1819 / 31 p. 1 (Allgemeine Preußische Staats-Zeitung, Sat, 17 Apr 1819 18:00:01 GMT) scan diff

unserm Staats- System unverträglich finden; und wenn wir von jedem, der unter uns aufgenommen seyn will, fodern, daß er sich entweder in unsere Form füge, oder sich des Antheils an unsern bürger— lichen Verhältnißen entschlage, so sind wir nicht un— duldsam, sondern gerecht. ̃

Die Mennoniten sollen aber nicht erst jetzt unter uns aufgenommen werden. Sie befinden sich seit Jahrhunderten als Staatsbürger unter uns; sie waren ursprünglich aller bürgerlichen Rechte theilhaftig, und erst im Fahr 1789 wurden sie in der bisher unbedingt ausgeübten Befugniß, Grund-Eigenthum käuflich zu erwerben, eingeschränkt; sie waren namentlich durch die landesherrliche Urkunde vom 2g. März 1780 ge— gen eine jährliche Geldabgabe von 5000 Rihlr. zum Kadettenhause in Kulm, von der Enrollirung und dem Natural-Militairdienste auf ewig befreiet und sollten bei dem Genuße ihrer Glaubensfreiheit, Ge⸗ werbe und Nahrung nach den im Königreich Preußen eingeführten Landesgesetzen ungestört gelaßen und ge— schüßt werden.

Die Westpreußischen Mennoniten, die bei weitem größere Zahl, wurden bereits im 16ten Jahrhunderte von dem Könige Sigismund August von Polen aufgenommen. Sie machten die Weichsel-Niederun— gen urbar, und schufen sich ihr neues Vaterland. Zwar blieben sie nicht ohne Verfolgungen; noch in der letzten Hälfte des 17ten Jahrhunderts suchte der Woiwode von Pommerellen unter dem Deckmantel des Glaubens, in der That, weil er nach ihren Gütern lüstern war, auf einem Landtage zu Marienburg ihre Vertreibung auszuwirken, aber die andern Landboten schützten sie durch die Erklärung „daß die Mennoni— ten sorgfältige Wirthe wären, ihre Häuser und Aecker in gutem Stande hielten, bei den Ausbrüchen der Weichsel, bei Beßerung der alten und Aufführung

der neuen Dämme die größten Dienste thäten und

man leicht merken könne, wo ein fauler und versoff— ner Bausr oder ein arbeitsamer und der Nächterkeit beflißener Menonit wohne.“ (Lengnich Preußische Ge— schichte B. 8. S. 126). .

Bei dem allgemeinen Aufrufe zur Vertheidigung des Vaterlandes im Jahr 1813 kam die bisherige Exemtion der Mennoniten zuerst wieder in Anregung. Sie weigerten sich, im Landsturm und in der Land— wehr Dienste zu leisten, doch haben die Litthauischen, nach dem Berichte der Behörde, eine Zeitlang an den Uebungen des Landsturmes Theil genommen. Durch die Kabinets-Ordres Sr. Majestät vom 13. April und 25. August 1815 wurden sie, damit kein Gewißenzwang stattfinde, von der persönlichen Theilnahme befreit, und die Ost- und Westpreußischen Gemeinen bezahlten ein Geld-Aequivalent von 60, ooo Rthlr. zur Bil— dung der Landwehr. ,

Das Edikt vom 3. Sept. 1814, welches jede bis— herige Exemtion durch die allgemeine Bestimmung, daß jeder Ingeborne das Vaterland zu vertheidigen verpflichtet sey aufhob, erwähnt der Mennoniten und ihrer bisherigen Befreiung nicht. Aber durch die spä— tere Kabinets-Ordre vom 5. Junius 1815 haben Seine Mafestät festgesetzt, daß sie keinem Gewißenszwange un— terworfen und auch in der Folge vom Kriegsdienste frei seyn, dagegen durch eine angemeßenere Geld-Ab— gabe sich ausgleichen sollen. Es scheint auch, als ob eine andre Modifikation sich nicht könne aufstel— len laßen, ohne in einen Glauben- und Gewißen— zwang auszuarten, der auf die Regierung einen so ge— häßigeren Schatten werfen würde, ais er von jeher ihrem Karakter völlig fremd gewesen ist. Jeder Fanatis— mus ist verderblich, der religiöse nicht allein. Aller— dings darf man erwarten, daß ein streng gehandhabter Befehl, entweder die waffenfähigen Mennoniten ohne weiteres für den Kriegsdienst auszuheben, oder ihnen die Wahl zwischen dem Militairdienste und der Aus—

wanderung zu laßen, Einige vermögen werde, statt des

väterlichen Erbes den väterlicken Glauben zu verläug— nen: aber es dünkt uns, daß die ehrwürdige Scheu vor der unverletzbaren Freiheit der Gewißen j den even— gelischen Christen mit einem Schauder dor anmittel— barer Gewalt, wie vor den energischen Mitteln der Inquisition, so vor den gelinderen Les Militairzwanges, durchdringen müße. Uebrigeas würte die Ausbeute sehr gering seyn, den Vertust von Tausenden guter Bürger mit dem Gewinne einiger Dugend schle ch ter Soldaten zu erkaufen. Niemand wird es verkennen, daß die etwanige Maasregel unsrer Regierung: die Mennoniten ihres Glaubens halber Landes zu verwei— sen, mit der Maasregel Luowigs XIV gegen die Protestanten sich nicht vergleichen laße; aber wir be—

