preußen würde die Erisiknz des Staats bkdroben. Wir könnrn und Werden die Provinz Posen nirmals wiedrr aufsrbcn. Fürst BiSrnarck batte Recht, wrnn rr seiner Zeit sagte: „Wir müssen uns den Weg von Königs- berg nach Bréglau freihalten.“ (Brady!) Ist dcm 0er so, so liegt es doch anch im Interesse drr Polnischen Brvölkerung, fich die Lage, in der sie sich brfindet, zu einer guisn und friedlichrn zu gestalten. Das ist nur zu «reichen, Wenn di? deutsch-feindlichrn Tendenzen, die jexzt noch virlfacb innerhalb der polnischen Brvölkrrung gepflegt werdcn, gänzlich verschwixtden. Dann wird auch jegliche Polen-feindliche Stimmung auf deutscher Seite Von srlbst aufhörrn.

Meine Herren, ich gestehe, daß ich nur ungern dc'n Polen diese Wabrbkitrn sage. Ich habe zu Orrschiedcnxn Zéiien in Polen (;(-„lebt und stehe mit manchen Pole'n in freundschaftlicber, mit cinigrn in vrrwandisckpaftliclysr Bezikbung. Dcrartige Brzirbungen können mir aber nicht die Augen verschlicßsn gegen die Gefabrcn, welch die polnische Propaganda für die preußische Monarchie in fich birgt. Wo die Jntercssen der Preußischen Monarchic in Frage kommen, kenne ich kein Kompromiß. (BravO!)

Zum Schluß möchte ich die Polcn an das Wort drs franzöfisckßen Dichters erinnern: „([cker 10 10113 0§])0jr 07; 13 x'rrZrcz ponczézcx!“ Thun die Polen das, entfeblagen sie fick) unrrfüUbarer Hoffnungen, werdcn oder bleiden fir ebrliche Preußen, so wrrden wir uns mit ihnen vcrständigen und friedlick) zusammenleben. (Brain)!)

Ab . 1)r. vrn Iazdzewski (Pole): Bci der Einbringung und lrßislairérisMn Bekandlung des Gcfeßcs voni 26. Avrrl 1886 bat die polnische Fraktion des Abgrordnetenbarrscs emen errischiedrnrn Protest dagegen erbobcn, und wir haben denielbrn untcr „x)mwrrs aus unsere Verbrieftkn und natürlichen Rechte und dre Königlrcbrn' erdetßungen unter anreren damit dkgtündet, daß dresrs Gesetz emerteits, vorn siaatrrrcbrlichen Standpunkt betracbxet, m Widerjpruch strbe mit dcn Art. 4 und 99 der Vrkußischen Verfassupg rind ebenso, 11111: dem Art. 3 der deutschen Zirickzéverfaffung, sowie mri dem damit tm Zusammenixang sieber-drn Reichsgesey „pom „1. Novemsber 1867, andercrseits aber eine politische und burgcrltche Bexcbrankuug der RrchtEfäbigkeis einer großen Anzahl von Staairangrborigen bewirke, eine ziklbcwußte Germanisierung und Protxstanttfierrzng unserer einheimischen polnischen Bevölkerung ber-brrzufubren geek, net sei und iniolge der rechtltchen und wirtbxcbafiltcben anacbtberigxmg der- selben die nationalen und religiöscn Gegensase verscbarfe und vertiefe. Wir halten anch heute an unseren damaligen Anschauungen fest. Die Erfolse der getroffenen geseßlicben Maßregel babxn im Laufe dsr Zeit bewiesen, daß durch die Handhabung und Ausfuhrung der- selben der soziale Frieden, das gegenseitige Vertraurn rznd Zizfammen- leben unter den Angehörigen verschiedener Nationalitatcn m_ einem sebr bedenklichen Maße beeinträchtigt und gefährdet worden ist; die Auswanderung der von der väterlichen Scholle Vertriebenen voin sche'n Bevölkerung in einer geradezu erschreckenden Weise gefördert, dre Mißstimmung, Unzufriedenheit und Verbitterung gesteigert und das Ansehen der Staawauwrität und das Vertrauen zu dxrselben vielfa unter raben worden ist. In Anbetracht dieser beiruberxden thatsä lieben ustände haben wir im Interesse beider Nationalitaten und im wohlverstandenen Staatsinteresse durcb Einbringune? und Begründung dementsprechender Anträge Jahr aus Jahr n die

