ehrwürdige Scheu vor der persönlichen Freiheit mag auf sich beruhen. 2 Daß die Erbunterthanen die Auflösung ihres Ver⸗ hältnißes nicht wünschen, weil sie sich wohl dabei be⸗ finden, ist ein leidiges altes Lied. Alle Sachwal⸗ ter der Leibeigenschaft haben es mehrmal gesungen. Für die preußischen Staaten vor 1807 müßen wir aus der eigentlichsten und zuverläßigsten Erfahrung es be— streiten. Für Meklenburg können wir es nicht ab⸗ leugnen, weil wir nicht unterrichtet sind; aber die Be⸗ schreibung der dortigen Verhältniße, die der Aufsatz in den Staatsanzeigen, wahrscheinlich noch zu schonend, uns liefert, stellt sie freilich drückender dar, als sie bei uns es waren, daß also in den dortigen Erbunter⸗ thanen wohl auch dasjenige Gefühl der Menschen⸗ würde verloren gegangen seyn mag, welches in den unsrigen sich bewahrt hatte. Denn zugegeben, daß die Leibeignen ihren Zustand nicht verändern wollen, so folgt daraus weiter nichts, als daß die Geschlechter, abgestumpft und entartet, unter vielhundertjährigem Druck gewohnter Feßeln, auch den edelsten Trieb der menschlichen Natur eingebüßt haben. Was kann der Leibeigne beim Namen des Vaterlandes empfin— den? Ihm ist es ganz gleichgültig, ob der Stamm der alten Sbotritenfürsten, oder ein korsischer Flibustier an den Ufern der Ostfee herrscht. Nur ein freier Bauer kann den Herzog seinen Herzog nennen; der Leib— eigne kennt nur seinen Guts- und Frohnherrn. Nur
ein freier Bauer kann das Herz dankbar zu Gott er⸗
heben, während das Herz des Leibeignen, zusammen— gebrochen wie der Brandbrief des alten Betrlers Zauß, nicht fühlt, nicht weiß, wofür und wem es danken solle.
Hören wir aber diesen Advokaten der Leibeigenschaft mit seinen eignen Worten weiter:
„Muß es nicht äußerst befremden, wenn man ge— wahr wird, daß dieselben Stimmen, die sich so laut gegen die Leibeigenschaft erheben, von einer andern neuern Einrichtung entweder ganz schweigen, oder dieselbe wohl gar billigen und rühmen, welche doch in der That ein viel härteres und drückenderes Joch für die Unterthanen ist? ich meine die in vielen Ländern eingeführte Militairpflichtigkeit. Findet hier nicht ebenfalls persönlicher Dienst statt? und ist nicht der Militairpflichtige wirklich noch viel mehr eigen, als der Unterthänige, nemlich nicht blos mit seinem Leibe, sondern sogar mit seinem Leben? ist aber von dieser persönlichen Dienstbarkeit nicht auch die Landes hö— rigkeit unzertrennlich? und ist von dieser doppel len Untherthänigkeit wohl auf andere Weise irgend ein Erlaß möglich, als durch eine noch viel härtere Schik⸗ kung Gottes, nemlich durch Gebrech lichkeit? (auch das nicht einmal, landeshörig bliebe ja der Gehrech— liche doch); Beruhet aber von der andern Seite diese Art von Leibeigenschaft eben so gut, wie jene andre, auf einem wirklichen Vertrage? Gehen hier auch Pflichten und Rechte, Beschwerden und Vor— theile, ausgleichend neben einander? Leuchtet die Nützlichkeit und Wohlthat dieser Dienstbarkeit dem
fflichtigen hier eben so ein, wie dort? (einleuchten! ie Wohlihat der Leibeigenschaft, dem Leibeignen ih und wenn endlich die Gesinnung, als das letzte und sicherste Band aller menschlichen Verhältniße und Ver— bindungen betrachtet werden muß, werden auch hier wie dort die schönen Gefühle der Neigung und Erge— benheit, Fürsorge und Dankbarkeit sich so leicht und dauernd entwickeln können? (die schönen Gefühle der Dankbarkeit des Leibeignen! Werden nicht vielmehr in einem Verhältniß, das ganz und gar auf strengem Befehl und blindem Gehorsam, auf harter Disciplin und stummer Unterwerfung beruht, natürlicherweise nur Mißtrauen oder Furcht einen Spielraum finden? Und kann nicht solcherweise in das Edelste was ei— nem Volk angehört, in die empfänglichen Herzen sei—⸗
werthen, wohlwollenden, edeln und ruhigen Empfin⸗ dungen, nach und nach der Same der Unruhe, der Härte, des Ehrgeizes und der Selsstsucht gestreut werden, der dann am Ende zum Verderben des Va⸗ terlandes aufschießt?!“ .
