Deutschen so gut. (Große Heiterkeit rechts und in der Mitte.) Meine Herren, ob ich diesen Rat befolge, das weiß ich nicht. Ich fürchte, daß ich es auf diesem Gebiet doch nicht mit gewiffen Leuten aufnehmen könnte. (Sehr gut! in der Mitte und rechts. Heiterkeit.) Es entbehrt aber doch nicht einer gewissen Pikanterie, daß der Herr Abg. von Vollmar mir meine Tonart vorwarf in demselben Augenblick, wo mir ein Artikel unterbreitet wurde, der von einer dem Herrn Abg. von Vollmar, ich will nicht sagen, besonders nahestehenden Seite, aber doch in einem Blatts der Partei veröffentlicht ist, zu der sich der Herr Abg. von Vollmar rechnet, und in dem wörtlich steht _ ich bitte um die Erlaubnis, diesen kurzen Artikel Verlesen zu dürfen _: .Die konserVJtiven Wegelagerer
(große Heiterkeit),
die Zentrumßgauner (erneute große Heiterkeit),
die nationallibcralkn Jesuitrn (große Héiterke'it)
und als der odcrste der Philister Eugen Richter . . . . (LTULUte Hsiti'rkeit), _ meine Herren, der Herr Abg. Richter, Von dem neulich Herr von Kardoxff mit Recht gesagt hat, daß wir ihn zu unser aller Bedauern nicht an seinem Plays sehen, Von dem wir alle hoffen, daß er seinen gewohnten Platz bald wieder einnehmen möZe (allseitiger Beifall) _
der parlamentarische Strolcb (stürmische Heiterkrit) _ ich bitte um Vérzeibung _
der parlamentaxische Strolcb won Kardorff (schallends Heiterkeit)
majzte den Regisseur. Der Reichs,:erichtsrat Spahn _ ich bitte nochmals um Entschuldigung _
illustriert? die deutscheKlaffi-„niustiz in Psrmanenz durch einen niedrr-
tr5chtigen Staatl-streich, mid dsr brscbäftigungßlose Addokat und
Streber Baffxrmann (Hcitcrkkit)
gab zum ersten Male in séincm chkn einen juristischen Kommentar.
Es ist hauts überflüsfiz, an die sch4mlosen Bubenstücke, an die
infame Affsnbosbeit dieses Parlamentarischen Gefindels zu erinnern, (große Heiterkeit)
das damals wir eine Sauberde (große Heitsrkcit)
in die Geschäftéordnung und Verfassnng hereinbracb und nieder-
trampelte, was ihm im Wege War.“ (Große Heitrrkeit.)
Und die Herren, kik? fich Liner so geschmackvollen Ton- art befleißigen, di? machen mir Vorhaltungen über meinen Ton! (H:iteckeit.)
Der Herr Abg. VM Vollmar hat weiter grmeint, ich hätte kxin Verständnis für dir Sozialdemokratis. Ick Vérfolge im Gegsnteil mit Aufmerksamkeit die Vorgänge in dcr: sozialdemokratiscl'en Partei und mit ganz besdiidrrer Aufmerksamkeit die Halturig.eines so gé- wiegten Politikers und Parlamentariers, wie es der Herr Abg. Von Vollmar ist, und sein;"r nähersn Freunds. Vor zwei Jalzren, meine Herrkn, wurlen ja in manchen Kreisen Erwartungen an den Rcvisionißmus geknüpft. Wie der edle Posa in Schillers Don Carlos vor den böskn König Philipp, so trat damals der Nevisionißmus Vor den Führer der sozialdemokratischeu Partei: .Gebsn Sie Gedankenfrsiheit, Sire!“ (Große Heitxrkeit.) De'r dachte abrr: „Sonderbarrr Schwärmer!“ (Ernsute große Hcitrrksit.) Er gab keine Gedanksnfrcibeit, er ließ durch seinen Frxund, Herrn Kautskv, Erklärrn, in der sozialkemokratiscben Partei sei sogar das Anzweifeln der gerade hsrrschendcn Meinung gefährlich und nicht erlaubt. (Zuruf bsi dkn SozialdLMOkraten.) _ Ich Werde Ihnen, .Hrrr Wehrl, Mnn Sie gßstattcn, dsn Artikel übersmden, ich habs ilm nicht mrdr wörtlich in; Gxdächtnis. Jsdcnfalls war damals die Haltung des HSM: Abg. Vrbsl eim' solchc, daß selbst ein an- gesehencö fr'awzösisches sozialdszxiokr-xtiläöcs Blatt, dis Hu- manité- odcr Aurorc Von dem UUZWZÜZUIG immléraob, dem und::[dsamen Dogmatixmus, der dsutschen Sozialdsmdkratie sprach. Da duckte fick; dcr Revifionismus (Hxikrksit), da überlii'ß er die Füßruns den iikoyistisrhrn Politikcrn, da wich er zurück vor d.“:ijc'nizrsi, di: das mit sc'ltrnem Scharfsinn und seltsncr Dsnkkraft, mit UnszwölUjiiäxcri Kenntmisssn und mit noch ungewöhnlichcrer Dialektik konstrUieri-Z, «dr durch die geschichtliche Eixtwicklur-tg dsr T'irige in skinym Fundamrnt rrschiitt€rte System Von Marx für ein Dogma thtcn, sd starr Und so unanfsrhtbar, wie nur irgknd ein afitiiséhcs ngma. Und als der Revisionismus fich zurückzog, fich sc) duckte, ka schaltrts “31" fich cb-xn ans ans der ZaHl derj-Znigen Faktorkn, 'die Rkakpolitik treibkn. (Sehr richtig! links.) Gcwiß, die BsbandlUr-g, die ihm damals zuteil wurde, konnte Vkit- gofirl)l MMM, Mun, rrieHerr Hon Vollmar treffend sagt?, die Politik nicht bis zu einen: gékViffkil Grade dak: Mitleidausschlöffe. (*ÖLithkkit.) Aber auck) die Art Und Weise, wie damals der RWisioniStnus rkaxzierte, oder viclmr-br, wir er nicht reagierte, auch die konnte ein gewissks Mitgrfähl hctdorrnfsn. Dcsbalb hat EI kcinen Wert, wenn die -H€rren don jcncr Richtung fich mit einer _ ich gebrauche wiederum Linsn Außdruck, dessen fich Hkrr Von Vollmar soeben be- diente _ mit einer XClatiVLU Mäßigung aussprechen, solange sie nicht im stande find, fich won dcmjsnigsn Herrn zu Emanzipieren, dtn ich nicht beim Namen nennkn will, den aber vor zwci Jahren mit feinem Wiss der Hcrr Abg. yon Voümar Verglicky mit dem Lordprotektor Cromrvell. Solange sie fich nicht auf eigene Füßc' stellen, so lange Haben ihrs relativ gemäßigterkn Anschauungen auch nur einen akadsmiscbcn Wert, und daß in der sozialdemokratisÖSn Partci das Akademische nicht allzu bock) (:cwcrtet wird, das wissen wir seit dem Drssdenkr Parteitag. (Heitsrkeit)
