1899 / 145 p. 6 (Deutscher Reichsanzeiger, Thu, 22 Jun 1899 18:00:01 GMT) scan diff

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diéDenkscbrift geck-htet worden. Mein verehrter Kollege Herr Staats-

sekretär ])r. Nieberding bat Ihnen bereits aussefübrt, daß die “Denk- schrift nicht den Zweck batte, jeden einzelnen Paragraphen dieses Ge- setzes zu begründen, sondern daß ste nur ein Gesammtbild davon geben sollte, wie sich die Verhältnisse zur Zeit bei den Arbeiterkämpfen ent- wickelt haben, und ich glaube, wir sind bei der Zusammenstellung der Denkschrift recht unparteiisch verfahren (Lachen bei den Sozialdemokraten) - recht unparteiisch verfahren, wiederhole ich -, indem wir sogar Aeußerungen aufgenommen haben, die vielleicht einer gewiffen be- rechtigten Kritik unterliegen könnten, die wir aber absichtlich nicht unterdrücken wollten (hört! hört! bei den Sozialdemokraten), weil wir das Material, das uns Von den einzelnen StaatSregierungen über- mittelt worden ist, dem Reichstage vollfiändig vorlegen wollten. Die einzelnen StaatSregierungen tragen mithin die Verantwortung für die Richtigkeit dieses Materials. Wenn uns vor- geworfen wird, daß wir Polizeibehörden, Staatßanwälte, Verwaltungsbehörden gehört haben, so, glauben wir, War das im vor- liegenden Falle der richtige Weg. Wir konnten nicht die Parteien hören, weder die Arbeitgeber noch die Arbeitnebmer, sondern nur die unparteiischen Organe der Staathewalt. (Lachen bei den Sozial- demokraten.) -- Meine Herren, wenn Sie die Unparteilichkeit aller Staatsorgane angreifen wollen, so ist das für uns nach außen hin in der That nicht sehr schmeiebelbaft; ick) würde das als Abgeordneter nicbt jbun. (Sehr richtig! rechts.)

Man hat auch die in der Denkschrift enthaltene Statistik an- gegriffen, und zwar in einer ziemlich gebäsfigen Weise, kann ich sagen, die Bestrafungen der Unkernebmer wegen Vergeben gegen die Vorschriften der Gewerbeordnung und die Bestrafungen von Strikenden gegenübergkfteüt. Ich babe hier im Reichstage selbst einmal erklärt, ich wünschte, daß die Vergeben gkgen die Gewerbepolizeivorscbriften, Welche fich Unternehmek zu Schulden kommen lassen, mit der vollen Strenge des Gessßes geahndet würden (Heiterkeit links), aber eine Gegenübersiellung der Zahl der Bestrafungen wegen Gewerbepolizei- Vergeben und der Vergeben der Strikenden ist nicht zutreffrnd aus dem sehr einfachen Grunde, Weil die (HerverbepolizeiVLrgeb-en von Amtßwegen bestraft Werden, eine Anzahl der Ausschreitungen, die bei Strikes vorkommen, aber Antragsvergehen sind, und wir haben ja bereits nachgewiesen, daß ein 'so ungeheurer Terrorismus bei Strikes vorherrscht, daß eine große Zahl von Vergeben dabei nicht zur Anzeige kommt. (Sehr richtig! rechts.) Infolge dessen kann die Statistik über beide Arten von Vergebungen nicbt Verglichen werden. Außerdem aber kann die Strikestatistik hier kein boUständig-Zs Bild gebxn, weil ja eine Masse von Ausschreitungen gegenwärtig geseßlicb überhaupt garnicht zu fassen, nicht strafbar find, obgleich sie fich ungwsifelbaft als unfittlich und widerrechtlich dar- steüen; Es ist ja dsr Zweck des Gefeßes, eine Anzahl derartiger wider- rechtlichsr Handlungen in Zukunft unter das Geseß zu bringen und strafbar zu machen. Also die Angriffe gegen die Statistik smd méines Erachtens voüständig hinfällig.

Man hat fich aach darüber aufgehalten, daß derselbe Strike, wie der Hsrr Abg. Bebel ausfübrte, wie die Statisten in einem kleinen Theater immer wieder erscheine. Das ist aber Hier bei der Vorlage eine ganz naTürliche Erscheinung, weil eben bei einem großen Strike dis borgekommenen Vergeben und Uebertretungen unter verschiedene Bestimmungen dieser Vorlage faÜen und deshalb auch Anlaß zu wied er- bolter Betrachtung boken. Wenn speziekl daran hingewiesen worden ist, daß nur die Handelskammern von Hamburg und den beiden [“e-nachdenken Städten fick) geäußert haben, so erklärt fich das daraus, daß re'r Hamburger Strike der chic? große Strike gewesen ist, dsn wir gehabt haben, UKd weil dieser Strike in der That ganz außkcxrdentlicb interessante Beobachtungen über die Entwickelung der Strikes überhaupt unter den brutigen Verbältniffen zu[ieß.

Wie drr TerroriHmus angeblich wirkte, will ick) an einem SchrIiben erweisen, w€1chrs mir Vorgestern don einer angssebsnen Person unter Nsnnung ibres Naturns aus einer norddeutschen Stadt zagegangen ist. Ich bade: sofort Erbébungen Über die Mittheilungen angestellt, babe abxr iriZ jsxzk [cidxr noch keine Tekegrapbische Antwort erbalten, indcß der Hkrr ist in einer solchen SteÜung, daß ich glaube, daß er fabr- läsfiz eine solche Bebaurtung nicht aufstellen wird. Dieser Mann schreibt mir, in der Stadt, in der krlebt, käjtedsr Térrorismusder Strikenden Jessi“. die Arbcitswiiligen so zugknommen, daß sr fich auf die Schul- kinkér in dcr Schul€ übértrüge (Höitrrkéil link?), und daß die Schul- kindkr der Strikrnren die Schulkindsr dsr arbkitZwiUigrn Arbeiter in einer solchen Wiis? maltraitierten urid chifani€rxkn (groß“: Heiterkeit, Zuruf: links), daß schließlich die Eltern Veranlaßt würden, sicb drm Strike anzuschlisßen, weil fie diese Brbandlung ibrer Kindsr nich er- trazen könntcn. (Hsiterkcii, Zuruf? links.) Ich hab? Erbebungen darübrr angesxsüt uud wérde Geiegenbeif haben, been später genauere Mittdsilungen zu mach€n. (Lebhafte Zurufe links, Glock? des Präsidénten)

Der Herr Abg. Bebel hat auch Erklärt, die verbündeten Re- gixrunZSn hätten Jabrzrbnte hindurch bebauvtkt, daß dcr § 153 dEr Gewerbeordnung auch auf Unternehmer Anwendung fände; jetzt hätte ich ngestanden, daß das nicht der Fall sei. Man sehe, was auf die Erklärungen der Verbündeten Regierungen zu geben wäre. Herr Abg. Bebel, dieser Angriff grzén mich ist ungerecht. (Juras.) Dann hat eZ einer Zbrkr Frrunde gesagt. (Lebhafte Zurufe und Unruhe bei den Sozialdemokraten. - Glock? des Präsidenten.)