ver aßtes am f : ek zuständiger Weise zu be eiligen, urn dadurch frie lchere VerZYltn ffe in unserer Heimat!; anzubahnen. Die Staats- regierun beantwortet nunmehr unsere durchaus ernstgemeinte und [ovalß 'Fufforderung mit der Einbringung eines Gesehentwurfs zur Verstarkung der ihr zur Verfügung gestellten Fonds,

wel en auch wir beitragen „müssen, um neue 100 .:Millionen Ma „beschuldit dabei unsere gesammte polnische Bevölkerung des Tnedensbru es und beweist dadur und durch die Lonstige Hand abung ibrer Regierungs ewalt, da wir nicht einer andes- väterlicben Regierung aegenüßersteben, sondern einem Regiment,

ReTierung u bewe en :;esucbt, ein in der Leidens aft des Augenblicks n

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welches durch _eine weitere Förderung des Germanisationswerkes, durcb Fortsetzung _und Festlegung auf unabsebbare Zeit eines nach unjerem Dafurbalten mit der Verfaffung nicht vereinbaren Systems und7dz1rch Verschärfung der Par1'ei- und Nationalitäts- anensä ? diejenigen rechtlichen und sittlichen Grundsäße außer A t ißt, an welche in einem geordneten Staatswesen und in einem Kulturstaat jedewoblwollende Regierung pflicbtmäßig gebunden ist. [Jutek solchen Umstanden und Verhältnissen erneuern wir hiermit ausdrucklich und feierlich unserm Protest gegen die formelle und materielle Berechtigung des Gesetzes vom 26. April1886, welches nach unserem Dafurhalfen mit den Verfaffungsbestimmun en nicht in Einklayg zu bringen isi, erheben Protest gegen die eabsichtigte Verscbarfung seiner Bestimmungen durch Zuwendung neuer Staats- fonds und werden uns, wenn uns nkcbt eine besondere Veranlaffuug FFW zwingt, an der Beratbung dieser Regierungsvorlage nicht be- e gen.

