1819 / 80 p. 3 (Allgemeine Preußische Staats-Zeitung, Tue, 05 Oct 1819 18:00:01 GMT) scan diff

land seinen von Alters her berühmten Lehr⸗Institu⸗ ten einen Theil des Ansehens und des damit verknüpf⸗ ten Ranges im Europäischen Gemeinwesen verdankt, den es bis hierher glücklich behauplet hat, und an deßen unverkürzter Erhaltung Se. Majestät jederzeit den wärmsten und thätigsten Antheil nehmen werden. Daß der wirkliche Zustand der teutschen Universi⸗ täten, mit einigen allgemein anerkannten ehrenvollen Ausnahmen, ihrem in beßeren Zeiten erworbenen Ruhme von vielen Seiten nicht mehr entspricht, kann wol schwerlich lin Zweifel gezogen werden. Schon seit geraumer Zeit haben einsich tvolle und wohldenkende Männer bemerkt und beklagt, daß diese Institute ihrem ursprünglichen Karakter, und den von ihren glorreichen Stiftern und Beförderern beabsichteten Zwecken in mehr als einer Hinsicht, fremd geworden seyen. Von dem Strome einer alles erschütternden Zeit mit fortgeris— sen, hat ein großer Theil der akademischen Lehrer die wahre Bestimmung der Universitäten verkannt, und ihr eine willkührliche, oft verderbliche, unrergeschoben. Anstatt, wie es ihre erste Pflicht gebo, die ihnen an— vertrauten Jünglinge für den Staatsdbienst, zu wel— chem sie berufen waren, zu erziehen, und die Gesin, nung in ihnen zu erwecken, von welcher das Vater⸗ land, dem sie angehörten, sich gedeihliche Früchte ver— sprechen konnte, haben fie das Phantom einer soge— nannten weltbürgerlichen Bildung verfolgt, die für Wahrheit und Irrthum gleich empfänglichen Gemü—⸗ ther mit leeren Träumen angefüllt, und ihnen, gegen die bestehende gesetzliche Ordnung, wo nicht Bitter— keit, doch Geringschätzung und Widerwillen eingefloͤßt. Aus einem so verkehrten Gange, hat sich nach und nach, zu gleich großem Nachtheile für das Gemein⸗-Beste und für die heranreifende Generation, in dieser der Dünkel höherer Weisheit, Verachtung aller posisiven Lehre, und der Anspruch, die gesellschaftliche Ordnung nach eigenen unversuchten Systemen umzuschaffen, er— zeugt, und eine beträchtliche Anzahl der zum Lernen besüimmten Jünglinge hat sich eigenmächtig in Lehrer und Reformatoren verwandelt.

Diefe gefahrvolle Ausartung der Hohen-Schulen ist den teutschen Regit rungen bereits früher nicht entgan— gen; aber theils ihr löblicher Wunsch, die Freiheit des Unterrichtes, so lange sie nicht unmittelbar und zerstörend in die bürgerlichen Verhältniße eingriff, nicht zu hemmen, theils die durch zwanzigjährige Kriege herbeigeführten Störungen und Drangsale! ha— ben sie abgehalten, den Fortschritt des Uebels mit gründlichen Heilmitteln zu bekämpfen.

Seitdem aber in unseren Tagen, wo sich unter dem wohlthätigen Einfluße des wiederhergestell en äu— eren Friedens, und bei dem redlichen und ihatigen 3 so vieler teutschen Regenten, ihren Völ— kern eine glückliche Zukunft zu bereiten, mit Recht erwarten ließ, daß auch die Hohen-Saulen in jene Schranken zurückkehren würden, innerhalb deren sie vormals für das Vaterland und die Menschheit so rühmlich gewirkt hatten, gerade von dieser Seite her die bestimmtesten Feindseligkeiten gegen die Grundsätze und die Ordnung, auf welcher die gegenwärtigen Ver⸗ faßungen und der innere Friede Tentschlands beruht, ausgegangen; seitdem, sey es durch sträfliche Mit wir⸗ kung, sey es durch unverzeihliche Sorglesigkeit der Leh rer, die edelsten Kräfte und Triebe der Jugend zu Werkzeugen abentheuerlicher politischer Plane, und, wenn gleich ohnmächtiger, doch darum nicht minder fre velhafter Unternehmungen gemisbraucht worden sind; seitdem diese gefahrvollen Abwege sogar zu Thaten ge—⸗ führt haben, die den teutschen Namen beflecken, würde eine weiter getriebene Schonung in tadelnswürdige Schwäche ausarten, und Gleich giltigkeit gegen ferneren Misbrauch einer so verunstalteten akadennschen Frei⸗

heit die sämmtlichen teutschen Regierungen bei der Vor⸗ und Nachwelt verantwortlich machen.