JH werde dan Sachvsrbal! aus dem ftenograpbischen Protokoll festfrrilen. Ick ;,U'taite mir nur zu bemerken, da!“; die verbündeten Regierungxn immxr der AnfiÖt waren, daß der § 153 der Gewerbe- ordnung am!) auf die Uniernebmsr Anwendung finde, Die Judikatur war aber verschicken, und wir baden, weil die Judikatur eine ver- schiedene war, jest ExyrSZZL-Z ?€kb15 den damaligen Antrag Hirsch in die Vorlage aufgenommen, daß auch Unterrebmer strafbar seien,

wenn sie Zwang, Verruf, Drohung, Ekaelesung (111t MiMl der.

Beeinkiuffung gegenübxr Arbeitern anwenden, Hat Herr Bebelseiner- seits riese Aquübrung nicht gemacht, so ist es von einem Andern geicbebrn; ich bitte ibn deSwegen um Entschuldigung.

Meine Herren, ich bleibe auch dabei stehen, daß im Jahre 1891 die sozialkemckratiiche Partei noch d€r ?'nsxéqt war, daß die Mittel, die wir jetzt wieder in dem Geseß unter Strafe ge- ftxUt dabrn, analog der bestehenden Gewerbeordnung, wirklich straf- fällig find und bei einem Strike nicht Anwendung finden dürfen; denn damals bat die sozialdemolraiische Partei in ihrem bekannten Antrag diese Mittel auOdkücklizb unter Strafe gestellt, und ich glaube, die Herren werden um!; nicht “rm Muth haben, zu behaupten, daß es ge- t5chifmigt ist, solche Mittel anxuwendeu,

Es ist dann auch von den kW„«Lifteé gespryäm Wb?"- Die schvmrzen Liften," welkbeÜ diE" UWebüiek auweüdxy, “ckckck die Arbeiter, find vollkommen' identisch“'mit demBovkott, desi die Arbeiter gegen Unternehmer oder ganze Gruppen von Unternehmern aussprechen, Aber, meine Herren, ich geßebe Ihnen eins zu, und deshalb halte ich die schwarzen Liften fiir ein sehr bedenkliches Mittel im Arbeiis- kampf - daß da sehr leicht Unschuldige mit den Schuldigen getroffen werden können, Leute, die fich an dem Strike vielleicht gar nicht in dem Maße betbeiligt haben, daß sie es verdienten, auf längere Zeit oder dauernd auf einseitige Angaben bin, die die Betreffenden selbst nicht kontrolieren können, außgesckoloffen zu werden, Das sind meine Bedenken gegen die schwarzen Listen, die ich mit vielen Mit- gliedern Ades Hauses tbeile. Aber auch da ist die Schuld auf beiden Seiten gleich; denn auch beim Boykott werden sebr viele Personen schwer geschädigt, die mit dem ganzen Arbeiterkampf absolut nichts zu

' tbun haben (sehr richtig! rechts), und Wenn wir die schwarzen Listen

bätjen ausschließen wollen, so hätten wir auch den Boykott bestrafen müssen, und zwar nicht nur den Boykott, den Unternehmer in der Weise, wie es gestern dargestellt ist, gegen einander ausüben, sondern auch den "Boykott, den Arbeiter gegen Unternehmergruppen führen. Das wäre aber ein so iiefer Eingriff in die wirtbschaftliche Seite des Kampfes gewesen, daß wir Bedenken trugen, diesen Eingriff zu wagen. ,

Im übrigen muß ich sagen, Waren die Ausführungen, die in dieser Beziehung von einem Theil der Redner des hohen Hauses ge- macht sind, eigentlich für die Vorlage. (Widerspruch links.) Gewiß, meine Herren, denn sie steuten dar, daß auch in Unternehmerkreisen, von Syndikaten gegen Unternehmer, die sich diesen Syndikaten und ihren Bedingungen nicht fügen wollen, sebr terroristische Mittel an- gewendet werden; soweit indes; diese terroristischen Mittel identisch sind mit einem der Mittel, welche hier in der Vorlage unter Strafe gestellt find, wird einem solchen unerlaubten TerroriSmus von ein- zelnen Unternehmern oder bon Syndikaten auch auf Grund der Vorlage zu Leibe gegaugen werden. (Zurufe bei den Sozial- demokraten.)

Einer der Hsrren Redner hat sich auch darüber beschwert, daß zwar di“: Arbeitöwiliigen geschützt würdkn gegen" Belsidigungen, Ebr- derleßungen der Strikenden u. s. w., daß aber nicht die Strikenden geschüßt würden gegen Ebrderleßungen und Zwang der Arbeitswiüigen. Wenn fie das wünschen, sind wir mit Freuds bereit, eine solche Be- stimmung noch in das Geseß aufzunehmen, faUs Sie das für eine Lücke ballen, aber bisher haben wir nur don dem TerroriSmus der Strikknden gegen die Arbeitswiüigen gehört, aber n i e von dem Terrorißmus der Arbeitswilligen gegen die Strikenden. Es war absolut ksin Bedürfnis; dafür vorhanden auf Grund dsr praktischen Erfahrungen, solch? Bestimmungen aufzunehmen.“

Wenn schließlich grsagt wurde - ich halte das freilich nur für einen Scherz, - (Zuruf links), - nein, ich komme zu einer neuen Frage, Hrrr Abg. Lenkmann - daß, wenn dieses Gases schon in Kraft wäre, so würde fogar ein Mitglied der Verbündeten Regie- rungsn, der Herr Staatésekretär von Podbielski, unter dasselbe fallen, so haben die Herren dabei dergeffen, daß die“! DiSziplinarbefugniß, die die vorgesrßten Behörden baben, selbstverständlich durch dieses Geseß nichr berührt wird, und daß vor allen Dingen nicht berührt werden irgend welche Nachtbeile, die Jemandem in bereäztigfer Weise unter gegebenen Voraussrßungen in Aussicht gestellt Werden.

