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schreibungen fortfahren. Als die Stände nicht be— willigen wollten, fo ließ er sie auseinander gehen, und bezahlte ihnen ihre Dieten nicht, was sie, nach den Ausdrücken in ihrer Beschwerdeführung beim Kai— ser zu schlietzen, fast noch übler empfanden, als die große Ausschreibung, zu der sie selber nichts beizutra⸗ gen hatten, da sie sich schon seit 60 Jahren selber steuerfrei gemacht. U
Die Stände gingen nun an den Kaiser, nachdem sie durch Notarius und Zeugen, nach damaliger Gewohnheit, protestirt hatten. Auch ließen sie ihre Bittschrift an den Kaiser, nebst allen darauf Bezug habenden Aktenstücken im Jahre 1721 in Gent beim Buchhändler Steinhaus drucken. Diese Verhand— lungen bilden einen mäßigen Folianten, aus dem diese Nachrichten gezogen sind.
Die Stände sagen in ihrer Bittschrift an des
Kaisers Majestät, daß durch die Steuer-Empfänger
schon weit über die 600, ooo Rthl. eingezogen worden. Dieses ist für die damalige Zeit eine solche Summe, daß man kaum begreift, wie es möglich, daß die Lande solche aufgebracht haben.
Nach dem Elberfelder Marktverzeichniße kostete im Jahre 1719 das Malter Korn 35 Rthl. Die beiden Herzogthümer mußten alfo 171,000 Malter Korn ver⸗ kaufen, um ihre Grundsteuer von 600, ö0o0 Rthl. auf— zubringen. Nach einem Berichte des Ministers Mar— quis d Itter war damals die Hälfte alles Bodens steuerfrei, da sie dem Adel und der Geistlichkeit ge⸗ hörte. Wenn man auch annehmen will, daß die An⸗ gabe des Ministers etwas übertrieben sey, da damals keine genaue Statistik des Landes bekannt war, so ist doch so viel sicher, daß wenigstens ein Drittel alles Bodens steuerfrei war. Also 80 Quadratmeilen muß— ten diese Summe aufbringen, da beide Herzogthümer nur 120 Quadratmeilen groß waren. Jede Quadrat—⸗ meile mußte also 2137 Malter Korn an Steuer be— zahlen oder deren Werth in Silber.
Vergleicht man nun die damaligen Steuern mit den gegenwärtigen, so findet man Folgendes:
Rach den Angaben der Staats-Zeitung bringen die beiden Rheinischen Provinzen im Jahre 161g an allen direkten und indirekten Steuern auf: 5,151,000 Rthl. Die Größe dieser beiden Provinzen ist nach der offiziellen Statistik 445 Quadrgtmeilen. Jede Quadratmeile bezahlt also 11,B575 Berl. Thl. oder 15,0649 Rthl. Vergisch, wenn man nach dem jetzigen Kourfe den Berl. Thl. zu 78 Stüber Bergisch rechnet.
Im Jahre 1819 kostet das Malter Korn Caltes Maas) in Elberfeld 10 Rthl. Die Quadratmeile muß also 1,50s Malter Korn oder deren Werth in Silbet an Steuer aufbringen.
Wir haben demnach Folgendes: Im Jahr 1719 bezahlte jede Quadratmeile in Berg Und Jülich blos an Grundsteuer . 2157Malt. Korn. Im J. 1819 bezahlt jede Quadrat⸗ meile in den beiden Rheinischen Pro— vinzen, an Grundsteuer, Patentsteuer, Salzsteuer, Tranksteuer, Stempel ꝛc. 15095
weniger 632 Malter
Die Quadratmeile bezahlt also jetzt am Rheine 6z2a Malter Korn oder nach den jetzigen Preisen 6520 Thaler Bergisch weniger, als sie vor 100 Jahren blos in der Grundsteuer bezahlte. Damals sind auch schon indirekte Steuern auf Bier, Brantwein ꝛc. erhoben worden, wie man in diesen Landtagsverhandlungen sieht; allein da man deren Ertrag nicht angegeben fin— det, so kann man auf sie keine Rücksicht nehmen, sondern blos im Allgemeinen sagen: In der Grund⸗ steuer allein hat im Jahre 1719 die Quadratmeile 2137 Malter Korn aufgebracht, ohne zu rechnen, was sie in den andern Steuern aufgebracht hat, die, wie alle Nachrichten sagen, auch schon sehr hoch gewesen.