So bessimmt lindeßen auch in dieser bedenklichen Lage der Sachen, die Aufrechthaltung der öffentlichen Ordnung jeder anderen Rückncht vorangehen muß: so wenig werden doch die Negierungen der Bunde stag— ten die große Frage „wie den inneren vielleicht sehr tief liegenden Gebrechen des Schul- und Umversitäts⸗ wesens überhaupt abzuhelfen, und besonders einer zu— nehmenden Ennfremdung der Hohen-Schulen von ih⸗ rer ursprünglichen und einzig wohl hätigen Hestimm ug vorzubeugen sey aus den Augen verlteren; und Se. Majestat halten dafür, daß die Bundesversammlung verpflichtet ist, sich mit dieser für die Wißenschaft und für das éffentliche Leben, für das Familienwohl und für die Festigkeit der Staaten gleichwichtigen Frage, anhaltend zu deschäftigen, und nicht eher davon abzu— laßen, als dis ihre Bemühungen zu einem gründlichen und befriedigenden Resultate geführt haben wer nen.

Zunachst aber muß dem unmittelbar drohenden Unheile begegnen, und durch wirksame Maasregeln da— für gesorgt werden, daß unbesonnene Schwärmer, oder erklaͤrte Feinde der bestehenden Ordnung in dem ge⸗— genwärtig zerrißenen Zustande mehrer teutschen Uni⸗ versitären, nit ferneren Sioff zur Au regung der Gemüther, oder verblendete Werkzeuge zur Beforde⸗ rung unsinniger Plane, oder Waffen gegen die persön⸗ liche Sicherheit der Staatsbürger auffuchen können.

Se. Kaiserl. Majestät nehmen demnach keinen Anstand, in Folge des über diese Angelegenhei en er— haltenen vorläufigen Gutachtens, die in dem beiliegen⸗ den Entwurfe vorgeschlagenen provisorisasen Maasregeln dieser Versammlung zur ungesäum en Berücksichtigung und weiteren Berathung zu empfehlen.

IV.

Mißbrauch der Preße. Die Druckpreße überhaupt, vesonders der Zweig derselben, weicher jetzt die Tagblätter, Zeit- und Fiug⸗ schriften ans Licht fördert, hat während der letzten Jahre in dem größeren Theile von Teutschland eine fast ungebundene Freiheit behruptet. Denn selbst da, wo die Regierungen sich das Recht, ihr durch präven— tive Maastegeln Schranken zu sitzen, vorbehalten hat⸗ ten, war die Kraft soscher Maastegeln durch die Ge⸗ walt der Umstände häufig gelähmt, uns folglich allen Ausschweifungen ein weites Feld geöffnet. Die durch den Misbrauch dieser Freiheit über Teutschland ver— breiteten zahllosen Uebel haben noch einen vedeuten— den Zuwachs erhalten, seitdem die in verschiedenen Staaten eingeführte Oeffentlich keit der ständischen Ver—

handlungen und die Ausdehnung derselben auf Gegen—

stände, die nie anders als in regelmäßiger feierlicher Form aus dem Heiligihume der Senate in die Welt dringen, nie eitler Neugier und leichtsinniger Kri— tik zum Spiel dienen sollten, der Verwegenheit der Schriftsteller neue Nahrung bereitet, und jedem Zei⸗ tungschreiber einen Vorwand gegeben hat, in Ange— legenheiten, welche den größten Staatsmännern noch Zweifel und Schwierigkeiten darboten, seine Stimme zu erheben. Wie weit diese verderblichen An maßun⸗ gen endlich gediehen, welche Zerrürtungin den Begrif— fen, welche Gährung in den Gemüthern, welche Her— abwürdigung aller Autorität, welcher Weitstreit der Leidenschaften, welche fanatischen Verirrangen, welche Verbrechen daraus hervorgegangen sind, dedaef keiner weiteren Erörterung; und es laßt sich bei dem gutge⸗ sinnten und wahrhaft aufgeklärten Theile der teutschen Nation über ein so notorisches Uebel kaum nech irgend eine Verschiedenheit der Ansichten und Urrheile vor⸗ aussetzen. (Fortsetzung in der Beilage)

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Beilage

zum gosten Stücke der Allgemeinen Preußischen Staats⸗Zeitung, vom 5ten Oktober 1819.

