1908 / 14 p. 5 (Deutscher Reichsanzeiger, Fri, 17 Jan 1908 18:00:01 GMT) scan diff

Stelle polnische Befißer enteignet und die Möglichkeit offen bleibt, daß sie sich anderswo erneut ansiedeln, in Gegenden, die jetzt siko" völlig deutsch find. Wird eine solche Maßregel vorgeschlaaem so muß auch zum Ziele führen. Aus politischen Erwägungen at die Regierung geglaubt, andere Mittel, dem vorzubeugen, nicht anwenden zu können; war sie dieser Meinuzrg, so blieb uns Ye nichts übrig, als das ganze Gebiet so zu beschranken daß diese efabr vermieden wurde. Das ist dadurch geschehen, das die gesamte äche auf ein bestimmtes Maly fixiert wurde. Nun aber kgm das Puste- Keiner unter uns ann sia“) [öfen von dem Gefubl der An anglitbkeit an die Sibylle; darum hat die Maßreqel nicht bloß eine materielle, sondern eine tiefgehende ethische und moralische Bedeutung, und eine konservative Partei, die in der Richtung Konzessionen zu machen geneigt sein sollte, muß sicb die Sache sehr überlegen. Wir wissen uns einig mit allen Volkskreifen, di“: hinter uns stehen; sie Werden uns noch einmal für unseren Beschluß danken. Es gibt eben Verhältnisse, in denen die Geseye schweigen; wir können in Verhältniffe kommen, wo wir nicht anders existieren können, als wenn wir die Grundsäxe an denen wir sonst unverrückbar festhalten, den staatlichen Notwend gieiten unterordnen müssen. Es steht über dem Privatrecht doch noch das öffentliche Recht der Existenz; Sie (zu den Polen) werden mir nicht vorreden, daß solche Verhältnisse nicht vorkommen; und solche Verhältnisse müssen saniert werden, die Staatsinter- e en müffen gewahrt bleiben. Meine politischen Freunde werden d ese Verantwortung übernehmen und ziehen die Konsequenzen davon. Die Grundlage, auf der die Königliche StaatSregierung ihren Ent- eignungsgedanken aufgebaut hat, haben wir nicht anerkennen können, wir haben es durch unsere Formulierung klar außgesprocben, daß die Stärkung des Deutschtums in bestimmten Grenzen der Enteignung erfolgen soll. (Unruhe bei den Polen.) Wollen Sie darüber entscheiden? Bisher war es der preußische Staat, die preußische StaaiSregierung, die darüber entschieden hat; und wir haben das Vertrauen zu der Königlichen StaaiSregieruna, daß sie nicht weitergeben wird, als es die Notwendigkeit unbedingt verlangt. In diesen Grenzen glauben meine politischen Freunde es mit ihren Grundsäßen vereinigen zu können, für die Enteignung zu stimmen. Wir hoffen und glauben, und wir haben das Vertrauen auch zu der Königlichen StaatSregierung, daß sie von dieser scharfen Waffe nicht einen anderen Gebrauch machen wird als den, der ihr unter allen Umständen als notwendig erscheint. An die polnischen Herren möchte ich aber aus diesrr Situation heraus auch ein Wort richten, nachdem Sie so vielfach die Güte hatten, sich an mich uwenden. Meine Herren polnischen Lands- leute, wir erwarten von I nen, daß Sie Ihr (Grundeigentum, an dem Sie so hängen wie wir, freiwilii heraußgeben. Wir verlangen von Ihnen nicht, daß Sie Ihre ationalität. Ihre Sprache, Jbre religiöse Ueberzeugung preißgeben. Aber lernen Sie aus der Sache eins: daß Sie einem Staate gegenüberstehen, daß er das, was er, wenn auch auf dem Wege der Eroberung, erWorben und durch die deutsche Kultur zu seinem innern Ei entum gemacht bat, daß er das unter alien Umständen aufrecht er alten wird. Söhnen Sie sich definitiv mit dem Gedanken aus, daß Sie vorbehaltlos (Glieder und Bürger dieses Staates Lud. Laffen Sie das Vergangene ein Traum sein. Solange Sie sich ni t entschlossen haben, vorbehaltlos auf den Boden dieses preußischen und deutschen Staates zu treten, wird .ein Friede auf diesem Gebiete nicht zu erzielen sein. Unsere deutschen andsleute aber wollen auch aus dieser Situation eins ent- nehmen: das Vertrauen, das auch die konservative Partei entschlossen ist, bis zu den äußersten Konsequenzen zu eben, solange und soweit die Interessen des Vaterlandes in (Gefahr nd.

Präsident des StaatSMinisteriums, Reichskanzler Fürst von Bülow:

Meine Herren! Ueber die Materie, die uns heute beschäftigt, habe ich mich bei der ersten Lesung dieser Vorlage so eingehend aus- gesprochen, daß ich mich heute darauf beschränken werde, die Stellung der Königlichen Staatkregierung zu präzisieren gegenüber den Be- schlüssen Ihrer Kommission und dem Anfrage der Konser- vativen, der Nationalliberalen und der freikonservativrn Partei, Die Königliche StaatSregierung wird den von dem Herrn Bericht- erstatter soeben befürworteten Vorschlägen und dem heute zur Beratung stehenden Antrag der Herren von Heydebrand, Dr. Friedberg und Freiherr von Zedliß zustimmen. Was hiernach bewiiligt werden “soll, entsprieht alierdings nicht den ursprünglichen Vorschlägen der Königlichen Staatßregierung. Die Einschränkungen, die vorgenommen werden sollen, smd nicht uncrbeblicb und werden es uns vielleicht er- schweren, das von uns erstrebte Ziel ganz zu erreichen. Die Vor- schläge stellen das Mindestmaß der Mittel dar, mit denen die Königliche Staatöregierur-g glaubt, ihre Ansiedlungspolitik fortseßen zu können.

Wenn die Königliche Staatßregierung troßdem mit diesen eingeschränkten Befugnissen auskommen will, so trägt sie damit den Bedenken Rechnung, die ihr aus diesem hoben Hause entgegengetreten sind, Bedenken, die sie zwar nicht teilen, aber auch nicht gering achten konnte; denn diese Be- denkeu wurden von Parteien _erboben, auf deren Unterstützung in der Ostmarkenfrage die Königliche StaatSregierung noch immer hat zählen können und auch in Zukunft zählen muß. (Sehr richtigi rechts und bci den Nationalliberalen.)