Nun, meine Herren, hat sich der Herr Abg. von Vollmar ein- gebknd mit unserm Verhältnis zu Rußland beschäftigt. Er hat zu- nächst gemeint, es sri ein Unterschied zwischsn dem Aufirrten einer Partei und zwischen drr Haltung (“iner Regierung. Das, meine Hkrrkn, kann ich nicht zugcben. Die Annahme, es sei glsichgültig, wir die Parteien, die Presse, das Parlament fich zu den großen Fragrn der außwärtigen Politik stsllan, trifft Heutc nicht mehr zu. Wir gcwinnen nicht an Ansehen, wenn schnuikrige, ver- wickelte, heikle Fragen der internationalen Politik lediglich vom Parteistandpunkt aus behandelt wrrden. Gerade so, wie man wäbrsnd des südafrikanischen Krieges auf falschem Wage war, als man sich vom Gefühl leiten ließ und das Vermeint- liche moralische Recht oder Unrecht wrrwechselte mit dem nationalen
Vorteil ode; Nachteil, so ist man auch heute im Irrtum, wenn man sich in der außwärtigen Politik von GefühlSwallungen oder von Fraktions- rücksichten bestimmen läßt. Ich wiederhole noch einmal: wir beob- achten Rußland gegenüber die vollkommen loyale Neutralität, die unserem traditionellen Verhältnis zu dieser Macht entspricht, ohne daß wir damit den anderen Mächten, die mit uns im Allianz- oder Freundschaftsvkrbältnis stehen, irgend welchen Grund zu berechtigtem Mißtrauen oder zu berechtigter Beschwerde geben. Ich kann nur wünschen, daß alle Parteien, daß die öffentliche Meinung und die Presse dieselbe Linie einhalten mögen. Wir Deutsche _ ich will das offen aussprechen _ haben eine unglückliche Sucht, einen unglücklichen Hang, bei fremden Händeln Partei für den einen oder andern zu nehmen, uns mit unserem Urteil in fremde Streitigkeiten einzumischen. Sehr richtig.) Dabei kommt praktisch nicht viel heraus. Es ist ein Mangel an Erziehung, Wenn bei uns weite Kreise fich bineinsckßreiben und bineinreden lassen in eine solche heftige Parteinahme und dabei womöglich noch denken, das schxde nichts, wenn die Regierung fich nur korrekt Verhalte. (Sehr richtig! links.) Je größer der Einfluß der Organe der öffentlichen Meinung, der Abgeordneten wie der Presse gsworden ist auch für Fragen der auswärtigen Politik, um so mehr müffen sie fiel) der Ver- antwortlichkeit bewußt werden, die auf ihnen ruht, für Schwierigkeiten, die aus der Erregung von Volksleidenfchaften für drn Gang unsrer auswärtigen Politik erwachsen. Ich will gern anerkennen, daß unsere große Tagespresse, von der Kreuzzeitung bis zur Frankfurter Zeitung, sich gegenüber dem gegenwärtigen ostasiatischen Krisge einer anerkennenswerten Ruhe und Besonnenheit befleißigt. Da mich aber der Herr Abg.t)on Vollmar genötigt hat, dieses Thema noch einmal anzuscbneiden, so füge ich hinzu, daß ich zu meinem Bsdauc-rn' nicht das gleiche Von unserer Wiypreffe sagen kann. Gerade so, wie unsere Wiyvreffe während des südafrikanischen Krieges maßlos bsftig und uuderständig War, und ihr Wiß oft in Schmähungen ausartkte, so läßt sich auch jetzt beobachten, wie sie gegenüber dem ostasiatischen Kriege den einen der beiden Gegner wegen seiner bisherigen Unglücks- fälle mit einem Hohn und Spott verfolgt, der doppelt bedauerlich ist angefickyts der yon diesem Gegner bewiesenen Tapferkeit. (Brady! rechts.) Die Freiheit, die ich der Wißpresse im übrigen gern gönne _ über mich mögen sie schreiben, was sie wollen (Heiter- keit), da gebe ich ihnen Maßkenfreibeit (Heiterkeit) _, diese Freiheit muß ihre Grenze finden in einem gewissen Maß Von Politischer Einsicht, das verbietet, beim Unglück anderer schadenfrol) zu sein, das Verhindert, dem Auslande durcb bösQrtige Illustrationen Matsrial zu Heßcreien gegen das deutsche Volk zu likfern. (Ssbr wahr! rechts, in dsr Mitte und bei den National- libsralkn.) Solche bösartigen Illustratiorien, solche roöen Witze können _ das kann ich Sie Versichern _ oft Mehr Schaden anrichten als Ein leidenschaftlicber Leitartikel oder selbst als Reden, wie wir fie bisweilen Von dsr äußersten Linken gehört haben. Jeb wermag auch keinen mildernden Umstand darin zu erkennen, daß solche Z€ichnungen bei uns, wie ich wobl weiß, meist von blutigsn Nichtpolitikern entworfen oder inspiriert werden. Was der Deutsäye in der Bundestagszeit über seine Nachbarn dachte, das war diesen ziemlich egal, das hatte in der Tat auch keine große Be- deutung. Heute ist das anders. Heute t'nuß die Nation die Fenster erscßen, die ihre Presse einschmeißt. Dieses Gefühls der Mit- vsrantwortlicbkeit für den (Hang unserxr auswärtigen Politik müssen wir uns noch mehr bewußt Werden. (Bsifall r2chts.)
D.:r Herr Abg. von Vollmar hat auch gemsint, die Sozialdrmokratie wolle keinen Krieg mit Rußland. Ja, dann mußte dsr err Abg. Don Vollmar aber damit anfangen, den Herrn Abg. Bkbcl zu Verbindern, so gegen Rußland zu sprechen, wie „er das nun schon bei wiederholten Malen getan hat. (Sehr Wahr! rechts und in der Mitte.) Wi? weit sein Einfluß in dicskr Rickytxmg Wicht, das wriß ich freilich nicht (Heiterkcit), trotz dEr ritt€rlich€n Art, mit der rr. cHsn für ilm Lingetreten ist. Eins ist ficher: jemebr Si? gegen Rußlarid zu Fcldc ziedcn, umso mehr mußicb mich bemühen, die Vszicbungen zu Rußland in friedlichrn und freundlichsn Bahnen zu halten. Eins möchte ich noch Hinzufügen: Angriffe, aus d€n€n nicht die nötigen kriegkrischen Konsequenzen gezogrn Wkrdkn, sind frkmden VölkSrn gkgénübär immkr vom Uxbel. Der axxdere wird da- durch gcrrizt, und man selbst blamiert fick), Mm: man seinsn Worten keine Tat folgen läßt. (Sehr wahr!)