Aba. 131". von Heydebrand und der Lasa (kons.): Der Justiz-Mimsier bat ailerdings erklärt, daß die Auffassung der Polen, daß das Anfiedelungs'gescß Vom Jahre 1900 an nicht mehr aufrecht erhalren werdrn, könne, unrichtig sei. Ich hätte gewünscht, daß die Fassung dcs_ CrnfübrungSg-Zsetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuch, wie sie in zweiter „Lesung beschloffen worden ist, aufrecht erhalten wäre; ich hatte mrndgstenß gewünkcht, daß die Vertreter der preußischen Regierung im Reichstage m der dritten Lesung ge en den Antraa auf Aenderung gesproiiren hätten. Da das nicht gesche en ist, so müssen wir uns mit der Erklärung der Reaierung begnü en. Wir bestreiten, daß die Vor- [996 an sich eine differentielle 5 ebandlung der Protestanten und Katholiken enthält. Wo Katholiken herangezogen worden sind zur Ansiedelung, haben wir nicht bloß je t, sondern auch schon früher die Erfahrung gemacht, daß die Kat oliken ibr Deutschtbum nicbt aufrecht erhalten konnten. Es [iet in der Hand der katholischen Geistlrcbkeit, mrbr als bisher Katbo iken zur Ansiedelunß heranzuziehen. Der Vorredner Hat Vorwürfe gegen die Vorlage erhoben, ie ungebübrlich smd. Er bkmängelt die verfaffungsmäßige Zulässigkeit. An der Be- stimmung der Reichsverfassung, daß die Reichsangebörigen überall (Grund und Boden erwerben können, wird nichts geändert. Zum Er- werb von “Grund und Boden gehört einer, der kauft, und einer, der verkauft, und dem Verkäufer muß es doch unbenommen sein, sich den Käufer auszusuchen. Die Vorlage bewegt sich auf dem Boden des öffrntlicben Rechts, und Preußen bleibt irotz dieser Vorlage der Rechtsstaat, der es immer gewesen ist. Die öffentlichen RechtSzustände müffen Vorbehaltlos anerkannt werden von denen, die von den chbten der Staatsbürger Gebrauch machen. Erkennen Sie (die Polen) den preu ischen Staat in seiner Zusammenseßung vor- brbaltlos an? die Polen schmerzlich von einer sol en Vorlage berührt werdrn, fühle ich ihnen vöUig nach. Es handelt ck aber darum, daß polnischen und auch deutschen GrundbesiYern der Grundbesiy abgekauft wird. Darin liegt kein Zwang; es st auch schr zweifelhaft, ob dem polnischen Grundbcfiß diese Maßregel mehr aenüyt oder geschadet hat. Die Ansiedelungsdörfer, die mit deutschen Kolonisten besiedelt find, sind ein großes Kulturwerk ersten Ranges. An Stelle der wüsten, vernachlässigten Wirthscbaften des GroLgrund- basißes finden sich je t aufblühende Dörfer. Eine aggresfiVe, endenz ist in der Vorlage ni t enthalten, da niemand expropriiert wird. Es ist in der That an der Zeit, daß etwas geschieht zum Schutze des Deutschthums in den bktheiligtrn Provinzrn. Es ,hat sich der deutschen Bevölkerung in dissen Provinzen beréits em Gefühl der Mutblofigkrit bemächtigt; sie erwartete, daß ein entschiedenes Wort gesprochen werde. Denn thaisächlich gin die deutsche Sprache und deutsche Bedölkerung dort zurück. Der ole hatte einen starkeren Rückhalt; denn die Kinder der polnischen Familien gingen nicbt so leicht aus der Heimaib, und wo sie fortgingen, da hielten sie ihr Polenthum hoch. Wenn d_te Deutschen nur „auch immer das „Drutschland, Deutschland pber Alles“ zu tbrer Parole machen wollten! Da mußten wir der Staatsregierung zur Seite sieben, wenn sie fich_ anschickte, die ungünstiéen Ver- hältnisse für die Deutschen außzugletckoen. Auf Grund drs Ge ckck von 1886 dachte man große Landflächen erwerben zu können. Das hat fick) als irrig berauSgestellr. Es galt n1cht bloß, große Flacherx zu kaufrn, sondern auch ein esundes kommunale? Leben zu schaffen, wrlches dcm Deutschthum erßalten bleibt. Qualttattv ist Bedeutendes erwirbt wordrn. Es ist ein großer Vortheil, daß man dert Schatz wirtbschaftlich€r Lcistungßfäbigkeit, der sonst nach, Amerika aus- grwandert wäre, für Preußen erhalten hat." Wir werden, das Geschaffene nicht im Stich laffen, deny das wurde Mutbxosrgkeit in die Reiben derjenigen bringen, die 1er Hetmatk: Vrrlanen haben, um dorthin zu geben, wohin der preußische Staat ste berufen hat. Wir haben das Vertrauen, daß das Vrrfahrrn, welches schon verbessert ist, noch mehr verbessert wird. Wenn man die Polk" so reden hört, so hqi man das Gefubl, als wenn es iHm-n im vrrußiscben Staat nicht mehr_ gefällt. „Was wollen die Polrn derm? Wollen sie russische Zustande? Em Theil ihrer Nationsanxrrbörigen lebt ja in Rußland. Vergleichen Ste, was Ihnen in Preußrn geboten wird und Ihren Volksgenoffen in Ruß- land. Haben sie dort das Recht, ihre. Bsschwerden außzusprechen? Da wird eine ganz andere Sprache unt dcn Polen gesprochen. Und das gelobte Galizien! Das ichwebt Ihnen als Ideal vor. Aber da hat der Reichskanzler Recht. So etwas giebt es bei uns in Preaßen nicht. Denn wir sind ein Einheitsstaat und kein Konglomerat. Unsrre Geschichte'weist uns" darauf bin, ein Einheits- und ein deutscher Staat zu sem, sonst wurde es nicht [an e mit der vrrußiscben Kraft dauern. Wollen die Polen ern selbi- ständißrs Reich? Eine Anzahl Erscheinungxn deutet darauf bm. Aber damit ist es nichts. Das polnische Reich rst aefallen, weil das Volk nicht die Kraft batte, die Freiheiten des Einzelnen dem Staats- intereffe unjerzuordnen. Wir werden"es nicht vergessen, daß das polnische Schwert Europa Vor den Turken rettete. Aber wir sind nicht blind, wir kennen die geschichtliche Entwickelung PolenS' dre nationalen Ybler find auch beute noch nicht untsrgegangerx. a en Sir den raum, auch wenn rr ein schöner Traum tft. ie werden von solchen Eingriffen, wie sie [L t gemacht werden, verschont bleiben, wenn Sie si vorbehaltlos au, den Boden des preußischen Staats stellen. Die taatSregierung wird die Maßregeln nur dqnn richtig durchführen können, wenn als Grundsa die einheitliche Konsequenz gilt. Der Vorredner“ konnte mit Re t saggn: Es war nicht immer so wie jetzt. Wenn das Yufiedelungßwesen richtig durch- aefübrt wird, dann wird etwas erreicht sein, was dem preußischen Staat nicht bloß einen äußeren Machtzuwachs giebt, sondern auch eine innere Stärkun .

