1819 / 83 p. 2 (Allgemeine Preußische Staats-Zeitung, Sat, 16 Oct 1819 18:00:01 GMT) scan diff

II. Zeitung s⸗Nachrichten.

Ausland.

Paris, vom 9. Oktober. Der König und die Her— zogin von Angouleme haben am à. de den neuge⸗ pornen Sohn des Grafen Decazes, Ministers des Inneren, zur Taufe gehalten, die der Groß⸗Almose⸗ nier, Kardinal von Talleyrand-Perigord ver— richtete.

Vor einigen Tagen fand eine Sitzung des Gehei⸗ men Rathes statt, worin, wie man sagt, die wesent⸗ . Grunbsätze der Municipal- und Departemen— tak-Organisation zur Erörterung gekommen sind. Un— streitig wird dieser Gegenstand zu den bei weitem wich⸗ tigsten Berathungen in den bevorstehenden Sitzungen der Kammern gehören. 4

Der Minister des Inneren hat mit der Kommißion für den öffentlichen Unterricht, wie man sagt, die Maasregeln verabredet, durch welche in den verschie⸗ denen Schul⸗Anstalten des Königreiches den Zöglin⸗ gen des protestantischen Glaubensbekenntnißes, der Re⸗ ligions- Unterricht und die Aufsicht von Lehrern ihrer Kirche verschafft werden soll. Man wird dazu mit Recht die Städte wählen, worin die meisten Prote⸗ stanten wohnen, als Paris, Bordeaux, Niwes, Stras⸗ burg, Montauban ze. .

Bie Gerüchte von Ministerial-Veränderungen, die einige Zeitungen verbreiteten, haben sich ganz verloren.

In Folge der ungemeinen Fortschritte, welche die

Zöglinge des Herrn Ämoro s, Lehrers der Gymnastik hiefelbst, seit kurzer Zeit gemacht haben, ist derselbe ersucht worden, auch in einer Provinzialstadt solche Anstalt zu gründen. Er hat es jedoch bis zur defini⸗ tiven Genehmigung seiner Anstalt von Seiten der Regierung abgelehnt. Fremde, welche den Uebungen der Zöglinge des Herrn Amor os beigewohnt haben, versichern, daß seine Anstalt die vorzüglichste dieser Art in Europa sey. Herr Amoros ist Spanischer Her⸗ kunft, ein Mann von Bildung, Talent und Kennt⸗ nißen, der in seinem Vaterlande in der Civil - und Militair⸗Verwaltung hohe Stellen bekleidet hat.

Ein Schiffbruch, den die Brigg So phie, von Nan⸗ tes, an der Afrikanischen Küste erlitten, hat den Ka⸗ pitain und fünf Paßagiere in die Gewalt eines Ara⸗ bischen Scheik, Biruc, geführt, der sich fünf Tage⸗ reisen von Mogador, einer Marokkanischen Stadt, in der Wüste aufzuhalten pflegt. Er fodert für jeden ein Lösegeld von 3, ooo Piastern, man glaubt aber, er werde aus Besorgnis vor der Pest sich behandeln laßen. Man hat alle Veranstaltungen getroffen, sie zu be⸗ freien und die sonst erfoderliche Hilfe ihnen zu ge— währen. 3

Ein Arzt, Herr Gastelier, bemerkt in einer Schrift „Ueber die Menschenblattern nach erfolgter Vaccination“ man habe kein Beispiel, daß vaccinirte Kinder an den Menschenblattern, von denen sie hin⸗ terher noch befallen worden, gestorben ; die Menschen⸗ blattern wären in . Falle jederzeit gutartig und

arben.

beruhigen. n misfällige Wahl der ite, sondern die hren Zustand zu

gi den

hrscheinlich junge der Einziehung

zum dreijährigen Dienste im stehenden Heere entgehen wollen. Die dortige Jugend wird sich indeß binnen kurzer Zeit überzeugt haben, daß die Unbequemlichkeit dieses wenig beschwerlichen Dienstes viel zu unbedeu⸗ tend sey, als daß es nicht eine große Thorheit seyn sollte, deshalb dem Vaterlande, den Eltern, Geschwi— stern, Freunden und allen gewohnten Beziehungen des Lebens für immer zu entsagen.)

Durch eine Königl. Verordnung vom 2g. v. M. ist die Getraide-Ausfuhr erlaubt worden.

