1898 / 18 p. 5 (Deutscher Reichsanzeiger, Fri, 21 Jan 1898 18:00:01 GMT) scan diff

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* 1886 das Anfiedelungkgeseß beratben wurde, werden erneut vorgebracht.

Der Herr Vorredner hat sogar Aeußerungen, welcbe seiner Zeit Herr von Huene gemacht hat, wörtlich verlesen. Erneut wie im Jahre 1886 wird behauptet, der Zweck der Vorlage sei wie derjenige des Geseves von 1886, das Polentbum außzurotten. Meine Herren, der Herr Reichskanzler und Minister-Präsident hat bereits klar gelegt, daß der Staatßregierung nichts ferner liegt als dies. (Lachen bei den Polen.) Die Königliche Staatsregierung fordert von ihren posnischen Unterthemen nur, daß sie polnische Unterthemen deutscher Nation in preußischer Nation sind oder werden, was sie bis jetzt nicht anerkennen wonen. Die Absicht der Audrottung des Polenthums weise ich als falsch mit Entschiedenheit zurück. Die Polen mögen ihre Nationalität, aber als Angehörige des deutschen Reichs, des preußischen Staates, dabei ihre Sitten, ihre Sprache, ihre Religion bewahren.

Zweitens wird dann vom Vertreter des Zentrums die Paritäts- frage behandelt. In dieser Beziehung muß ich bestreiten, daß die Vorlage gegen die katholische Religion gerichtet sei. Meine Herren, es ist zwar zuzugestehen, daß unter den Ansiedlern, weiche die Ansiedelungskommission angeseßt bat, die Zahl der angesiedelten Katholiken nicht so groß ist, wie diejenige der Protestanten, obgleich auch ganze Kommunen Wesentlich mit Katholiken angesiedelt sind. Es ist das aber natürliche Folge der Haltung der katholischen Partei, die es der StaatSregierung erschwert, die kirchliche Versorgung der nach Polen übersiedelnden Katholiken durch deutsch denkrnde, deutsch gesinnte katholische Geistliche ausführen zu laffen; die Erfahrung lehrt aber, meine Herren, daß die Katholiken des unteren Standes, wenn sie der polnischen Propaganda, namentlich der Einwirkung durch polnische Geistliche audgeseßt werden, Gefahr laufen, sehr bald polonifiert zu werden. (Sehr richtig! rechts.)

Meine Herren, wenn die katholische Kirche die StaatSregierung darin unterstüßt, daß deutsch denkende, deutsch gesinnte katholksrhe Geistliche für die Ansiedelungsprovinzen zur Verfügung gesielit werden- so wird die StaatSregierung bei der Ansiedelung die Parität zwischen Katholiken und Protestanten, soweit irgend möglich, zu fördern be- müht sein.

Meine Herren, ich verlasse jeyt die bisher gefaÜenen Aeußerungen und gcstatte mir nun einige Worte zu dem ersten Theil der Begrün- dung der Vorlage und werde dazu einige statistische Mittheilungen geben. In der Kommission, an welche voraussichtlich die Vorlage verwiesen wird, bietet sich dann die Möglichkeit, diese Zahlen mit den- jenigen zu vergleichen, welche mein Herr AmtOVorgänger, der Minister Lucius, bei der Berathung über das Geseß Von 1886 Vorgetragen hat. Aus einer Vergleichung dieses Materials mit demjenigen der gegen- wärtigen Vorlage, demjenigen, Welches ich jeßt zu geben beabsichtige, und dem Material, das in dem alijäbrlich dem Landtage zugehenden Bericht über die Erfolge des AnsiedelungSgeseßcs enthalten ist, das nun schon über einen längeren als 10jährigen Zeitraum vorliegt, wird ein klares Bild über die Gesammtwirkung der bisherigen Wirkung des Geseßes von 1886 zu gewinnen sein.

Ich halte es für unnötbig, meine Herren, auf die Darlegungrn, die in dieser Beziehung in der ere des Herrn Landwirtbschafts- Ministers Lucius enthalten sind, hier einzugeben, da ja Jedem die früheren Verhandlungen zugänglich sind.

Vorab gestaite ich mir noch eine allgemeine Mittheilung. Schon vor 1886 hat man Maßnahmen zur Stärkung des Deutschtbums in den polnischen Landestheilen ergriffen, man erwarb größkre Be- sitzungen aus Polnischer Hand zur Wikdétbkrgebung an Druische. Diese Maßnahme hat sich im Wksentlichen als wirkungslos erwiesen. Man nahm in Aussicht, den Domanialbefitz zur Stärkung des mittleren deutschen Befiyes in Rentcngüter zu zerlegen. Nur eine einzige Domäne ist in Rentcngüter zerlegt wvrdrn. Man nahm in Aussicht, dazu geeigneten Domanialbesiß zur Vertheilung in mittlere Erundbefitzungen an dieAnsiedelungskommiffion zu Überweiscn. Von dieser Befugniß hat man keinen Gebrauch gemacht.

Meine Herren, die Begründung der Vorlage sagt in ihrem ersten Theil:

Die Crfabrungrn des letzten Jahrzehnts haben die Notbwendig- keit des Vorgehens nach Maßgabe des Gesetzes Von 1886 bestätigt- und begründet diese Behauptung durch die Darlegungrn, wie sie im dritten Alinea der Begründung, auf welche ich verweise, gegeben wvrden. Es wird dort besonders berdorgehoben, daß sich der kleinere und mittlere Grundbesitz zu Ungunsten des Deutschtbums wesentlich verschoben babe.