Meine Herren, auch ich habe Verständnis für die politischen Grund- säße, die einer weitgehenden Enteignung entgegengehalten Werden können. und die soeben in beredter Weise der Herr Abg. von Heydebrand dargelegt hat. Der Entschluß, die Enteignung zu fordern, ist auch mir schwer geworden. (Lachen bei den Polen.) Ich mache daraus kein Hehl. Ich habe mich dazu erst entschlossen, nach- dem ich alle anderen Wege sorgsam geprüft und als ungangbar erkannt hatte. Für diesen Entschluß trage ich Vor diesem hoben Hause und vor dem Lande die Verantwortung. (Beifall rechts und bei den Nationalliberale») Meine Herren, ich habe mich bemüht, bei der Behandlung dieser Vor- lage allen Chauvinißmus außzuscbalten. (Lärm bei den Polen.) Ich habe mich bemüht, alies zu vermeiden, was die politischen Leiden- schaften erregen könnte, und ich glaube, daß die große Mehrheit dieses hoben Hauses mit mir finden wird, daß diese Haltung die richiige und dem Ernst der Situation entsprechende ist.

Als innerhalb der Parteien, auf deren Unterstüßung die Königliche StaatSregierung bei der Einbringung dieser Vorlage rechnete, mancherlei Einwände laut wurden, ist von seiten der Königlichen Staatßregierung alles vermieden worden, was nach einem Druck auf die Entschließungen der Mitglieder dieses hoben Hauses hätte aussehen können. Die Königliche Staatöregierung hat nicht mit dem naheliegenden Mittel operiert, die Verantmxrtung für die Folgen einer Ablehnung dem Parlamente zuzuschieben. Die König- liche StaatSregierung war überzeugt, daß, wer eine kon- sequente Fortseßung unsrrer Ostmarkenpolitik will , durch das Schwergewicht der sachlichen Gründe dahin geführt werden mußte, die Notwendigkeit der Anwendung der Enteignung durch die Ansiedelungskommission anzuerkennen,

Diese Hoffnung hat uns nicht getäuscht; Jbre Kommission hat der Anwendung der Enteignung durch die Anfiedelungskommission unter bestimmten Voraussetzungen zugestimmt. Der Antrag der konser-

vativen, nationalliberalen und freikonservaiiven Partei zieht der Anwendung der Enteignung durch die Ansiedelungskommisfion allerdings feste und |iemlich enge Grenzen durch Festseßung einer be- stimmten Landfläche. In der geringeren Bemeffung der Geldmittel für die Anfiedelungskommission liegt eine weitere und erhebliche Abschwächung

'der durch die Regierungsvorlage für die Ansiedelungskommifsion er-

betenen Vollmachten.

Immerhin wird der Ansiedelungskommisfion hinsichtlich der Auswahl der zu erwerbenden Güter die notwendige Frei- heit gewährleistet. Ich hoffe, meine Herren, daß das dazu bei- tragen wird, daß die Anfiedelungskommission die scharfe Waffe der Enteignung in ruhiger, besonnener Weise und mit jeder Schonung (Lärm bei den Polen) anwenden wird, die mit dem ernsten Kampf um den Boden in der Ostmark verträglich ist.

Meine Herren, unter diesen Umständen empfehle ich diesem hoben Hause die Annahme der Kommissionsbeschlüffe und des Antrages der konservativen, nationalliberalen und freikonservaiiven Fraktion.

Ich halte mich aber für verpflichtet, bei diesem Anlaß denjenigen Par- teien, die diesen Antragxunterstützt haben, den Dank der Königlichen StaatSregierung außzusprechen (Lärm und Zurufe im Zentrum und bei den Polen) für die Einmütigkeit, mit der Sie unter Zurückstellung gewichtiger Bedenken fich bereit erklärt haben, freie Bahn zu schaffen für die Foiiseßung unserer Ansiedlungspolitik, einer Politik,

durch die allein unser StaatSwesen bleiben kann, was es ist und

immer bleiben muß, nämlich ein nationaler Staat. (Bravo !)

Das bisherigeErgebnis unserer Verhandlungen läßt mich hoffen, daß die Mehrheit dieses hoben Hauses die Königliche Staats- regierung niemals im Stiche [affen wird, wenn es gilt, das Deutschtum zu verteidigen und den Widerstand zu überwinden, der der unlöslichen Verbindung unserer Ostmark mit unserem Reich noch immer entgegengeseßt wird. (Lebhaftes Bravo! rechts und bei den Nationalliberalen. Zischen bei den Posey und im Zentrum. Wiederholtks Bravo! rechts und bei den Nationalliberalen. Erneutes starkes Zischen im Zentrum und bei den Polen. Stürmiscbes Bravo! rechts und bei den Nationalliberalen.)

