1819 / 78 p. 1 (Allgemeine Preußische Staats-Zeitung, Tue, 28 Sep 1819 18:00:01 GMT) scan diff

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Schriftsteller im Sinne der Regierung chreiben muß, wenn er nämlich die Absicht nicht at, die bestehende Verfaßung zu stürzen. In Nord⸗

Amerika schreibt einer im Sinne der Regierung, wenn er von der Preßfreiheit den unbeschränktesten Gebrauch macht. In Frankreich schreibt einer im Sinne der Regierung, wenn er sich nach den Paragraphen des letzten Preßgesetzes richtet, wenn er übrigens auch zur Opposition gehört. Denn die Regierungsart dieses Landes ist auch darauf eingerichtet, daß die Bürger durch ihre Deputirten Antheil an der öffentlichen Ge— setzzebung nehmen, und sie können dieses nur auf eine unvollkommene Weise, wenn sie über die öffent⸗ lichen Gegenstände, die doch immer mehre Seiten haben, nicht gehörig unterrichtet sind. Die beste Art aber die Bürger zu unterrichten, ist wenn die Zei⸗ tungen, so entgegengesetzte Farben tragen, über densel⸗ ben Gegenstand reden, und jede ihn nach ihrer Weise darstellt, so wie ihre Farbe es mit sich bringt. Da die verschiedenen Farben einander nicht sehr gewogen sind, so ist man immer sicher, daß wenn die eine einen Rechenfehler begangen, oder eine unrichtige That⸗ sache angeführt, die andere solches auffindet. Die Re⸗ gierung hat hiebei sehr wenig Kosten, und der öffenn liche Unterricht geschieht durch das enseigne ment mu— tuel der Zeitungen, die auf dieses enseignement wie⸗ der ihre Brodwinnung gegründet haben.

Im Preußischen schreibt Jemand im Sinne der Re⸗ gierung, wenn er so schreibt wie die Staats-Zeitung, nämlich in einem besonnenen Tone und mit Sach⸗ kenntnis, auch wenn er gegen die Staats-sZeitung schreibt. Denn da es einmal auf wechselseitige Beleh⸗ rung abgesehen, und diese oft am meisten statt findet, wenn entgegengesetzte Meinungen sich gegen einander ausgleichen: so ist es möglich, daß Jemand, der eine entgegengesetzte Meinung mit Sachkenntnis und mit Befonnenheit vorträgt, ungleich mehr im Sinne der Regierun schreibt, als der Andere, so nichts thut als loben und psalmodiren.

Der Hermann hat aber auf diese Weise nicht im Sinne dor Regierung geschrieben, und indeß er in Prasa und Verfen die besten Versicherungen von sei⸗ ner Anhänglichkeit an die Regierung gab, so war in den Aufsätzen, so er abdrucken ließ, hievon gar nichts zu finden.

Was nun die Verständigeren bei uns betrifft, so sind diese nie mit ihm einverstanden gewesen. Diese nahmen die Sache ernsthaft und sagten, das alte Sprüchwort laute: man müße nie dem lieben Gotte nach den Augen stacheln, und wenn man einmal eine Regierung habe, die sichtlich liberal und wohlmeinend gefinnt sey, so müße man darüber nicht immer murmuͤriren. Denn sonst könne der liebe Gott einem auch wieder eine solche geben, wie die des klei⸗ nen Taugenichts auf St. Helena war, der im Jahre 1819 von jedem Maaße Brantwein 17 Stüber als Steuer nahm, statt daß die neue Branntweinsteuer von 1819 nur C6 Stüber auf das Maas beträgt.

Der Steuerlärm, den der Hermann fast in jeder Nummer ohne Sachkenntnis aufstellte, gefiel aller⸗ dings den Malkontenten. Allein die Anderen waren der Meinung, daß, wenn man nichts von einer Sache verstände, so berechtige einen dieses noch nicht darüber zu schreiben. Jean Paul erzähle zwar von sich, daß man ihn zum Berghaupt⸗ manne gemacht, weil er nichts vom Bergwesen verstan⸗ den, und später aus denselben Gründen zum Lega⸗ tionsrathe: allein so etwas sey in einem Romane

schrieben, das sey bekannt.

spaßhaft genug, aber in der Wirklichkeit nicht wohl anwendbar. Was die Liberalität der Regierung betrafe, so bürde sich diese leicht nachweisen laßen, da in den

drei westlichen Provinzen für Bücher gar keine Cen⸗

sur vorhanden sey, und für Zeitschriften, wie z. B.