Schon im Oktober d. I. hat die Königliche Staatsregierung _ bekanntlich steht ja die Ansiedelungskommission direkt untrr dem König- lichen Staats-Ministerium, es wird nur die Feder für diese Ange- legenheiten im landwirthfchaftlichen Ministerium geführt _ eine Anordnung an die Ansiedelungskommission ergeben lassen, nach dieser Richtung umfassendes, diese Behauptung bewkisendes Material bis zum 10. d. M. Vorzulegen. Leider liegt dies Material zUr Zeit noch nicht vor, wird aber, nachdem es von der Ansiedelungskommission geprüft und festgestellt ist, in kürzester Frist eingeben, so daß dasselbe voraussichtlich noch zur Kommissionßberatbung dorzulrgen ist. Wenn ich sonach zur Zait ein erschöpfendes statistisches Material zwar nicht geben kann, so wia ich doch Folgendes nach dirser Richtung mittbeilen: Diese Mittheilungen beziehen sich zwar im wesentlichen nur auf die Provinz Posen, aber in der Provinz Westpreußrn sind die Verbäliniffe dieselben wie in Posen. Erschöpft ist mein Material aus der Literatur, aus dem offiziellen Gcmrindelexikon von 1874 und 1887, welche die Zählungen von 1871 und 1885 verwertbet haben, aus den endgültigen (Ergebnissen der Zählung von 1890 und aus den vor- läufigen Ergebnissen der Volkßzäblung von 1895. Meine Herren, der Großgrundbesiß in deutscher Hand umfaßt in der Provinz Posen 57,6 0/9 des gesammten Großgrundbesißes in der Provinz Posen. Ganz richtig ist diese Zahlenangabe wohl deshalb nicht, weil anscheinend dem deutschen Großgrundbesiß auch derjenige zugezählt ist, desen Vesißer zwar deutsche Namen tragen, die aber _ und das hat sich leider oft wiederholt _ Renegatcn des Deutschibums geworden und voüständig polonifiert sind. Der mittlere und kleine Besiß um- faßt in deutscher Hand 399 500 118, in polnischer Hand 655 700 115. Also der mittlere und kleinere Basis ist fast doppelt so groß in polnischer Hand, wie der mittlere und kleinere Besiy in deutscher Hand. Diese Zahlen beziehen sich aber nur auf das Land; wie das Befißverbältniß in polnischer und deutscher Hand in den Städten sicb vertbeilt, darüber liegen mir abschließende Zahlen nicht vor.

Meine Herren, nach diesen Zahlen müßte man annehmen, daß die Einwirkung des deutschen Befißes oder der deutschen Besißer auf die kulturelle und wirtbfchaftliche Entwickelung, die Einwirkung in

politischer Beziehung sicb ziemlich gleich gestalten müßte der Einwirkung der polnischen Bevölkerung auf dem bezeichneten Gebiet. Das ist aber tbatsächlich leider nicht der Fall. Der Großgrundbesiß ist zum Nachtbeil der Deutschen in der Hand deutscher Forensen ; es arbeiten dann dortPächter und Pächter meistens polnischer Nationalität. Fast ausschließlich arbeiten auf diesem und dem etwaigen deutschen Großgrundbesiv polnische Arbeiter. Das ist zurückzuführen auf eine Verschiebung der deutschen Arbeiter. auf die ich später noch eingeben werde. _ Auch russische Arbeiter polnischer

Nationalität finden vielfach auf dem deutschen Großgrundbesiv Ver»

wendung. _

Ferner ist der Grund, weshalb bei dem mittleren wie bei dem Großgrundbefiß der deutsche Einfluß hinter dem polnischen Einfluß zurücktritt, daraus zu erklären, daß der deu1fcheGrundbesiß, namentlich der mittlere Grundbesiß, meistens zwischen dem polnischen Grundbesiß eingestreut liegt, daß daher ein fester Zusammenhalt des Deutschtbums fehlt. Die AnsiedelungSgeseßgebung hat besonders nach dieser Richtung hin eine Stärkung des Deutschtbums geschaffen. Dadurch, das; größere deutsche Gemeinwesen in verschiedenen Theilen der polnischen Landes- tbeile entstanden sind, haben die Deutschen einen festen Stützpunkt gemonnen sowohl in ihrer kulturellen, wie: in der religiösen, wie in der politischen und wirthschaftlichen Entwickelung. Dazu wird von der Ansiedelungskommission bezeugt, daß nicbt ailein eine Stärkung des Deutschtbums eingetreten sei, sondern daß auch die kulturelie, politische und wiribschaftliche Entwickelung in den den Ansiedelungs- gemeinden angrrnzenden polnischen Landestbeilen wesenilich gefördert sei.

Meine Herrrn, in dem mir vorliegenden Berichte werden die Gründe der Einwirkungen, die ich schon gestreiftbabe, in sieben Punkte zusammengefaßt. Ich darf mir gestatten, fie hier kurz vorzulesen. Es wurde auSgefübrt:

Daß der deutsche Einfluß auf die Polen troß dieser agraren Verhältniffe fich niibt so entwickelt hat, wie es nach dem Umfange des deutschen Gebietes der Fall sein müßte, liegt

1) in der eigenthümlicben Grundbesißenteignung der Provinz Posen, innerhalb deren der Großgrundbefiß vorberrscht;

und es wird darauf hingewiesen, daß der Großgrundbefiß in der Provinz Posen zweimal so groß ist wie der Großgrundbesiy beispiels- weise in der Provinz Sachsen;

2) in dem Umstande, daß sich ein erheblicher Theil des deutschen Großgrundbesißes in forenfischer Hand befindet;

3) in dem Fluktuieren des deutschen Großgrundbesißes von einer Hand in die andere; *

_ in 'der Beziehung Werde ich gleich noch Zahlen mitibeilen, die staunenerregend sind; _

4) in der Zerstreuung _ Nichtgeschlossenheit _ der deutschen Bevölkerung in der ganzen Provinz;

5) in der geringen Vermehrung der deutschen? Bevölkerung gegenüber der polnischen Bevölkerung seit 1871;

6) in der stärkeren Vermehrung der Bevölkerung polnischer Zunge, die den deutschen Tagearbeiter geradezu verdrängt;

_ es ist ja eine ganz bekannte Thatsache, daß die deutschen Tage- arbeiter immer mehr aus den polnischen Landestbrilen nach dem Westen auHWandern;

7) in dem Erstarken des nationalen Gefühls auf polnischer Seite durch die 1872 ungemein gehobene Schulbildung, durch die genoffenschaftliche Sonderorganisaiion der polnischen Kreditbereine und endlich durch die sehr erstarkte polnische Presse.

