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Zweite Beilage zut Alemeinen Prenßiſchen Staats- Zeitung Nr. 154.
eurtheilung der handelnden Perſonen, deb Zuſtand der lultur im Allgemeinen, den Einfluß der religiöſen Vorur— heile und den Drang der Umſtaͤnde in Anſchlag zu bringen. Go wenig ſich die Brientaliſche Autokratie uberhaupt lob—⸗ preiſen laͤßt, eben ſo wenig laſſen ſich die in den angefuͤhr⸗ ten beiden Epochen durch den Sultan und ſeine Miniſter angeordneten, Blut⸗Urtheile und graͤßlichen Verfolgungen recht⸗ artigen, wobel hzuſig den Unſchtldigen das Laos des Schul⸗ digen getroffen haben mag. Von den fuͤrchterlichen Wirkun— gen, welche muſelmaͤnniſcher Fanatismus, angefacht durch die Partheiwuth der chriſtlichen Serten, im Hrient hervorbringt, nugen uͤbrigens neuerlich noch die grauſamen Verfolgungen,
terthanen der Pforte erlitten haben, und wenn auch den Sultan kein anderer Vorwurf traͤfe⸗ als der, der erbarmungs— loſen Harte und der habſuͤchtigen Willkuͤhr ſeiner. Miniſter keine Graäͤnzen geſteckt zu haben, ſo wurde doch dieſe Unter⸗ laſſungs⸗Suͤnde hinreichen, um ihn fuͤr die Thraͤnen, das Elend und das Verderben ſo vieler tauſend Ungluͤcklichen
verantwortlich zu machen. Indeſſen muß zur Steuer der Wahrheit bemerkt werden, daß Sultan Mahmud per ſoͤnlich nnd aus eigenem Antriebe bisher nur da mit grauſamer ; . verfahren iſt, wo Politik und Nothwendigkeit ſol⸗ ches nach Orientaliſchen Anſichten erheiſchten; daß er dieſe grauſame Strenge nur gegen diejenigen angewendet hat, velche Rebellen waren oder die Neigung verriethen, es zu werden, und nur in ſolchen Faͤllen, wo ſeine eigene Sicher⸗ heit und das oͤffentliche Intereſſe ſich gegenſeitig als Bedin⸗ gung vorgusſezten. Nur dann wuͤrde er verdienen, in der ZJeitgeſchichte mit dem Namen eines grauſamen, wilden, bar⸗ xkariſchen Machthabers geſtempelt zu werden, wenn es erwie— ſen ware, daß er n — ur Befriedigung ſeiner Privat- Zwecke vergoſſen hatte. Da⸗ gegen iſt notoriſch, daß er das Todes⸗Urtheil über ſeinen Bru⸗ der Muſtapha erſt dann ausſprach, als die Erhaltung ſeines eige⸗ nen Lebens und der offentlichen Ruhe, von dieſem fuͤrchter lichen Beſchluſſe abhing? 5, — daß er nach der Kataſtrophe Mu⸗ ſtapha Bairaktar's, den Urhebern der Unruhen, die Mittel gewährte, aus der Hauptſtadt zu entfliehen *), anſtatt ſie der Wuth des Volkes preis zu geben, wie dies von ſeinen Vorfahren bei ahnlichen Vorfaͤllen faſt imme geſchehen war, daß er Molla Paſcha, dem Nachfolger Paswan Oglu s in Widdin, das Leben ſchenkte und ſeine Schaͤtze ließ ) — daß er ſelbſt Staats verbrecher meiſt nur mit dem Exil, ſel⸗ ten mit dem Tode beſtrafte — daß er von dem ſchrecklichen
äber vier und ein halbes Jahrhundert beſtanden hat. Nur kurze eit hindurch die Stuͤtze, weit langer aber die Geiſel des Staats, Haren die Janitſcharen nicht mehr der Schrecken der Feinde des Reichs, wohl aber der Schrecken ihrer Mitbürger, und die unver⸗ ſöhnlichen Widerſacher aller das Gemeinwohl hezwerkenden Anorde hungen und Reformen; ihre Wöiderſpenſtigkeit hat das Reich im Kriege und im Frieden gn den, Rand, des Verderbens gebracht, und ihre wiederhblten Aufſtende haben die Grundpfeiler des Stagt?= gebaͤudez erſchüͤttert, Hundert Tauſende von friedlichen Bärgern, ie hochherzigſten Staatsmänner und die tapferſten Feldherren bluteten unter dem Mordſchwerdte dieſer, jedes Geſetz verhoͤhnen⸗ den Barbaren; ꝛ chen ken wi ken, Felen, ein Opfer ihrer Vercuchtheit, und abermals vier Sul— tane *) verloren den Thron durch die Janitſchgren. . Die hier zuſammengeſtellten Angaben und theilweiſe ſelbſt der Text, ſind entlehnt au ; . RMämojires du Baron de Tott; Tableau gènral de Empire Ottoman, par M. D Ohsson; Iüistoite de Empire Ottöman, par M Ae Salaberry; Revolutions de Gonstantinoble en 180 et 1808, Par M Ju- cchereau de St. Denis; / . Constantinsple eä le Bosphore, par INM. le. Comte Andreoss); Geſchichte Fer Aufhebung der Janitſchgren durch Sultan ö Mahmud, von Esſgad Efendi, Hiſtoriogrgph des Os=
Adelburg.) . ͤ ; . 21) Kävolutisns de Constantinople en 1807 et 18068, par Juchereal de St., Denis, b. Il. E. 231. 32. .