Meine Herren, dsr Hkrr Abg. don Vollmar ist aui) noch einmal aus den Königsberger Prozrß zurückgekommsn. Ich habe schon gesagt, daß ich über den Königsberger Prozsß nicht als Jurist, sondern (ils Politiker gCsprdchcn babe. Ich kaiin nur wiederholén: alles, was der Herr Abg. Von Vollmar hierübcr gesagt bat, ändsrt nichts an der Von mir konstatirrtkn Tatsache, das; die Sozialdrmokratie mit wollem Bewiißtsein und mit allen ihr zur Verfügung stebenden Mitteln J:“grn die russische Regierung arbeitst. Dadurch aber schädigt sie? unser Vkrbältnis zu Rußland, das in friudlichen Bahnen zu halten die Aafgabc unserrr Politik sein Muß.
(Es hat mich gefreut, daß dsr Herr Abg. Von Vollmar sosben die nationale the bLtont hat, daß er für seine Partei die Eigknfcbaft des Patriotismus reklamicrt hat; daß er seiner Partei einen nationalen Mantel umgebänxzt hat. Wenn der Herr Abgeordnete won Vollmar mit Bebarilickykcit und Zähigkeit auf diesem W:ge weiter fortschreitet, so kann cr sich vielleicht noch zu einem Kutschen Ixuréxs entwickeln. (Heit-srkeit.) Das würde ich ihm aafrichtig wünschen. Vorläufig aber muß ich konstatieren, daß in kkinem Lande dEr Welt die Sozialdemokratie gegknüber Rußland eine so feindliche, lärmende, und ich muß hinzufügen, ungeschickte Propaganda tkéibt, wie das bei uns der Fall ist,
Der Herr Abgrordnete von Vollmar hat auch dunkele An- deutungen gemacht, oder vielmehr er hat sich auf Andeutungen des Hkrrn Abgödrdneten Bebel bezogen, die wir darauf hinausznkommen ' schienen, als ob wir Rußland gegenüber duxéb irgend einen als kaäsnäum zu bebandelndsn Vertrag gebunden wären. In dem offiziellen Organ der sozialdemokratischen Partei W? W dieselbe Behauptung gelesen. Mit Erlaubnis des Herrn Präsidenten möchte ich diese wenigen Zéilen Vorlesen. Da heißt es;
.Das Verhalten des Reichskanzlers Grafen Bülow im Reichstag gegenübcr den kurzen Andeutungen, die Genoffe BLÖLT über den Königsberger Prozeß gemacht bat, beWeist zur Genüge, daß die gegenwärtige Regierung im Nussendienst völlig verstockt und un- rettbar verstrickt ist. Der langjährige frühere englische Botschafter in Berlin, White, hat neulich in einer englischen Zeitschrift be- hauptet, daß er ganz ficher wiffe, es sei ein geheimer Vertragzwischen
Rußland und Deutschland abgesckploffan worden. Alle Anzeichen sprechen dafür, daß ein solcher Vertrag in der Tat existiert, und daß er einen so skandalösen, auch die inneren Verhältnisse der beiden Länder berührenden Inhalt hat, daß Deutschland durch diesen Vertrag an Rußland sflavisck) gebunden ist. Man hat fast den Eindruck, als ob die erstaunliche, bis zur Würdelosigkeit gesteigerte Willfährigkeit [egen- über Rußland daraus zu erklären ist, daß man vor unangenehmen Ent- hüllungen Rußlands sicb fürchtet. Man hat, so scheint es, mit dem Geheimvertcag Rußland eine Waffe gegen Deutschland selbst in die Hand gegeben
_ Meine Herrcn, ich bin kein unbescbeidener Mensch, aber halten Sie
mich wirklich für einen so koloffalen Ochsen? (Große, allgemeine
Heiterkeit.) _ Rußland eine Waffe gegen Deutschland selbst in die Hand gegeben, die uns nicht nur zu den schändlichen Russendiensten verpflichtet, sondern auch der Regierung die Möglichkeit nimmt, sich von dem Joch zu lösen. Vielleicht gewinne'n die Freisinnigen wenigstens die Enxrgie, bei dieser Gelegenheit nach dem geheimen Vertrag, der zwischen Preußen 1118) Rußland abgsschlossen ist, sich zu erkundigen.“
Meine Herren, was die Herren von der Freifinnigen Partei tun werden, das weiß ich nicht. Ich selber möchte aber das Nachstehende sagen. Was die Behauptung angeht, nämlich, daß eine solche Mitteilung aus- gegangrn wäre „yon dem langjährigen früheren englischen Botschafter in Berlin, White“, so hat es allerdings einmal einen englischen_Bot- schafter gegeben, der White Hieß; der war aber nicht Botschafter in Berlin, sondern in Konstantinopsl. (Heiterkeit) Dann hat es auch einmal einen Botschafter in Berlin gegebén, der White bicß. Der war aber nicht englischkr Botschafter, sondern amerikanischer. (Heiterkeit) Auf der Höhe dieser Sachkenntnis, die mich wirklich schon an Pichelswerder (Heiterkeit) erinnert, steht auch der übrige Inhalt dieses Artikel?; oder ähnlicher _ ich will nicht sagen _ Jnsinuationen, aber ähnlicher Andeutungen. Für „die große Mehrheit dieses hoben Hauses brauche ich wohl nicht zu sagen, daß ein solcherVertrag nicbt existikrt.
Meine Herren, und endlich hat der Herr Abgeordnete von Vollmar aucb gemeint, die auswärtige Lage sei so friedlich, daß er nicht einsehe, weshalb wir unsere Webrkraft zu Verstärken brauchten. Wir haben keinen Grund, an der Aufrichtig- keit der Frikdensvsrsicherungcn zu zw-Zifeln, die die Regierungen der Großmächte wiederholt abgegeben haben. Die Regierungen, Fürsten und Staatslenker smd, wie ick) glaube, alle von dem aufrichtigen Wunsche erfüllt, den Frieden aufrecht zu erhalten. Ich kann auch hinzufügen, daß die zwischen den Mächten bestehenden Allianzen fich mehr und msbr als In:“truments des Friedens [);-währt haben. Wie sehr das Von dem Drsidund gilt, babe ich Hier mehr als einmal dargelegt. Aber auch die franzöfisth- russische Allianz hat sich als friedenerbaltend bswährt, indem fie auf weniger friedliche Elemente in Frankreich Linen moderierenden Einfluß außgeübt hat. Wir hoffen, daß auch die französisch-englischs Annäherung friedenerhaltend wirken wird. Für Deutschland dürfkn wir das Verdienst in Anspruch nehmen, daß es, dank der weisen Politik unseres alten Kaisers und seines großen Kanzlers, den Grand zu einer langen Friedenöepoche gelegt hat. Ich würde aber meinen Pflichten als Auswärtiger Minister nicbt gcnügen, wenn ich die Augen dagegen Verschließen wollte, daß es in Europa auch Unterströmungen gibt, die zu kriegerischen Verwicklungen drängen. Wenn Sie an die Revanchegelüste in Frankreich denken _ wir haben den innigen Wunsch, daß dieselben fich mrbr und mrhr verflüchtigen mögex; aber so optimistisch, wie drr Hsrr Abg. Von Vollmar, Vermag ich die Stimmung jenseits der Vogssen uicht anzusehen _, Wenn Sie denkén an die kürzlich Von mir berührten Heßereien gewisser englischer Zeitschrift€n nnd Journale und an manche analoge Erscheinungen dcutschfeindlicher Treibereien in Europa, so werden Sie mir zugkben, daß es in der Welt weder an Züi;dstdff fkblt noch an Leuten, die Lust hätten, den Zünd- stoff zur Flamme zu entfachen. Eins ist sicher, meine Herren: wenn Dcutschland seit eincm Ménschenalter der Mittelpunkt der FkikdéüÖthiNZLU uud ein Bollm'rk des Frieders gewesen ist, so konnte es diess mr skin dank 'skincr Stärke! (Sehr wahr rechts und bei den Nationallibkralen.) Cin schwaches Deutschland würde sofort krieg«-rische chirkrlicbkcit, kriygcrischr: Neigungen groß wkrdcn lassen. Ein schwachrs Deutschland _ Und damit will ich schließen _ würde nicht nur für uns xine Gefahr ssin, sondkrn auch für drn europäischen und den letfrisdcn, den wir alle aufrecht zu erhalten wünschen! (Lebhafter Béifall.)