sorgen sehr, daß es dennoch ein unauslöschlicher Fler

in der Geschichte unseres Vaterlandes bleiben würde, bei dem undeseutend persöglichen Beitrag«, den die mennonitischen Gemeinen dem Militairgesetze doch nut darbringen könnten, auch da keine Ausnahme gestattet

zu haben, wo die Rücksicht auf einen religiösen Irc.

thum um so mehr es wenigstens entschuldiget hatte, als die Glaubenslehre, die den Mennoniten den Kriegs— dienst untersagt, ihre Friedenstugenden, ihren Gehor— sam gegen das Gesetz, ihre Liebe zur bürgerlig en Oro— nung und die Einfalt der Sitten vorzüglich besördert ).

Man bemerkt vielleicht nicht ohne Grund, daß es

insonderheit den Nachbarn der Mennoniten ein bitteres Gefühl erwecke, durch ihren Militairdienst in Fciedens-⸗

und Kriegs Zeiten diese waffenlosen Nachbarn über-

tragen zu müßen; aber die schonenden Rücksichten der Regierung werden gewiß auch bei ihnen Ein— gang gewinnen, sebald ste solche nur kennen, und nicht durch einen leidenshaftlichen falschen Eifer oder durch andre von Irrthum oder Scheelsucht in Be— wegung gesetzte Triebfedern in einem Haße destärkt werden, den sie sonst nicht kannten. Ist in den an— dern Staaten, deren Konscriptions-System die Stell— vertretung gestattet, jemals eine Feinoschaft der är— meren Klaßen gegen die reicheren, deren Sohne sich den persönlichen Kriegsdienst durch Stellvertreter abkagfen, entstanden? Wir wißen zwar, daß die bürgerlichen Tugenden der Mennoniten hin und wieder in Schat— ten gestellt werden, aber man hat hierüber niemals Thatsachen, sondern nur Meinungen angeregt. Vas Schlimmste, was von den West und Ost-Preußischen Mennoniten gesagt werden kann, ist in einem Aufsatze: Ueber das Toleranz-Systemin Ansehung der Mennonisten⸗-Sekte in Preußen (orittes Sup— plementstück zum Jahrgange 1801 der Blätter für Po— lizei und Kultur) enthalten. Dieselben Vorwärfe wer— den noch jetzt aus denselben Quellen geschöpft. (Der Beschluß folgt.)

Die Bremer Zeitung (wahrscheinlich auch an— dere, welche die Staats-Zeitung nicht lesen) führt aus der Bairischen Landtags-Zeitung an, daß die Abgaben in Baiern nicht 27 Rthlr., sondern 3! Rthlr. auf den Kopf betragen. Diesen Druckfehler hatte die Staats-Zeitung schon im 2osten Stäcke berichtigt.

) Wie zerstoͤrend es wirke, wenn der religioͤse Glaube gleichgültig behandelt wird, zeigt gerade das Beispiel der Taufgesinnten in Nordamerika. Seit sie das Dogma: keine Waffen zu fuhren, nicht weiter achten, hat auch ihr fruͤheres exemplarisches Leben eine Aenderung erlit— ten. So heißt es in dem seit 1812 zu Philadelphia er— scheinenden evangelischen Magazine „es sieht unter kei— ner Parthei trauriger aus, als unter den Wiedertaäufern. Ihre Jugend ist ausgelaßen und kehrt sich nicht mehr an die liebenswuͤrdige Sitten-Einfalt ihrer Vaͤter. Sie waͤchst ohne Religions- Unterricht auf, lebt haufig ohne Gnadenmittel und wird lasterhaft.“

Allgemeine

reußische Staats-Zeitung.

zt Stück. Berlin, den 17ten April 1819.

J. Amtliche Nachrichten.

Kronik des Tages.

Der Königliche Hof legt Sonnabend den 17ten d. die Trauer für Se. Masestät den König Karl 1V. von Spanien auf 3 Wochen an.

Berlin, den 16. April 1819.

von Buch, Schloßhauptmann.

Die Damen erscheinen die ersten acht Tage mit schwarzen Kopfzeugen, Handschuhen und Eventaillen; bie beiden letzten Wochen mit weißen Kopfzeugen, Handschuhen und Eventeillen.

Die Herrn, die ersten acht Tage mit angelaufenen

II.

Ausland.