Das sind die Gründe, welche der mir Vorlirgende Bericht berborhrbt. Was den letzten Punkt anbetrifft, so betreist das wieder, welchcn Einfluß die Erstarkung dcs Deutschibums, soweit fie statt- gefunden hat, auch auf die Entwicklung der polnischen Bevölkerung geübt bat, und cs bew-xist die Richtigkeit des Saßes, drn ich vorhin allgemein aufsteÜte, daß die landedväterlicbe Fürsorge der preußischen Könige in den ehemals polnischen Landestbeilen eine außerordentliche Verbrfferung der kulturellen, sittlichen und wirtbfchastlichen Entwicklung angebahnt bat.

Ich habe dann gesagt, ich würde noch eine kurze Mittheilung über die fluktuierende Bewegung namentlich in dem Großgrundbesiß geben. Seit 1815 sind yon 81 größeren (Gütern nur 8 in derselben Familie geblieben. Die übrigen haben nur 11 bis 12 Jahre denselben Besißer gehabt. Einige Güter haben in 45 Jahren 9verschiedene Eigentbümer, respektive in 56 Jahren deren 10 Verschiedene Eigen- tbümer gehabt.

Meine Herren, eine fluktuierende Bewegung im Grundbesiß ist in politischer, sozialer und wiribschaftlicber Beziehung in hohem Grade bedenklich. Der stetige Besißwecbsel im Grundbesiß bat eine Deteriorierung drs Grundbesitzes zur Folge. Wenn der Besißcr nicht an seiner Scholle hängt, dann bleibt er kein loyaler, kein treuer Unterthan, dann hängt er nicht _ und der Mensch ist im wesentlichen ein Produkt der Scholie der Erde, auf der er grboren und groß- gewachsen ist _„nicht so treu und fest zusammen, wie dies zu wünschen und zu erstreben*ist.

Meine Herren, in Sachen der Verbreitung des Deutschtbums über die Provinz Posen sind 3 Perioden zu unterschriden: einmal in der Zeit Von 1825 bis 1871 _ also in 46 Jahren _; zweitens in der Zeit von 1871 bis 1885; diese Periode umfaßt also 14 Jahre, und drittens die Periode von 1885 bis 1895: fie umfaßt 10 Jahr?.

Meine Herren, in der ersten Periode vermehrten fich die Deutschen von 100 auf 175 Köpfe _ in der ersten Periode also jährlich um 1,64 0/0 _, die Polen aber nur von 100 auf 147,76 also, jährlich um 1,04 0/9. Diese Periode fällt in die Zsit der großen LanderWerbungen durcb deutsche Hand, durch deutsches Kapital. In dieser Periode war also eine Zunahme des deutschen Elements zu verzeichnen.

In der zweiten Periode vermehrten sich die Deutschrn von 100 auf 102, die Polen von 100 auf 113, also jährlich die ersteren um 0,14, die [cyteren um 0,39, als:) 6,6 % stärker. Das war die Zeit der Freizügigkeit und der Audwanderung der Deutschen nach den Städten und in die Jnduftriezentren des deutschen Westens.

In der dritten Periode vermehrten sich die Deutschen von 100 auf 104, die Polen von 100 auf 106, also jährlich die Deutschen um 0,4, die Polen um 0,6; die legten also 1/:1 mal stärker wie die Deutschen.

Meine Herrn, diese Zahlen sind von hoher Bedeutung. Ich babe vorhin schon auf die Bedenken hingewiesen, die in der Zerstreuung des Deutschihums in den polnischen Landestbeilen liegen, wodurch die Widerstanddfäbigkeit gegen die immer mehr zunehmende und immer stärker agitierende polnische Bevölkerung gefährdet wird.

Meine Herren, ich verlasse diesen Gegenstand, indem ich auf das in der Begründung und in den über die Thätigkeit der Ansiedelungs-

kommission erstatteten Berichten enthaltene statistische Material bier

nicht weiter eingebe.

Sie, meine Herren, werden aus dem gesammten vorliegenden Material selbst sicb Ihr Urtbeil zu der gegenwärtigen Vorlage zu bilden haben.

Meine Herren, zum Schluß meines Vortrages gestalte i(b mir noch eine augemeine Bemerkung. Das preußische Königtbum steht noch gegenwärtig auf dem Standpunkt, auf dem das preußische Königtbum zur Zeit des Königs Friedrich des Großen stand, der bekanntlich seiner Zeit_ den Ausspruch that: „In meinem Staat kann und soll Jeder nach seiner Fayon selig werden“. Diese Grundfäße gelten auch noch heute. (Na, ua!)

Die Behauptungen, welche von polnischer Seite aufgestellt werden, daß die ganze Bewegung zur Stärkung des Deutschtbums einen konfeffionellen antikatboliscben Charakter trage, ist unrichtig. Es wäre auch meines Dafürhaltens verkehrt, wenn dieser Grundsaß Verlassen würde. Meine Herren, die Aufgabe, die Mission der preußischen Monarchie war und ist es noch, das Deutschtbum zu stärken, in die Ostmarken des Deutschen Reiches deutsche Kultur, deutsche Sitte, deutsches Leben bineinzutragen und da, wo die Anfänge dazu gemacht sind, sie zu erhalten, sie zu stärken. (Bravo !)