Wenn man bedenkt, wie ungemein geringe damals die Steuerkräfte der Landschaften, gegen jetzt gerech—⸗ net, waren, so begreift man kaum, wie es möglich ge— wesen, daß die Steuer⸗Empfänger diese Summen haben einziehen können. Aus den Verhandlungen geht hervor, daß sie sich aber auch wirklich die größte Härte gegen die Steuerpflichtigen haben zu Schulden kommen laßen.
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etwa a000 Scheffel Korn gegeßen.
Die beiden Herzogthümer mochten damals eine Be⸗ völkerung von 3 bis 400, doo Seelen haben, denn die große Bevölkerung im Bergischen ist mit dem dorti— gen Fabrikflore erst später entstanden. Rechnet man Iso, ooo Seelen, und das Malter Korn zu 33 Berl— Scheffel, so brachten diese 600, 000 Scheffel Korn auf. Also 100 Menschen 1700 Scheffel. Nun haben in dem Hungerjahre 1817 in Elberfeld 1000 Menschen Also haben die Menschen damals nahe so viel Korn an Steuern ge— geben, wie sie auch gegeßen haben; oder wenn man die Grundsteuer durch eine Mahlsteuer aufgebracht, so hätte der Fiskus so oft, als 37 Scheffel zur Mühle kommen von diesen 17 für sich genommen.
In Hungerjahren eßen sich die unteren Stände nur halb satt, und da diese überall die zahlreichsten sind, fo entsteht hiedurch eine solche Ersparung an Lebens⸗— mitteln, daß das wenige Korn, was gewachsen, doch endlich für alle reicht, ohne daß Jemand verhungert, obgleich Viele hungern. Hohe Steuern bringen die— selbe Wirkung hervor. Man darf wol annehmen, daß damals die geringen Bauern sich auch nicht ha— ben satt eßen dürfen, um nur so viel mehr Lebens— mittel verkaufen, und die Steuern bezahlen zu kön— nen. Der Ausdruck der Landstände: „daß dem Bauer „nichts zur Erhaltung seines armseeligen Lebens übrig „bleibe“ ist wol buchstäblich wahr gewefen.
Wenn man Urkunden und Aktenstüke aus früheren Zeiten liest, und dieses gehört doch mit zur histori— schen Schule: so sieht man, daß es jetzt beßer in der Welt ist wie früher. Denn der jegige Zustand der Gesellschaft wobei es den Bauern viel beßer geht als früher, muß doch auch wirklich der veßere seyn, da der Stand der Ackerbauern Drei Viertel der ganzen Be— völkerung ausmacht.
Die Bauern haben aber offenbar seit dem Jahre 1719 am Rheine ungemein gewonnen, obgleich der Stand der Geistlichen und der der Edelleute sehr ver⸗ loren haben mag, welches schon daraus hervorgeht, daß beide beinahe völlig erloschen sind.