Abg. Kerutb (fr. Volkßp.)': Die Stellung meiner politiscben

Freunde wird durch den bisherigen Gang der Vcrbandluxtgen nicht geändert. Man hat _von verschiedcnen Seiten darauf hingewiesen, daß es patriotische Pflicht sei, dieser Geseßxsvorlage zuzustimmen, und man hat uns imputiert, daß wir eine Starkung dcs Deutschtums in den Ostmarken nicht wünschten. Dieser Vorwurf ist absolut unbegründet. Ich versichere namens der Freisinni en" der Ostmarken, daß wir uns *alle als Deutsche fühlen und die tarkun des Deutsxhtums ebenso sebnlich wünschen wir die Herren auf der echten. Wir haben dies dadurch bewiesen daß wir dort ausbauen, trotzdem die Verhältnisse immer unerquicilicher geworden sind. Das beste Mittel zur Stärkung des Dcutsckotums sehen wir in einer Verbesserung des Volksschulwesens. Es kann _nicht deffer werden, wenn die Schulen so überfüllt sind, wie es [eßt der Fall ist. Auch müffen die deutschen Beamten sicb taktvoll verhalten, denn nur durch eine volkstümliche Politik werden wir dabixt kommen, daß man auch im Auslande mit Stolz sagen kann: Ich bm ein Preuße. Mit Gewaitmaßregeln werden wir niemals Erfolg haben. Die Vorlage widerspricht dem Art. 1T der Verfassung, da die Enteignung nur für das wirtschaftliebe Gebiet, für Eisenbahnen rc. gedacht war, nicht auch für das politische, sie widerspricht guch dem Art. 17, wonach alle Preußen vor dem Gesetz leich sein sollen, sie widerspricht zulevt dem Grieß über das echt der Freizügigkeit. Welch ein Widerspruch liegt auch darin, daß das Gefeß einmal als ein drakoniscbes gedacht isi, aber anderxetts seine milde Hand- habung verheißen wird! Ich habe sel st 30 Jahre lang im Osten die Polenbewegung verfolgt, und mir ist nichts aufgefallen Von Loßreißungsbestrrbungen. Sind denn die Deutschen im Osten so schwache Geschöpfe. daß fie sich im Hand- umdrehen polonisieren lassen? Ich würde mich nicht poloni- sieren lassen. Haben die 40 Millionen Preußen wirklich Ver- anlassung, die 4 Miliionen Polen zu fürchten? Allerdings dürfen die Yolen nicht ver essen, daß We politisch Bürger unseres Staates nd und als Lolche ihre flichten zu erfüllen haben; dafür müssen sie aber auch gleiche Rechte haben. Wenn Sie" Polen an einer Stelle enteigncn, so ist die erste Folge, daß sie sich anderswo ansiedeln. Es ist erklärlich, daß die Polen durch die Politik der leßien 20 Jahre gegen uns aufgebracht sind. Jeder Stoß ruft einen Gegenstoß bewor, und die Abwehr der Polen wird nun noch energischer werden. Ich mache nicht jeden Polen dafür ver- antwortlich, was in diesem oder jenem polnischen Blatt sieht, wie ich nicht als Deutscher die Verantwortung für alles über- nehme, was irt deutschen Zeitungen siebt- Durcb diese Außnahme- geieygebung wird der Kampf aber nur derfchärft werden. Und wird dieses Gesey das le te dieser AuSnahmegesxßgebung sein? Ick glaube das nicht. Die egrenzung der Enteignung auf 70000119. ist ganz willkürlich gewählt. Durch diesen Antrag wird die Regierung geradezu aufgefordert, mit drr Enteignung auf jedrn Fall Vorzugeben, bis die 70000 ba'erreicht sind. Und wenn das Geld nicht reicht, werden Weitere Mittel gefordert werden. Die Polen werden ge- zwungen, sich in anderen Provinzen anzusiedeln, das schlimmste ist, daß durch die Vorlage der Friede nicht hergestellt, sondern das Gegen- teil erreicht wird. Wir wollen solche „Zustände nicht herbeiführen, sondern mit unseren polnischen Mitbür ern in Frieden leben und ibnenihre Rechte nicht verkümmrrn; darum le nen wir die Vorlage a').

Abg. Viereck (fr.kons.): Namens meiner Freunde erkläre ich, daß wir den Geseßentwurf in der Kommissionsfasfung und mit dem neuen Kompromißantrag annehmen. Wir find auch mit Zurück- haltung an den Gese entwurf berangetreten, der einen schmren Ein- griff in das Privatre t macht, und waren von vornhxrcin bestrebt, die VoraussYJungen der Enteignung ernstlich zu prüfen und zu be- schränken. ir haben uns gefragt, ob die poiniscbe Geabr noch fortbesteht. Die versöhnlicbe Art in der Broschüre des errn von Turno und der Reden hier im Hause hat auf uns Eindru gemacht, und wenn diese Stimmung die polniche Bevölkerung beherrschte, würden wir uns zu einer Aenderung er Polenpolitik entschließen; aber inedem polnischen Mittelstande herrscht ein Radikalißmus, der durch dre Presse gepflegt wird und sich zz: einer Macht entfaltet hat. Durch die Straz- und Sokol-Vereine wird im Ernstfaii eine Macht dargestellt, die eine Gefahr für uns bedeutet. Dazu ist die Ver- bindung der Polen mit dem Ausland immer stärker geworden, das Ausland wird zum Kampf gegen uns auf erufen, und es bestehen auch finanzielle Wechselbeziebungen. Daher w rd die polnische radikale Be- völkerung im Ernstfall im Sinne vaterländischen Geistes für Preußen versagen und vielmehr eine Gefahr bedeuten. Darum ist nicht zuzu- lassen, daß diese Gexabr durch eine stärkere Massierung des oientums noch auSgedebnt wrd in den deutschen Grenzgebieten. er Staat muß gegen diese Gefahr gesichert werden ,und diese Polenpolitik fort- seßen neben anderen Maßnahmen der Rerchregierzmg. Augenblicklicb beherrscht der Kampf tatsächlich die Bodenpolitik, und obwohl wir schon 300 Millionen aufaewendet haben, sind zwar hervorragende kulturell? Ergebnisse erreicht worden, aber noch keine großen Erfolge gegen die Polen. weil die Ankäufe aus cibwlnisckoer Hand ering waren und durch die Praktiken der polnis en Parzellierungs anken durchkreuzt werden. Dadurch ist das Deutstbtum zurückgedrängt worden, und wir können diesem Vorgehen gegenüber nicht zurück. Woliten wir mit unserer Polenpolitik Halt machen, so würde die deutsche Bevölkerung bald zu einer numerisch und wirtschaftlich schwachen herabgedruckt werden. Auf dem Gütermarkt hat sich eine