Abg. Jm Waile (Zentr.): Troß mancher schönen Worte des Vorredners hörte man aus (Um seinen Worten nur heraus das „ja, die Vorlage muß angenommen werden“. Am besten hat unseren Standpunkt bei der früheren Vorlage Herr von Huene vertreten, indem er sich auf den Standpunkt der Gerechtigkkit stelite. Gerechtig- keit muß überall gelten, mag es sich um das burgerlt (2 Recht, um das öffentliche Recht oder um das Naturrecht handeln. ie nationale Minderheit darf die Gerechtigkeit nicbt yerlezßen, aber die nationale Mehrheit darf auch nichts thun, was die nationale Minderheit verleßt in ihrem Recht oder was bestimmt ist, die nationale Minderheit aus- zurotten. Die Ausführung des Gefeßes hat bestätigt, was Windtborst vorauSgesagt: daß dasselbe nur beitragen solle zur Protestantisierung der polnischen Landestbeile, wodurch die Parität, die in Freußen Geltung haben soll, verle t wird. Die kulturelle Arbeit ist a erdin s gefördert worden; es ud neue Bauernstellen an der Sie e devastierter Güter geschaffen. Aber warum macht man dassel_be Experiment nicbt ZUM in anderen Provinzen? Professor Delbruck

streitet, da dur

TLM cbtbum ßgefördert wird; er behauptet, daß jede VolkSzäblung, jede ahl die rapide Vermehrun des Polentbums zeigt. Was be- deuten 2200 deutsche An edler be einer Bevölkerung von 4 Millionen i Wesipreußen und Vom! Die Konservativen freuen sich, wieder einmal im alten Kurse zu segeln. Vom Reichskanzler aber am i

(: en: Es that mir webe, daß ich ihn in dieser Gesellschaft ebe. Mit Nationalliberalen zusammen haben wir den ALsessor-Paragrgpben und das Vereinögeses abgelehnt. Sollten Sie 11 cbt so viel Lrbera-

e Maßregeln der Ansiedelungskommifsion das

i [ aben, auch dieses Geseß abzulebnen? Man dier'irsgtUYYcheb ZgßfiiitbSkiptennat, sondern sogar ein Aeternat. | i Minister für Landwirthschaft 2c. Freiherr von Hammer- ? 11:

