1829 / 154 p. 9 (Allgemeine Preußische Staats-Zeitung) scan diff

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Zweite Beilage zut Alemeinen Prenßischen Staats- Zeitung Nr. 154.

eurtheilung der handelnden Personen, deb Zustand der lultur im Allgemeinen, den Einfluß der religiösen Vorur— heile und den Drang der Umstaͤnde in Anschlag zu bringen. Go wenig sich die Brientalische Autokratie uberhaupt lob—⸗ preisen laͤßt, eben so wenig lassen sich die in den angefuͤhr⸗ ten beiden Epochen durch den Sultan und seine Minister angeordneten, Blut⸗Urtheile und graͤßlichen Verfolgungen recht⸗ artigen, wobel hzusig den Unschtldigen das Laos des Schul⸗ digen getroffen haben mag. Von den fuͤrchterlichen Wirkun— gen, welche muselmaͤnnischer Fanatismus, angefacht durch die Partheiwuth der christlichen Serten, im Hrient hervorbringt, nugen uͤbrigens neuerlich noch die grausamen Verfolgungen,

terthanen der Pforte erlitten haben, und wenn auch den Sultan kein anderer Vorwurf traͤfe⸗ als der, der erbarmungs— losen Harte und der habsuͤchtigen Willkuͤhr seiner. Minister keine Graäͤnzen gesteckt zu haben, so wurde doch diese Unter⸗ lassungs⸗Suͤnde hinreichen, um ihn fuͤr die Thraͤnen, das Elend und das Verderben so vieler tausend Ungluͤcklichen

verantwortlich zu machen. Indessen muß zur Steuer der Wahrheit bemerkt werden, daß Sultan Mahmud per soͤnlich nnd aus eigenem Antriebe bisher nur da mit grausamer ; . verfahren ist, wo Politik und Nothwendigkeit sol⸗ ches nach Orientalischen Ansichten erheischten; daß er diese grausame Strenge nur gegen diejenigen angewendet hat, velche Rebellen waren oder die Neigung verriethen, es zu werden, und nur in solchen Faͤllen, wo seine eigene Sicher⸗ heit und das oͤffentliche Interesse sich gegenseitig als Bedin⸗ gung vorgussezten. Nur dann wuͤrde er verdienen, in der ZJeitgeschichte mit dem Namen eines grausamen, wilden, bar⸗ xkarischen Machthabers gestempelt zu werden, wenn es erwie— sen ware, daß er n ur Befriedigung seiner Privat- Zwecke vergossen hatte. Da⸗ gegen ist notorisch, daß er das Todes⸗Urtheil über seinen Bru⸗ der Mustapha erst dann aussprach, als die Erhaltung seines eige⸗ nen Lebens und der offentlichen Ruhe, von diesem fuͤrchter lichen Beschlusse abhing? 5, daß er nach der Katastrophe Mu⸗ stapha Bairaktar's, den Urhebern der Unruhen, die Mittel gewährte, aus der Hauptstadt zu entfliehen *), anstatt sie der Wuth des Volkes preis zu geben, wie dies von seinen Vorfahren bei ahnlichen Vorfaͤllen fast imme geschehen war, daß er Molla Pascha, dem Nachfolger Paswan Oglu s in Widdin, das Leben schenkte und seine Schaͤtze ließ ) daß er selbst Staats verbrecher meist nur mit dem Exil, sel⸗ ten mit dem Tode bestrafte daß er von dem schrecklichen