starke Preistreiberei gezeigt. Die Praxis der Ansiedlunoz

kommi n ist bureaukratisä; und muß umgewandelt werden, die Komm sion muß in Verbindung mit Mannern aus der eingeborenen Bevölkerung gebracht werden, die nicht nur bei der Fest- seßuF der Ankaufsprci e, sondern auch bei der Bewirjschaftxmg det üier mit pr-cben. ann werden wir eine populäre Anstedlungg, kommission ha 11, , während sie bisher der Bevölkerung fremd gegenüber. steht. Wir haben in der Kommis n mit dazu beigetragen, daß 75 Millionen Mark für die .Regu ierung von Bauern ütern fest. gelegt werden, weil die angesesene Bevölkerung festgeba ten werden muß, ebe man eine neue beranboli. Wir freuen uns der Effolge, die die Geno enschaftsbank und die Mittelstandskaffe erzielt hat, und wollen sie n den Stand seßen, in, weiterem Maße ihre Ziele zu verfolgen. Wir legen ferner Wert darauf, daß auch die Arbeiter. ansiedlung gepfiegt wird; dadurch läßt sich die Zahl der Anfiedle: mit geringen Kosten vermehren, während die Ansiedlung von Bauern schwieriger ist. Wir biÜigen auch, daß die Ansiedlungskommission freie Hand bekommt zum Ankauf von Resigütern. Die Ansiedlungs- politik soll nicht die Polen germanisieren, sondern nur ein (Gleich- gewicht zwischen der deutschen und polnischen Bevölkerung ber. steiien. Die Abneigung der polnischen Besißer, Land für deutsche Zwecke herzugeben, wird durch die polniicbe Preffe geschütt; wir müffen deshalb die Wege ebnen, damit wieder ein freies Angibor auf dem Gütermarkt hergestellt wird. Die Enteignung müffen wir auf das Notwendige beschranken, und es ist endlich ein Maß gefunden das gebilligt werden kann. Der neue Vorschlag zieht, sich znrüci auf die äußerste Notwehr und setzt voraus, das; anders eme Rettung des Deutschtums nicht möglich ist. Wir akzeptieren diese Ein. schränkung, die der Gefahr entgegentreten kann, daß aus biSiyer deutschen Bezirken die Deutschen verdrängt Werden. Von einer Auödehnung der Enteignung über diese Grenze hinaus ist keine Rede, Wir haben uns ferner bemübi, Milderungen in das Gesetz zu brin en, und von der Regierung die Zusicherung erhalten daß der alte a. milienbesi nach Möglichkeit geschont werden so . Diese Zusage ist auSreichen , weil sie im Kommissionsbericht niedergelegt ist. Wenn die Enteignun auf die Abwehr der Verdrän ung von schwachen deut. schen Niederlaßsungen beschränkt wird, so it sie mit der preußischen Verfassung in Einklang zu bringen. Bei der Prüfung an der Hand des neuen Antrags sind wir zu der Ansicht gekommen, daß die dauernde Erhaltung der preu ischen Staatsbobeit dieses Vorgehen bedingt, und daß es nicht in idersprucb mit der ReichSderfaffung oder mit dem Geist des Freizügigkeithesetzes steht. Wir verkennen nicht das Schwere, das in der Enteignung liegt; aber wir fehcn die

_StaatSnotwendigkeit ein, ein scharfes Schwert der Regierung in die

Hand zu geben, wofür wir die Verantwortung tragen können. Da- mit“ die Grundlagen des Staats nicht verrückt werden können, wollen wir die Staatsbobeit in jenen Landeöteilen aufrecht er. halten. Die Wirkungen des Gesetzes können wir nichtpropbe1eien, aber wir errvarten von der Regierung vertrauensvoll, daß sie diese Waffe nur im Falle der Not ebrauchen wird, und daß sie auch die Milde, die die Komm lLion wünscht, anwenden wird. Die Enteignung wird sich namentli auf den größeren Grund. besiß kes ränken. Ick möchte aber qucb, daß Wik. treue polnische Arbeiter eßbaft machen; dadurch werden wir die Harten der Polen- politik mildern. Unsere Polenpolitik ist durch die polnischen Heiß. sporne bervor erufen worden. Wir haben keinerlei Feindschaft gegen die polnische evölketung, wir erkennen ihren wirtschaftlichen Auf- schwung an, können aber nicht naYgeben, Weil es sich um das Staats- wobl handelt. Wenn die Polen bren Widerstand aufgeben und die preußische Staalöangebörigkeit anerkennen, werden wir dauernd im Frieden mit ihnen leben können. Nach dem Ergebnis der Verhandlungen hoffe ich, daß die Regierung und die Parteien, die sich für eme nationale Politikverantwortlicb üblen, zu einer Verständigung kommen werden.

Abg. (Graf Pras ma (Zentr.): Ich bin mir wohlbewußt, da meine Worte heute noch weniger als sonst gehört werden. ch wi die Ansiedlungspolitik nicht im einzelnen kritisieren, sondern nur den allgemeinen politischen Standpunkt meiner Freunde darlegen. Meine Ausführungen kommen aus einem treuen preußischen Herzen. Man hat uns voraeworfen, wir betraibteten die Polenvorlage vom kon- fessionellen Standpunkt. Die Religion tritt dabei aber für uns zurück,_ uns bangt für unser preußisches Volk, und kangt für das preußische Königtum, weil durch derartige Grundtäße die Monarchie nicht gewinnen kann. In der chauvinisiischen Preffe hat man die Enteignung mit dem StaatSwobi begründet. Ich habe mich in tiefsier Seele gefcbämt, daß das auch in Blättern geschieht, diesich konservativ nennen, daß e ohne weiteres be- reit sind, die angestammte Scholle außzuliefern. elcber Sturm der Entrüstung würde entstehen, wenn unsere baltischen StammeSgenoffen in Rußland oder die deutschen Großgrundbesiyer in Ungarn enteignet werden soliten? Erfreut bin ich nur darüber, „daß man den Charakter des AanabmegeseYes in das Geseß bineinschretben will; es ist mir aber unbegreiflich, wie Herr von Heydebrand sich heute in Gegensaß zum Sinne der Kommissionsverbandlungen gesielit hat, noch dazu in einer Zeit, wv man mit Recht über das Fortschreiten der Sozialdemokratie klagt. Bebel hat es offen außgesprocbkn, daY diese Vorlage seinem Programm entspreche. Die Ge- fa ren, die wir durch die Annahme des Geseßes herauf- beschwören, sind viel größer als die angebliche nationale Ge- iabr. Diese Vorlage ist die Proklamierung der Staatsimpoienj. Zu welchem_äußersten Miitsl wollen Sie aber noch greifen, wenn auch dieses außerste Mittel der Enteignung versagt? Dann bleibt

nur noch die Konfiskation und die Expatriierung. Aber-

das sind keine christlichen, das sind macchiavellistische Gründ- säße, und im Zweifelsfalle muß die Politik zurücktreten. Die christliche Auffassung ist unwandelbar, auf ihr ist Staat und Monarchie aufgebaut. Der absolute Köni von Preußen batdor dcm Windmüller von Sanssouci Halt gema t; dieses Ruhmesblati der preußischen Geschichte werden wir jest ausstreicben müssen. Das Ansiedlungßgeseß, das 1886 als ein Geseß des Friedeqs proklamiert wurde, ist zu einem Gesev des Unfriedens geworden, _wrs wir das damals schon voraussagten. Sie sprechen von BiSmarckjcher Politik. Denken Sie daran, daß auch BiSmarck die Kirchengesiße zurückzog, als er einsab, daß er damit nicht durchdrang. Dre konservatide Partei hat ihm damals selbst ein energisches Halt zugerufen. Für; den Begriff konservativ, christlich-konservaiiv giht es kein enges Parteiprogramm, auch wir nehmen itzt uns den ckisilich-konservativen Standpunkt in Anspruch, nicht Sie (nacb rechts) treiben konservative Politik, sondern wir. Was 'Sie proklamiert haben, kommt auf den Satz hinaus: der Zuzeck heiligt die Mittel, den Sie sonst aufs äußerste bekämpfen. Sogar das moderne KriegSrecbt schüyt das Eigentum. Die Konsequenzen smd nicht außzudenken, das öffentliche Wohl ist immer als Vorwand ge“ nommen worden, wenn es galt, Throne zu stürzen. Kaigug WWS Jim! Möge ich ein falscher Seher sein! Es kann wohl der Toa kommen, wo eine andere Regierung bier sist, die mehr von dem Ver- trauen des Hauses abhängig ist. Vielleicht sind es dann voix Ihnen (nach rechts) nur wenige, die aber dann einsehen, daß man uber das Eigentum des einzelnen nicht hinweggeben kann, daß man die an- gestimmte Scholle achten muß. Möge ich ein falscher Seher sein'»

(Schluß in der Zweiten Beilage.)