Meine Herren! Ich hatte eigentlich nur die Absicht, die Begründung für die Regierungsvorlage nach verschiedenen Richtungen bin zu ver- vollständigen, statistisches Material zu geben und auf verschiedene Gesichtspunkte zurückzugreifen, die bei der Einbringung der Vorlage im Jahre 1886 für die StaatSregierung maßgebend gewesen sind daran zugleich eine Darlegung darüber zu knüpfen, in wie weit sich die Voraussetzungen, von denen man bei Erlaß des Geséßes von 1886 auöging, bewahrheitet haben. Bevor ich dazu übergebe, halte ich mich verpflichtet als Vertreter der Königlichen StaaTSregierung, auf einige Ausführungen einzugeben, die der leßte Herr Vorredner gemacht hat, und einige Worte auf die außerordentlich scharfe Protesterklärung der polnischen Fraktion zu erwidern. Meine Herren, in der Protest- erklärung der polnischen Frakjion wird zunächst behauptet, diese wie die frühere Vorlage über die Ansiedlung in den polnischen Landes- tbeilen ständen mit der Verfassung nicht in Einklang. Ich brauche auf eine sachliche Widerlegung dieser Behauptung um so weniger

“einzugeben, als das hohe Haus und die StaatSregierung bereits

dieselbe Frage zu prüfen und zu entscheiden hatten, als das Geseß von 1886 vorgelegt wurde; und damals hat fich die Königliche StaatSregierung mit dem ganzen Landtage, oder doch Wenigstens mit dessen großer Majorität, zu der Ansicht entschieden, daß diese Behauptung zweifellos eine unberechtigte sei. Meine Herren, die zweite Erklärung in dem Protest behauptet, daß die zur Zeit bestehende deutschfeindliche Haltung der polnischen Partei auf das Ansiedlungsgesetz zurückzuführen sei. Meine Herren, ich acceptiere das qualifizierte Zugeständniß, das in dieser Protesterklärung enthalten ist. Es wird in der Begründung dieser Behauptung zugegeben, daß eine absolut deutschfeindliche Haltung in der polnischen Bevölkerung bestehe. (Sehr gut! rechts.) Die Be- bauviung aber, daß die Ursache in dem Ansiedlungßgeseß und in dessen Handhabung zu finden sei, muß ich auf das entschiedenfte bestreiten. Die Handhabung des Geseßes durch die Königliche StaatSregierung ist eine durchaus loyale gewesen und hat nach meiner Ueberzeugung- das werde ich, Wenn auch nicht hier, so doch in der Kommisfion dar- legen -- sogar Wesentlich die kulturelle Entwicklung der polnischen Bevölkerung im preußischen Staat gefördert. Meine Herren, es ist zweifelios und feststehend, daß zur Zeit, ais die preußische Monarchie diese jeßt preußischen, früher poinisrben Landestbeile erwarb, die Kultur, der wirtbschaftliche, der sittliche Zustand der Bevölkerung ein wesentlich niedrigerer war, als das jeßt der Fall ist, daß unter der landesväterlichen Regierung des preußischen Königshauses eine wesentliche Steigerung des wirtbschaftlicben, des sittlichen und Vor aliem des kulturellen Zustandes in der polnischen wie in der deutschen Bevölkerung in den früheren polnischen Landestbeilen stattgefunden hat. Wesentlich ist das auf die Einwirkung des Deutschtbums,welches jetzt durch das AnsiedlungSgeseß gestärkt ist, mit zurückzuführen.