Die vollendete Weinlese hat in der Umgegend von Paris alle Erwartungen übertroffen.

Der Neffe des Englischen Admirals Lord Ex⸗ mouth, Sir Eduard Pellew, ist hier vor einigen Tagen von einem anderen Engländer im Duell er— schoßen worden.

Nachdem unsre Zeitungen eine geraume Zeit die Pöbel-Tumulte wider die Juden in einigen teutschen Städten abgehandelt, und darin theils die nahen Vor— boten größerer Volksbewegungen, theils einen drin— genden Beweis der Barbarei früherer Jahrhunderte gefunden, auch die Verfolgten eingeladen haben, sich nach Frankreich zu flüchten, tritt im Indépendant ein wohl unterrichtet scheinender Mann auf, der die Un— ausführbarkeit einer solchen allgemeinen Auswande— rung, so wie anderer Mittel darthut, die man in die⸗

ser Sache angegeben hat, z. B. einer Verpflanzung der

Jüdischen Glaubensgenoßen nach Amerika. Ihm scheint das einzige Mittel in der Verbeßerung des Judaismus zu liegen. „In Teutschland wie überall liegen im Judaismus selbst die Keime zu dieser Ver— beßerung, deren endliches Resultat das Geheimnis der Vorsehung ist. Durch eine gerechte Aufnahme in alle Rechte des Bürgers, wie sie zum Theil in Preu⸗ ßen und in einigen anderen teutschen Staaten erfolgt ist, durch Errichtung von Elementarschulen und von

Lehrstühlen für die höhere Theologie, durch Werk⸗ stäten für die arbeitlose Menge, durch Verbreitung nützlicher und erbaulicher Schriften, durch einen Got⸗

tesdienst in teutscher Sprache, damit auch der äusere Kultus sich dem Herzen und dem Verstande der Ge⸗

meinen annähere, vor allen durch seine religiöse und

bürgerliche Erziehung, wird die unglückliche Abneigung entfernt werden, die den Christen in Teutschland von dem Juden absondert. Die Regierungen, welche die Ausführung dieser von der Gerechtigkeit und der Re⸗ ligion gebotenen Maasregeln noch länger verzögern, wer⸗ den es dereinst vor Gott und dem menschlichen Ge⸗ schlechte zu verantworten haben.“ (Wenn ein anderes Journal von den Aufständen in Preußischen Städten redet, so müßen wir bemerken, daß wir nur von Da n⸗ zig die einzige Kunde erhalten haben, woselbst der, so— fort unterdrückte Tumult sich auch auf einiges Fenster⸗ Einwerfen durch Gaßenbuben beschränkt hat.)

London, vom 5. Oktober. Ein Ausschuß hiesiger Bürger hat nachstehende Erklärung in mehre öffent⸗ liche Häuser zum Unterzeichnen niederlegen laßen⸗

„Den unterzeichneten Kaufleuten, Ban quiers,

Handwerkern und anderen Bewohnern Londons gebie⸗ ö. tet es die Pflicht, bei dem gegenwärtigen Zustande der Dinge folgende reiflich überlegte Gesinnungen an den

Tag zu legen:

Wir bemerken mit Abscheu die Ränke aufrührischer und arglistiger Menschen, welche durch gottes lästerliche Bekanntmachungen das Gebäude der Religion ju un!

tergraben suchen, aufwiegelnde Schriften verbreiten

und durch öffentliche Reden Saamen zur Verführung und Verrätherei ausstreuen, unter dem Vorwande der gegenwärtigen Bedrängnis auf die Gemüther der Ununterrichteten wirken, und unter verschiedenem Vor⸗ geben selbige zu Maasregeln verleiten wollen, welche die Noth und das Elend nur in einem nicht zu be⸗ rechnenden Grade vergrößern würden, indem deren Tendenz nur in Anarchie und Verwirrung besteht. Wir haben mit den Gefühlen des innigsten Bedau⸗

erns die bestehenden Mängel und die Leiden] einer ge⸗

wißen Klaße unsrer Mitbürger bemerkt. Wir hoffen und glauben, die gegenwärtige Noth wird nur von kurzer Dauer seyn; so lange sie währt, wollen wir uns bestreben, alle die Mittel anzuwenden, welche da⸗ u dienen können, solche zu erleichtern. Von diesen nufrichtigen Gefühlen des Mitleides geleitet, finden wir uns gensthigt, fest zu erklären, daß wir Alles aufbieten werden, um uns diesen ungestümen Versu⸗ chen, die bestehenden Behörden zu stürzen, mit aller Macht zu widersetzen, fest vertrauend auf die Kraft der Gefetze, auf die Lauterkeit von deren Verwaltung und auf die Weisheit der gesetzgebenden Macht.“

Auch die Bewohner von Yarmouth und Halifax haben loyale Addreßen an den Prinzen Regenten beschloßen. 21

Bei der fortgesetzten Lord-Majorwahl war Alder⸗ mann Bridges seinen Mitbewerbern schon um S574 Stimmen überlegen.