Meixe Hsrren, ich bin übérbaupt überrascht über die Auffaffung, die man der Vorlage zum tbsil - gerade Von der linken Seite des Hauses - hat zu tbeil werden lasixn. Wenn die Herren fich noch gütigst der politischen Kämpfe erinnern wollen, die in den osrschirdenen deutschen Staatkn um die Erlangung einer Vsrfassung geführt smd, so war sozusagen das Palladium der Verfassung die Frage, um die es fich hauptsächlich drehte, der Schuß der persönlichen, der bürger- lich€n Freibrit (ssb: richtig! rechts), und jest bei dieser Crörtsrunß über die Vorlage ist Ihnen die persönliche Frei- heit der Arbeitswiüigen so Vollkommen gleichgültig, daß Sie fie PkSiÖZ-“Ibén dxm Votum einer kleinen Zahl don Agitawren oder einer Minorität. (Sehr wahr! recbts, Zurufe links.) Die HerrCn KonskrvatiVen baden gestern don Strikes gesprochen, die so oft frivdl angezextelt werden. Das sollten sich auch die Hsrren von der Sozial- demokratie übkrlegrn. Sie babrn gestern gefragt: Wer entscheirkt denn darüber, ob ein Strike friool ist? - Das ist ja eben das Schlimme bei der ganzen Suche. Wenn die Arbeitswiüigen sicb wirk- lich nur einem Strike fügen müßten, der fittiicb berechtigt ist, aus einer fehlerhaften oder engberzigen Handlung des Unférnebmers bsrauö, aber ein Strike wird ja oft nur von wenigen Personen rrovrzicri (Unruh? und Zuruf: bei den Sozialdemokraten), bon wxnigen Personen, meine Herren, die zufällig das Haft in den Händen ann, und disss Wenigen Personen sind leider meist Gcschworene, *Nicht-kr und auch Erskutoren der Sache. (Zurufe.) Darin liegt das Ungkrscht€, das Unerträglicbe für die Arbeitßwiüigen, daß sie fiel; dem DLIVOÜSMUZ von so kleinen Minoritäten fügen müffsn, und dabei ndch solche widkrrecbtliche Mittel gegen fie geltend gemacht werden.

Ich Stinnere umgekebrt darin:, mit Welcher ungebeuren Härte es gerade von Ihnen bkurtbeilt wird, wknn ein untergeordneter Polizei- beamtxr fich irgend einen Uebergriff zu Schulden kommen läßt, namsniiicb gegen die persönliche Freiheit eines Staatsbürgers - Lin untergeordneter Polizsibkamter, der zum großen Theil doch aus denselben Geseüschafts- schichten betrorgeganßen ist, aus denen der größte Theil der Arbeiter stammt, mit dem Unterschiede nur, daß der Mann in der Regel bereits durch die Schule der Armee bindurchgegangen ist. Da ist man fo außerordentlich empfindlich. Das; aber die pkrsönliche Freibrit eines Arbeitßwilligen bon strikenden Genoffen auf das schwerste gekränkt wird, läßt man “ruhig bin- gebkn , ' das bält man für ein gut be,;rüadetes Recht kleiner Minoritäten. Man bat uns auch vorgeworfen, daß wir uns auf die.auSländische Gesetzgebung bezogen haben, und der Herr Abg. Lenzmann bat mitgeibeilt, das Erkenntniß des 1301188 of 1-0rc18, was mir noch nicht bekannt war, sei ergangen. Ich habe sofort nach London telegrapbiert, um mir dieses Erkenntniß kommen zu lassen; ich babe es leider noch nicht erhalten. Dem sei aber, wie ibm wolle - ich schenke selbstverständlicb den Mittheilungen des Herrn Abge- ordneten vollkommen Glauben -, fo halte ich den Vomurf segen die verbündeten Regierungen, daß wir uns hier auf die ausländische (He- seßgebung berufen baden, doch für ungerecht. In wie vielen FäUen, meine Herren, ift uns vorgehalten worden: wenn die verbündeten Regierungen irgend ein Gesetz dorlegten auf wirtbscbaftlichem oder politischem Gebiete, so müßt: man gleichzeitig die Verbältniffe im

_. Kadima, mäu müßte diese VubUtvisse in der Wand mr _"arsielluna bringen. Hier, wo wir es thun, wird uns das zu“" Vorvmrf gxmacbt; (Widerspruch links.) Und ,es wird uns, sogar mx Vorwurf gemaibt, daß wir die Geseßgebung zitieren von einem Landy wie England, das uns stets in allen Arbeiterfcageu als Musterlcmd vorgehalten wird. Meine Herren, mögen Sie über das Verbot des Strikepofienftebens denken, wie Sie wollen, das ist doch unzweifelhaft, daß durch die englische Koujurationsbiil eine Anzahl Vorgänge, die mit dem Strikepostenfieben tbatsäcblicb zusammenhängen, unter schwere Strafe gestellt sind. (Widerspruch und Zurufe links.)