Der vornehmlichste Hort für die Erhaltung, für die Stärkung des Deutschtbums ist das gegenwärtige Deutsche Reick), ist das preußische Königthum, der preußische Staat, der an der Spiße des Reichs steht. Daß sowohl Seine Majestät der Deutsche Kaiser wie das gesammte deutsche Volk, daß Seine Majestät der König von Preußen wie die überwältigende Mehrheit des preußischen Volke's gewillt sind, deutsche Kultur, Sitte und Religion zu erhalten, zu fördern, zu erweitern, und wie bisher namentlich auch die Ostmarken, die mit schweren Opfern seit Jahrhunderten für Deutschland, für Preußen erworben sind, als deutsche Länder zu schirmen und zu scbüßen, dessen bin ich mit der großen Mehrheit dieses hoben Hauses gewiß. (Bravo!) Das schließt nicht aus, daß man die dem Deutschen Reich, dem preußischen Staat angehörenden nichtdeutschen Nationalitäten in ihren berechtigten Eigentbümlichkeiten schont, wie das stets geschehen ist, selbst. verständlich innerhalb derjenigen Grenzen, welche der Herr Minister- Präfident vorhin präzisiert bat. Fremde Nationalitäten, die unter unserem Dachs, in unserem Lande mitwobnen _ es ist jeßt deutsches Land, in dem Polen wohnen _, müffen sick), wenn wir in Frieden mit einander leben wollen, den berechtigten staatlichen Anforderungen fügen und unterwerfen, dann wird man ihr nationales Gefühl und Vervußtsein schonen und ertragen können. Diese Unterwerfung wird, davon bin ich überzeugt, wie schon bisbrr, so auch ferner die kultureUe, wirtbschaftlicbe und politische Entwickelung dieser Bevölkerung zu bclrben und zu fördern geeignet sein. Daß nach dieser Richtung hin baldigst ein dauernder, ein gefichrrter Frieden eintreten möge, das wolle Gbit walten. Die Staatßregierung erhofft und wünscht aufrichtig, daß dies Ziel in nicht zu ferner Zeit erreicht Werde. (Lebhafter Beifall, Zischen bei den Polen).

Abg. (Gamp (fr.;kons.): Noch nie habe ich eine so widerspruchs- volie Rede gehört, wie heute vom Abg. Jm Walie. Jeder Staat hat zunächst das Yrcht auf seine Existenz. Die Pole'n folien von der Majorität unterdruckt werdrn, inkden polnischen Landestbeilen sind aber die Deutschen in der Mtnoriiat. Man sagt einmal, das (Heseß roite das Poientbum aus, und das andkre Mal, das Gases habe keinen Erfolg gehabt. Welcher Widerspruch! Ein Hohn auf das Budaetrecbt ist die Vorlage ketncSwe s. Wir stimmen der Vorlage im Ganzen zu, Vorbehaltlich einiger * enderungrn in drr Kommission. Die Hauptauf abe der „Regierung muß es sein, den klein- bäuerlichen Be 1:3 auf seiner Scholle zu erhalten und dazu die Frage der Förderung des Realkredits einer baldigen Lösung entgegenzufübrcn. Die Ursache der Verdrängung des Deuts thums im Osten liegt in dem Zurückströmen_ der polnischen Bevö kerung aus den westlichen Provinzen, wg sie wahrend einiger Jahre bei dem hoben Lohn Ersparnisse macht, fur die sie sich dann im Osten an- kauft. Es ist ein Fehler, die großen Güter ganz zu zerschlagen und zu Anfiedelungszwecken zu parzSUinen, weil dadurch große Werthe in den Gcbäuden, Brennereisn, Starkefabriken u. s. w. verloren gehen. Ein Theil muß dem Großgrundbrsiß erhalten bleiben, dann allein können auch Arbeiter angesiedelt werden, welche der Großgrundbe tv beschäftigt. In dieser Hinsicht muß das Gesetz arändert werden. s muß ein schneilerer Umlauf bei den Ansiedelungen stattfinden, die éribaikreise können biel schneller ansiedeln. Die Fortbildungsscbulen ommen leider baupt1ächlicb dem Polentbum zu ute. Wenn die Herren Polen hier im Hause die Agitation ihrer Pres? wir leichter zu einer Verständigung kommen.

Abg. Munckcl (fr. Volksw.): Hier handelt es sich um das Zrinzip, ob für oder wider. _ Ick bitte Sie, von den wirthscbaftlichen

ründen für die Vorlage ganzlich abzusehen._ Das Vedürfniß, an Stelic des Verschuldcten Großgrundbesißes emen lebensfähigen kräf- tigen mittleren und kleineren Besiß zu setzen, ist nicht allein für Posen vorhandsn, sondern auch für meine Heimathprovinz Pommern, und ich Protestiere gegen diese Bevorzugung des polnischen Groß- Yundbefixes. Pkancher deutsche Großgrundbefißer hat auch das * edürfni , mit einem anständigen Kaufpreise sich auskaufen zu lassen und sick) in der Großstadt niederzulassen. Wir Alis wünschen dem Deutschtbum, das; es seine Kulturmisfion auch im Osten erfüllt, aber es ist uns nicht jrdcs Mittrl, dieses Ziel zu erreichen, recht; dieses Mijtkl jcdrnfails nicht. Die Polen smd preußische StaatSangebörige polnischer Zunge. Es giebt ein preußisches Vo k, aber keine preußische Nationalität, die Nation ist deutsch. Die Verfassun sagt, daß alle Prcußen Vor dem (Gesetz gleich sein sollen. Wie wi man um diese Bestimmung berumkommen? Wir befinden uns jest in der zweiten Instanz, die dritte kommt auch noch, denn diese 100 Miliionen werden auch nicht außreicben. Mit den ersten 100 Millionen hat man 10 000 Seelen angesiedelt, die Seele kommt uns also auf 10 000 .“ zu stehen. Das Gesetz steht mit dem Gleichheitsminzip der Ver- fassung nicht im Einklang. Der Zweck scheint die Mittel heiligen zu wollen, und das noch eher, als der berühmte Antrag des Zentrums zur Ausführung gelangt ist. Es soli eine Klasse begünstigt werden, um die? andere auszukauzen. Sie wollen die vorhandene Verschulden odrr unversckxuldéte Not polnischer Grundbefißer als Gelegenheit be- nußen, dcutsche Besißch anzusiedeln. „Auch durch eine soschneidi2e Verwaltung wie die des jeßi en Ministers des Innern werden Se niemals poinischeß Volksbewu Fein ausrotten. Wir sind die Stärkeren, [affen Sie uns vorangehen und den Polen das gute Beispiel des Friedens geben. Wenn wir von einem preußischen Rencqatenthum Sprechen könnc-n, so ist das kein gutes Zeichen für uns. Es sind eben 9 viele deutsche Ansiedler angesetzt worden, wie_ die Polen ihrerseits atis 5Yrivatmittein angeskßt baden. Sie rufen durch das Gesetz die 'gitation hervor, die Sie durch dasselbe beseitigen wollen. Den Zug nach dem Westen warden Sie nie verhindern; denn es ist eben im Westen schöner als im Osten. Wenn Sie mit diesen zweiten 100 Millionen das (Gleiche erreichen, wie bisher, dann werden Sie wieder dasselbe hören wie heute: das polnische Element verdrängt das deutsche. Stark und konsequent soll die Regierun ein, aber Obne Gereégtig eit iebt