äber vier und ein halbes Jahrhundert bestanden hat. Nur kurze eit hindurch die Stuͤtze, weit langer aber die Geisel des Staats, Haren die Janitscharen nicht mehr der Schrecken der Feinde des Reichs, wohl aber der Schrecken ihrer Mitbürger, und die unver⸗ söhnlichen Widersacher aller das Gemeinwohl hezwerkenden Anorde hungen und Reformen; ihre Wöiderspenstigkeit hat das Reich im Kriege und im Frieden gn den, Rand, des Verderbens gebracht, und ihre wiederhblten Aufstende haben die Grundpfeiler des Stagt?= gebaͤudez erschüͤttert, Hundert Tausende von friedlichen Bärgern, ie hochherzigsten Staatsmänner und die tapfersten Feldherren bluteten unter dem Mordschwerdte dieser, jedes Gesetz verhoͤhnen⸗ den Barbaren; chen ken wi ken, Felen, ein Opfer ihrer Vercuchtheit, und abermals vier Sul— tane *) verloren den Thron durch die Janitschgren. . Die hier zusammengestellten Angaben und theilweise selbst der Text, sind entlehnt au ; . RMämojires du Baron de Tott; Tableau gènral de Empire Ottoman, par M. D Ohsson; Iüistoite de Empire Ottöman, par M Ae Salaberry; Revolutions de Gonstantinoble en 180 et 1808, Par M Ju- cchereau de St. Denis; / . Constantinsple le Bosphore, par INM. le. Comte Andreoss); Geschichte Fer Aufhebung der Janitschgren durch Sultan ö Mahmud, von Essgad Efendi, Historiogrgph des Os=

Adelburg.) . ͤ ; . 21) Kävolutisns de Constantinople en 1807 et 18068, par Juchereal de St., Denis, b. Il. E. 231. 32. .

( 225 Am angefuhrten Orte T. Il. P. 235. Constantinople et lle Bospnore, bar Andreossy, Chap I. 13.

J Moll Paschg zog fich, nit seinem Harem unz seinen Serg! von. Könstantino⸗

Reichthüͤmern nach Skutari zurück, dem

vel gegen äber, woselbst er,

. . erfahrene zi haben, im Jahre 1312 an der Hest starb. Der Graf Andreosfh sagt in seinem oft angeführten Büche, wo er dier Thatsache erzaͤhlt: on pourrait. cilèr nombre de fails de

ce genre.

8.

Y Mustapha 1. 1618. Osman Il 1622, Ibrahim 16493. Muhaned 1y.

1687. Mustapha 11. 1703. Achmet

welche die friedlichen, treuergebenen katholisch⸗armenischen Un⸗

111. 30. Selim 1II. 1807. Mustapha IV. 1808.

rer wissentlich ünd absichtlich unschuldiges Blut

dier Sultan die dem Reiche Ruhe schen fen woll= oll Hadschi Begtasch, auf das Ersuchen des Sultans Orchan, der

manischen Reichs, ins Deutsche Kbersetzt durch E. von

ohne die mindeste Belaͤstigung von der

Rechte, welches ihm vermöge der Institutionen des Reichs zusteht, taglich 14 Personen ohne gerichtliche Procedur oder

Zeugen-Verhör vom Leben zum Tode bringen zu lassen‘“),

mit Ausnahme der Schreckens-Tage wahrend der Griechi— schen Empoͤrung und der Vernichtung der Janitscharen, noch nie Gebrauch gemacht hat daß er endlich von feinen Um-

gebungen allgemein geliebt und verehrt wird, und daß selbst

seine Feinde nicht eine einzige beglaubigte Handlung des Jaͤhzorus von ihm anzufuͤhren wissen. Der Aufhebung der Janitscharen folgte die Auf—

18sung der aus sechs Corps bestehenden, be soldeten Rei—

terei-s), welche ebenfalls den Keim der Rebellion in ihrer

innersten Natur trug, und wegen ihrer Theilnahme an fast

allen Empoͤrungen der Janitscharen mit der neuen Ordnung unverträglich war. . .

Auch die Jamack's, obgleich sie an der letzten Ver— schwoͤrung keinen Antheil genommen hatten, wurden auf— geloͤst, da ihre Treue nicht auf sicherem Grunde zu ruhen schien, und theilweise den neuen Truppen einverleibt, theil⸗ weise aber in ihre Heimath zuruͤckgeschickt. J