Zweite Beilgge

- zum Deutschen Reichsanzeiger und Königlich Preußischen Staatsanzeiger. „zk. 14. ' ' ' , -

Berlin, Freitag, den 17. Januar

(SÖluß aus der Ersten Beilage.)

Justizminister Dr. Beseler:

Meine Herren! Von den Herren Rednern, welche heute das Wort genommen haben, ifi die rechtliche Frage der gegenwärtigen Vorlage am eingebendsien behandelt worden von dem Herrn Abg. Der Herr Abgeordnete hat während der Kommissions- yexbandlungen schon gelegentlich geäußert, es sei der Gedanke, der früher auSgefprochen worden, wohl richtig, daß die Frage, ob eine Enteignung im Interesse des öffentlichen Wohles geboten sei, weniger eine juristische _als eine politisch - wirtschaftliche sei. geordnete hat bei seinen heutigen Ausführungen die Frage, ob das öffentliche Wohl im vorliegenden FaÜe entscheidend sein könne, auch nur deshalb erwogen, weil er darlegen wollte, daß bei der Beratung des geltenden EnteignungSgefetzes Uebereinstimmung darüber geherrscht habe, daß die Enteignung nur gegeben werden solle zu wirtschaftlichen Diese Auffassung' ist nicht zutreffend. ratung des Enieignungögeseßés der Meinung gewesen, daß keine Uebereinstimmung über den ganzen Umfang von EnteignungSmöglichkeiten sondern daß das im einzelnen entschieden werden müsse, und es ist namentlich schon damals bei der Erwähnung der Fälle, in denen die Enteignung sehr wohl in Betracht kommen könnte, bervvrgeboben

Der Herr Ab-

Bei der Be- im Gegenteil

unter anderm: dix Ausführung aller direkt oder indirekt der Landes-

verieidigung dienenden Anlage;» als Festungswerke oder Unterkunfts-

räume sowie Uebungspläße, sodann Vorkehrungen zu notwendigen

sanitäts- und sicherbeit§polizeilichen Zwecken; ferner Fälle öffent-

lichen Notsiandes namentlick; bei Feuers- und WafferSJefabr, Erd.

beben uud Erdruiscben , im Kriege und in anderer dringender Not.

Das ifi doch jedenfalls etwas anderes als rein wirtschaftliche Zwecke. Ich verstehe nicbi, weshalb die Herren darüber erstaunt sind, daß ich diese Ar-fübrungen mache. Ich tue es, um darzulegen, daß die Ausführung des Herrn Abg. Kerutb, es sei früher Uebereinstimmung darübrr gewesen, daß nur wirtschaftliche Zwecke zur Enteignung führen dürftkn, nicht zutreffend ist.

Es ist richtig, daß die Entscheidung der gegenwärtigen Rechts- frage auf Grund des Art. 9 der Verfaffung zu treffen ist, und das; die Vorausseßung bestehen müffe, daß das öffentliche Wohl .die Maß- nahmen, welche die Regierung vorgeschlagen hat, fordert. Diese Frage wird das hohe Haus zu entscheiden haben. - Weshalb die Königliche SiaaiSregierung einen solchen Notstand, will ich es nennen, anerkennt, uud deSbalb zu der Vorlage geschritten ist, hat der Herr Minister. präsident früher und auch heute dargelegt.

Wenn ich aber von der Voraussevung auSgebe, daß ein öffent. liches Wohl im Sinne des Art. 9 hier in Frage steht, so ist die Rechtsfrage sehr einfach; denn für den Fall trifft das Grieß die Entscheidung, die in der Vorlage der Regierung zum Aus. falls das öffentliche eßerforderi, ist die Berechtigung dazu gegeben, zwangsweise Eigen- tum zu nehmen mit der Maßgabe, daß dolie Entschädigung zu leisten sei.“ Der vorliegende Entnmrf bringt diesen Gedanken zum Außdruck, er will bestimmen, daß die Enteignung gegebewsein soll, und daß volle Entschädigung gegeben werde. des Geseßes isi jedenfalis kein Einwand zu machen. den der Abg. Keruil) dagegen erhoben bat, liegt auch auf anderem Gebiete. Er führte aus, daß der Sinn des Gesetzes gegen andere anaffungsbesiimmungen und gegen die Bestimmungen des Freizügig- keitßgeseßes sei.

Was nun die Verfaffungsbefiimmungen anlangt, so kann - so weit ich es übersebe, und wie auck; wohl der Herr Abgeordnete angenommen kat - eben nur Art.4 der preußisckyen Verfassung in Frage kommen". Ueber diesen Art. 4 hat schon seit langer Zeit eine gründliche wissen- schaftlich? Untersuchung stattgefunden, und es herrscht in der Wiffen- Wait kein Streit darüber, daß Art. 4 nicht sagen will, daß man Sefeve nur so erlaffen dürfe, daß sie jeden treffen müßten und gleich- mäßig treffen müßten. Das iii einfach unmöglich. Er besagt nach der übereinstimmenden Auslegung der ReebiSJelebrten - und ich glaube, daß alle juristischen AuSlegungen dieser gefolgt sind * bestehenden Standesrecbte nicht mehr bestehen sollen, und daß die Geseke, die erlassen würden, gegen jeden, gegen den sie Anwendung finden, gseichmäßig angewendet werden müßten. der kurze Sinn der auch sehr kurzen Bestimmung unserer Verfassung.