Ich will zum Schluß bei der Geschäftslage des Hauses mir nur eine Bemerkung noch gestatten. Der bekannte Sozialpolitiker Cree, desen Gegner Sie auf jener Seite (linkö) wahrscheinlich find, führt noch im Jahre 1890 in seinen literarischen Arbeiten aus, daß im Jntereffe der Arbeiter selbst gegenüber dem ungebeueren DeSpotiSmus der englischen Gewerkvereine es unbedingt geboten sei, einen erhöhten gesetzlichen Schuß den arbeitewilligen und den nicht organisierten Arbeitern zu gewähren. Jeßt im Jahre 1899 schreibt derselbe Herr eine Broschüre, in der er sagt, er halte sich für überzeugt, daß die Arbeiterbevölkerung in England bereits ein solch ungeheures Schwergewicht in den öffentlichen Angelegenheiten hätte, daß garnicht mehr daran zu denken sei, in England ein Gases durchzubringen, was die bimmelscbreienden Ausschreitungen der Gewerkvereine geseßlich beschränke, und er könnte deshalb nur den Rath geben, daß sich Publikum und Unternehmer selbst dabin verbinden und vereinigen möchten, jeden Arbxiter, der sich an Aussiänden betbeiligie, rücksichtslos dauernd von der Arbeit auSzuschließen. (Lebhafte Unruhe links,) Meine Herren, wenn das wirklich bei uns einträte, wäre es die im Intereffe unseres Volks bedauerlichsie Erscheinung, die ich mir denken könnte, denn man würde damit die gesammten Tbeilnebmer unseres GeWerbslebens in zwei feindliche Gruppen spalten, es würden Monstreausstände und Monstre- aussperrungen entstehen, und es würde nach solchem Kampf eine Er. bitterung in unserer Bevölkerung zurückbleiben, die unserem wirth- schaftlichen, politischen und sozialen Leben die schwersten Wunden schlagen müßte. Desbaib, meine Herren, haben die verbündeten Re- gierungen diese Vorlage eingebracht, um durch eine verständige Be. schränkung der Ausschreitungen der Koalitionsfreiheit Zustände, wie sie jener englische Sozialpolitiker in Aussicht stellt, zu verhindern, und ich glaube, Sie werden gut thun, wenn wir nach der Vertagung wieder zusammenkommen, nochmals in eine ruhige, objektive P:üsuag dieser Vorlage einzutretsn. (Bravo! rechts.)

Abg. Roesicke-Deffau (b. k. F.) beslreitei, daß die liberale Preffe Maßregeln gegen Audscbreitungew der Arbeiter verlange und daß man die Vorlage als eine milde angeiebxn babe; man habe über die Vorlage mit Außnadme der koniervativen Presse nur abfällige Ursbeile g7fällt. Befremdsnd findet es der Redner, daß die Vorlalge vom BundeSratb einstimmig angenommen sei. Das Koa itionSrecht babe für die Arbeiter nur dann einen Wertb wenn es unbebindert angew-anet werden dürfe, ebenso wie die Unterncbmer ihrerseits die Konjunkturen außnüßten, um bessere Preise für ihre Fabrikate zu erzielen. Redner bestreitet ferner, daß dsr Minister bon Berlepsch im Jahre 1890 so ganz überzxugt gewesen sei von dsr Notbwendigkeit der damals vorgeschlagenen Straf- vrrschärfungen, die aber noch lange nicht an das heranreicbten, was jetzt vvraescblagen werde. Die Befürchtungen von 1890 seien nicht eingetroffen; nicht die Arbeiter, sondern die Arbeitgeber hätten seitdem von ihrem KoalitionSreÖt einen übermäßigen Gebrauch grmacbt. Ohne einen ewiffen TerroriSmus und Zwang könne ein Strike nicbt durchgeübrt werden, das solite am!) der Staatssekretär erkennen. Die Arbeitgeber kämen auch ohne einen ewiffen Zwang nicht aus. Der Staatssekretär babe tvsiter davon espro zu, daß der Terroriömus sogar in die Schulen eingedrungen sei. agegen könne doch das vorliegende GUCK nichts machen. Ausschreitungen seien allerdings vorgekommen, aber sie seikn quch bestraft worden, und zwar zum tbeil mit recht schweren Strafen. Redner weist auf die terroristiscbe Haltungder Bauunternsbmer gegenüber den Bauarbeitsrn bei der jeyisen Außtperruna bin und [M nachdrücklichen Protest Lin gegen das Bestreben der Bauunternehmer, die Arbeiteraukspsrrung auf ganz Deutschland ausdehnen. Die Uebernahme des Arbeits- nachweifes_ allein in die Hand der Arbeitgeber, wie xte auf der Konferenz in Leipzig geplant worden sei, lane nur daran! hinaus, daß ein Zwang gegkn die Arbeiter außgeübt we'rden icUe, damit fix fick; untcr aÜkn Umständen den Wünschen der Unternehmer unterwerfxn. Redner weist bezüglich der Entstehung der Vorlage aus die Bielefelder Rede Seinkr Viajestät des Kaisers bin. (Präsident Graf von Ballestrem bittet den Redner, nicht un- beglaubigte Aeußrrungen SLiner Majsstät des Kaisers in den Bewicb der Debatte zu ziehen.) Redner erklärt, die Bielefelder sowohl wie die Oednbausener Rede Seiner Majsstat des Kaisers seien im „Reichs- Anzeiger“ veröffentlicht worden. Hätten die Rätbe der Krone damals leich die Arbeiter, nicht bloß die Arbeitgeber befragt, so wäre diese Horlage nicbt eingebracht worden. Das Koalitionsrecbt sei das Hauptrecht des Arbeiters, welches geschützt werden müsse. Tiefe Vor- lage_ werde hoffentlich noch vor Ablauf des 19. Jahrhunderts dsr- worsen werden.

Minister für Handel und Gewerbe Brefcld:

Von allen den Herren Vorrednern, mit akleiniger Außnabme des letzten, ist es dermieden worden, die Person Seiner Majestät des Kaisers in die Debatte zu ziehen; der letzte Herr Vorredner hat das gleichwohl für angemessen gehalten. Ick möchte nun doch darauf aufmerksam machen, daß es fich bist um den Bruch eines Brautbks handelt. der in der ganzen gesitteten Welt, überall da, wo Konstitutionen und monarchische Staaten bestehen, beachtet wird (Obo! links), denn für die Haxdlunßen der Reich9regierung steht der Reichskanjler ein; an ihn haben Sie sich zu wenden, wenn Sie Cinwmdungen und Vorwürfe zu erheben haben gegen das, was Ihnen die verbündkten Regierungen bier Vorgelegt haben. (Sehr gut! rechts.)