Meine Herren, die leßte Aeußerung in der Protesterklärung der polnischen Partei bin ich genötbigt, mit Entrüstung zurückzuweisen, welche besagt, daß von einem landesväterlicben Regiment der polnischen Bevölkerung gegenüber im preußischen Staat nicht die Rede sein könne. Daß diese Anschauung hier im Hause getbeilt wird, geht aus der Mißfallsnbezeugung bertwr, welche bei dieser Behauptung auf allen Saiten des Hauses bekundet Wurde. (Sehr richtig!) Meine Herren, die Behauptung ist absolut unrichtig, im Gegentbeil, der Königlichen StaatSregierung gegenüber ist von deutscher Seite wiederholtbebauptet worden, das landesväterliche Regiment den Polen gegenüber gebe über das brrcchtigte Maß hinaus und zwar zum Nachtheil des Deutschthums, der deutschen Bevölkerung in den polnischen Landestbeilen. (Lachen bei den Polen.)

Ueber die Berechtigung dieserBebauptung maße ich mir ein Urtbeil nicht an, kann adrr nicht leugnen, daß gewichtige Gründe für diese Anschauung seitens der deutschen Bevölkerung in den polnischen Landes- theilen geltend gemacht werden.

Meme Hrrrcn, ich wil] mit wenigen Worten auf die polnische Bewegung im allgemeinen eingeben. Anfänglich wurde diese Be- wegung getragen - ich glaube die Richtigkeit dieser Behauptung be- weisen zu können - von der höheren katholischen polnischen Geist- lichkeit und dem polnischen Adel. Sie hatte zWeifellos das Ziel, einen selbständigen polnischen Staat unter einem polnischen König wiederberzusiellen. Die Bewegung hat wiederholt zu revolutionären Eruptionen geführt, im wesentlichen war sie aber -- das betone ich auf das schärfste _ keine aniimonarchische; sie trug lediglich den nationalen Gedanken, man glaubte, den polnischen Nationalstaat wiederherstellen zu können. Wie die preußische Regierung über die Aussicht eines solchen Zieles denkt, ist bereits in der Erklärung des Herrn Minister-Präsidenten dargelegt. Wie hat jeßt sich die polnische Bewegung gestaltet? Der nationale Gedanke ist mehr in den Hinter- grund getreten, die Bewegung erhofft vieneicbt noch den polnischen Nationalstaat, fie ist aber eine demokratisch-antimonarchische geWorden, sie wird im wesentlichen getragen vom Mittelstand, dehnt sich immer weiter auf die breiteste Bafis der polnischen Bevölkerung aus und wird mit größter Energie, mit erbitterter Aggressivität geführt. Die Bewegung beschränkt sich nicht wie früher auf die Angehörigen der rein polnischen Nationalität, sondern sie sucht die Bewegung aucb binüberxutragen in die verwandten Nationalitäten. Man sucht die Litbauer, Masuren, Kassuben bineinzuzieben, man beschränkt die Be- wegung nicbt mehr wie früher auf die alt-polniscben Landestbeile, sondern trägt die Bewegung auch dahin, wo in rein deutschem Ge- biet infolge der Freizügigkeit sicb Polen in größerer Zahl aufhalten, z. B. nach Westfalen, wo zu Tausenden Polen als Jndustriearbeiter sicb aufhalten. Auch dort ist die Bewegung eine absolut deutsch- feindlickpe und bewegt sich in demokratischer, antimonarcbistber Richtung, man verlangt dort polnische Geistliche und lehnt die Seelsorge durch die deutscb-katboliscben Geistlichen ab.

Eine solche Bewegung muß ernst beachtet werden, die ßaats- gefäbrlickper als die frühere, die doch auf die rein polnischen Landes- tbeile und auf die rein polnifcbcn Elemente beschränkt war,- eine Be- wegung, die weder demokratisch noch antimonarcbiscko war.

Meine Herren, ich verlasse damit die Protestnklänmg, erwideee aber wenige Wort: auf die Aeußerungen, die aus dem Zentrum ge- fallen sind. Meine Herren, etwas Neues hat der levi: Her: Vor- redner nicbt vorgebracht. (Sehr richtig! rechts und bei den Nakional- liberalen.)

Dieselben Gesichtspunkte, die vorgetragen wurden, als im Jahre