e eindämmen, werden

vor alien Dingen soll sie gerecht sein. es keine Stärke. Nur auf diesem Wege kommen wr zu enem friedlichen Zusammenleben. Sie können doch die Polen ni tbinaus- drängen, auch nicht mit ihren 100 Millionen. Wenn sich be de Theile den Geseßen fügen, läßt sicb lebetz. Gin : es nach mir so le uten wir das Gescs glech in zweiter Lesung ohne Kommis ons-

beratbung ab. (Schluß in der Zweiten Beilage.

M 18-

“Zweite Beilage zum Deutsrhrn Reichs-Llnzeiger und Königlich Preußischen Staats-Anzeiger,

Berlin, Freitag, den 21. Januar

(Schluß aus drr Ersten Beilage.)

Vizc-Präsident dcs Staais-Ministcriums, Finanz-Minifter ])1“. von Miquel:

Meine Herren! Ich würde vielleicht kxine Veranlassung gehabt haben, nach den Erklärungen des Herrn Minister-Präsidentcn und den Ausführungen des Herrn Landwirik)schafts-Minisiers an dieser Debatte mich zu bribeiligrn; aber die Ausführungen und die Fragen dss Herrn Abg..Munck€l uöibigen mich doch zu einigen Erwiderunßen und Antrr-orrrn, -

Der Herr ngc-brdncte fragt: Wie Verérägt es sich wohl mit dcn Finanzen, Wenn hier wieder 100 Millionen, demnächst nochmals weitere 100 Millionen und so ins Unendliche fort bxwilligt wrrdcn, da doc!) mit dirscn jetzt geforderten 100 Miliionen auch kein großcr Erfolg Erzielt werden kann? Zudörderst bcsirciir ici), daß für die Zwicke, welobe das erste Gesetz Verfolgte, kcin erhcbiicher Erfolg Erzielt worden ist. 2200 angesiedeltr deutsche Bauern, meine Hrrrcn, die etwa zwölf bis vierzehn, fünfzehn Dörfer außmachcn, gut konglomcrirrtr, kulturell hochstehende Elemente (ua, ua! bei dkn Polrn), bsdeutend höher sirbende Elemente, als sie durch- schniitlich bisher in dsr Provinz Posen Vorhanden warkn (sebr richtig! rrchis, _ srbr unrichjig! bri den Polen), brdruten schon an sich viel, Abcr, maine Harren, das Ansiedelungdrverk ist noch garnicht dbiiendet mi! drm bereits stattgefundenen Ankauf von Gütern. Wir brsiscn noch, wknn ich Es augenblicklich rrcht im Kopf habe, aus dirfsn 100 Millionen etwa 60 000 115, die der Bcsisdelung noch unrrrworfcn werdcn soÜcn. Dic Besiedelung geht allerdings langsam; aber allerhand Z€ichen find dafür vorhandrn, daß sie in steigendem Maße in Zukrinft, nacbdcm wir Crfabrurigrn gemacht haben, nachdem wir das richtige Psrfonal brfiyrn, nachdem wir die Güter in großem Maße für die Ansirdrlung adiirrt haben, viel schneller gehen wird. (Brado! rrchtö.) Wenn das abkr auch nicht der Fal] wäre_ drr preußische Staat ist stark genug, die notdwéndige Zeii auf diese Dinge zu vcrwenden. Wir haben solche Eile nicht; wir fürchten uns nicht; wir können das Grschäft in aller Ruhe fortseZc-Jn, mag es Einigc Jahrs [ängrr dauern oder nicht.

Mrinr Herrrn, was die finanzirlie Seite? betrifft, so wriß ich noch garnicht, ob wir nicht rin ganz giiies finanzielirs Ge1chäft macbrn, wenigstens wknn man nicht kleinlich fiskalifck) bloß auf die mymrniancn Zahirn sicht. (Hriterkcit) Wir haben etwa 2,04% ron drn Cinlagrn, und das Geld kostet uns etw.“: 30/0; das würde also einen jährlichen Gesammiberlust auf die Volistcindig außgegebkncn 700 Millionrn don etwa 800000 „M ergebén. Das wäre an und für sich ja nicht so gefährlich; wir könntcn das noch länger cr- traßrn, aiich mit mehreren Hunderimiklionen. Aber wir er- wrrbcn außrrdem steustkräftigr, kultureli für dcn prsußischen Staat arbeitkndr skßbaftr Baurrn, und ick) weiß nicht, ob die nicht mrbr Werth sind als eine jährliche Mehrausgabe aus der Staatskasse- own 800000 (jr.