Im übrigen babe ich es für zWCckmäßig gehalten, aucb meinerseits den Standpunkt zu der Vorlage, um die es fich bier handelt, kur! darzulegen, Ick) entnehme die besondere Berechtigung dazu aus der Thatsache, daß es fich ja hier um die Wiederaufnahmeeines Gesesvor- s(blageö handelt, der seiner Zeit von meinem AmtSvorgänger im Reichstage vertreten'ist. Schon damals, bei der Novelie zur Gewerbe- ordnunß im Jahre 1890/91, als die Faffung des § 153 der Gewerbe- ordnung, welche damals dem Reichstage unterbreitet war, in der zweiten Lesung abgelehnt wurde, hat der Minister von BeersÖ ausdrüälicb erklärt, daß die verbündeten Regierungen nach wie vor an der Ueberzeugung festhalten, daß Slrafbestimmungm gegen den Zwang zur Arbeitöeinstellung unerläßlich nothwendig fi"?- und daß, wenn der Reichstag bei dieser Gelegenbeit „die Vorschläge der verbündeten Regierungen in dieser Beziehung “"It annehme, er später vor dieselbe Frage gestellt werden würde- Herr. Vertreter der preußischen Staatßregierung hat damals "' genommen, daß, wenn zu jener Zeit die Erfahrungen, die er auf dem Gebiet der Arbeitéeiustellungm gemacht habe, noch nicht andretlbenk

“wesen seien, ma die Auögeüaltung des § 153 nach dei: Vorschlägen der Rekcksne'gierung xu erreiibm, " darm“ aller Voraussicht nach die axfakeungen, die nian :in der Folge machen werde, dazu genügen würden, "um eine beffete Handhabe zu gewinnen. Diese Vorausseßung ift zugetroffen. Es haben eine große Zahl von ArbeitSeinfteilungen stattgefunden seit jener Zeit, Arbeitßeinftellungen von sehr großer Ausdehnung und Tragweite, Arbeitßeinstekungen, bei denen die schwersten Ausfcbreibungen gegenüber den Arbeitöwilligen vorgekommen find. Man hat in dieser Beziehung gegen die Darlegungen in der Ihnen „vorgelegten Denkschrift vielfacko Ausstellungen erhoben; man hat gefragt: weshalb hat man hierüber nicht die Ge- wnbeaufficbtsbeamten, die Gewerbe-Jnspektoren und Bergrevier- beamten gehört? Ja, es sind die Regierungen, die Ober-Bergämter gehört worden; den Regierungen sind die GeWerbe-Jnspektoren nach. geordnet, in den Regierungen fiken die Regierungs-Gewerberätbe, den Oher-Bergämtern sind die Bergredierbeamten nachgeordnet. Es ist Sache dieser Behörden, der Regierungen und der Ober-Bergämter, die ihnen nachgeordneten Beamten zu hören, soweit sie es für notd- wendig erachten. (Lebhafte Zwischenrufe von den Sozialdemokraten.) Das ist auch geschehen. (Wiederholte stürmische Zwischenrufe von den Sozialdemokraten.) -- Woher wiffen Sie, daß das nicht geschehen ist? Es ist tbatsäcblicb geschehen!

(Präsident: Ich bitte, die Zwischenrufe zu unterlassen und Privat- konversationen hier nicht zu führen; sonst kommen wir nie zu Ende mit der Vorlage.) (Heiterkeit.)

Unter den Arbeitsrausständen, bei denen Ausfckoreitungen schwerer Natur vorgekommen sind, spielen ja eine besondere Rolle die Aus- stände der Bergarbeijer, inSdesondere die großen Arbeiterauöstände, die im Jahre 1892/93 im Saar- und Ruhrgebiet stattgefunden haben. Einer der Herren Vorredner bat die Ausschreitungen, die dort vor- gekommkn sind, seinerseits als sehr untergeordnet bezeichriet; er hat fich dahin außgesprocben, es begegne ihm in diesem Ausstande im Saar- und Ruhrgebiet ein alter Bekannter, der x ibm schon oft vorgekommen sei; was dort stattgefunden baby, und worüber man jest so großes Wesen mache, sei, wenn man es richtig ansehe, nichts Anderes als eine Summe verschiedener Ungezogenbeiten desselben Kindes. Damit betrachtet also der Herr Abgeordnete die Ausschreitungen, die damals vorgekommen find, als Kindereien. Nun halte ich mich doch für verpflichtet, Ihnen kurz darzulegen, in welchem Umfange damals diefe Ausschreitungen stattgefunden haben, welche Bedeutung die ArbeiWeinstellung jener Zeit' gehabt hat, und welche schwere Gemeingefabr mit diesen Vorgängen verbunden ge- wesen ist. (Zvruf links.) Es wurde damals in einer Versammlung der Bergleute beschlossen, im ganzen Saarrevier die Arbeit ein- zustellen; es wurden besondere Boten in alle Theile des Reviers ge- schickt unter Benußung des Fahrrades, nach allen Gruben bin, um die Arbeiter aufzufordern, die Arbeit niederzulegkn. Damals legtrn 24000 Arbriter an einem Tage ohne Vorgängige Kündigung die Arbeit nieder, also mittels Kontraktbrucbs. Man hätte doch eigentlich erst die Forderungen aufstellen müssen, weswegen man die Arbeit niederlegte; solche sind aber erst im Laufe des Ausstandes nachträglich unter den Arbeitern vereinbart worden. Diese Niederlegung der Arbeit war also thatsächlicb nichts Anderes als eine vollkommen frivole, zu der irgknd ein genügender Anlaß nicbt vorlag. (Große Unruhe und Zurufe links.) Man hätte doch minde- stens seine Forderungen auffüllen und der Grubenberwaltung vor- tragen müssen, bevor man zu solchen Maßnahmen schritt; das ist aber nickot geschehen. Nun ersehen Sie aus der Denkschrift, die Ihnen rorgelegt ist, in welchem Umfange damals Ausschreitungen statt- gefunden haben; es wurden die Zechenbäuser beschädigt, zum tbeil demoliert, es Wurden Angriffe unternommen auf die Maschinen- bäuser, die ArbeüSwiUigen wurden umsteklt durch Zusammenrottung großer Maffen aukständiger Arbeiter, die sich in einer Nacht bis auf die Ziffer von 2000 beliefen. Man hat fie mit Steinwürfén verfolgt, gemißbandelf, durchgeprügelt, hat auf sie geschossen, ist in die Häuser eingedrungen, bat die Familienangebörigen bedroht, hat Dynamit- anscdläge gemacht gegkn einzelne Arbeiter. (Große Unruhe und Zurqu links. Zuruf rechts.)

Sind das, meine Herren, alles Kindereien? Da muß ich doch sagen, es scheint der Herr Vorrednkr don Kindern und Kindereien wunderbare Vorstellungen zu haben. (Sehr gut! rechts. Zuruf links.)