Des weiteren hat der Herr Abgeordnete verwiesen auf den § 1 des Freizügigkeitheseves. Der besagt, daß jeder Inländer freie Be- NIUUL baden soll im Staate, und es ist in diesem (Geseke auch ägenilich nichts weiter geregelt _ es sollte auch nichts weiter geregelt '"“,ka "- als dieser Grundgedanke. “hm zusammenfassen: das Freizügigkeitögeseß verbietet nur, daß In- !änder wegen irgendwelcher persönlicher Eigenschaften landeSgeseßlich "idem Erwerbe von Grundstücken beschränkt werden. Das ist der imm Inhalt,

Das vorliegende Grieß bestimmt aber nur, daß dem Staate “"t“ gewissen Voraußseßungen das Recht zustehen soll, Grundstücke d?" Eigentümer zu entziehen, und diese Entziehungsbefugnis ift “Öls anderes, als was schon bisher nach den Bestimmungen des EnteißnungNzeseßes möglich war. So gut wie danach ist es auch

dem neuen Gesche mögiich und widerspricht nicht der Bestim- "W des Freizügigkeiwgeseßek.

ck babe dann noch darauf hinzuweisen, daß der Art. 4 der Ver- Ukch das gegenwärtige Geseß nicht beeinträchtigt wird, weil eine Ausnahme gegen keinen preußischen Staatsbürger gemacht "ii- sondern jeder Preuße, der von dem Geseß berührt wird, ifi nacb ““ Bestimmungen gleichmäßig zu behandeln.- Un könnte ich'meine Ausführungen schließen; denn die Rechts- soKveit sie bisher behandelt worden sind, und soweit, wie i(b

druck gebracht wird.

Axso gegen die Form Der Einwand,

Den Sinn ka'nn man wohl

glauxe, fie überhaupt _in Betracht kommen, sind damit wohl erörtert wor en.

Ich möchte aber noch auf eins hinweisen, was heute auch in anderer Verbindung gestreift worden ist. Es hieß, das vorliegende Gesey wäre eine Maßnahme der Regierung, die in ihrer Art ganz einzig dasiände, in anderen Ländern unbekannt und etwas ganz Neues, Unfaßbares wäre. Herr Abg. Dr. Friedberg hat schon M der ersten Beratung hier im Plenum darauf hingewiesen, daß in England ein Geseß besiebe, welches mit der gegenwärtigen Vorlage sehr viel Verwandtschaft babe. (Sebr richtig! bei den National- liberalen.) Es ift dies ein sehr eingehendes Gesch und es bezweckt die Stärkung des kleinen Landbesißes. Es geht sehr weit in seinen Bestimmungen und vornehmlich ist von Interesse für uns die Vor- schrift, das diejenigen, welchen das Recht verliehen wird, Grundstücke zu erwerben zur Schaffung kleiner Landsteüen, auch die Befugnis haben sollen, dies durch Enteignung zu bewerkstelligen. Es ist das eine Vorschrift, die ganz klar in der englischen ImaU boiäjngg Akte gegeben ist, und in dem Geseße befindet silb vielfaö der Hinweis darauf, daß eine zwanßsweise Enteignung statthaft sein solle. (Sehr richtig: bei den Nationalliberalen.) "

Meine Herren, nun weiß ich nicht, weshalb dann unser Geseß Von dem Standpunkte aus, daß auch bei uns zu Lande Ansiedlungen geschaffen werden sollen, etwas so ganz anderes wäre, als was andere Staaten schon gemacht haben; denn das Geseß in England gilt bereits, bat Rechtékraft, ist nicht erst, wie bei der ersten Beratung bemerkt wurde, in der Vorbereitung. Jeb erwähne dies nur, weil immer darauf hingewiesen wird, hier in Preußen geschebe etwas, was sonst in der _Welt unerhört sei.

Das ist dasjenige, was ich zu sagen hätte, um den Standpunkt der Regierung vom rechtlichen Gesichtspunkte aus darzulegen, und ich kann mich nicht davon überzeugen, daß, was der Herr Abg. Kerutb erklärt hat, diesen Standpunkt als einen unrichtigen hinstellen könnte.

Es ist von dem Hann Abgeordneten auch noch zum Schluß darauf hingewiesen worden, Geist und Sinn der Geseke spreche gegen die Maßnahme. Abxr der Herr Abgeordnete kann doch. wenn er den Geist und Sinn der Grieß: darauf anwenden will, auch nur auf die Art. 9 und 4 der Verfaffung verweisen. Das sind ja gerade die Bestim- mungen, welcbe maßgebend sein sollen. Dort aber ist, wie ich glaube außgeführt zu haben, deutlich gesagt, daß der Geist der Verfaffung nicht nur der ist, das Eigentum zu schüßxn, sondern auch, daß da, wo böbere Interessen obwalten, das Eigentum zurücktreten muß; und des- halb ist der Geist der Verfaffung ebensowohl fiir die Regierungs- vorlage wie für ihre Gegner. (Bravo! bei den Nationalliberalen und rechts.)