Die Einnahme von Barcelona in Süd⸗Ame⸗ rika durch die Insurgenten hat sich bestätigt. Die am 14. Julius unter den Generalen Udaneta und English von Margarita abgegangenen Truppen nah⸗ men' das Hauptfort am 18. mit Sturm und beka—⸗ men dadurch die Stadt in ihre Gewalt. Die Expedi⸗ tion segelte sofort weiter gegen Eumang und lan⸗ dete ihre Truppen eine Stunde von der Stadt, wo sie sich mit Bermudez vereinigten. Die Schiffe unter dem Admiral Brion blokirten den Hafen, in welchem eine Spanische Flotte lag.

Nach den Zeitungen aus Philadelphia vom 1. September herrscht das gelbe Fieber allerdings auch in den Vereinigten Staaten, von Boston bis Charles⸗ town. Zu Philadelphia war bekannt gemacht, daß die

Kommunikation mit Baltimore wegen des Fiebers

unterbrochen sey.

Unsre' Häfen bleiben der Einfuhr alles fremden Getraides noch ferner verschloßen. Hamburger Nachrichten vom 9. d. bester Märkscher und Mecklenburgscher Waizen in dieser Woche ziemlich bedeutend zur Versendung nach England gekauft worden.)

Kadir, vom 17. September. Da das gelbe Fieber allerdings hier sehr um sich greift, so hat der Ober⸗ Sanitaͤtshof der Provinz; den Bewohnern diese un⸗ glückliche Lage, die wirkliche Existenz der Krankheit, und die Unterbrechung aller Kommunikation am 13. d. öffentlich bekannt gemacht, auch die Auswanderung und das Auslaufen der Schiffe aus der hiesigen Bai und die Ertheilung von Päßen, Certifikaten ꝛc. verbo— ten. Die auf hier bestimmten Schiff können einlau— fen, ob sie aber ausladen dürfen, ö. erst nach ihrer Autunft entschieden werden. Gegen das Verbot des Juslaufens sind in Ansehung fremder Schiffe Vor⸗ stellungen gemacht worden. Man erwartet das Ab⸗ nehmen des Fiebers nicht vor dem November.

(Doch ist nach

Am 8. d. also vor der öffentlichen Bekanntmachung

der Existenz des Fiebers hiefelbst, erließ der Obergeneral Gr. v. Calderon eine Proklamation an die zur Expedi⸗ tion nach Süd-Amerika bestimmten Truppen, worin er sie auffodert, sich der Ehre des Vaterlandes würdig zu beweisen. „Ihr seyd,“ sagt der General, „für die größte Unternehmung bestimmt, die jemals beschloßen worden; niemals hat Europa eine solche Macht ent⸗ wickelt. Die Ehre des Vaterlandes ist in Gefahr. Wir sind seine theuren Kinder; wir alse mßen alles daran setzen, seinem Namen den Glanz zu erhalten, der in der Geschichte unserer Altvordern strahlt.“ ꝛc. Der Obergeneral hat mit seinem Generalstabe sein Hauptquartier zu Arkos de la Frontera genommen. Bie Flotte ist in die Bay ven Puntales gesegelt, um sich vor den Stürmen zu sichern.

Warsch au, vom J. Oktober. Se. Majestät der Kaiser, unser König, ist vorgestern Abend hieselbst an⸗ gelangt. Die ganze Stadt war erleuchtet. Gestern um 10 Uhr wohnten Se. Majestät der Parade bei, nach welcher die Generale und das Officier⸗ Korps Sr. Majestät ihre Ehrfurcht bezeigten.

Aus Italien, vom 26. September. Am 1. d.

ist zu Palermo und, durch ganz Sicilien das neue Gesetzbuch für das Königreich beider Sieilien feierlich bekannt gemacht worden.