Meine Hrrrcn, daß die freismnige Partei durch den Mund dss *Nrrn Aba. Muncksl sich gegen dieses Gesetz erklären würde, ist mir ja Vollständig crklärlich und nach der bisbrrigen Geschichte und drm bisherigen Verhalten der freisinnigen Partri in solchen nationalen Fragen garnicht verwunderlich. (Sehr richtig! und Brado! rcchts.) Offkn gestanden, bedauere ich das auch nicht einmal so sehr. Aber ich möchte doch gegenüber drn Ausführungkn drs Hrrrn Abg. Munckrl noch einmal aufs neue die Stcliung der Staais- rrßirrung gcgcnübrr dieser Frage betonen, um zu Vermeiden, daß aus scincn Ausführungen dirscr Stellung ein schiefes (Gesicht grgeben wird, ais wenn wir in feindlicher Absicht, möchte ich sagen, einkn Kricg argen unsere eigenen Unterlbanen führen ontrn. (Sehr richiigx bei drn Polen.) Das möchte ich dock; in der bestimmtrsten Weise noch einmal ablehnen. Ich wende mich in dieser Béziehung Vor allem an die polnischen Abgeordnrtrn. Meine Hrrren, Sie können doch nicbt lrugncn _ denn das liegt am offenen Tage und Vor der belicn Sonnr_, daß seit Jahrzehnten in steigendem Maße ein Bestreben in dkr polnischen Bevölkerung dieser östlichen Provinzen berdorgetreten ist, sicb von der deutsÖenBevblkerung abzusondcrn (Widerspruck) bei denPolen), nichts mit der deutschen Bevölkerung gemeinsam zu haben, wrdrr ideale noch materielle Gemeinsamkeit zuzulassen. Das ist ein Saß, ker garnicht bestritten werden kann (Unruhe bei den Polen); man wüßte denn vollständig blind sein. (Sehr richtig! rechts.) Meine Herren, alle Ihre Vereine, wiffenscbaftliche, Schulvereine, sonstige idkale Bestrebungcn verfolgenren Vereine nicht bloß, sondern alle Ihre Vereine zur Förderung des materiellen Wohls der Angehörigen Ihrer Nationalität halten Sie vollständig abgesondert von den deutschen Lleicbartigen Bestrebungen; Sie Haben jede Gemeinschaft mit den Deutschen verweigert (Rufe bei den Polen: Aber der Sprache wegen !); die entgegenkommendcn Bestrebungen der Deutslhen, gemeinsame landwirtbschaftlickoe Vereine zur gemeinsamen Hebung der vollkommen gleichen und gemeinsamen Interessen der Deutschen und der Polen mit den Deutschen zu bilden, _ Sie haben uberall sich abgesondert, sogar in dcr Sparkassenbildung. (Erneuter Ruf bei den Polen: der Sprache wrgcn !) Nein, nothwendig wegen der Sprachverscbiedenbeit war es nicht, meine Herren. Denn wo das Geskv Sie gezwungen bat, beispielßweise in der Provinzial- verwaltung, mit den Deutschen gemeinsam zu arbeiten, hat UF? Verschiedenheit der Sprache auch nicht das geringste Hinderniß gebildet (sebr richtig! rechtS), und die Polen haben da" ihre sehr nüßliche und sehr segendreicbe Mitwirkung mit Erfolg geubt. Meine Huren, sehen Sie sich mal auf dem wirtbscbaftlichen Gebiet selber objektiv um, was da in den Provinzen vorgeht. Nicht bloß'untcrsfüven Sie systematisch die ngerblicben Kreise, die aus der pOlmschen Nationalität hervorgshen _ was Ihnen vielleicht nicht IU, verdenken wäre _, sondern leider geht der Kampf so we*t- daß dir deutschen Handwerker, deuischen Aerzte, deutsche APUbkker von Ihnen geradezu boykottiert werden. (Leb- baftcr Widerspruch bei den Polen und Rufe: „Umgekehrt3-)

Welcher Grad von Feindseligkeit, Wslcher bobe Grad von Nachtheilen für beide Nationalitätrn aus einem solchen Kampf erwächst zwischen den Mitgliedrm desselben Staates, das brauche ich nicht weiter aus- zufübren. (Sebi: richtigx rechts.)

Meine Herren, sebrn Sie sich mal Jbre Presse an. Ich bin amtlich verpflichtri, die AuGzüge aus Ihren Prkßorgamzn zu lesen. Da können Sie doch Jar11icht [rugnem daß da ein Streben der Hrrsteiiang eines Staatrs im Stäxte, zweier vöiiig feindselig ge,;rneinander ftrhenden Nationalitätrn in der Presse sich kundgirbt, eine Abneigung, sick) innig mit dem preußischen Staats und srinen Aufgaben zu der- schmclzc'n, ich mbckpte sagen überaii _ berzriben Sie mir den Aus- druck _ ein (101113 SWUHWUZ (Hriterkeit) hrrvortritr der bedenk- 1ichsien Art, das könxcn Sir doch garnicht lrugnsn. Und wobrr kommt daß? Wir WUÜSU da mal Offen skin. Ich Erkennr ja Voli- ständig an, daß die bistorisckyrn Verhältnissr schwere Schlägr für dicse im ganzen Großrn so hoch brgabte und edle Nation herbsigefübrt babrn. Ick vcrftebr Ls, wrnn ich mich in Ihre Gemütber hinein- denke, daß Sie dsn Gianz des alten Polcnreichxs nicht drrgeffrn körncn, daß Sir die Hoffnung noch immsr frsthaiten: ed könnten doch mal Ereignisse in Europa kommM, wo es möglich wäre, dieses aite Polénreick) wiederberzusteÜM. Meine HMM, ich weiß ryobi, das; viele unirr anrn historisch gsnug drnken und der- siändig grnug sind, die Vrrwirklickyung diesrr Hoffnung in Wahrheit nicht für Utögiich zu halten. Es giebt sehr viele vcrstärdige, Misr, besonnkne Männer unter de'n Polen, aber die Strömung _ dyn Ein- druck habe ich ge-Iwoxmcn _ ist doch nach drr Richtung so stark ge- worden, daß eine Art Tsrrorismus auch gegen die verständigern und weisen Männer dicserNation stattfindet; fir könnkn sich dieser Hinter- gedanken nickzt mehr. (?liVIhan- eriß bsgrcifc ick) das vom Standpunkt cines Polnischrn (Grmütbs Vollkommrn. Wir Deutsche find Zerrcbt genug, um uns in dieLage cincs Andxren binsinzuverséßrn. Wir Verlangrn nur, daß die Polen ebctisb objrktiv denken, daß sie sich klar machen, daß sie dauernd und auch immrr zum prrußischrn Staat grbören, mit ihm unzer- jrsnnlich auf Grdeih und Verdrrb verbunden sind, daß Preußen, so möchtr ich sagen, dernirhtrt sein müßie', Mun es diese Provinzen Preisgäbs, das; also, wie drr Herr Rcich-Zkanzirr schon ausgrfübrt hat, bei ruhig denkendrn Männrrn in diesen Provinzen diess Hoffnung zwar als ein beiligrs Nermäcbtriiß aus der Vergangenheit bc- steben, aber ksin Motiv für ein praktischrs Handeln ik] der lebendigrn Weit abgebrn kann. (Skhr richtig! bsi dsn National- liberalen und rechts.)