Es handelte fich hier, meine Herren, um einen Ausstand, der sick) erstreckte Über das ganzeSaargebiet, und dsn Zweck und die Bkdeutung haben sollte, in diesxm ganzen Gebiet, welches auf die Saarkohle angewiesen ist, die Industrie zum Stillstand zu bringen. Ick habe hier eine gedruckte Aufforderung, die seinerzeit von den Führern der Bergleute an die sämmtlichen Verglrute ergangen ist, in der sie zu einer „großen Ver- sammlung für das ganze Saarrévier in dem bergmännischen Saale“

eingeladen Wurden. Darin brißt es:

Erkenne Deine Macht, Du Bergmann! Wenn Dein starker Arm nicbt will, Dann stehen (1118 Räder still!

(Sebr richtig! und Heiterkeit bei den Sozialdemokraten.)

Im ganzen Saarrevier wird eingkladen zu der Versammlung, in der die Bergleute Mann für Mann, Schulter an Schulter er- scheinen folien zur Entscheidung. „Betrachje Deine Gegner alia!“ So schließt die Aufforderung. (Zurufe links.) Kann man nach dieser Aufforderung einen Zweifel baden, daß man damals tbatsäcblicb nichts Anderes gewollt hat, als die ganze gewerbliche Thätigkeit innerhalb des Gebiets, welches auf den Bezug der Saarkoble angewiesen ist, zum Stillstand zu bringen? (Sehr richtig! rechts. Zuruflinks. Glocke.) DiEser Strike hat nur drei Wochen gedauert. Für diese Zeit hatten sich die Werke vorgesehen, weil sie geahnt batten, daß die unter den Arbeitern vorhandene Gäbrung zu einem ähnlichen Austrag führen könnten, sodaß glück1icherweise tbatsächlicb ein Koblenmangel nicbt entstand. Nun denken Sie aber, es hätte diefer Aus- stand länger gedauert, die Koblenvorrätbe wären aufgebraucht worden, es wären die Fabriken zum Stillstand gekommen. Der Skike setzte sich nun in dem folgenden Monat fort nach dem Rubrrevier. Die Uebertragung bezeichnet man als den sogenannten Sympathieftrike, weil tbatsächlicb die Strikenden im Rubrrebier el)?nsowenig Veranlassung hatten zur Einsteüung der Arbeit, wie die im Saarrevier. Auch dort find Ausschreitungen der allerschwersten Art vorgekommen. Wenn nun zwei so große Reviere wie das Saar- und Rubrrevier gleichzeitig dahin kommen, die Förderung ibrer Kohlen einstellen zu müssen, wenn infolgedessen die darauf angewiesenen Fabriken genötbigt find, ibre Thätigkeit einzustellen, ibre Arbeiter zu entlassen, wenn es dazu kommt, daß auch die Eisenbahnverwaltung

K *die-Kohlen, die' ße nothwendig bat z'»: ihrem Betriebe, nicbt" webt

erlangen kann, wenn es dazu konimt, daß große Städte, die der täglichen Zufuhr durch die Eisenbahn bedürfen, die Mittel zu ihrer Ernährung nicht mehr erhalten, wenn es dazu kommt, daß man die Straßen nicht mehr beleuchten kann (Zuruf [info) (Glocke des Präsidenten),

(Präsident: Hsrr Abgeordneter Singer. ich bitte URL zu unterbrechen.) *

daß die Mittel, die für den Lebenöunterbalt erforderlich find, auch fehlen für die Krankenhäuser und Zuchtbäuser, vergegenwärjigen Sie fich alies das und dann fragen Sie sich, find das nicht Zustände, die mit einer großen Gemeingefabr verbunden sind? wir haben glück- licherweise ähnliche Fälle bei uns noch nicht erlebt. (Zuruf links, Heiterkeit.) Ich wünsche nicht, daß ein solcher Fall eintritt, aber ich befürchte es, Wenn einmal ein solcher allgemeiner Strike der Gruben- arbeiter eintritt, welche Zustände dann entstehen, das kann man aus den Vorgängen in den Vereinigten Staaten ersehen. Dort fand bekanntlich im Jahre 1894 ein allgemeiner Strike der Eisenbabnarbeiter statt, der über eine ganze Reihe von Staaten fich verbreitete, und welche Folgcn hat dieser Strike gebabt? Wochenlang ist der gesammte Eisenbahn- und Postverkehr unterbrochen worden, es haben Be- schädigungen von Vermögen und Eisenbahnmaterial in koloffalem Umfange stattgefunden, sodaß man den gesammten Schaden, der an- gerichtet ist, auf eine Viertel Milliarde berechnet.- Cs find Hundsrte von Menschenleben das Opfer dieses Aufstandes geworden, es find die Aufständisen gegen die Bundeshauptstadt Washington gezogen, man war genötbigt, 14000 Mann Bundestruppen aufzubieten, um den Aufstand niederzuwerfen. Das find doch Zustände, die wir bei uns nicht eintreten [affen dürfen; und wenn nun die StaatSregierung gegenüber dem, was wir bereits erlebt haben, und was man für die Zukunft zu befürchten bat, von Ihnen Mittel erbiitet, um im Wege des Geseßes Gewalttbätigkeiten und Ausschreitungen entgegenzutreten, onen Sie dann dem Staate diese Mittel verWeizern? (Zuruf links) wollen Sie die Mittel verweigern, ohne in die Beratbung der Vor- schläge einzutreten, die Ihnen die Regierung gemacht hat?

Um Miche Vorschläge handelt es sich? Zunächst um eine Aus- gestaltung des § 153, in dem gleichen Sinne, wie er s. Zt. im Jahre 1891 bon meinem Amtöborgänger befürwortet ist. Unter den sämmt- lichen Ordnungsparteien in diesem hoben Hause herrscht darüber Cin- verständniß, daß disse AuSgestaltung des § 153, wie fie in dem § 1 und 2 der Vorlage enthalten ist, tbatsäcblich eine vollkommen rationeÜe ist. Der § 153 enthält das Strafverbot gegen den Mißbrauch der Koalitionssteibeit, er hat den Zweck, daß die Koalitionßfreibeit gegen solcheAusschreitungen geschüßt wird, aber den Schutz der frsien Arbeit, der doch bielwicbtigerist als derSHuß dsr Koalitionsfreibeit, der eigentlich nur der Zweck dks ganzen Schußes der Koalitionsfreiheit ist, den haben wir nicht, der fehlt im § 153. Er soll jexzt nach unseren Vor- schlägen bineingsfeßt werden, es sonen nicht bloß die Ausschreitungen getroffen Wkrden, die hindern an einer Koalition, sondern auch die- jenigen, die hindern an der Arbeit selbst; das ist eine durchaus notb- wendige Konsequenz des Grundgedankens, die Sie nicht wohl ab- lehnen können. (Sehr richtig! rechts.)