Preußische Staats-Zettung.

den Westph. Anzeiger, eine so wenig ängstliche, daß es fast gar keine Cenfur zu nennen sey, indem dem Cen— sor oft in vier Wochen kein Blatt vorgelegt werde, und blos bei schwierigen Artikeln der Herausgeber die Meinung des Censors einhole, ob man sie aufnehmen wolle oder nicht. Wie frei aber diese Zeitschriften Sie schrieben freilich im Sinne der Regierung, nämlich um durch ver stäne dige Rede und Gegenrede die öffentliche Meinung zu belehren; auch laufe durch alles ein röͤther Faden und man könne sehen, daß der Heraus⸗ geber eine bestimmte Gesinnung habe. Allein es sey döch sehr dankwerth, wenn man eine Regierung habe, die, sich ihrer guten Absicht bewutzt, der freien aber anständigen Rede über den Staatshaushalt gar kein Hindernis in den Weg lege.

Was endlich die gewohnlichen Zeitungen dettäfe, so ständen diese freilich unter Censur. Allein dieses sey auch wol nothwendig, da sie von unbekannten und unbedeutenden Personen init Hilfe von Scheere ünd des Bleistiftes in einer Weise redigirt würden, welche der Regierung alle Sicherheit entziehe, daß diese Leute,

wenn man sie ohne Censur schreiben laße, nicht bald

auf die Entdeckung gertethen, man könne aus Schim— pfen und Skandalgeben einen Industrie-NArtikel ma⸗ chen, worauf aber die Staatsverfaßung nicht eingerich⸗ tet sey. Daß die Censur nun oft zu ängstlich sey,

und manchen Artikel streiche, den sie wohl könne ste⸗

hen laßen, dieses sey etwas, was von keiner Eensut zu trennen sey. . Dieses find so ohngefähr die Meinungen der Verständigen. Und da die Unverständigen immer am Ende dassenige thun müßen, was die Verständigen ha⸗ ben wollen, nicht eben aus gutem Willen, sondern aus

innerer Unbehülflichkeit, und eben, weil sie nicht gründ⸗ lich über die Dinge nachgedacht, nun nicht im Stande

sind, eine entgegengesetzte Meinung aufzustellen, die

irgend haltbar wäre: so glaube ich, daß die Regietung in den drei westlichen Provinzen ungemein feststeht,

eben weil sie hat. Zwar kann in diesen Provinzen noch nicht die große Anhänglichkeit an das regierende Haus seyn, die in den östlichen zu finden, eben weil noch Alles zu neu ist und weil noch nicht mehre Geschlechter mit ein⸗ ander auf- und untergegangen sind, und fröhliche und traurige Tage mit einander verlebt haben. Allein die Verständigeren haben in Preußen dasjenige erkannt, was zu ihrem Frieden dient. Ein altes Fürstenge⸗ schlecht, groß gezogen durch weise Staatsmaximen, so Jahrhunderte lang mit eiserner Beharrlichkeit festge⸗ halten worden; eine große Sparsamkeit im fürstlichen Haushalte, genährt und gefördert durch einfache Sit⸗ tenz eine große Freiheit des Denkens, eine einfache Kriegseinrichtung, die die ganze Nation auf gleiche Weise zur Waffenehre ruft; ein neues Steuersystem, das einfach in seinen Anlagen alle Provinzen und alle

die Verständigen gewonnen

Ordnungen der Staatsbürger auf gleiche Weise um⸗

faßt, dabei das Streben, richtige Kenntnis über den

Staatshaushalt zu verbreiten, und überall einen zahl⸗ reichen Stand freier und unabhangiger Ackerbauern hervorzurufen: eine solche Regierung kann keine des⸗

potischen Strebungen haben, da sie alles das thut, wor⸗ aus der Saame der bürgerlichen Freiheit, zwar lang⸗ sam, aber um so sicherer sich entwickelt.

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Al gemeine

78M Stück. Berlin, den 28sten September 1819.

1. Amtliche Nachrichten.

Kronik des Tages. Berlin, vem 28. September. Se. Majestät

Kaiserlich Rußischen Oberst⸗ Lieutenants Bojan o⸗ wicz, Hanke und Koß, den rothen Abler⸗Orden

der König haben Lem Grafen von Wodzicki, den M dritter Klaße zu verleihen geruhet.