London, vom J. April. Der General Go ur⸗ gaud, vormals Bonapartes Adjudant, und be⸗ kannt durch seine Geschichte des Feldzuges von 1815, hat dem Unterhause eine Bittschrift einreichen laßen, nach England kommen zu dürfen, und diejenigen ge— richtlich zu belangen, welche durch seinen Verhaft, durch feine Hinwegschaffung aus dem Reiche und durch Wegnahme seiner Papiere die Landesgesetze verletzt haben. Ungeachtet der Gegenbemühungen der Mi⸗ nisterial-Parthei ward verordnet, daß die Bittschrift auf die Tafel gelegt und gedruckt werden solle.

Der Antrag: daß der Bank untersagt werden möge, ihre in den Jahren 1616 und 1817 ausgegebe— nen Noten in Golde einzulösen, auch kleine Summen unter 5 Pfund baar zu bezahlen, (ein Antrag, über deßen Nothwendigkeit zur Beförderung der baldigsten Wiederherstellung einer allgemeinen Baarzahlung die Ausschüße zur Untersuchung der Bank— Angelegenheiten sibereingekommen) ward bewilligt. Auch im Ober⸗ hause ist dieser Antrag genehmigt.

Lord Castlereagh bemerkte bei der zweiten Vor⸗ lesung der Bill über die Entschädigungen wegen der Ansprüche an Frankreich, daß die Zahl der Rekla⸗ manten in 1046 Personen bestehe, und daß auf die etwa 8 Millionen betragenden Foderungen J aner— kannt sey nnd jetzt bezahlt werde.

Die Ausfuhr an Produkten und Manufaktur— waaren aus Grosbritannien betrug im Jahre 1817 az, 526, 253 Pfund, die Einfuhr S5, 965,231 Pfund; die Ausfuhr im Jahr 1818 war As, gos, j6o Pfund, die Einfuhr 40,157,636 Pfund. Das öffentliche Einkommen hat, nach dem Kourier, in den s ersten Monaten diefes Jahres 10,482, 000 Pfund betragen. .

Der Marquis v. Landsdown wird über die et— wanigen Verhandlungen zwischen England und Nord—⸗ amerika, wegen Abtretung der Florida's, eine Bill in das Oberhaus bringen.

Degen und Schnallen, und bie letzten Wochen mit weißen Degen und Schnallen.

Berlin, vom 17. April. Se. Majestät der König haben dem Kaiserlich Rußischen wirklichen Staatsrathe, Doktor Rühl, den rothen Adler-Orden der zweiten Klaße zu verleihen geruhet.

Se. Majestät der König haben dem Divisions—⸗ General-Chirurgus Schwindt zu Breslau den ro— then Adler-Orden dritter Klaße zu verleihen geruhet.

Se. Majestät der König haben dem Bedien⸗ ten Ruppelt, zu Baumgarten, das allgemeine Ehren⸗ zeichen zweiter Klaße zu verleihen geruhet.

Zeitungs-⸗Nachrichten.

In einer jetzt erschienenen Schrift: Entdeckung des Verfaßers von Junius Briefen, wird behauptet, daß Boyd und nicht der kürzlich verstorbene Sir Francis diese Briefe geschrieben habe.

Nach Briefen aus St. Helena vom 2g. Januae hat Bonaparte einen leichten Anfall von Schlag— fluß gehabt, deßen weiteren Folgen durch die Mittel, die von dem an Herrn O. Meara's Stelle getrete⸗ nen Arzt Stokoe sogleich angewandt wurden, vor⸗ gebeugt worden ist. Herr Stokoe hat indeß bald darauf die Insel verlaßen müßen und kehrt nach England zurück, weil er sich die Unzufriedenheit des. Gouverneurs zugezogen.

Die Nachrichten aus Ceylon lauten wieder un—

ünstig.

z Nach Briefen aus Kadir werden daselbst die Rü—⸗ stungen gegen die Insurgenten mit großem Nach⸗ drucke betrieben, und man hofft im May, spätestens im Junius, auslaufen zu können. Die Seemacht be⸗ steht aus à Linienschiffen, 6 Fregatten, 12 Briggs und Schoonern und 26 Kanonenböten, die alle schon im Hafen bereit liegen. Außer den 15,00 Mann, welche gegen Buenos-Ayres bestimmt sind, sollen auch zooo nach Lima gehen. Zur Bestreitung der Kosten hat der Hof unter andern eine päbstliche Bulle aus⸗ gewirkt, wodurch die Regierung ermächtigt wird, ein Zehntheil der Einkünfte der geistlichen Beneficien für jenen Zweck zu verwenden.

Paris, vom J. April. Unter den einzelnen Ge⸗ suchen, über welche der Kammer der Deputirten in der Sitzung vom 5. d. ein Vortrag gehalten wurde, erregte der Antrag der Viehhändler: die Kaße von Polßy auf uheben, einige Diskußion. Auf dem Vieh—= markte zu Poißy, J Lienes von Paris, werden 3 Pro— cent von dem Kaufspreise jedes Stückes Vieh, das da⸗— selbst verkauft wird, zum Besten der Kommunal ⸗-Kaße der Stadt Paris erhoben. Im Jahr 1791 ward diese Abgabe abgeschafft, aber im J. 1811 wieder hergestellt.