Meine Herren, wir machen 68 nicht wie andere Nationen. Wir bekämpfrn zwar disse großpolniscbrn Jdcsn und ihaisächlickyen Bestre- bungen, _ aber wie bekämpfen wir sie? I:: der ailrrmildesten Form, dic überhaupt dsnkbar ist. (Lachrn bri den Polen.)

Meinc Hrrren, Wenn Sic in Frankreich lebirn und dort solche Tcndrnzcn kundgäben, so würde der französischc LiberaliSmus und der rrpublikanische Radikalißrrms Ihnen ganz andere Antworten geben. (Sehr wahr!) Was that man in Nizza _ das möchte ich dem Herrn Munckcl mal erzäblcn _ unter dem radikalen französischen Ministerium Bburgrois, als ein unangenehmes italienisches Blatt mehr und mrbr Boden gewann? Die Kammern beschlossen ein (Ge- setz: das; alle in nicht französischer Sprache in Frankréich erscheinenden Blätter als Auslandsblättkr zu bri)and€[n seien (Hört, hört!).i Die ganze französische Kammer, die ('in sehr eaergischrs Nationalgefübl bat, die die Integrität drr Nation und des Staats allen anderen Fragen Voranstrllt (Sehr gut!), dicse französische Kammer nahm dies Grfeß an, und kurze Zrit darauf war der .Pensiero' unterdrückt.

So verfahren wir nicht; wir lafse-n Ihnen dieselbe Preßfreibeit wie den deutschen Blättern, dakselbr VrrsammiungMcht (Na! na! bei den Polen), wir sehen sogar vorläufig zu, ob es mit den Interessen des Staats irgrnd vereinbar isi, daß in den polnischen Versammlungen überall polnisch gesprochen wird, ob wir die Kräfte und die Elemente haben, überhaupt nur eine Ueberwachung der polnischen Versammlungen eintreten zu lassen. Wir lassen Sie an unseren Schulen und allen kulturelien Fortschritten theilnrbmen. Und, meine Herren, wenn Sie sich mal klar machen _ Sie sind ja Historiker, die die Vergangenheit Ihrer Provinzen und Landestbeile genau „krnnen _, wir die Provinz Posen aussah, als sie preußisch wurdr, und wie fie heute aussieht, so haben Sie dem preußischen Staat und unserem Königshausc den innigsten, Dank abzustatten. (Sehr richtig!)

Eine bloß nrgatiVe aggressive Bekämpfung des Polenthums liegt uns vollständig fern. Für uns, für die Staatöregierung, sind, wie die Katholiken und die Evangelischen, so die polnischen und deujschen Mit- bürger doUständig gleick). Wir lassen Allen die gleiche Fürsorge zukommen, wir müssen aber den Rückgang des Deutschtbums, welcher durch diese energische polnisch - nationale Agitation hrrvorgerufen ist, durch positive Stärkung des Deutscbtbums verhindern und bekämpfen. Das ist doch die mildeste Form, in welcher wir unsere nationalen Aufgaben _ wie der Herr Reichskanzler fie bezeichnet hat _ zur Geltung bringen.

Meine Herren, ich bestreite nach allen Richtungen, daß dieses Gesetz den Polen wirklich Schaden zufügt; im Gegentbeil, die Hebung der wirtbscbaftlichen Verhältnisse in diesen Landestbeilcn gereicht den Polen genau so gut zum Voribeil, wie den Deutschen. Meine Herren, wenn die Polen diese großpolnischen Bestrebungen, die Ge- danken und Hintergedanken in Wahrheit nicht hätten, wenn sie uns davon überzeugen können, dann alierdings würde man ebenso gut polnische Bauern ansiedeln können als deutsche.

Wir Laden Landestbeile, wo fremdsprachige Leute wohnen, die aber durchaus gut preußisch gesinnt sind und derartige Hintergedanken nicbt besißen. Da bemühen wir uns kaum, der Erhaltung dieser nationalen Reste irgend wie entgegenzutreten. Ick) denke garnicht daran, daß wir die polnische Muttersprache audrottcn müßten, wie so viel behauptet ist, und. auskotten wollten. Wir sind zufrieden, wenn die Polen zweisprachig sind. Sie müffen auch das Deutsche kennen in ihrem eigenen Interesse. (Sehr richtig! bei den Polen.)

Aber ganz anders liegt die Sache, wenn die Thatsache, daß eine Rribe von Polen sich in ihren Familien, in Freundeskreisen und sonst

_ 1898,

polnisch unterhalten, ihre Muttersprache beibehalten, wenn diese be- nutzt wird, um aus der Sprache eine Scheidewand zwischen den beiden Eiemsntrn der dortigen Bevölkerung zu machen. Wenn zu diesem Bebuf eine solche ablehnende Haltung gegen die deutsche Sprache eintritt, dann wird die polnische Sprache uns allerdings schon stark verdächtig. Meine Herren, wer die Geschichte der Sprachen und der Völker studiert hat, der wsiß, daß gegen den Willen eines Volkes, selbst wenn dieies Volk zum theil in einem Staate anderer Nationalität liegt, die eigkné, die Muttersprache nicht so leicht auEgerottet werden kann, und ich für meinen Theil halte es garnicht für die Aufgabe drs Staates. wider den Willen der Polen durch gervaltsame Mittel si? ihrer Mutter- sprache zu berauben. Aber, meiné Herren, wenn wir das Deutscbtbum _ und das sage fck) dxn deutschen Abgrordnetrn _ in diesen Pro- vinzen stärke-n, nach Zahl und Kraft und Intelligrnz Vermehren, so wird Von selbst mit Zustimmung der polnischen Bevölkerung cm!!) die deutscha Sprache thatsächiich mehr und mehr in Uebung kommxn. Das ist ein Entwickrlungéprozcß, dcr nicbt von heute auf morgen, wie Herr bon Heydebrand ganz richtig gesagt hat, auch nicht in einem Jabrzrbnt, sondern erst in vielen Jahrzehnten sich VoÜziehen kann.

