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Doch se entfernter dereinst den Tagen des großen Kö— niges fein künftiger Geschichtschreiber stehen wird, desto dringender müßen wir wünschen, daß die Matexialien zu einem vollständigen und treuen Gemälde seiner Regie⸗ rung mehr und mehr und je früher je lieber gesam⸗ melt und bekannt gemacht werden. Eine gründliche Geschichte seiner Civilverwaltung würde so willkom⸗ men seyn, als sie praktisch lehrreich, die Vorzüge wie die Mängel seines Systems entwickeln, die wohlthä— tigen wie die nachtheiligen Wirkungen desselben leben: dig vor die Augen führen, und was zu vermeiden, was nachzuahmen, was heilsam abzuändern, was vor— sichtig wieder herzustellen, uns anschaulich machen würde.
Wenn sich unter uns ereignet hat und noch heut ereignet, daß Theorie und Praxts, beide gleich über— müthig, beide gleich feindselig gegen einander auftre⸗ ten: so ist es immer nur die Beschränkung, die sich in ihnen offenbart, eine falsche, in ihrem Urtheile be— fangene Theorie, eine dürftige, in ihrem Walten un— verständige Praxis. Aber in der Verwaltüng können sie Unheil stiften, wenn die Ansichten der Staatsmän— ner von Ansehn und Einfluß nicht durch ein ernstes Studium der Wißenschaft in der Schule der Erfah— rung aller Völker und Zeiten gereiniget worden. Wie sehr würde diese Wißenschaft durch die Verwallungs— geschichte Friedrichs des Großen sich bereichern, wäre sie das Werk der geübten Hand eines Meisters, begleitet von den Discorsi eines Machiavell! Wie viel der Lehre, des Rathes, des Beispieles, hier warnend, dort ermunternd, würden aus ihr auch die Pfleger des Staates schoͤpfen!
Wir haben diesen Wunsch der Anzeige einer Schrift vorangehen laßen, die sich in dem vorlfegenden erften Theile mit der Geschichte unseres Staates vom Hu— bertsburger Frieden bis zum Tode Friedrich Wil— helms 1I. beschäftigt, ohne irgend erwas von dem geleistet zu haben, was wir in der Geschichte dieses Zeitraumes vermißen. Man kenn sie nur einen Ver— sfuch nennen, die Geschichte des Preußischen Staates in jenem Zeitraume nach Anleitung der bisher darü— ber gedruckten Schriften und Urkunden in einer wür— digen Sprache geschickt zusammenzustellen. Dieses erreicht zu haben, läßt sich dem Verfaßer auch nicht bestreiten.
Da wir nicht die Absicht haben, eine Recension des Werkes zu schreiben, so begnügen wir uns an ei— nigen Bemerkungen, wie sie sich een darbieten. S. 11. meint der Verfaßer bei Erwähnung der Regie „es fehle noch ar einer glaubwürdigen Ge⸗ schichte dieser weitgreifenden Auflage, deren Ertrag auch nicht wahehaft ausgemittelt worden.“ Die Regie war nur eine andere Gestaltung der Accise-Admini— stration, durch welche allerdings zum Theil auch eine neue Bestener-Methode eingeführt wurde. Denn durch das Patent vom 14. April 1766 ward in die Stelle der abgeschaften Accise von Getraide, Mehl, Malz und Branntweinschrot (mit Ausschluß des Vi— fftations- oder Umschüttegeldes von dem in die Städte eingehenden Getraide und Mehle zu 4 Pf. vom Sch ef⸗ fel) eine Abgebe auf das Fleisch (Schweinfleisch aus— genommen) Bier und Brantwein gelegt. Die Accise auf den Wein ward erhöhet, und die Weinhändler und Brantweinbrenner noch einer besonderen Hand— lungs-Accise unterworfen. Weitgreifend konnte man die neue Abgabe, selbst mit manchen anderen Erhöhun⸗ gen die der spätere Tarif von 1769 einführte, nicht nennen; die Ueberschüße betrugen in den ersten 5 Jah— ren der Regie gegen die früheren Erhebungen jährlich
382,350 Rthlr. Aber sie war drückend durch die Er—
hebesorm und durch die Beschränkungen des Ge— werbes. Der Ertrag der Accis- und Zelleinkünfte während der 21jährigen Dauer der Französischen Ne— gie ist übrigens ganz genau ausgemittelt, Es ist ge— wiß, daß die ganze Unternehmung den König getäuscht hatte; auch verhelte er selbst es sich nicht, denn in