. Foörtsetzung von No, 1 . Bie Eigenthümlichkeit des Verhältnißes, in wel⸗ chem die Bundesstaaten gegen einander stehen, giebt von einer Seite den mit der Ungebundenheit der Preße verknüpften Gefahren eine Gestalt und eine Richtung, welche sie in Stäaten, wo die oberste Gewalt in ei⸗ nem und denifelben Mittelpunkte vereinigt ist, nie an= nehmen können, und schließt von der andern Seite die Anwendung der gesetzlichen Mittel, wodurch man in diesen Staaten dem Misbrauche der Preße Einhalt zu thun sucht aus. In einem Staatenbunde, wie der welcher in Teutschland unter der Sanktion aller Eu— roͤpäischen Mächte gestiftet worden ist, fehlen seiner Natur nach jene mächtigen Gegengewichte, die in ge⸗ schloßenen Monarchien die öffentliche Ordnung gegen die Ängriffe vermeßener oder übelgesinnter Schriftstel⸗ ler schützen. In einem solchen Bunde kann Friede, Ein⸗ tracht und Vertrauen nur durch die sorgfältigste Ab⸗

endung aller wech selseit igen Störungen und Ver— etzungen erhalten werden. .

Aus die fem obersten Gesichtpunkte;, der mit der Gesetzgebung anderer Länder nichts gemein hat, ist in Teutschland jede mit Preßfreiheit zusammenhangende Frage zu betrachten. Nur im Zustande der vollkiom⸗ menste‚n Ruhe könnte Teutschland, bei seiner derma⸗ ligen Föberativ⸗Verfaßung, uneingeschränkte Preßfrei: heit, in sofern sie sich mit dieser Verfaßung überhaupt vereinigen läßt, ertragen. Der gegenwärtige Zeitpunkt ist weniger als jeder andere dazu Zeeignet. Denn das so vielen Regierungen obliegende, Geschäft, die jebige und künftige Wohlfahrt ihrer Völker durch gute Ver⸗ faßungen zu gründen, kann unter einem wilden 3Zwie— spalte der Meinungen, kann unter einem täglich erneuer— ken, alle Grundsätze erfchütternden, alle Wahrheit in 3 ei⸗ fel und Wahn auflösenden Kampfe unmöglich gedeihen. Die bei diesen dringenden Umständen gegen den Mißbrauch der Preße zu ergreifenden einstweiligen Maasregeln, sollen keinesweges den Zweck haben, die Thätigkeit nützlicher und achtungwerther Schriftstel—⸗ ler zu hemmen, den natürlichen Fortschritten des menschlichen Geistes Feßeln anzulegen, oder Mirthei⸗ lungen und Belehrungen irgend einer Art, so lange sie nur innechalb der Graͤnzen bleiben die noch keine bisher vorhandene Gesetzgebung zu überschreiten er— laubt hat, zu verhindern. Daß die Oberaufsicht über die periodischen Schriften nicht in Unterdrücung aus— arten werde, dafür bürgt die Gesinnung, welche sammt⸗ liche teutsche Regierungen bei jeder Gelegenheit deut⸗ lich genug offenbart haben, und die den Vorwurf, daß sie Geistes- Tyrannei beabsichteten von keinem Freunde ber Wahrheit und der Ordnung zu befürchten haben. Die Nothwendigkeit einer solchen Oberaufsicht aber kann nicht länger in Zweifel gezogen werden, und da Se. Majestät über diesen wichtigen Gegenstand durch— aus übereinstimmende Ansichten bei allen Bundes re⸗ gierungen erwarten dürfen: so ist die Präsidial⸗Ge⸗ fandtschaft beauftragt, den Entwurf eines probisori= schen Beschlußes zu Verhütung des Misbrauches der Druckpteße, in Bezug auf Zeitungen, Zeit- und Flug⸗ schriften, der Bundesversammlung zur ungesäumten Prüfung und Berathung vorzulegen.