II. Zeitung s-Nachrichten.

guslan d. Paris, vom 20. September. Alle unsre Zeitun⸗ gen sind mehr oder weniger mit den vorgefallenen Wahlen und bei diesem Anlaße mit der wechselseitigen Berichtigung ihrer politischen Ansichten beschäftiget. Die ministerielle Parthei hat mit den Ultra⸗ Liberalen und den Ultra-Royalisten gleichzeitig einen harten Kampf zu bestehen. Daß die Kandidaten der letzten, soviel man sieht, fast nirgend gewählt worden, könnte sie befremden, wenn sie nicht eine Beruhigung darin fänden, daß aus diesem, ihrer Parthei so ungünstigen Erfolge die Untauglichkeit des Wahlgesetzes hervorgehe. Der Triumph der Liberalen durch die Wahl Gre⸗ goires setzt die ministerielle und die Ultra⸗Parthei in gleich heftige Bewegung; die erste erklärt diese Wahl geradehin für das Werk der letzten, weil ihre Tagschrift⸗ steller beharrlich gerufen, daß man lieber jakobinische, als ministerielle Kandidaten wählen möge. In dieser Bezie— hung sagt das Journal de Faris „die Herren von der Quo- tidienne, den Débats und dem Conservateur haben geerntet, was sie gesäet. Sie müßen eine große Freude darüber haben.“ Das Jotrnal des dèbars erzürnt sich deshalb am heftigstörn. „Wer ist der nichtswürdige Mensch, der solche Lügen behaupten kann? Wir sol— len die Ernennung Gregoires veranlaßt haben! Haben wir, den strengen Lehren der Erfahrung auf⸗ sätzig, haben wir das Wahlgesetz aufrecht erhalten, das nach der Geburt der Fayette, der Manuel rc. nun auch von einem Gregoire entbunden wird? ein Gesetz, das zwar die Königsmörder, welche die Zeit schon verschlungen, aus dem Grabe nicht zurückrufen kann, aber seine ganze Gunst an die würdigen Söhne dieser Elenden verschwendet? Nein, tausendmal nein, nicht das Journal des débats hat diesen Hrn. Gregoire gesäet; er ist die ganz natürliche Frucht des unseligen Wahl⸗ gesetzes, die Frucht des antimonarchischen Verwaltungs⸗ Systems, das seit der Verfügung vom 5. September,

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und insbesondre seit 8 Monaten alles gethan hat, um den royalistischen Geist zu un terdrücken, und den Geist der Empörung und des Widerstandes gegen die rech t⸗ mäßige Dynastie zu ermuthigen; er ist die Frucht der demokratischen Maasregeln und Einrichtungen, der Gleichgiltigkeit gegen die katholische Religion, der will kürlichen Absetzungen, der Gunst, die an die abge⸗ sagtesten Feinde der Bourbons unmäßig verschwen⸗ det wird; vor allem die Frucht dieser Frechheit, mit der Ihr, ein positives Gesetz verachtend, die verbannten Königsmörder zurückzurufen Euch unterfangen, nachdem Ihr ihnen Tages zuvor die Rückkehr auf im mer ver⸗ sagt hattet. Das hat den Herrn Gregoire in die Reihen unsrer Gesetzgeber geführt; das wird ihnen im nächsten Jahre die Siey es, die Carnot und die Bar⸗ rere gesellen.“, Ja,“ antwortet das ministerielle Blatt, „ja, Ihr allein habt Alles verschuldet; Eure Herausfode⸗ rungen, Euer Uebermuth, Eure im Finstern gebrüteten An⸗ schläge, die Ihr doch selbst vernichtet, Euer unüberwindli⸗ cher Abscheu gegen alles Populaire; Eure blutdürstigen Li⸗ belle, Euer Aufruf der Fremden, Eure Verfaßungs⸗Ent⸗ würfe aus dem 12ten Jahrhundert, diese haben bewirkt, worüber Ihr einen lauteren Jammer erregt, als die red⸗ lichen Bürger, die es aufrichtiger bedauern als Ihr. Ihr habt das Volk gelehrt, wie man alle Sitte ver⸗ geßen, sich über jeden Anstand erheben könne. Ihr fodert Achtung, und Ihr gebt das Beispiel des Cynis⸗ mus. Ihr predigt ohne Unterlaß das Bedürfnis einer Hierarchie, und Ihr schüttet mit vollen Händen Eure Schmähungen über die Verweser des Königlichen An⸗ sehens. Besudeln nicht in diesem Augenblicke noch schamlose Spottreden Eure Blätter? Doch von Euren Verläumdungen, die sich selbst widerlegen, ist wenig zu besorgen. Aber Ihr habt das Volk in Bewegung gesetzt; es fürchtet die Wiederkehr Eurer Gewalttha⸗ ten. Schwache Seelen! man sollte Euch für stark halten, das wolltet Ihr; das war der Wink für Eure