Abz.Dr. Spahn (Zentr) ist bei der im Hause nach der Rede dcs Réicbskanzlkrs auftretenden allgemeinsn Unruhe sehr schwer ver- ständlich. Er polemificrt gegen den Abg. Von Vollmxr und stellt zu- nächst fest, daß die zitieéi'te Acherung dez Zentrumsabgyordnrtsn übsr die Witwen: imd WÜffMVZLÜÖEkUUiZ durchaus entstellt sei. Auch die übrigcn Vorwürfe des Abg. von Vollmar gegen das Zentrum seien unbkrechtigt Der Königx-berger Prozeß sei allerdings keinRuk-mesblatt in dcr Geéchichte drr prEiißjycbi'n Juxtiz. Die heutigen Ausführungen des SchaHsekrltärs gegrn die Matrikularkeiträgc könnten nicht obne Widersprncb bl-Tiben. Man könnteßcky darauf vsrständigen, die Aus- gaben, die durch die erhöhten *).kéilitärfordérungen entstehen, auf die Znschußanleibe zu übcrnrbmen; eine solche Lösung müßte ja im Sinne des, Säyatzsskretärs lirgcn. Seine Aeußerung über die Ueber- zabl der Braunen im Rcicbdamt dss JanCrn sei 13011 Hkrrn Bebel mißMrftandcn word-xn. Dcr Zolltcirif brauche nach scim-r Anfcbauang keine Weitere VZrteuerung der LebenSmittel zu Erzeugen; aber des- wegen sei nicht ausgeschlossen, daß die Ernährung dcr arbeitenden Klasen gcgenübrr dem Auslande dadurch relativ teurkr werde, daß die Preise im Auslande nsch mehr sinken. Die Denkschrift über die Kolonien enthalte zwar sehr virl interkssantes Material, aber v:"xllizxe Aufklärung bringe sie richt; man Werde sich in der Kommijsion weiter darüber zu unterhalten haben. In drm Bericht Wien zwei wichtige Schriftstücke dcr rheinischen Miision mitgeteilt, die man dem Reickrstage schon 1903 hätte zugänglich machen müssen. In einem dieser Schriftstücke sei bereits der Vorschlag emacbt, die Eingeborenen in Rsservate überzufübren. Dieser séhr t-ciHaUSwürdige (Hedane sollte so schleimig wie Mößlkck) Verwirklicht werden. Ueber die Fxgge rer Exricbtung eines eigenen Kolonialamts werde man fick) auch die desmitiVE Stellar nahme vorbehalten müssen. Zu dcr Ent- sckyädigungssrage an fick) Jabs sich der Reichstag in früheren Jahren keineswegé unfreundlich verhalten; auch die weiteren Kreditforderungen wurden wohlwollend gevrüft werden.* Wenn der Kanzler nur die 1200 Millionen jährlicher EtatSausgaHen für unsere Rüstung angebe imd diese Zahl" den 3 Milliardi'n gegenüberstelle, Wklche jährlich in IFUUchland tur Getränke aussegebrnwerden, so sei, diese Gegen- ukxer LÜUUJ nicht ganz genau, denn mrt den 1200 Millionen werde kemechgs erschöyft, was das drutscbe Volk für sein Heer angebe. Wenn der Kanzler ferner meine, Es sei kein neues Material in der Diäten- frage bktgsbracbt wordsn, so werde damit die Frage selbst nicht aus der Welt geschafft. Nicht auf neue Gründe, sondern auf Erfüllung dieser Forderung komme es an. Die Revifioniten seien nicht der Parteileitung, sondern dem Reichskanzler unterlsegen, an
ekommen seien mit dxr Forderung der Gedankenfreibeit;
ZFUW si? ab elebnt. Die. Partetzc-„ntrale l_rabe erklärt, wenn ein ge- wisser revi'sionftischsr Karzdtdat gewahlt wurde, so erhalte er keine arteidiäten, und darauf habe der Betreffende zurücktrcterz müssen.