Meine Herren, ich glaube wirklich, wenn Sie sich diesrr groß- poinischcn Hoffnungen entschlagrn, so wirken Sie damit nur in Ihrem eigenrn wirklicbrn, wahren Jnisreffe. Sie müssen sich überzeugt haben, das?, soweit Ihre ganze historische und tbatsächliche Stellung, die verschirdcne Nationalität, die Verschiedene Sprache in Einklang grbraäyt wird mit den großen preußischen und deutschen Staats- intereffén, Sie Link sehr gute Existenz im prrußischen Staat haben werden, und daß umgekehrt diese Bestrebungen, die doch niemals zum Zirl füören, wenn Sie vsrsuchrn würden, sie in Wirksamkeit zu seyen, wie dsch5n so oft zum schwer€n Nachtbeil der Polen selbst aUSfalirn wur en.

Meine Herren, hierauf ist unsere Hoffnung begründet, daß die Aktion, die die Staaisregierung mit der Vorlage dieses Gesetzes auf- nimmt, doch nicht zu Liner wachsenden, dauernden Feindseligkeit, sondern alimäblicb zu einer wirklich versöhnknden Haltung beider Nationaliiäten in diesen Provinzen fiihren wird. Ich kann Sie Ver- sichern, meine Herren Abgeordneten, daß die Staatsregierung keinen größerem Wunsch bat als diesen. Sie hat die bisherige Entwickelung mit tirfem Bedauern grschen, und sie wünscht nichts mehr, als daß in dieser Richtung eine Wendung kommt, und drr erste Anfang der Wrndung wird der sein, wenn dir deutsche Bevölkerung dkn Kopf Hoch trägt, wenn sie ein deut- sch€s ebenso frites nationales Brwußtsein zeigt, wie die Poirn es in 'anzucrkenrrender Weise thun, und wenn die Polen sich überzeugen, daß ihr Heil nur innerhalb des prrußischen Staates ist, nirmals außcrhalb drsseibsn. (Lebhafter BsifoU.)

Msine Herren, wir denkén gar nicht daran, allein durch dieses Geseß schnell einen großrn Umschwung [)erbeizuführen, gewiß nicht von beute auf morgen. Wir wissen, daß es dazu auch noch einer Reihs anderer Mittel brdarf, und die Staaißregierung ist dazu ent- schlossan. Wenn es nach mir geht _ und ich glaube in dieser Be- ziehung in cherUebrreinsiimmung mit dem Staats-Ministerium zu sein _ so werden das weniger Repressivmittel sein, so lange wir nicht gerade dazu gezwungen werden, sondern kulturelle Mittel. Wir wolien auch andere Fonds benutzen, namentlich die Fonds, welche wir als Dispositions- fonds für die Ober-Präsidenten bkzeichnet haben, zur Gründung von Volksbibliotbeken, zur Unterstüyung yon Bildungsbestrebungrn deutscher Vereine, zur Unterstützung bon Gewerbejreibenden, Aerzten, Apothekern u. s. w„ die unter dem polnischen Boykott leiden. (Bravo!) Wir werden auf allen Gebieten nicht bloß nach der materiellen, sondern auch nach der kulturellen und ideeUen Seite hin diese Provinzen zu heben versuchen. Wolien die Polen sich diesen Bestre- bungen anschließen, brisdielsweise die gewerblichen Fortbildungs- schulen, die wir vermehren und stärken werden, in den Städten, gern besuchen und daran tbeilnebmén, so kann uns nichts mehr erwünscht sein, als gerade dieses. Meine Herren, in manchen Beziehungen, so lange die gegenwärtige Spannung besteht, ist es ja gewiß für einen preußischen Beamten polnischer Nationalität, wenn er seine Beamtenpfiichten richtig erfüllen will, besser, er hat seine Station außerhalb der Provinz, als innerhalb. Unter dieser Vorausseßung kann es der preußischen Staatßregierung nur erwünscht sein, wenn die Polen in möglichst großer Zahl in den Zivil- und Militärdienst eintreten; das wird eine wichtige Grund- lage der Verschmelzung sein. Sie werden sich bald überzeugen, daß sie da ebenso befördert werden, wie die Deutschen (na, na! bei den Polen) _ genau ebenso befördert werden, wie die Deutschen. Wenn beispielsweise ein Pole wünséht, an den Stipendien tbeilzunebmen, die für die Ausbildung von jungen Leuten aus diesen Provinzen gestiftet werden in der Absicht, _in den preußischen Staats- dienst zu treten, würde es mir durchaus natürlich erscheinen, wenn die betreffenden Ober-Präsidenten die Stipendien solchen jungen Leuten gerade so gut geben, wie den Deutschen. Sie sehen, mrine Herren, wie wir diese Frage auffassen. Ich will auf die Details heute weiter nicht eingehen; wir werden ja auf die Dinge noch zurückkommen.

Eines möchte ich noch zum Schlusse jagen gegenüber Herrn von Heydebrand. Gerade Weil wir diese Sache als eine schrittweise durchzuführende Kulturarbeit betrachten, stehe ich vollständig auf seinem Boden, daß es hier kein Schwanken, kein Rückwärtheben, sondern mir ein Vorwärts giebt. Gewiß, ich erkenne an, in dieser Frage sind die Auffassungen der Königlich preußischen Regierung und ihre Politik vielfach ver- schieden gewesen, das liegt aber in der Schwierigkeit der Sache selbst; wenn freilich auch nicht allein. Man darf beidieserfürunferen preußischen Staat schließlich zu einer Lebensfrage werdenden Sache nicht Nebenrücksicbten haben, keinerlei Art. Wir wollen die Polen nicht täuschen, nicbt kaptivieren.

Ich habe mich bemüht, Ihnen ganz offen die Stellung dee'_ _. Staatdregierung nach dem Vorbilde des Herrn Reicbkkamlers vorck zuführen. Ick bin überzeugt , auf dem Boden werden und