Um das große Werk der Bertilgung des Janitscharen⸗ Stammes mit allen seinen Neben- Zweigen zu vollenden, mußte noch der Orden der Begtaschis *) vernichtet werden, dessen Mitglieder nicht nur als Feinde des Reichs betrachtet wurden, wegen ihrer Verbruͤderung mit den Janitscha— ren, sondern auch als Feinde der Religion, wegen Verfaͤlschung der Dogmen, Einschiebung unaͤchter Traditionen und Entstellung der reinen Lehre, wegen Fraß und Voͤllerei, wegen Wein- Gelage statt vorgeschriebener Faßen, endlich wegen Ueber— tretungen, Ausschweifungen und Laster aller Art. Nach Abhaltung eines großen Rgathes wurden die uͤbelberuͤchtigte⸗ sten Glieder des Srdens oͤssentlich hingerichtet, und am 10. Juni 1826 erschien ein Großherrlicher Ferman, der den Or—= den fuͤr ewige Zeiten aufzuheben, die Kloͤster, Zellen und Grabstaͤtten, wie auch die Buͤcher zu vernichten, die Möoͤnche selbst aber nach Maaßgabe ihrer Schuld, theils mit dem Tode zu bestrafen, theils in die entferntesten Provinzen zu exiliren gebot. Mit Vollziehung dieses Befehls wurde der Anfang in der Hauptstadt gemacht, und zur Ausführung desselben in den Provinzen eigene Commissaire nach Rume— lien und Anatolien abgeschickt.

SGSFortsetzung folgt.) .

2h Diohsson, Tableau genral de Empire Ottoman Toderini de la litiérature des Tures besonders aber das oben angefuͤhrte klassische Werk von Jucherean de St. Denis, E 1. p. 192.

25) Die Sipahis, Reiter, die Silihdare, Waffentraͤger, die Ulefadschiani Femin und Jessar, Soͤldlinge des rechten und linken Fluͤgels, dann die Ghürebai Jemin und Jessgr, Fremdlinge des rechten und linken Fluͤgels Ihre erste Einrich= tung war, wie jene der Janitscharen, das Werk Sultan Orchan s (1333), ihre weitere Ausdehnung faͤllt ebenfalls wie die jenes Corps in die Regierung Murad's J. (1362. = 26) Hädschi Begtasch, ein frommer Scheich *), der im Rufe der Wunderfhaͤtigkeit stand. Nach seinem Tode bildeten dessen Schuler ei⸗ en Mönchs⸗Orden, und legten sich, das Andenken ihres Meisters eh⸗ rend, den Namen Begtaschis bei, Unverbuͤrgten Erzählungen zufolge

damals errichteten neuen Truppe den Namen Jenitscheri gegeben und den Aermel seines Kleides uf den Kopf eines der neuen Soldaten gelegt haben, weshalb die Ceremonien-Mutze der Jani= tscharen bis zuletzt die orm eines auf den Kopf gesteckten, hinten herabhängenden giermels behalten hat. Diese und andere aͤhnliche Sagen waren der Grund zür Verbruͤderung der zwei Koͤrperschaf⸗ ten der Janitscharen und der Begtaschis, welche zusammen die große Famille des Hadschi Begtgsch bildeten. Ein soge⸗

nannter Stellvertreter desselben hiell sich bestaͤndig in einer der

43 Knsernen der Janitscharen guf. Der Scheich des Ordens war zugleich Oberster der SYsten Dschemgat (Compagnie), und acht Derwsche waren bestimmt, Tag und Nacht fuͤr die Wohlfahrt des Reichs und den Erfolg der Waffen zu beten. Die Begtaschis

waren der eigentliche Bettel Orden der Turkei. Sie bearbeiteten

ihre Bruͤder, die Janitscharen, auf eine fuͤr Reich und Glauben

höchst verderbliche Weise, und die Regierung betrachtete sie nicht

1

mit Unrecht als die Haupt-Urheber des rcholutiongiren Geistes

derselben. (S. v. Hammer s Staats Verfassung B. II. 193. 406. E. v. Adelburg's Uebersetzung der Tuͤrkischen Benkschrift des Es⸗ saad Efendi.) . J 6

* Der Name Scheich, d. h. Greis wird überhaupt jedem, durch Cin Alter, fein einsamez Leben seine Tugend. verehrten . de gelegt, Bei den Arabern ist er Ehren-Name des Hauptes des Stammes der Familie, und sogar der Teufel heißt bei ihnen der Scheich von Nedschd. ü

; ö ; J ö Bei den Türken und im Osmanischen Reiche wird dieser Name ausschließlich nur den Predi⸗

gern und den Qbern der verschiedenen Derwisch⸗Orden beigelegt. S. v. Ham⸗

mer's Stagts⸗-Verfassung B. II. 39.) 2 *

8 j ; 23

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