Ernennung einer Central-uüntersuchungs⸗

. Kommißion.

Nächst den in den vorhergehenden Abschnitten in Worschlag gebrachten Berathungen und Beschlüßen,

möchte noch, sowol zum Schutz der öffentlichen Ord⸗ nung, als zur Beruhigung aller Gutgesinnten in Teutsch⸗ land, eine Maasregel erfoderlich seyn, die Seine Kai⸗ serliche Majestät der Bundes versammlung zur unmit⸗ telbaren Berücksichtigung empfehlen.

Die in verschiedenen Bundesstaaten zu gleicher Zeit gemachten Entdeckungen haben auf die Spur einer ausgedehnten, in mehren Theilen Teutschlands thäti⸗ gen Verbindung geführt, die in mannichfaltigen Ver⸗ zweigungen, hier mehr dort weniger ausgebildet, zu destehen, und deren fortdauerndes Bestreben nicht blos auf möglich ste Verbreitung fanatiscoer, staate gefährli⸗ cher, unbedingt revolutionairer Lehren, sondern selb st auf Beförderung und Vorbereitung der frevelhaftesten Anschläge gerichtet scheint.

Wenn gleich der Umfang und Zusammenhang die⸗ ser sträflichen Umtriebe noch nicht vollständig ausge⸗ mittelt werden konnte, so ist doch die Masse der be⸗ reits gesammelten Thatsachen, Aktenstücke und Be⸗ weise fo bedeutend, daß die Wirklichkeit des Uebels sich nicht füglich mehr bezweifeln läßt. Immerhin mögen über die Größe der davon zu besorgenden Gefahr die Meinungen geiheilt seyn: es ist genug; daß so schwere Verirrungen in Teuischland um sich greifen konnten, daß eine beträch liche Menge von Individuen wirklich da on hingerißen dard, une daß, wenn sogar das Ganze nur als eine Krankheit des Geistes betrachtet werden dürfte, die Vernachiäßigung der dagegen zu ergreifen⸗ . Mittel die gefährlichsten Folgen nach sich ziehen önnte. Eine gründliche Untersuchung der Sache ist daher von unumgänglicher Nothwendigkeit. Sie muß, in einem ober dem andern Sinne, zu einem heilsamen Ausgange führen, indem sie die wahrhaft Schuldigen, wenn der auf ihnen lastende Verdacht sich hinreichend bestätiget, entwaffnen und zur Strafe ziehen, den Ver= führten, über den Abgrund vor welchem sie stehen, die Augen öffnen, und Teutschland in den Fall setzen wird, weder über wahre Gefahren getäuscht und in falsche Sicherheit gewiegt, noch durch übertriebene Besorg⸗ niße beunruhigt und irre geleitet werden zu können.

Soll diese Untersuchung aber ein gedeihliches Re— sultat liefern, so muß sie vom Bundestrage, als von einem gemeinschastlichen Mittelpunkte ausgehen, und nnter deßen unmittelbarer Aufsicht eingeleitet werden. Die bisher entoeckten Umtriebe und Plane sind eben so sehr gegen die Existenz des teutschen Bundes, als gegen die einzelnen teutschen Fürsten und Staaten gerichtet; mithin ist der Bundes tag unstreitig zugleich kompetent, und durch den 2. Artikel der Bundesakte ausdrücklich verpflichtet, Kenntnis davon zu nehmen. Ueberdies wird eine so konstituirte Central Behörde weit beßer als jede von einzelnen Regierungen zu ver— anstaltende geeignet seyn, die bereits vorhandenen und noch auszumittelnden Data zusammen zu stellen, sie in ihrem vollen Zusammenhange mit Gerechtigkeit und Unbefangenheit zu prüfen, und zu einer umfaßenden Uebersicht des ganzen Thatbestandes zu verhelfen.

Endlich wird, durch die am Schluße der Untersu⸗ chung zu verfügende öffentliche Bekanntmachung der gesammten Verhandlungen dieser Behörde, die Furcht, Unschuldige verletzt, oder Schuldige der verdienten Strafe entzogen zu sehen, aufs Wirksamste beseitiget werden, und in jedem Falle durch vollständige ufklã⸗ rung der Sache vielen Zweifeln, Besorgnißen und une ruhizen Bewegungen ein Ziel gesetzt werden.