Gerade die Bevölkerung der Staaten jrnseits der Mainlmie müßte endlich in die Lage versetzt werden, im RexchYtage dauernd besser ver- treten zu sein als es jetzt der Fall sei. Nicht die Yrsten seien die Träger des deutschen Einbeithedankens, sondern der ercbrtag 'sei es. Man sollte jedes Mittel anwendén, „urn zu erreichen, daß die Zu- sammenfetzung dés Hauses eine gleichmaßtgxre wxrde aus allen Gaara. Was bxute anders qewordgn, 1ei, daß die Sozialdemokraten in viel größerer Zahl anwesend seren und Yartetdiateq zahlten; dadurck) sci der Absenkiémus zu einer kaahr 7er den Rerchstag geworden, urid das sei eine neue Tatsaéhe auch nur fur dtn, der_sie nicht immer htxr vor Augen habe. Das sollte sich auch der Reichskanzler zu Gemut fabrng. Stoecker (wirtscb. VW.)“: Wenn bervts sch01_1 so viel datüdcr gejammert wird, daß wir in die Weltpolitik enigetreten find so dürfen wir doch nicht Vergessen, daß es'unklug ware Ulid dem, deutschen Charakter nicht entsprach» ryenn wir etwas, was unt; nicht gleich gelin t, wieder aufgeben. W'tr dürchi auch nicht die günstigeRückrVir ung an unsere Industrie verrenen und auf die Entwickelung des dkutschn Gewßrbeflelßrs; Die Sozialdc-Znokraten weisen zwar darauf hin, daß sie diese Pdlitrk von Hornberem abge- lehnt hätten, aber was lehnen diese nicht ab! Sl? lehnen selbst das ganze Reichsbudart ab und kön'nen also nicht verlangen), daß wér auf ihre Ablehnung auch nur c-men Pfifferling geben. Die Aüfregutlg über die Stellungnahme „dEr Herren ,ist Hanz umsonst, wenn inan bedenkt, welcbe, Stellung die außerstr Linke uberhaupt dem Vaterland gegenüber einnimmt. linter dyn Mitteln zurkHebuna der Reicbsfinanzen scheint mir eine Reichsixmkdmmensteusr xvemger passend, weil dadurch die StaatSeinkommevstUzer m marzchxn Landsrn gcbindert wird. Vikl eber würde ich eine Reickpsxrbsckyastsjteuec empfevlsn, die unter allen Umständen viel bsqucmer, Viel angknehrner und schmerz- loser ist. Es ist xine gerechte Forderung, irenn jemand, der unter dem Schutz des Staates reich geworden ist, am „Ende senxks Lebens ein gut Teil des Erworbexien a11_ dén Stadt wieder abgibt. ' Daß wir so viel unserer Webrbartkn'Manner auöbtlden müffen, als trgknd möglich ist, das ist eine natürlich; Folge, unsxrc's'vortrefflrckoen Webr- systems. Ich möchte dcn thst-Ir “dringsnd bitten, Veranstaltung zu treffen, daß nicht an gewissen , Punlten unseres Heéres die Vermehrung übertrieben wird. Eine Brrstarkung und _B_e Yrikng unseres Unteroffizierkorvs ist diircbaus zu billigen. Der ruzfiy qapa- nische Krikg erheisclyt immerhin große Beachtuyg. Wir diirfenzncbt annehmen, daß wir mit unserem Ysera nicht aus dur Hut sem mussen. Was Rußland anbetrifft, so dürfen wir nicht "oergysscn, das; ,es unssre deutsche Einigungspolitik nicbt nur zugelqffen, sondern dazu mitgeholfen bat, Einem solchen Lande sollte man ntcht in schweren Zeiten Spott und Hohn xu teil Waden lassen. Man spreche nichtfvon den_ inrzerkn- Zuständen Rußlands, [)in handelt es „fich nur um sein Vsérhalthzn uns. (Es ist zu hsffen, daß die gegenwartigen s-Ywerkn Schrck1alsschlage für R-xszland das bkwirken werden, wastna fur Prcufzen bewirkt hat, eine Erncusrung des Volkslebens, die m Rußlaxid ohne Zweifel pyt- wendig ist. Ja der Kolonialpolitik sehen Viele Line großeTorbeit, 1ch ?böle nicht zu diesen. Alle Länder Europas, fast alle Großmachte
reibkn Weltpolitik und Kolonialpolitik, und sollten Wir alle Hoffnungen und Autsichten drr [Lyten 20 Jahre L"" begrabßn? Der Aufstand in SüdWeftafrika bereitet uns grdgk Schmerzen und hohe Kosten. Es ist dankenswert, daß uns diE Denkschrift Auf- klärung gibt, wv Fehler gemacht sitzd, ,ich kann abrr nicht der Auf- fassung zustimmen, daß der Krieg ]owreso ?ekommen xvare. ;Wenp man zur rechten Zeit Messwationkn ge chaffen hatte, daß die Hkrero für ihre Zukunft nicht hätten bange zu sem brauchen, dann wäre der Aufstand vermieden worden. Kenner des Landes fagyn, daß eine roße Gesamtbe'wegung der sckzwarzen Raffe gkgen die Weiße im nzuge ist. Wirlönnen nur wunscben, daß die Ratschläge der rheinischen Mission 'bcsdlgt wcrden, kbe es zu spät ist. Es bleibt zu bedenken, daß wrr 1m_Gr;nid_€ doch die Schuyherren sind, das möchte ich denjenigen gegenuber bejonders (x_n- fübrrn, die mrinen, man könnte tubizlz L'QZQ' chbkn "",d den Em- eborenen alles nehmen. Die Frage ist für, nnch jetzt„ wie soll man
Jie Hererobanden, die durch das chnd stretfer), zur_N:Lderlrs«u:;g rer Waffen bringen, daß sie einsebrn, ihr Widerstand Ut ge'broclyezx, daß ße endlich Frieden machen. Eine exemplarische Bestrafitzig „Ut am Platze, dann abrr soll man dxn Leutkn wreder Frrundltcbke'tten ex- weisrn, damit sie wieder Lust behalten, deutjcbe Untsrtanxn zusem und sich als Farms: wiedxr anzusiedeln. Radner Polrmißcrt drinn gegen die Sozialdemokratie, Von der man_7agen könns: Sozial- demokratie schlägt sich, Sozialdemokratie Verträgt fick), De-r Pait-Iitag in Brrmen babs die Dresdenkr Verhandlungen nicht gut gxmackpt. Di? Sozialdemokratie trage die Schuld, Wenn man dsn Zolltarif nicht mit der wünschenswerten Sorgfalt babe durcharlZ€itxn Fönnkn. Jetzt beginne noch die Sozialdsmoksratie die Jugend bis ins innerste LTU zu Vergiften und ihr Religion, Sitte und Gemxht „zi raubea. ie Bckämpfung der Sozialdemokratie sei eine der wrckyttgstrn Auf-
Tuben in ganz “Deutschland, denn es handle sich hier um Sein oder 5
iichtsein des deutschcn Volkes und Vaterlandes. Dix Einzige Mög- lichkeit, wie man hoffen könnk, derssozialdemokratischen „Volks- verderbnis wirksam entaeqcsnzytretrn, sei die, daß man die Arbeiter,„die mit dm andern bürgerlichen Kreisen in Frieden [eden wollen, untrrstutze, und wenn sie berxchtigte Forderungen aufstéllen, ihlnen helfe; Es müßlé, fährt Redner fort, viel mehr geschehen, tt_m die chxtrtlich-na_twnal? Arbkiterbewegung zu .fördrrn, wie sie nir- Franksurtkr Kopgreß Wieécrhall gkfunden Hat“ Ausbau d:“I Koalitionßrechts, Freiheit der Berufswereine usw. ist das Ykindestmaß, Was 7131: _zu fordern haben, ferner Arbeitskammern, nicht Arbeitrrkammern, namlich Kammern, be- stkbénd aus Arbeitgebern und Arbsitern. Das sind («danken, wie fie chon in der alten Kaiserlichxn Botschaft zum,?lxtsdruck zikkvmyzen nd. Wir wünschcn Korporationen, die yon chllstlilbkm Gerit erfiillt nd. Gewinnen wir diese christliche Grundlage für unser Volk nicht wieder, so geben wir d€n größten (Gefahren entgegen. Der Ab . Spahn sprach von Gleichberecbtiaung. Dre Vorausjcßun?1st dr: „, daß auch die katbolische Kirche Toleranz übt. _Dcxr Papt will die Welt wieder zum Christentum führen.“ Das ist em großer Gedanke, dann muß aber die katholische Kirche , anerkennxxt, daß 'der ProtestantiSMus eine berechtigte Art det; Christrntums. Ut. GesYncht das nicht, so kommen wir jrnem Ziel nicht naher. Die Uvntxrstutsung der christlicb-sozialen Arbeiter ist'durcbaus iiothndig. Frtnszsvn Ilb- ZTordrwte dieser christlich-nationalen Partei mussen mmdxstexß „im
eichstage vorhanden sein. Wir Werden “den Kampf gegen die Sozial- demokratie mit aller Entschiedenheit fortfahren. .