Berechnet man die Steuern von 1719 nach den damaligen Fruchtpreisen, und reducirt diese auf die jetzigen Silberpreise: so findet man, daß damals in den Laͤndern Berg und Jülich auf den Kopf 4 Berl. Thl. blos an Grundsteuer kamen, so in die landesherrli— chen Kaßen gingen. Außerdem hafteten noch 2 Mill. Gemeindeschülden auf dem Lande, von denen die Ge— meinden die Zinsen unmittelbar beizubringen hatten. Da alle diese Abgaben blos vom steuerbaren Gute mußten beigebracht werden, iudem die Besisungen des Adels und der Geistlichkeit (die im Herzogthume Jü—⸗ lich bestimmt die Hälfte betrugen, in Berg etwas we⸗ niger) hiezu nichts beitrugen, so mußte der Werth des Bodens ungemein gesunken seyn, da er weiter nichts mehr war, als eine landesherrliche Plan— tage, die der sogen ann te Eigenthümer gegen Erlegung der Steuer baute. Und wirklich fin⸗ den wir, daß in den Gegenden des Jülicher Landes, wo jetzt der Köllner Morgen Ackerland von 224. Rheini— schen Ruthen mit 200 und 250 Rthlr. bezahlt wird— damals für 10 bis 15 Rthlr. ist verkauft worden. Diese Angaben findet man in den alten Kaufbriefen, so aus den Jahren 1710, 1720 und 1750 sind. Ja alte Leute erzählen noch wol, daß sie von ihren El— tern gehört, daß damals eine so beklemmte Zeit ge— wesen, daß steuerbares Grundeigenthum fast völlig ohne Werth war, und daß öfter ein Morgen Land des Abends im Wirthshause für einige Maas Bier sey verkauft worden.
Wenn also bei uns von der guten alten Zeit die Rede ist, so kann man die se füglicherweise nicht darun— ter verstehen.
Auch kann man die von Karl Theodor nicht wohl darunter verstehen, wenn man bedenkt, daß im Jahre 1791 (als man im Ober⸗-Bergischen einen Bauern-Rufruhr wegen des Wildschabens befürchtete) den Kurfürstlichen Kommißarien 9ooo Stück Hirsche vorübergetrieben wurden, als die Däßeldorfer Regie⸗ rung den Königsforst bei Bensberg mit dem großen Jagbzeuge hatte umstellen laßen, fo damals auf dem Düßeldorfer Jägerhofe war.
0 e m m n tr/ —
Al gemeine
Preußische Staats-Zeitung.
gate Stück. Berlin, den 19ten Oktober 1819.
1. Amtliche Nachrichten.
Kronik des Tages.
Berlin, vom 19. Oktober. Se. Majestät der König haben den bei der hie sigen Regierung als Rath und Jusitigrius angestellten Geheimen Regierungsrath Grano zum Mitgliese der nach dem Beschluße der Bu desversammlung vom 20. v. M in Main,; bestell
ten Central-Untersuchungs-Kommißion zu ernennen geruhet.
Des Königs M ajestät haben mittels Kabinets
Ordre vom 25. Jul. d. J. der landwirehschafli en Aastalt zu Mögelin das Prädikat einer akademi⸗ schen Lehr-Anstalt des Landbaues zu bewilli⸗ gen, auch zu bestimmen geruhet, daß die bei derselden angestellten Lehrer als öffentliche Beamte angesehen, und in ihrem Range denen der Gymnasien gleich be—
handelt werden sollen.
II. Zeitungs⸗Rachrichten.
Ausland. Paris, vom 9. Oktober. Der König hat durch
eine besondere Verordnung die Beschränkungen, denen
ein Gesetz vom 28. Aug. 1818 die Eigenthumer von Privat-Waldungen in Ansehung des SDchisf bauholzes unterworfen hatte, wieder aufgehoben, un das Gee vom is. April 1811 hergestent, welches diese Privat⸗ Eigenthümer nur 6 Monate vorher zu einer Anzeige
verpflichtet, wenn sie Eichen und Rüstern don ,
genißen Größe im Walde zu schlagen beabsichtigen, kamit die Beamten des Seewesens sie besich igen und
sich überzeugen können, ob sie zum Schiffbau taug⸗
lich sind. . . Einige der ernannten Erzbischöfe und Bischfe
haben bereits ihren Eid in die Hände des Königes ab—
gelegt.