Frankfurt a. M, vom 2. Oktober. Man er⸗ fährt, daß zu Mitgliedern der Central⸗-Untersuchungs⸗ Kommißion in Maynz von Seiten Oesterreichs der Hofrath von Schwarz, und von Seiten Badens der Heidelberger Stadt-Direktor Pfister ernannt worden sind. . 4

Der König von Württemberg hat nach einer Ver⸗ ordnung vom 1. d. die Bestimmungen der Bundes⸗ versammlung vom 20. v. M., die Freiheit der Preße betreffend, in Gemäßheit der Würtembergschen Ver⸗ faßungs- Urkunde §. 35. in Vollziehung gesetzt und vorläufig alle politischen Tagblätter und Zeitschrif⸗ ten der Censur unterworfen. Nach jenem §. 53. ha⸗ ben alle organischen Beschlüße der Bundesversamm⸗ lung, welche die verfaßungsmäßigen Verhältniß Teutschlands oder die allgemeinen Verhältniße teut⸗ scher Staatsbürger betreffen, nachdem sie vom Könige verkündet worden, auch für Würtemberg verbindende Kraft.

. Inland. Berlin, vom 15. Oktober. Se. Maßestät der König haben den Premierlieutenant Grafen von Schliehen, von der Adjutantur, Sr. Königl. Ho⸗ heit dem Prinzen Albrecht als Militairbegleitung beizugeben geruhet.

Se. Koͤnigl. Hoheit der Prinz Friedrich von Oranien sind nach dem Haag zurückgekehrt.

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ueber die Steuern im Jahre 171g in den Herzogthümern Berg und Jülich.

Es ist nicht ohne Nutzen, daß man zu Zeiten die Gegenwart mit der Vergangenheit vergleiche, damit man sehe, ob diejenigen Recht haben, die da behaup⸗ ten, daß es mit jedem Jahre schlimmer in der Welt werde. Die natürlichste Frage ist wol die: wie war es vor 100 Jahren bei uns und wie wurde es damals mit den Steuern gehalten? Diese Frage liegt besonders jetzt sehr nahe, da man über die neu eingeführten Steuern so vielfache Klagen erhebt.

Als im Jahre 1609 das Haus der Herzoge von Kleve im Mannsstamme erloschen war, so kamen seine Besitzungen mit den Erbtschtern an die Häuser Bran⸗ denburg und Pfalz. Kleve und Mark hatten das Glück, daß sie zu einem Fürstenhause kamen, wo eine große Sparsamkeit im fürstlichen Haushalte herrschte, und dem bald nachher (den 5. Febr. 1620) ein Prinz voll großer Regenten-Eigenschaften geboren wurde.

Berg und Jülich aber kamen an ein Fürstenhaus, das die Pracht liebte und die Verschwendung, und das den Schweis der Unterthanen in kostbaren Gebäuden, großen Gemäß lbe-Galerien und glänzenden Jagden ver— schäendete. Der Kurfürst Johann Wilhelm von

der Pfalz baute das Jagdschlos Bensberg mit königlichem Aufwande und mit dem Schweiße des Landmannes, der täglich mit Hand- und Spanndien—⸗ sten frohnen mußte. Er legte die Düßeldorfer Gal⸗ lerie an, und seine Bildsäule, in Erz gegoßen, steht noch auf dem Markte. Maler, Bildhauer und Poeten haben ihn gelobt und ihn den zweiten Mediceer genannt. Ber Landmann aber, der damals in den Herzogthümern Berg und Jülich, gerade wie in Frank— reich, blos als matière corvenble er taillable angesehen wurde, segnete seinen Tod. Er starb kinderlos 1716.

Große Schulden hafteten auf dem Lande. Sein Bruder Karl Philip, der größtentheils in Manheim wohnte, setzte diese verschwenderische Haushaltung fort, und drückte wie jener das Land mit Abgaben.

Im Jahre 1719 foderte er von den Herzogthümern Berg und Jülich die ungeheure Summe von 8a0, oo Rihl. blos an Grundsteuer. Die Landstände erklärten, daß solche nicht beizubringen wären, indem die Steuer mehr betrüge wie die Pacht; und „daß dem Bauer nichts zur Erhaltung seines armseligen Lebens mehr übrig bliebe.“ Dieses waren ihre Worte. Sie boten indeß 400, oo0 Rthl. Der Kur— fürst bestand auf Soo, ooo Rthl. und ließ mit den Aus—