Abg. yon Gerlach (fr. VW.): Wenn es_ dem Reich§schaß- sekretär gelänge, eine Reichsvermögtnsstxuer cinzufuern, so wurde Er den Namen eines Reichs-Miquel verdienen. Die Kölnische Volks- Éitung' hat ebenfalls einen solchen Vorschlag gexnacht. Die „Deutsche
agkszeitung' hat dem zugestimmt, aber gemeint, nur das, mobile Kapital müffe herangezogen Werden, nicht dieNdeutsche Landwirtschaft. Dies Verlangen würde dazu führen, daß die Steuer erheblich Weniger einbräcbte und dann würden die vielen Liebesgaben, die der Landwirt- LÖaft zufallen, sich der Besteuerung entziehen. Der Staatrsekretar at sich ziemlich skeptisch geäußert über die Ertrage aus den neuen öllen. Ueber die Handelswerträge können xvir uns ja joyt leider nicht unterhalten. Zur Steuer dcr Wabrhcrt muß ich aber dem Abg. Stoecker sagen, daß es die Wahrheit auf den 57fo stellen beißt, wexm er sagte, die gründliche Beratung des Zolltartfs sei an dem Widerstands der Sozialdemokratie aeschxitert. Meme Partei und die Sozialdemokratie haben beim Zolltarif zusammengestanden, um seine gründliche Beratung zu ermöglichen. Auch ich glaube nicht an einen swbarras 60 rj0b6856; darum möchte ich die Einführung einer ReichSerbschaftSsteuer empfehlen. Was die Agitation gegen neue Heeres- und lottenforderungen so sehr erleichtert, ist der Umstand, daß dix AuSgabe ür jene Zwecke aufgebaut ist auf_ indirektcn Steuern. Die Militärverwaltung ist ja sogar mit verhaltniSMäßig mäßigen
orderungen an uns heran etreten. Sie „hätte aber allen Anlaß, Unserer Anregung über die ostendeckung naher zu treten. Was den
iitäreiat im einzelnen betrifft, so muß ich sagen, daß das be- ?Ynlite Dcffauer Kriegs ericbWUrteil in allen Schichten der Bevölke- rung die allergrößte erstimmung und Verurteiluna hervorgerufen bat. Worum handelte es sich denn? YM Litzen Tanzbodknstreit; und dafür 5 Jahre Zuchtbuuß! Wir muffen eme Herabskßung der Strafen für solche Fälle fordern und verhindern, daß so barbariscbe Ungereckptigkeiten aufrecht erhalten bleiben, und daß Vorgesetzte und Untergebene mit so schreiendem Unrkcht ungletcb behaxidelt werden. Die beiden Dessauer Soldaten haben so gehandelt, wte fie als anständige Mensäxen handeln mußten- _ Unsere (Folitische Lage ist nicht so, daß man ganz leichten Herzens daruber spre en kann. Gewrß wird von allen Staaten die FriedenSliebe betont. Dad war aber immer so und hat nicht gehindert, daß acht Tage nach ciner solehen Versicherung ein Krisg ausbrach. Deutschland hat freundliche Ge- fühle gegen die anderen Staaten, aber dl'ese Staaten haben nicht dieselben Gefühle gegen uns. In den offizteUen_Telegrammen treten ganz erheblicheVer1chiedenbeiten hervor. Man myßtx all_es vermxiden, was ceignet ist, das Mißtrauen gegen unsere MÜLtakilYtiz zu starken.“ Dcr ichskanzler sprach won wohlwollender Neutralitat gegen Ruß- land. Mir scheint, daß die Re ierurg das Wohlwollen gexzenRußland stark unterstrich. Mirscheint eutschlandinsemen Lixbesdiennende'gen Riißland zu rveit gegangen zu sein. In drr Verurteilung des Konth- berger Prozksses steht die Sozialdxmokratte nicht allem dcr. .Die ggnze Welt hat über die preuZiscbe Justiz Hohn gelacht, aber die eigentliche Schmach war, daß über aupt ein solcher Prozeß unternommen werdxn konnte. Redner erinnrrt ferner an die Verhaftung der russischen Studentin Baerson. Auf das Drängen, die Grüxide fur da_s Vorgrhkn gegen dtxse Studentin anzugebLn, habe die Polizei gesagt, xene d'a'be am 18. Marz die Gräber der Märzgefallenen besucht. Unjere Politik dem Yusland gegenüber, fährt er dann fort, können wir nicht nach dem Gesubl ,der Dankbarkeit einrichten, sondern nur nach den Jntereffexn deSFngenbltcks. Ick) vc-rlange ja nicht, daß wir mit Rußland glricb Handkl suchen. Die Gefühle Deutschlands für Japan erklaren sich aus der Sympathie mit Japans Kulturböhe. In der Yolitik darf man den Raffenstqyd- punkt nicht in den Vordergrund zie en. In den riiaßgr_bendez1Kret1en herrscht über die Wißpreffe eine zu große Nervdsitat; die Wiyblattsr, von denen der Reichskanzler sprach, koztimxn ja garnicht nach Rufz- land. Der Reichskanzler wille die Wtßblatter schreibezi lassen, zvas fie onr-n, sonst macht er nur Reklame fur sie. Wir haben emen ganz anderen Kampf zu führen, als den gegen die gelbe Gefahr, nämlich den gegen die reaktionäre Gcfabr. Darauf wird um 53/4 Uhr die weitere Beratung auf Sonnabend l Uhr vertagt.
Preußischer Landtag.
„Haus der Abgeordneten. 114. Sißung vom 9. Dezember 1904, 11 Uhr. (Bericht Von Wolffs Telegrapbischem Bureau.)
Ueber den Beginn der Sißung ist in der gestrigen Nummer d. Bl. bsrichtet worden.
Auf der Ta esvrdnung stehtdiJBeratung drs vom Herren: hause in abgcänJerxer Fassung zurtxckgclangtcxi Geseßentwurfs, betreffend die Kosten der Prufung u_l)_crwachungs- bedürftiger Anlagen. Das errenhaus hat diengcordneten- Hausfassung dahin geändert, da 111 ? l unter die ubcrmdchungs: bedürftigen Anlagen auch die ele trischen Anlagen eingereiht worden sind und der §2 dafür gestrichen ist, drr m besonderen Bestimmungen die elektrischen Anlagen der Prußmg nack) _ 1 unterwarf und den Begriff der elektrischen ? nlagcn na er spezifizierte.