einer Kabinetsordre vom 1. December 17366 an den Staatsminister von Werder, worin er seinen Zorn ausschüttet, sagt er unter andern: „wobei Ich euch noch sage, daß ich überhaupt darauf denken und su—
chen werde, mir nach und nach alle Fran zosen vom
Halse zu schaffen und sie los zu werden.“ —
Die erste Theilung Polens hat der Verfaßer auf die gewöhnliche Art degriffen und erzählt, Johannes von Müllder ist sein Führer, aber Thiebagult (Emes souvenirs de 230 ans de sé jour à Bersin) ihm eine Quelle! Allerdings kann man, um die Thaten det Politik zu rechtfertigen, die Fügungen der Weltord— jung nicht einmischen, welche das unvermeidliche Schick sal Polens herveiführten, welche die späteren Bestre⸗ bungen vereitelten und vereiteln mußten: aber so lange, bis das, letzte Schwert in die Scheide gesteckt seyn wird, können die Verhältniße eines Volkes gegen das andre nicht nach dem Handbuche eines Profeßors der Moral beurtheilt werden; und auch im bürgerlichen Rechte giebt es einen Stand der Nothwehr. Wa— der Verfaßer von der Maasregel des Königs erzählt, 12,000 Polnische Famitien ihrem Vaterlande ent fühn zu haben, hat er zwar Müldtern nachgeschrieben, der im 235sten Buche seiner allgemeinen Geschichte der Menschheit, im Ernste versichert: der König habe (in Jahre 1755) diese Polnischen Familien als Kolonisten nach der Mark und Pommern schaffen laßen. Es iss aber ein Mährchen. Daß einige dissidentische teutsch: Familien, die bekanntlich von den sogenannten Kon— föderirten mit ungememer Härte behandelt wurden, freiwillig in die Preußischen Staaten gezogen sind, is möglich und ihnen gewiß zur Wohlthat geworden; aber wer könnte sich doch bei nur einiger Kenntniß des Kö— niges und der Verhättniße einreden laßen, daß 12,090 Polnische Bauer-Familien, deren Trägheit, Unwißenheit und Sprache ihm gehäßig war, in die Mark und Pommern verpflanzt habe, um seine teut— schen Unterrhanen zu veredeln! Wo sind die Sptrren dieser Kolonie?
S. 115. ist es eine ganz irrige Vorstellung, daß
der Bauerstand nicht habe zu Kräften kommen kön— nen, weil ihm in den Sommermonaten die Verpfle— gung der Reiterei obgelegen. .S. 115. die Einschiebung ausgedienter Soldaten, hoher und niederer, in bürgerliche Aemter und Stel— len ist (die Ansetzung der Invaliden in Subalternen— posten, zu deren Verwaltung sie geeignet waren, aus— genommen) nur in seltnen Fällen geschehn.
.S. 119. wird gesagt: der König habe die Achtum für das Höchste gänzlich in sich vertilgt. Welchen Sinn hat dieses, als nur bei Fanatikern und Phar säern! Wenn Klopstock sagt, „daß dem Siegte bei Sorr Julianus zum Muster zu klein sey“ sagt dieses ganz etwas anderes, als daß er die A⸗ tung für das Höchste verloren.
Ueberhaupt sind die Urtheile des Verfaßers dur Voraussetzung grundloser Thatsachen, wozu ihn unst— verläßige Quellen verführt haben, oft sehr verfälscht. Besonders gilt dieses auch von der Regierungsge— schichte Friedrich Wilhelms II., worüber en Mehres zu sagen wir uns vorbehalten.
S. 145. wird der Verfaßer der Schrift: „Was it
für und wider die Tabacks-Administration“ mit det
Grafen v. Borke, dem vormaligen Gouverneur b Königs, verwechselt und hiernach ein sehr irriges ll theil gefällt. ;
Für den zweiten Theil müßen wir dem Berfaße besonders auf die vorsichtige Benutzung seiner Quelle aufmerksam machen. Die von ihm schon in diesm Theile angeführten Maßenbachschen Memoiren sinß nur brauchbar, insofern sie Urkunden enthalten. Fan alle Schriften, die während der Unfälle des Zeitran mes 1806 bis 1812 erschienen, sind gefärbt, die Ther sachen entstellt, einseitig die Urtheile.
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