Wenn man dieses abschreibt, so fragt man ver— wundert, wie der Notarius den testirenden Leibgeber „dieses und dergleichen bring' ich zu Papier 2“ Es steht
wie es heißt, die eines Teatschen würdig sind, die aber auch nur von einem Teutschen, der sein Vater⸗ land kennt und liebt, beantwortet werden können, nicht aber von soölchen, deren Köpfe nur mit römischen
Begriffen angefüllt sind. Nein freilich, wem die rö— mische Lyra nicht mehr freudig zutönt: süß ist, und ruhmvoll, sterben fürs Vaterland!
dem mögen die Ketten des algierischen Sklaven er-
götzliche Mufik seyn. ᷣ
Die allgemeine Militairpflichtigkeit, der ehrenvolle Beruf eines jeden Mannes, der ein Vaterland hät, sein Vaterland mit den Waffen zu vertheidigen, sein Weib und Kind, den Thron seines angestammten Für— sten, die Altäre seines Giaubens, die Freiheit von geistiger und leiblicher Knechtschaft, dafär zu bluten und zu sterben: das heißt hier eine neuere Ein— richtung. Wie? ist Leonidas erst vorgestern bei Ther— mopylä gefallen? hat Hermann erst gestern die römi⸗— schen Legionen vernichtet?
Und dieser Beruf soll die edelsten Empfindungen des menschlichen Gemüths zerstören? wird mit dem armseligen Loose der Leibeignen nicht blos verglichen, sondern tief darunter gesetzt? dürfen uns weitrer Bemerkungen billig enthalten; der Verfaßer gehört nicht zu uns, denen vitae socia vir- tus, mortis Comes gloria. Er hat für uns das Maaß uicht. Wenn er aber auch ein Quäker ist, so möge er sich aus der Schrift belehren: daß ein Ehrist auch das Leben laßen müße für die Brüder‘).
) Wir haben uns zwar deutlich erklart, so daß alles, was
wir von der Leibeigenschaft gesprochen, nur auf diese und auf kein andres Verhältniß des dienenden Bauerstandes gedeu⸗— tet werden kann. Indeß bemerken wir noch ganz besonders, daß wir nur die persoͤnliche Erbunterthaͤnigkeit, Guts gflich⸗ tigkeit, Eigenhoͤrigkeit, Leibeigenschaft oder wie man sie sonst nennen wolle, vor Augen haben, daß wir diese, als goͤttli— chen und menschlichen Rechten entgegen erklaren, daß wir meinen, der Staat koͤnne sie nicht dulden, weil sie feinem Begriff und Zweck widerspreche. Als man bei der Mobilma— chung im Jahr 1805 dem Bewirthschafter betraͤchtlicher Rit⸗ terguͤter, woselbst nur mit Erbunterthanen, mehrentheils Tagelohnern, gewirthschaftet wurde, ein Bedauern uͤber den Verlust, den er durch die Entziehung manches Arbeiters werde erlitten haben, zu erkennen gab, versicherte er, daß er auch nicht Einen Mann verloren habe, nicht einmal Einen Trainknecht hatte man herausfinden koͤnnen. So im Phyfischen
Dieser Beruf Wir
.
noch schlimmer im Geistigen. Ganz anders verhalt es sich in Bezug auf die Dienste, die der Bauer nicht als Erbunter⸗
than, sondern als Erb- oder Zeitpaͤchter des Bauerhofs dem Herrn leisten mußte. Hier fand und sindet gewiß noch auf manchen Guͤtern ein wahrhaft patriarchalisches Ver— hältniß statt, besonders auf Majoraten und Lehnen, hier knuͤpfte wechselseitige Zuneigung die Bauerfamilie, Geschlecht auf Geschlecht, an den gütigen Hern, und feine Rach— kommen, die in den Gesinnungen des Ahnen verharrten. Wenn solche Gutsherrn innig trauern, daß neuere Gesetze
wir ihre Klage, bitten sie aber zu erwaͤgen, daß das Ge—
Ausnahme willen von seiner Regel nicht abweichen duͤrfe, besonders aber, daß nicht das Gesetz, sondern die fortschrei⸗
tende Zeit neue Formen, statt der abgestorbenen, gestalte.
Das Gesetz spricht nur das vorhandene Beduürfniß der Zeit aus. Doch dieser Gegenstand gehort einer andern Un— tersuchung über die Regulirung der gutsherrlichen unt
! rz . baͤuerlichen Verhaͤltniße an. ner männlichen Jugend statt der ihnen so wünschens⸗
3
*
4 5 ö
diesem Verhaͤltniße keinen Fortbestand zusichern, so achten
ö
*.
J ö 9
setz um weniger ohnehin nicht dauerhaft zu verbuͤrgender lie, von e nn nrg nn⸗ abstammt, hatte r,, Laureguais schon im Jahr 1817 das Herz des ersten
Grenadiers von Frankreich empfangen.