Nun, der Schnß der Koalitionsfreibeit. Ja, der § 153 trifft mit Strafen nur denjenigen, der zum Beitritt zwingt und denjenigen, der hindert am Rücktritt. Die Strafe “Trifft absr nicht den- jenigkn, dcr umgeksbrt hindert an dem Beitritt und den, der zwingt zum Rücktritt. Es müssen aber diese Fälle doch ebknso getroffen werden , wie die anderen, Das ist einfach eine logische Konskquxnz dss Grundgedankens. Die Faffung dcs § 153 ist also eine unvoUsiändige, eine Verkrüppklte, die erst gerade gkftellt werden muß. Das ist der hauptsächliche Zwkck der Vorlage und das können Sie doch nicht ablehnen. Aber auch der Schuß der Koalitionsfreibeit im § 153 ist ein unvollständiger. Denn es smd nur diejenigen Koalitionen geschützt, die auf eine Verbesserung der Arbriis- und Lobnverbäliniffe hinwirken wollen, nicht aber solchr, die nur eine Aenderung der Arbeits- und Lohnverbältniffe bezwkcken, die man als Verbefferung nicht anerkennen kann. Das muß doch auch gkändert Werden. Nun finden Sie in der Denkschrift den Nachweis, daß in so und so vielen Fällen an dem Mangel disscr foruwllen Voraussxßungen die Anwendung der Straf- Oorscbriften geschcitert ist, da müssen Sie doch mit uns zusammen Sich bkreit erklären, wir wollen die Vorschriftxn so ändern, daß sie praktisch gcbandbabt werden können. Das ist eine woblbegründete verständige Forderung, die Sie doch nicht ablebnkn können. Darin aber liegt die Hauptbedeutung der Vorlagé.

Der zWeite Theil derselben besteht in einer weiteren AuBgestaltung der Strafvorschrift des § 153, die sich auf die bisherige Erfahrung und auf das dadurch begründete Bedürfnis; stüßt. Sind Sie mit den Fordcrungxn, die hier gestellt find, im einzelnen nicht einverstanden, so könncn Sie es drci) nicbt ablehnen, in einer Kommission die be- sonderen Gründe und Erwägungen zu prüfen, die wir für jede ein- zelne Bestimmung haben, die wir im Rahmen dieser allgemeinem Erörterung hier im einzelnen nicht Vortragen können. Das ist doch Von unserer Seite ein durchaus billiges und veritändigcs Verlangen?

Nun hat man bei den einzelnen Bestimmungen des Gefes- enjwurfs namentlich an dem § 8 Anstoß genommen. Ick möchte bezüglich dieses§ 8, damit kein Mißverständniß entsteht, hervorheben, daß der Grundgedanke desselben, wie ich glaube, bei ruhiger objektiver Ueberlegung von dem größten Theil dieses Hauses getbeilt wrrden wird Wir strafen in den §§ 1 und 2 die Ausschreitungen gegen die Koalitionsfreibeit. In dem § 8 strafen wir dieselben Ausschreitungen, wenn fie in solchen Betrieben begangen werden, die des besonderen Schutzes bedürfen, Weil ibre Unterbrechung mit dem öffentlichen Interesse nicht vereinbar ist, sondern eine gemeine Gefahr bedeutet. Ist denn das ein unverständiger Gedanke? Ich denke, das liegt doch auf der flachen Hand; wir haben in zahlreichen Fällen des gemeinén Strafrechts, gerade mit Rücksicht auf eine besondere Gefahr, auch eine Erhöhung der Strafen, sobald eine solche Gefahr vorliegt. Dasselbe Prinzip kommt hier auch zur Anwendung. Das ist doch nicht unverständig. Sie mögen ja verschiedener Meinung über die Graduierung der Straf- bandlungen, über die Abmessung der Strafen, über die Art der Strafen sein: das sind alles Dinge. über die man fich in der Kom- mission unterhalten und verständigen kann. (Widerspruch links.) Das wollen Sie nun aber unmöglich machen durch die Ablehnung der Vorlage. (Sehr richtig! rechts.)

Nun, meine Herren, möchte ich noch auf einige Einwendungen eingeben, die von einigen der Herren Vorredner gegen die Vorlage

erhoben worden sind. Es wird nnter anderem bier in diesem Gesch und überhaupt im ganzen Verfahren der Regierung in dieser Frage die paritätische Behandlung der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer vermißt. Ia, meine Herren, in diesem Geseke können Sie die pari- tätische Behandlung unmöglich vermissen; die Grundidee der ganzew Vorlage ist die völlig gleichmäßige Behandlung sowobl der Arbeitgeber wie der Arbeitnehmer. (Sehr richtig! reehts. Widerspruch links.) _ Wenn Sie glauben, daß in dieser Beziehung noch eine Lücke in dem Geseß sei, so sagen Sie es doch, stellen Sie doch einen Antrag! (Zurufe links. - Glocke *des Präsidenten.)

(Präsident: MeineHerren, ich bitte, die Unterbrechungen zu unterlassen. Das führt zu nichts. Sie sprechen ja dann wieder, wenn Sie an der Reihe sind.)

Nun, meine Herren, hat Ihnen bereits der Herr Staatssekretär des Reichs-Justizamts gesagt, daß in 'der praktischen Anwendung der Bestimmungen fick) immer ein Unterschied ergeben wird, daß fie in größerem Maße die Arbeiter treffen werden, als die Arbeit- geber. (Hört! bört! links.) Das liégt aber in den Ver- hältnissen. Der Grund ist einfach der, daß die Arbeiter fich in einer wéniger günstizen Lebenslage bCfinden, auf einem niedrigeren Bildungsgrad“: stehen als die Arbeifgebes, und da ist es sehr natürlich, daß sie lsikbter zu solchen Ausschreitungen kommen. Deshalb müssen fie auch in einzrlnen FäÜ-zn milder beurtbiilt werden. (Zurufe links.) Denken Sie nur an den Hkrgang eines solchen Strikes. Das ist ja sebr erklärlicb, wenn der Strikksehrlange gedauert hat, wenn die Strikekaffe asimäblich fich erschöpft, Wknn die Unterstäßungen, die man den Arbeitern aus der Strikekaffe giebt, ab- nehmen, wenn sie aleäblich die Hoffnung schwinden sehen, daß sie durch den Strike erreichrn, was sie erreichen woürn, WEnn fie sehen, daß immer mehr sich bereit erklären, die Arbeit aufzunebmcn, daß fich dann die Verzweiflung ibrer bemächtigt und daß fis zu solchen Ausschreitungen kommsn, die wir verhindrrn woüen. So erklärt es fich, daß gerade béi den Arbeitern diese Arxdsckprsitungen so häufig zu brklagen sind, während fie bei den Arbeitgkbern, die sich in günstigerer Vermögenslage befinden und die Sache abwarten können, mit deren Auffassung es nicht Vereinbar ist, zu Robbeitkn und Gewalttbätigkcikxn überzugehen (Hsiterkeit links), nicht oder nur selten Vorkommen.