Abg. Lusensky (nl,): Durch das vorliegende Gsies soll vor allem vrrbütei werden, daß unsichere Elemente der Bevölkerung im Osten in kritischen FaÜen das Uebergewicht gewinnen können, Nie hat jemand daran gedacht, die Polen etwa austreiben zu wollen. Unser großartiges Anfiedlungßwerk hat sich im großen und ganzen bewährt. In le ist Zeit find allerdings dieiem Werk dadurch große Schwierig eiten entgegengetreten, daß die Ansiedlungs- kommissron a_us polnischen Händen Grund und Boden nicht mehr käuflich erhielt, Es muß daher ein Ausweg gefunden werden. Aus Gründen des öffentlichen Wohles kann das Eigentum gegen volle Enticbadigung beschränkt werden. Der Begriff des öffentlichen Wohles is_i_ so umfassend, dax; darunter nicht allein wirtschaftliche Verbältnine zu Verstehen sind, sondern" auch z. B. nationale Gesichts- punkte. Hätte der Geseßgeber fie ausschiieÉen Wollen, so hätte er es außdrücklicb angegeben. Man sagt, das nteignungßgeses von 1874 spreche ausdrücklich von der VorauS!eßung wirtschaftlicher Gründe, ader- das Enteignungßgeseß kam) die Verfassung nicht einschränken. Es rst damals eingehend über dre Sache Verbandelt worden, meine Freunde stellten Anträge, die Fälie der Enteignung eingehend zu spezifizieren, aber dagegen wurde geltend gemacht, daß fich in Zukunft neue Falle der Notwendigkeit einer Enteignung ergeben könnten, an die man noch gar nicht denken könnte. AÜerdings ist von nationalen Gründen nicht die Rede gewesen, weil man gar nicht daran dachte. Hier zwingen uxis aber gerade nationale Gründe. Rechtlich ist also gegen das GMF nichts zu sagen, es der- siößt weder gegen die Verfaffung, noch gegen das Freizügigkeits- Jeseß. Man fragt, welche Konsequenzen könne das haben“.) Man önnte aucb Bergwerke usw. enteignen,„ und das führe zum sozialisti- schen Zukunftssiaat. Aber ich meine, Sin? svc'xtere Zeit wird gar nicht Nücks1chtdaraufnehmen, was wir heute be1chließen, und wenn die Sozialdemokratie zur Herrschaft käme, würde es ihr ganz gleichgültig sein, ob wir beutedix Enteignung gegen die Poien zugßiaffen 0er nicht zugelassen haben. Der Kompromißanirag beschrankt die Enteignungßmöqlichkeit auf das äußerste Maß, er stellt fest, daß es sick; nur um ein Notrecbt handelt, daß anders das gsfäbrdete Deutschtum nicht gesichert werden kann, und daß die Enteignung nur angewendet werden darf zur Stär- iung und Abrundung deutscher Niederlanunaen, und eine fernere Be- 1chrankung ist diejenige aus 70000 ira. Wir wollen also die Ent- eignung nur zulaffen, soweitesfürden Zweckerforderlicb ist. Es ist auf den Müüer don Sanssouci hingewiesen worden; dieser Vergleich entbehrt des wrrium compararjonjg. In jedem Falle sollte Von dem Müller etwas erreicht werden, wozu er nach dem Gesev gar nicht verpflicbtet war. In dem vorliegenden Falie handelt es sicb aber um das öffentliche Wohl, um das allgemeine Interesse, um die StaatSraison, die gerade der große Friedrich besonders bochgebaiten hat. Man kann also hier aus der (Geschichte des Müiiers von Sanssouci keine Schlußfol e- rungen ziehen. Was die Wirkuna des Geseßes betrifft so bo en wir, daß fie die bestehenden Schwierigkeiten für die Änsiedlungs- komrpission beseitigen wird, und daß es wieder möglich sein wird, pqimsche Güter anzukaufen. Diese werden je wieder von Polen frei- wiliig angeboten werden, weil fie fich sont der Gefahr der Ent- etgmzng ausseßen. In meinem Wahlkreise sieht eine ganze Reihe von poinrschen Besitzern mit Freuden der Möglichkeit entgegen, ibre Guter zu verkaufen. Jedenfalls wird *die Vorlage „Sine Be- ruki un auf dem Gütermarkte herbeifubxen. Dann wird es auch der n iedlungskommission ziemlich gieichgu_stig sein können, 05 mal ein Gut aus deutscher Hand in polnische ubergeht; sie kann es ab- warten. weil sie andere zur Verfügung haben wird. 'Mit billigeren Mitteln wird der Bedarf an Gütern erworben werden können. So werden wir die Forderun en des Deutschtums erfüllen. _

Abg. Wolff-Lissa (?r. VW); Wir können das Gute, was die Ansiedlungskommission geschaffen bat, anerkennen, aber es isi eine falsxbe AuSlegung, wenn man die Enteignung aus innerpoltis en Grunden verficht. Zwar zieht man sich dahinter zurück, daß es cb um nationale Fragen handelt, aber in Wahrheit find es inner- politiscbe Dinge, die mit Fragen der Politik gegenüber dem Auslande nichts zu tun haben. Die Regierung deduziert: hier liegt ein

1908-

Notftand vor, alsofenieignen wir. Wo liegt denn der Notstand? Da, „wo, dre- Weisheit der Regierung aufhört, Nack) dem Geseß liegt Notstand vor, wo _eine (Gefahr für Lrib ore: Leben des „Menschen vorhanden ist. Die konservative Partei ist nur .mrt schwerem Herzen“ an 'die Sache herangkgangrn. Was; ist das Herz“.) Der Prdphet Jerermas sagt: Das Herz ist ein trrytg und „versagt Ding. Sie (zur Rechten) werdxn sagen, JM-erz sei ein troßtq Dmg, aber ich sage Ihnen: Ihr Herz ist ein vkrzagt

- Ding. Es handelt sich hier um die Grundrechte, die ein Palladium

dcs einzelnen sein sollten. Herr don Heydebrand sagt, die Vorlage lie e gn den, Grenzen des Rechts. Wenn Sie auch meinen, daß sie ni t uber “die Grenze binaußgeht, so sollten Sie doch an der Grenze Halt machen, um _das _Eigentum zu schüßen. Wir können und Werden nicht mit der ngoritat geben. Wenn wir die Verfassung nicht wahren, kommen wir zu unbaltbarrn Zusianden. Ich [affe mir lieber den Vorwurf der Prinzipienretterei gefallen' als den Vorwurf der Frtnzrpienlofigkett. Wir halten zähe an den Prinzipien der Ver- affung fest. sonst gibt es überhaupt keinen Halt mehr. In dieser Beziehuga sind nicht Sie (zur Rechten), sondern wir die Konserdativen. Wir muffxn u_m _io mxbr an den Grundlagen der Verfaffung fefi- balten, weil wrr nicbt wtffen können, wie die Majoritäien wechseln. Da? Grundrecht der Veriaffung muß der ruhende Pol in der Er- scheinungen Flucht sein.