( 225 Am angefuhrten Orte T. Il. P. 235. Constantinople et lle Bospnore, bar Andreossy, Chap I. 13. ⸗
J Moll Paſchg zog fich, nit ſeinem Harem unz ſeinen Serg! von. Könſtantino⸗
Reichthüͤmern nach Skutari zurück, dem
vel gegen äber, woſelbſt er, ⸗
. . erfahrene zi haben, im Jahre 1312 an der Heſt ſtarb. Der Graf Andreoſfh ſagt in ſeinem oft angeführten Büche, wo er dier Thatſache erzaͤhlt: on pourrait. cilèr nombre de fails de
ce genre.
8.
Y Muſtapha 1. 1618. Osman Il 1622, Ibrahim 16493. Muhaned 1y.
1687. Muſtapha 11. 1703. Achmet
welche die friedlichen, treuergebenen katholiſch⸗armeniſchen Un⸗
111. 30. Selim 1II. 1807. Muſtapha IV. 1808.
rer wiſſentlich ünd abſichtlich unſchuldiges Blut
dier Sultan die dem Reiche Ruhe ſchen fen woll= oll Hadſchi Begtaſch, auf das Erſuchen des Sultans Orchan, der
maniſchen Reichs, ins Deutſche Kberſetzt durch E. von
ohne die mindeſte Belaͤſtigung von der
Rechte, welches ihm vermöge der Inſtitutionen des Reichs zuſteht, taglich 14 Perſonen ohne gerichtliche Procedur oder
Zeugen-Verhör vom Leben zum Tode bringen zu laſſen‘“),
mit Ausnahme der Schreckens-Tage wahrend der Griechi— ſchen Empoͤrung und der Vernichtung der Janitſcharen, noch nie Gebrauch gemacht hat — daß er endlich von feinen Um-
gebungen allgemein geliebt und verehrt wird, und daß ſelbſt
ſeine Feinde nicht eine einzige beglaubigte Handlung des Jaͤhzorus von ihm anzufuͤhren wiſſen. Der Aufhebung der Janitſcharen folgte die Auf—
18ſung der aus ſechs Corps beſtehenden, be ſoldeten Rei—
terei-s), welche ebenfalls den Keim der Rebellion in ihrer
innerſten Natur trug, und wegen ihrer Theilnahme an faſt
allen Empoͤrungen der Janitſcharen mit der neuen Ordnung unverträglich war. . .
Auch die Jamack's, obgleich ſie an der letzten Ver— ſchwoͤrung keinen Antheil genommen hatten, wurden auf— geloͤſt, da ihre Treue nicht auf ſicherem Grunde zu ruhen ſchien, und theilweiſe den neuen Truppen einverleibt, theil⸗ weiſe aber in ihre Heimath zuruͤckgeſchickt. J
Um das große Werk der Bertilgung des Janitſcharen⸗ Stammes mit allen ſeinen Neben- Zweigen zu vollenden, mußte noch der Orden der Begtaſchis *) vernichtet werden, deſſen Mitglieder nicht nur als Feinde des Reichs betrachtet wurden, wegen ihrer Verbruͤderung mit den Janitſcha— ren, ſondern auch als Feinde der Religion, wegen Verfaͤlſchung der Dogmen, Einſchiebung unaͤchter Traditionen und Entſtellung der reinen Lehre, wegen Fraß und Voͤllerei, wegen Wein- Gelage ſtatt vorgeſchriebener Faßen, endlich wegen Ueber— tretungen, Ausſchweifungen und Laſter aller Art. Nach Abhaltung eines großen Rgathes wurden die uͤbelberuͤchtigte⸗ ſten Glieder des Srdens oͤſſentlich hingerichtet, und am 10. Juni 1826 erſchien ein Großherrlicher Ferman, der den Or—= den fuͤr ewige Zeiten aufzuheben, die Kloͤſter, Zellen und Grabſtaͤtten, wie auch die Buͤcher zu vernichten, die Möoͤnche ſelbſt aber nach Maaßgabe ihrer Schuld, theils mit dem Tode zu beſtrafen, theils in die entfernteſten Provinzen zu exiliren gebot. Mit Vollziehung dieſes Befehls wurde der Anfang in der Hauptſtadt gemacht, und zur Ausführung deſſelben in den Provinzen eigene Commiſſaire nach Rume— lien und Anatolien abgeſchickt.