Ünsere Weinlese übertrifft, in Rücksicht auf die Quantität, alle Erwartungen. . Eine nach St. Petersburg bestimmte Französische Brigg, der Merkur, hat in einem Sturme Schiffbräch gelitten. Einige Reisende uns ein Theil der Mann— schaft sind ein Raub der Wellen geworden; unter mehren Sachen auch 10900 Exemplare der Fran zösisehen
Uebersetzung des Jten Theiles von Karamsins Ge—
chichte des Rußischen Reiches. Der Uebersetzer, Saint homas, macht indeß für die Unterzeichner bekannt, 34 er diefe 1000 Exemplare bereits von neuem druk⸗ en laße. In Ermangelung anderweiter Materialien, und da die Hunischen Unruhen in England kein Resultat ge— währen, beschäftigen fich unste Journalisten mit den
Beschlüßen der teutschen Bundesversammlung, die je—⸗
der von ihnen in die Farbe kleidet, welche er selhst Die Bescheidneren bemerken, daß die gane
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trägt.
Sache uns nichts anzugehen scheine, weil Jeder am be⸗
sten thue, vor seiner eignen Thür zu fegen. Was
die sogenannt ultraliberalen Sariststeller betrifft, so
wißen die Teutschen ihre Freunde sehr wohl zu anter⸗ scheiden. Diejenigen sind es nicht, denen der Rhein in allen Adern fließt, welche nicht müde werden, die Vertreibung der Bonapartischen Emporkümmlinge von den teurschen Schenkungen als einen Raub an der Französischen Nation zu betrachten und Ersatz dafür ju fodern, welche die in gerechtem Kriege erfolgte Wie⸗
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dereroberung der in Paris aufgehäuften Kunstschätze, die Beute meistentheils ungerechter Kriege, einen Dieb⸗ stal nennen, welche sich nicht en (blöden zu behaupten, daß die Franzosische Nation im Friedenstrakta von 1818 nichts stipulirt habe. Die Meinungen dieser Parihei können uns nicht irre machen; es ist noch immer oieselbe, von der zu seiner Zeit das Feldgefck rei ausging: „Krieg den Pallasen! Friese een Hütren!“ Die eutschen Hütten sind es gewahr worden. Was die Teutschen unter sich auszugleichen haben, werden sie mit Besonnenheit, Redlichkeit und wen selsetigem Vertrauen, ohne Einmischung eines Dritten und sei⸗ ner guten Rathschläge, schon auszugleichen wipen. Metz, Toul, Verdün und das Elsas erinnern lebhaft, wie theuer der inheimische Zwiespalt bezahlt werden müße. )
Eins unsrer Blätter bemerkt, daß man im Irr⸗ thume sey, wenn man glaube, daß die Jesuiten unter der Benennung „Väter des Glaubens“ erst im Jahre 1815 nach Frankreich zurückgekehrt seyen. Sie hãt⸗ ten sich vielmehr schon im Jahre 1866 unter die sem Namen eingeschlichen, und an verschiedenen rien, unter dem Sutz der Mutter Bonapartes und des Karoinals Fesch, ihre Schulen errichtet. Aber gegen Ende des Jahres 180 habe die Regierung eine Korrespondenz zwischen den Värern des Glaubens und den Jesuiten in Rußland und Teu ischland entdeckt, wodurch Bonaparie, der das Streben zieser geist⸗ lichen Gesellschaft gegen die Autorität des Staates nicht verkannt habe, veranlaßt worden sey, alle ihre Schulen auf der Sielle zu schließen, um das Uebel gleich an der Wurzel zu vernichten. Ver Kardinal Fesch sey eine Zeit lang vom Hofe en fernt worden.
Ein Landmann tritt gegen die nunmehr geschls sene Industrie Aufstellung mit einigem Bedenken zu Gun⸗
sten des Ackerbaues auf, zu weichem, un? weniger zu
den Gegenständen des Luxus, die Kapitalien sich wen⸗ den müsten. Etwa rs des Bodens werde hinreichend gut, ein weit größerer Theil mittelmäßig and der allergrößte ganz abscheulich bearbeitet. Dieser letzte Theil verspreche dem Andauer mehr Vortheile, als die Kultur der Wildnis am Ohio. Bemierkenswerth sey, daß während die Regierung den Fabrikanten die streng⸗ sten Maasregeln gegen die Einführung fremder Ma⸗