Abg. Hobrecht „(nl,): Mit den ganzen Bedenken gegen diese Geseßgebung hgbrn wir uns rigentitch schon bei dem Ansiedlungßgeseß von 1886 besxbafitgt, und nxeme Freunde sind damals zu dem Resultat gekommen, dte_Bedenken fallen zu laffen. Der spätere Erzbischof von Stablewskt, der sich damals an der Debatte beteiligte, hat ein poliiijches Testamsnt binterlaffen, in welchem er in scharfer Weise das Problem zusammenfaßt. Er sagt darin u. a.: „Ick bin immer der Ueberzeugung gewesen, daß innerhalb der Zugehörigkeit zum Staate und der ch daraus ergebenden KonseqUenzen Raum sein um fur das national? Leben.“ Ich stimme ihm darin bei, aber es feht an einer allgernemen Definition, was unter nationalem Leben zu der- sieden is_t. Em nationales Leben, dessen Ideale darin bestehen, d'e Zugehörxskxit zum Staate zu lösen, hat nicht Raum innerha x_ener Jonjcquenzen. (Hsrade aus dieser Usberzeugung sind wir uber die anderen Bedenken biangekommen. Das Ideal der Loslösung wird aber durch _die polnische Press und durch die Versammlungen bewiesm, edenw dadurch, daß niemals einer, der es Vertreten bat, deSadouiert worden ist. Chauvinisten gibt es auch bei uns, aher wir deSavouieren sie. (Wideriprucb bei den Polen.) Wolleri Stex (zu den Polxn) deSadouieren, so. können Sie nacb. her eme ruck'baltldse Erklarung“ abgeben; wir werden uns aiie freuen. Darm itkgt eme foqbr, der man Vorbeugen muß. nicht nuretn großer Scbzide, iriyofern durch dxn nationalrn Kampf . der Aunchwung dec Oiiprovxgzen gehemmx wird, sondern eine dirrkte' Friedensgefahr. _Das lit das Tragiiche, daß die polnische Agitation auch von außen ber g€schürt wird. Wenn einer von den Polen der uns zum „Frieden spricht, wird er deSadouiert und Vor! der _gaxizen poinncbew Preffe__ zurückgewiesen. Diisk Agitation iii, so groß, daß die )preußncbe Regierung ihre ganze Aufmxrksamkeit darauf lenken muß, denn sie erhält das ablehnende feindliche Verhältnis der Polen egen die Deutschen, mit denen,sie „zusammenwohnen. Das leb aste Temperament der Polen Unterliegt immer dieser Agitation, die ihnen das Bild eines glück- lichen Zustandes außmalt, zu dem sie doch endlich einmal gelangen werden? wenn sie das verwünschte preußische Joch los sein werden: der Wrederberstellung des polnischen Reiches. Sie wiffen ganz gut, daß das _xmr zu erreichen ist in einem Kriege, der für Preußen un- glucklick). nt. Wir leben im Frieden und hoffen es auf noch lange, Aber keine Nation Europas versäumt es, sich bereit zu halten. Die Möglichkeit eme_s Krieges ist nich_t angescbloffen, und dann wird es nicht an polnixcher Agitation fehlen, die ihrer Erwobnbeit nach zxrfriedene und. ruhige Mgffe syiort zi; inflammieren, und darin liegt eme ernst?, wirkliche Geiabx sur unfere polnischen wie für unsere deut_schen Mitbürger. Dtessr Gefahr Vorzubeugen, ist die Regierung Verdfiichtet, und darum darf sie alle Waffen, alle Rechte ,der Notwehr in Anipruch nehmen. Darin finde ich die Legitimation, über alle anderen Bedenken hinwegzugeben. Wie, die lokale äußere Ziigebörigkeit unserer Polen mit den aus- iandtscben, den russischen ujw. ein Hauptmotiv der Agitation ist, um in der Mgffe die Vorstellung wach zu halten, daß sie doch mal wieder zuiammsnkommen können, io wird, wenn die Anfiedlungs- politiik gerade_in den Grenzgebieten einen deutschen Keil trennend dazwzicben schiebt, die Krafi der Agitation__ in erheblichem Maße ge- schwgcht. Es wuß psychologtjch aizf die Manet! wirken. Versetzen Sie die polnische Bedolkerung weiter weitiicb, so würde ihr immer lebhafter zum BewuZisein kommen, _daß es Wabnfinn und ein Unglück wäre, wenn sie Versuchte, den Zujammenbang mit dem preußisckoen Staate zu zerstöre_n. Das ist die Vorausseyung, in der diese Gesesgebung erlaffen tit. DeSwegcn Halte ich fur richtig, abgrseben von andcren Bxdenkxn. gegen die Anwendyng des Enteignungs eseßes die Tatigkxid-k-er Anfiedlungskommiision auf wenige gro e Gebiete zu .bexcbrarxken, i_md_zw_ar auf Gregzgebiete, um dieses Ziel.;u erreichen, 'das Wir langst erreicht hatten, wenn wir längs der Grenze_ eine Kette von Festungen Hergestelit hätten. Wer hätte uns hindern wollen, wenn wir aus politischen Gründen Leuten das Cigenium genommen und einen weitexxRayon um diese Festungen gezogen hatten? Wir glauben, ein beneres Mittel gswählt zu haben, und zu meiner Freude beabsiäoti t die Regierung, nicht mehr so zerstreut „mit Ansiedlungen vorzuge en, sondern kompakte große Massen an' die Grenze zu setzen. Darin likgt eine gewiffe Beschrän- kung, wie in dem Kompromißantrag, der hinweist auf ein Ende, und das bedauere uh nicht; denn, wir stellen nicht in Abrede, daß es ein YUSnabme- und Kampfgeietz rst. das die Bürgschaft eines Abschlusses in iich haben rnuß. Darum dandelt auch die konservative Partei richtiger, als wenn fie [est plößlich die ganze Ansiedlungspoiitik über den Haufen werfen xmd die Verantwortung für die Konsequenzen übernehmen wollte. Zwar furchten nim wrancbe _Deutsche in den andern Landesteilen, die Regierung könne xeßt rbre FurForge auf einen verhältnismäßi kleinen Teil der Ostprovmzen beschranken, aher das ganze Anéedlungs- werk ist doch nur ein,Se ment, em Teil der Ofimar enpolitik, iind die ReZZerung muß in v eien anderen Gebieten mehr als bisher diese Teile ordern, im UnterrichtSwesen, Vsrkehrswesen, in der Ent- lastung der Gemeinden usw. Und wenn diese Fürsorge den polnischen Einwohnern ebenso_ zugute kommt wie den deutschen, soll es mich herzlich freuen. Nichts liegt uns allen ferner, als unsere olniscben Mitburger ohne Not kränken zu wollen. Wir denken ni t daran, Ihnen (zu den Poien) irgend ein Unrecht zuzufügen, wir wollen Sie wabrbxxfti? _nicht in dem „nationalen Leben, das Raum hat in der ugeborig ert,zu unserem Staate“, beschränken. Unser Ziel ist nicht,

ie zu vertreiben u_nd Sie zu germanisieren; das ist noch nie ge- schehen. (Lachen bet dex: Polen.) Ick bedaure Ihr Gelächter, denn ich spreche nicht feindlich geZen Ste. Unser Ziel ist, Sie zu auf- richtiger Mitarbeit an den Au gaben des preußischen Staats zu e. winnen. Das Wird schwer sein und sehr lange dauern; aber sich giauhe, daß unsere Maßnahmen zum Frieden beitragen werden. Frei- ltc_h ist das nur möglich, und darin wollen wir die Regierung unter- Ztrxyenéftwenn sie energisch das Treiben der gewissenlosen Agitation eam .

Darauf wird die Debatte geschlossen.