Nun wird Von anderer Seite gesagt, man vermisse übsrhaupt die Parität in der Behandlung der Arbeitnebmsr und Arbeitgeber seitens der Regierungén. Man sagt: wéshalb schreitet die Régierung nicht ein gegen die großen Syndikate, gegen die Ringc, dir doch auch dahin führen, daß sie schließlich die Bedarfskreise, die Konsumenten voll- ständig abhängig machen und ihnen Einfall; die Preise diktieren, die sie annehmen müssen? Meine Herrsn, ich kann Ihnen sagen, diese Ver- einigungen der Unternehmer Haben bis jeßt, nicht ungünstig ge- wirkt. (Sehr richtig! rechts.) Sie haben dcn Erfolg ge- habt, das; die Preisentwickslung und die Lobnentwicke- lung gleichmäßige gswesen sind; das plötzliche Hinauf- schneüen und das plötzliche Sinken der Preise und Löhne, Mlches letztere der Arbkiter garnicht vertragen kann, ist durch diese Ringe vermieden wvrden, und es ist eine ruhige Entwicke'lung in die ganze Preis- und Lohnbewrgung bineingekommen. (Sehr richtig! r€chts.)

Nun muß ich aber anderseits sagen, ich berkenne durchaus nicht, daß mit der Tbätigksit dieser Syndikate eine große Gefahr verbunden ist, und daß die Zeit kommen kann, wo die Regierung sagen muß: nein, das geht mir zu weit (hört! hört! links), wcnn fortgxseßk die Preis:? in die Höhe getrieben werden, sodaß dcn Konsument-zn, den Bsdarfskreissn die wirtbschaftliche Existenz un- möglich gemacht wird, dann muß man schließlich mit grseygeberisckxn Maßregeln einschreiten. Und, meine Herren, dicse gleichen Erwägungen haben auch die Regierungen der übrigen Staat?" bkrcits beschäftigt. In Oesterreich hat man bereits einen Gesxßcnkwurf ausgearbeitet, der uns auch mitgethsilt worden ist, aber, meine Herren, es ist ein Problem der allerschwierigsten Att. (Heitcrkrit links.) Nachdem ich den österrsicbiscben Entwurf eingsseben babs, babe ich bis jetzt nur einen brauchbaren Vorschlag erkennen könnkn, das; man nämlich sich eine Unterlage Verschafft für einen Vollständiger: statistischen Uebsrblick aller ähnlichen Erscheinungen auf diesem Gebiet der Ver- einigung von Produzenten, sooaß man genau ihre Art, ihren Um- fang, ihre Gliederung, ihre Wirkung erkennt. Das kann man durch ein solches Gesev erreichen; mehr zu erreichen, dafür hat man bis jetzt noch kein brauchbares Mittel gefunden. (Hriterkcit links.)

Ich habe mich für verpflichtet gehalten, diesen Standpunkt bier darzulegen, um Ihnen zu zeigen, daß die Regierung dieser Frage keineswegs ihre Beachtung Versagt. (Sehr gut! rechts.)

Ich will dann noch einen anderen Punkt berübrkn. Dcr Hcrr Abg. Dr. Lieber bat außeinandergeseßt, grundsäßlich sri er und seine Partei nicht gegen eine Ausxzestaitung des §153 ein- genommen, aber sie wären der Msinung, daß ebenso wie § 153 auch § 152 der Außgestaltung bedürfe, auch er gebe nur einkn Ansaß zu einer geseylicben Regrlung, aber nicht die gessßlicbe Regelung selbst. Man kann ja dem Grandgcdankcn seine Berechtigung zugestehen, aber in welcher Wrise will nun der Herr Abg. 1)r. Liebér das, was er vermißt, erreichen? Er will eine game Reihe von geseßlicben Regelungen herbeiführen, die zugleich mit diesem Géses zur Verabschiedung kommc'n soll?", _ ob im Rahmen dieses Geseßes oder in besonderen Gesetzes- vorlagen, habs ich aus seiner Rede nicbt entnehmen können. Das aber steht doch fest, daß das, was er dabei im Sinne bat, die Rechtsfähigkeit dcr Berufövereine, die Bildung bon Arbeitcrkammcrn, die geseßliche Organisation des Arbeitsnachwciirs, und wie alle' diese verschiedenen Probleme beißen, daß diese zu dm scbwierigstcn Problemen der Gesetzgebung gehören, (Heiterkeit links), daß die An- sichten darüber weit auseinander geben. Zst ("5 nun möglich, bei dieser Vorlage alle diese Aufgaben zu lösen? Könnkn wir davon die gesetzliche Regelung desjenigen abhängig machen, was notd- rvendig ift, auf dessen Einführunz wir Gewicht lcgcn müssen, um die schweren Schäden fern zu halten, die jetzt aus dcr Entwickelung und Gestaltung der Arbeiterkämpfe erwachsen? Sollen wir diese notbwmdige Nagelung zurückstellen, bis wir jene weitausfebenden schwierigen Aufgaben erledigt haben? (Unruhe links.) Das, meine Herren, wäre doch nicht richtig. Ich möchte deshalb glauben, auf diesen Gedanken müssen wir verzichten. Ichweiß11icht,obdiewenigen Worte, die ich mir gestattet habe, an das hohe Haus zu richten, viel- leicht geeignet sind, um die Verschiedenheit der Auffaffungen einander näher zu bringen, ick) würde aber wünschen, daß eo der Fal] wäre; denn ich bin wirklich dcr Meinung, wir dürfen diesen Erscheinungen