Minister für Handel und Gewerbe Möller:
Meine Herrcn! Der Herr Vorredner hat auf dir Regierung einen grwiffén Vorwurf geworfeii, daß fie im Herrenbause die Abficht disses Hauses nicht in der nötigrn Weise bsfürwortct habe. Meine Hsrren, ich glaube Verfichern zu können, daß meine Kommiffare in der Kommiiswn sich gegen die Auffassung des Herrn Geheimen Rats Slak-r) géwes;det und auch erzielt haben, daß sich die große Mehrheit der Kommission des Hcrrrnbause's 979871 die Anträge des Hkrrn Professors Slaby ausgcsvrochcn hat. Ich selbst habe im Pirmrm dringend grbetcn, bci dsn Bsschlüssen dieses Hauses zu blcibén. Ich habe allerdings ausgesprocken, wie das durchaus den Tatsachen entsprach, das; die Revision des Herrrnhauses ja im Grunde Eine Wiedsrberstellung der RegierungkvorwJL sci. Ich habe aber an- erkannt UNd tue das liier auch, daß ich griienübxr dcm Mißtrauen, das in den Kreisen der Industrie entstanden war, es für gkrechtfsrtigt ge- baltrn habe, daß hier in diescm Hause der Versuch gsmackyt ist, die Volliricictétcn der Regierung einzusckyränkén in Bezug auf die Anlagen, auf die das Gesetz Anwendung findsn kann. Ich habe allerdings im Herrenbause ausgeführt _ und ich glaube: die Berechtigung dazu werden mir die Herren theoretisch zugestehen müssen _, daß jede kasuistische Fassung, namentlich auf einem Gebiete wie dem der Elektrizität, auf dem jedes Jahr neuss bringt, auch ihre Nachteile habe, und daß man daher besser mit der ursprünglichen Regierunßs- vorlage hätte auékommen können. Jul) kann das hier nur wiederholen.
Im übrigen aber ist durch die Verhandlungen des Hkrrrnbauses zum Außdruck gebracht, das; auch das Herrenhaus bei der Ausführung des Geseßes die Mitwirkung Von Männern der Praxis und der Wissenschaft wünscht. In dieser Hinsicht erfährt die Fassung der Gesetzesvorlage durch den Antrag des Herrn Freiherrn bon Zedlitz meiner Auffassung nach eine €rbebliche Vcrbeffcrung. Ich kann daher nur bitten, diese Verbesserung bier anzunehmen. Was der Hsrr Frei- herr Von Zedlitz über die Schwierigkeiten auégefübrt hat, die, wenn der Antrag des Herrn Volt; unter Nr. ][ angenommen werden sollte, demnäclet beim Erlaß der einzelnen Verordnungen entstehen würden, kann ich nur unterschreiben. Dadurch, daß Sie die Fassung des Herrn von Zedlitz annehmen, Vereinfachsn Sie die Sache nach Auffassung der Regierung ganz ungemein.
Um nicht unnötige Arbeit von neuem wieder stattfinden zulassen, kann ich jetzt nur bitten, daß Sie nunmehr die Güte haben, doch die Fassung des Herrenhauses mit dem Anfrage des Freiherrn von Zedliß anzunehmen und damit die Sache endlich zu Ende zu bringen. Ich Versichere Ihnen nochmals: ich werde alles mögliche tun, um namentlich in bezug auf die technischen Anforderungen eine Einbeitlicbkeit im ganzen Reiche herbeizuführen. Wenn Sie die Garantie haben _ und die wird Ihnen durch den Antrag des Freiherrn Von Zedlitz gegeben _, daß in jedem Falle die Sachderständigen der Wissenschaft und der Praxis gehört werden, so dürfen Sie vkrsichert sein, daß nicht Dinge in die Polizeiverordnungen hineinkommen, die zu einer unnüßen Belastung der Industrie führen werden. Wir haben den dringenden Wunsch, geordnete Zustände Herbeizufübren und vor allen Dingen zu verhindern, daß fiel) nicht in weitem Maße wilde Private Prüfungsanstalten bilden, deren Beseitigung uns demnächst große Schwierigkeiten und
möglicherweise auch Kosten bereiten würde. Das Bedürfnis nach regelmäßiger Prüfung der im Gesetzentwnrfe genannten Anlagen ist,
glaube ich, jest ziemlich allseitig anerkannt, und daher bitte tel) dringend, daß die Herren dazu beitragen, nunmehr durch eine beschleunigte Be- schlußfassung ein Ende in dieser Sache herbeizufubren.
Abg. Vorsier (fr. kons): Wir haben _unH yon voinbcrem be- müht die engste Füblung mit den _SacHVertandtgen zu finden, und wir Haben daraufhin unsern Kommrssionsbzscbluß qufgebaut. Unter diesen Umständen bat urs die Rede des Gebetuien Regtemngrats Slqby an;, besonders überrascht. Wir haben 1a beute insofern eine ufklärung * erhalten, als sich heraußgestellt hat, daß er einen sehr isolierten Standpunkt einnimmt. Dre uns brate zugegangenen Eingaben beweisen, daß die gesamte deutsche Industrie auf einem anderen Standpunkt steht wie Herr Slaby. Seine altuxig erklärt s1ch aus dem alten Gegensatz Von Praxis und * beorie. weifellos bat die Autorität des Herrn Slady dkn Beschluß des „errenbauses beeinflußt, und Mit Recht Wurde im Herrenbause Von einem glänzénden laidoyer gegen die Fassung des Abgkordnetenhcruses gesprochen. Der5 edn_er wendet sich daran 989611 die Aurführungen des Abg. Kreitling und befürwortet emdrmgli den §2 der Abgeordneten- bausb8schlüsse., _ _ . " " _ , Abg. Münsterberg (fr. Vgg.) spricht 11ch fur ZuruckverrOersung und cVentuell für die Annahme de? Antrages won Zedlitz (IUZ.
Abg. Macco (nl,): Das Geyetz in _der Fassung des Herrenhauses greift nicht bloß in die Elektrotechnik, 10ndern in alle Gebiete der menschlichen Tätigkeit, auch in die Laridwirtscbaft Ein, i_ndem es die Polizeiaufficbt omnipotcnt macht. Wie Will man ein_ iolchs Gesetz zur Durchführung bringsn?_ Das Plaidcysr dss Profe_nors__Slaby bat eiiie ZufallSmebrbeit für die: Umswßuiig Unscrer_de1chlü11e zustdnde gebracht. Die Vorlage muß an die „Kommimwn zurückverwiesen Werden; der Antrag Von Zedliß bistet kerne genügend? Abhilfe. Geheimer Obeirkqierungsrat Frick fiihrt aus, daßdik Vertreter der ngierung in der Kommission, dxs Hrrreiibauses für die Fasan,] des Abgeordnetenhauses eingetreten seist), und daß die Kommisfion auch mit Zweidrirtel- oder Dreiviertelmebrbett, so beschlossen babe; erst in) Plenum sei eine Veränderte Stellungnahme emgetretcxn. Mit dem ©6er Werds sicb aach arbeiten lassen, wenn § 3 „(Befreiuxxg der Mitgliedcr don Uebsrwachnngwer-inen Von den amtlichen Prüsunchn) gestrichen wrrd. Es ernpfkble fick) dagkgsn die Annahme des Antrags des Abg. Boltz Nr. 3 mit der Dom Abg. Von Zedle beantragten Modifikation.