SGSFortſetzung folgt.) .
2h Diohsson, Tableau genral de Empire Ottoman — Toderini de la litiérature des Tures — beſonders aber das oben angefuͤhrte klaſſiſche Werk von Jucherean de St. Denis, E 1. p. 192.
25) Die Sipahis, Reiter, die Silihdare, Waffentraͤger, die Ulefadſchiani Femin und Jeſſar, Soͤldlinge des rechten und linken Fluͤgels, dann die Ghürebai Jemin und Jeſſgr, Fremdlinge des rechten und linken Fluͤgels Ihre erſte Einrich= tung war, wie jene der Janitſcharen, das Werk Sultan Orchan s (1333), ihre weitere Ausdehnung faͤllt ebenfalls wie die jenes Corps in die Regierung Murad's J. (1362. = 26) Hädſchi Begtaſch, ein frommer Scheich *), der im Rufe der Wunderfhaͤtigkeit ſtand. Nach ſeinem Tode bildeten deſſen Schuler ei⸗ en Mönchs⸗Orden, und legten ſich, das Andenken ihres Meiſters eh⸗ rend, den Namen Begtaſchis bei, Unverbuͤrgten Erzählungen zufolge
damals errichteten neuen Truppe den Namen Jenitſcheri gegeben und den Aermel ſeines Kleides uf den Kopf eines der neuen Soldaten gelegt haben, weshalb die Ceremonien-Mutze der Jani= tſcharen bis zuletzt die orm eines auf den Kopf geſteckten, hinten herabhängenden giermels behalten hat. Dieſe und andere aͤhnliche Sagen waren der Grund zür Verbruͤderung der zwei Koͤrperſchaf⸗ ten der Janitſcharen und der Begtaſchis, welche zuſammen die große Famille des Hadſchi Begtgſch bildeten. Ein ſoge⸗
nannter Stellvertreter deſſelben hiell ſich beſtaͤndig in einer der
43 Knſernen der Janitſcharen guf. Der Scheich des Ordens war zugleich Oberſter der SYſten Dſchemgat (Compagnie), und acht Derwſche waren beſtimmt, Tag und Nacht fuͤr die Wohlfahrt des Reichs und den Erfolg der Waffen zu beten. Die Begtaſchis
waren der eigentliche Bettel Orden der Turkei. Sie bearbeiteten
ihre Bruͤder, die Janitſcharen, auf eine fuͤr Reich und Glauben
höchſt verderbliche Weiſe, und die Regierung betrachtete ſie nicht
1
mit Unrecht als die Haupt-Urheber des rcholutiongiren Geiſtes
derſelben. (S. v. Hammer s Staats Verfaſſung B. II. 193. 406. E. v. Adelburg's Ueberſetzung der Tuͤrkiſchen Benkſchrift des Es⸗ ſaad Efendi.) . J 6
* Der Name Scheich, d. h. Greis wird überhaupt jedem, durch Cin Alter, fein einſamez Leben ſeine Tugend. verehrten . de gelegt, Bei den Arabern iſt er Ehren-Name des Hauptes des Stammes der Familie, und ſogar der Teufel heißt bei ihnen der Scheich von Nedſchd. ü
; ö ; J ö Bei den Türken und im Osmaniſchen Reiche wird dieſer Name ausſchließlich nur den Predi⸗
gern und den Qbern der verſchiedenen Derwiſch⸗Orden beigelegt. S. v. Ham⸗
mer's Stagts⸗-Verfaſſung B. II. 39.) 2 *
8 j ; 23
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