Allgemeine
Preußische Staats Zeitung.
aber wörtlich und buchstärlich also da, ais Fragen,
tes Stuck. Berlin, den 3osten Januar 1819.
Zeitung s-Nachrichten.
Ausland.
Paris, vom 20. Januar. Die Kammer der Pairs hielt gestern eine Sitzung, worin der Bericht über den Antrag wegen gänzlicher Abschaffung des droit d'au— baine und des Abscheßes erstattet wurde. Die Kam— mer verordnete den Druck und die Vertheilung des Berichts.
Der Herzog von Richelieu zeigte der Kammer
schriftlich an, daß er seiner Gesundheit wegen den Rest
des Winters im mittäglichen Frankreich zubringen werde.
Die Handelskammer und der Municipalrath zu Strasburg haben Deputationen hieher geschickt, um wegen Verlängerung des Taback-Monopols Vorstel— lungen zu thun. Das Tribunal der korrectionellen Polizei des Seine-Departements hat den Obersten Fabvier und den Herrn von Sainneville der Verläumdung des Generals Canuel schuldig gefun— den, doch in Rücksicht auf die eintretenden Milderungs⸗ gründe nur eine unbedeutende Geldstrafe von 100 Fr. wider den Ob. Fab vier, und von 50 Fr. wider den Hrn. v. Sainneville erkannt. Auch Canuel, dem der Ob. Fabrier die Prozeßkosten erstatten muß, ist in 50 Fr. Geldbuße verurtheilt.
Nach Briefen aus Neuyork ist die Niederlaßung der verbannten Franzosen in der Provinz Texas vereitelt, und Ehamp d'Asyle nur von kurzer Dauer gewesen.
Das Herz des Marschalls Türenne, welches sonst in der Abtei Cluny verwahrt, und den Zerstö— rungen der Revolution durch den dortigen Maire ent— zogen wurde, ist auf Befehl des Königs der Familie zurückgegeben und von dem General, Grafen von La— tour-d'Auvergne-Laureguais in Empfang ge— nommen worden. Als Haupt des Zweiges der Fami—
(Der erste
Grenadier von Frankreich, Theophil Malo von La— tour d' Auvergne, war kein ächter Sproß der Fa—
milie; er führte den Beinamen Corret, aber der
unehliche Sohn eines Herzogs von Bouillon, deßen
Mutter eine Demoiselle Corret war, hatte die Er⸗
laubniß erhalten, den Namen Latout d' Auvergne anzunehmen. Von diesem Corret stammte der erste Grenadier ab, der am 25. Nov. 1743 geboren war und am 27. Juni 1800 bei Oberhausen in Baiern blieb.)
London, den 26. Jan. Das Parlament wurde am 16. d. M. durch fünf Lords, statt des Prinzen Regenten, eröfnet. Der Sprecher des vorigen, Herr Manners Su t ton, ist von neuem gewählt worden. Eine der ersten Beschäftigungen des Parlaments wird die Vorsorge für des Königs geheiligte Person zum Gegenstande haben, um zu bestimmen, wem, statt der verewigten Königin, diese Sorge zu übertragen sey. Eine Fußverletzung verhindert Ihn, sich die Bewe— gungen zu machen, an welche er sich gewöhnt hatte.
Man erwartet, daß fich die Englischen Häfen am 15. Febr. für die Einfuhr des Waizens aus den Hä— fen zwischen der Eider und dem Bidaßas in Spanien schließen werden. Alle übrigen Getraidearten stehen noch zu hoch im Preise, als daß ein Einfuhrverbot zu erwarten wäre.
Der deutsche Hofprediger Herrmann Giese ist gestorben, so wie im gasten Jahr der unter dem Na— men Peter Pin dar sonst sehr bekannte Dr. Wol— cock. Hofpoet, wozu ihn eine Zeitung macht, war er nicht; eher Anti-Hofpoet.
Bern, den 6. Januar. Die Säcularfeier des Re—⸗ formationsfestes in Zürich war ihres hohen Gegenstandes würdig. Zum dritten Male wurde dieses Glaubensfest dort begangen, nie aber mit so allgemeiner Theil— nahme, als gegenwärtig. Früher hatte man es nur wissenschaftlich geehrt, in Schülen und gelehrten An— stalten gefeiert; jetzt war es ein ächtes religiöses Volksfest, und unverkennbar äußerte sich in allen Stän— den und Altern das reinste, innigste Intereße an dem erhabenen Gegenstande desselben. Zürich bewährte sei⸗ nen alten Ruhm, als treue Bewahrerin und Pflege— rin des reinen Lichtes des Evangeliums, als eidgenoßische Verfechterin der Glaubensfreiheit, als gründliche Leh— rerin der Wißenschaft, als ächte Bildnerin der Künste.
Die Feier dauerte vier Tagé lang. Sie wurde am 31. Decbr. v. J. durch eine lateinische Rede des Hauptes der Geistlichkeit, Antistes Heß, im Saal