Abg. von Klißing (kons.) 1chließt fich die1en Ausführungen r-amkns seiner Freunde an._ DW Herrenbauéfqffung enthalte eine Ver- brfferung, da fie alle elektrischen Anlagen umfasse, während unter § 2 in der Abseordnetenbaaksaffuna, gerade Anlagen nicht fallen können, die sehr gefährlicb seien. Die Ueberwachung der elektrischen An- lagen durcb einkn UkberwackyungsNrein h_cxbe Lbénso wenig Schwierig- keitcn Vernrsaäxt, wie die Dampfkeffelrevrxionen durch die Daxnpfksffel- überwachU1igsvereine- Es empfehle fick) die Annahme der Herrsnbaus- faffung, eventuell mit dem Antrags yon Zedliß;
Damit schließt die' DiSkusston. Das Haus beschließt nach dcm Anfrage Volk), die Vorlage nochmals an dre Kom- mission zu uberwersen.
Es folgt die erste Beratung des (Heseßsntwurfs, betreffend die Errichtung SMCS Amtsgerichts in Langendreer.
Abg. Westsrmann (nl) spricht seine Frkude über die Vorlaße aus, hätte aber gewünsckot, das; yon Vornbcrein festgestellt werde, in wessen Eigentum das Gebäude stehen solle, in de_m das Amts- gericht Errichtet werden würde). Nac!) dem Vertrage zxviycloen Regierung und kaeinde „solle die [Eßtcre das Gebäude sélbit errichten. Der Amtsssrichtsbezirk Bochum umfasse 231000 Einwobnrr, eine Teilung sei also notwendig. Jndeffc-n keständen dieselbrn Bedürfniffe wie für Langendreer auch ncch für andere Orte in den Bezirksn Bochum und Dortmund.
Instizminifter Dr. S ch dnftcdt:
Nach den Eingangswortsn des Hrrrn Mg. Westermann darf ich wohl annehmen, daß dic Vorlagü, um die es sich gegenwärtig handelt, cinem Widerspruch innerhalb des Hauses 1:icht begegnen wird. Ick) darf das umsomehr, als sich schon Vor mehrerrn Jahrsn aus Anlaß einc'r Pctititon der Grmeimké Langsndrser ein lebhaftss Jnterrffe für die Crriclytunß dcs Amt§g€richts, das jrßt ins Leben gerufcn werden soll, bicr in diesem Hause gezeigt hat.
Drr Abg. Westrrmann Hat abcr Bestimmungen gstadelt odcr Wenigstens zum Gegenstands sriner Kritik gsmacht, die in drr Be- gründirng dss Entwurfs erwähnt worden sind, wonach die Gémeinde Langendreer nicht nur deri Bauplqß für das Amtßgsricht hergeben soll, sondern es aUch Übernommén bat, die Gsbäudc selbst anf ihre eigcnén KVstLU berjuriclxtsn, um sie drm Staate auf die Dauer Von 30 Jahrcn grgen eine Verzinsmig dcs Baukapitals Von 4% und teil- weise Uebernahme dcr Unterhaltungskdstcn zur Verfügung zu stellen. Diese Bsstimmungrn smd beworgsgangan aus den Von der Gemeinde Lapgendrch sslbst gcmachtsn Vorschlägen. Die Gemände hat sich schon im Beginn der Ver- handlungen bereit erklärt, disse Leistungen zu überncbmen, und ich glaube nicht, das; gesagt werden kann, daß fie dadurch in zu hohem Maße bclastet werds. Cine Verzinsung des Baukapitals mit 40/0 wird Voraussichtlich auSreickxcn, um nicht nur das etwa Von der (Ge- meinde aufzunehmende Kapital zu Verzinstn, so::dkrn aucb dic Unter- haltskosten zu dccken. Die Befürchtung, daß durch ein solches Verhältnis, insbesondere diirch die Teilung der Unterhaltspflicht zwifch€n dem Staat und "dcr Gemeinde bksrndxre Unzuträglichk-Iitcn erwachsen würdkn, kann "[ck nach den gcnmchtrn Erfahrungcn nicht tcilkn. Wir haben mit zahlreichen Gemeinden dérartige Verträge, und bisher ist mir wenigstens nicht bkkannt geworden, daß das zu *:rbeblicben Différensen in dcr Ausführung Zefülyrt Hat. Daß aße: der Bau für ein neu zu errichtendes A1nt§gericht§gebäude Von der Gemeinde über- nommen und nicht dEm Staate Überlassen wird, lisgt insoweit im Jntereffe der (Gemeinde selbst, als sich dadurch eine viel raschere Aus- führung der Sache ermöglichen läßt. Wenn der Staat ein neues Amtßgericbtsgebäude und Gefängnis errichten sollte, dann würden, wie dje Herren aus Erfahrung wiffen, Vorbereitungen erforderlich sein, die immer den Zeitraum von ein paar Jahren einnehmen. Bis die sämtlichen Instanzen durchlaufen sind, und ehe man mit einem solchen Bauprojekt an den Landtag herantreten kann, Vergeht lange Zeit; es sind da zeit- raubendc Schwierigkeiten zu überwinden, die Vc'rmieden oder auf ein Mindestmaß zurückgeführt werden, wenn die Ausführung des Baues von der Grmeinde in dic Hand genommen wird. Die Gemeinde wird dadurch erreichen, daß voraussichtlich 2 bis 3 Jahre früher das Amts- gericht ins Leben treten kann, als es sonst der Fall sein würde.
Nun hat Herr Abg. Westermann wieder den Gedanken angeregt, auf dem beschrittenen Wege fortzufahren und zu einer weiter gebenden Dezentralisation der großen Amtsgerichtsbkzirke in dc-r Industrie- gegend, speziell in den Landgerichtsbezirken Bochum und Dortmund überzugehen. Ich glaube nicht, daß ich nötig habe, heute auf diesen Gedanken weiter einzugeben. Anträge nach der Richtung liegen massenhaft vor; ich glaube, daß mindestens 20 Orte in der Gegend den Anspruch erheben„ Sitz eines Amtögerichts zu werden. Vielfach bekämpfen sicb diejenigen Gemeinden, die einem neuen Bezirk zugewiesen werden sollen; jeder der größerén Orte will Sitz des Amtsgerichts werden. Die Schwierig- keiten, die sich dabei ergeben, find gar nicht so leicht zu heben;
außerdem ergibt sich für den Staat eine ganz erhebliche Mehr-