1819 / 89 p. 3 (Allgemeine Preußische Staats-Zeitung, Sat, 06 Nov 1819 18:00:01 GMT) scan diff

Reformer am 1. F. M. hier in Finsbury-⸗-Square wie—⸗ der eine Versammlung halten. .

Der Winter ist hier frühzeitig mit häufigem Schnee und Sturm eingetreten.

Am Getraide-Markte sind Weizen, Gerste und Ha⸗ fer etwas gestiegen.

Die Prinzeßin v. Wales, die man von neuem hier erwartet hat, ist nach Pariser Blättern noch im— mer in Lyon.

(In der Zeitung von Lugano vom 10. Okt. wird, unstreitig auf eigne Veranlaßung der Prinzeßin von Wales, gegen die Aeuserung einer Englischen Zei— tung, daß sie wegen Erschöpfung ihrer Subsistenzmit— tel und zur Ordnung ihrer ökonomischen Verhältniße nach England zurückkehre, gesagt: sie habe allerdings beschloßen, nach England zurückzukehren, aber nur, um ihre zum zweitenmal angegriffene Ehre zu vertheidi⸗ digen. In Italien habe sie keine Schulden; in Eng— land wenige, die in kurzer Zeit bezahlt seyn würden. Eine Vermehrung ihrer Einkünfte habe sie nie von der Brittischen Regierung begehrt, vielmehr von den vor fünf Jahren durch die Nation ihr votirten so, ooo Pf. nur 35,000 Pf. angenommen.)

Der Buchhändler Carlile soll durch den Ab⸗ satz seiner deistischen Schriften wenigstens 2000 Pf. erworben haben. Der Courier ereifert sich mit Recht, daß die Behörden diesem Gewerbe keinen Einhalt thun.

Hunt ist mit den übrigen Radikalreformers, na— mentlich Thistlewood und Watsson bereits zerfal— len. Sie schmähen sich einander in Schriften.

Nach Briefen aus Rio-Janeiro haben die Portu— giesischen Truppen am 6. May den General Arti— gas mit einem Verluste von 700 Mann, vieler Mu— nition und Pferden, seines gesammten Schlachtviehes und des Silbergeräthes, welches er aus den Kirchen genommen, über den Urugay zurückgeschlagen.

Die Einnahme der Hauptstadt von Neu-Granada, Santa⸗Fé, durch den General Bolivar bestätigt sich von mehren Seiten. Er hat den Spaniern fünf verschiedene Gefechte geliefert, ist in den beiden ersten geschlagen worden, aber zuletzt siegreich vorgedrungen.

Madrid, vom 19. Oktober. Die Nachrichten von Sevilla in Hinsicht des gelben Fiebers sind völlig be— ruhigend. Aus dem Stadtviertel Santa Cruz, wo— selbst sich einige Spuren der Krankheit gezeigt, hat man alle Gesunde entfernt und ihnen außerhalb der Stadt Wohnungen angewiesen, so daß nur die Kran— ken mit ihren Wärtern in diesem Viertel verblieben sind. Aus Kadix lauten die Nachrichten nech traurig. Am 11. d. M. waren daselbst 10,837 Kranke, täg⸗ lich starben an 100 Personen.

Die Expeditions-Armee ist im besten Gesundheit⸗ zustande, auch die Disciplin wieder hergestellt. (Nach andern Nachrichten sind zwei Regimenter auf der In⸗ sel Leon fast ganz ausge storben.)

Die Königin, die am 16. d. von Burgos nach Ar— mada de Duero gereiset, wird übermorgen hier erwar— tet. (Nach einem Privatbriefe aus Madrid vom ig. in Französischen Zeitungen, wurde sie an demselben Tage in Pardo erwartet, um schon am 20. ihren Ein— zug in Madrid zu halten.

In Tanger hat der Spanische Arzt Don Sola mit Bewilligung der Regierung an 16 Spanischen Deserteurs Versuche gemacht, die Pest einzuimpfen, indem er ihnen Pestgift, von Personen bei denen die Krankheit den höchsten Grad der Bösartigkeit erreicht hatte entnommen, mit einer gleichen Dosis Olivenöl vermischt, an vorher mit Oel eingeriebenen Stellen, woselbst die Pest gewöhnlich am ersten ausbricht, durch 12 Lanzettenstiche beigebracht hat. An sieben von ih⸗ nen haben sich gar keine Zeichen der Krankheit offen⸗

bart; wohl aber an den sieben andern, die man sofort

abgesondert und nur mittels Gebrauch des Oels theils innerlich, theils äußerlich behandelt hat. Sie sind insgesammt, einige nach 24 Stunden, andre nach und nach genesen.

Konstantinopel, vom 25. September. Die Regierung hat die Entdeckung gemacht, daß sie durch die Münzverwaltung, die einem Armenischen Christen anvertraut war, sehr betrogen worden. Man hat nicht blos ein Deficit von 2a, oo0 Beuteln (etwa 53 Mill. Thaler) sondern auch eine Verfälschung des Silberge— haltes ausgemittelt. Da dieses letzte mit Vorwißen des jetzigen Ministers des Inneren geschehen seyn soll,

der vorhin die obere Aufsicht auf das Münzwesen

führte: so ist dieser entsetzt, der Armenier aber verhaf— tet und sein Vermögen in Beschlag genommen wor— den. Diese Maasregel ist in Ansehung aller bei dem Münzwesen irgend beschäftigten Armenier vollzogen

und eine weitere Untersuchung durch eine Kommißioen

der Regierung angeordnet worden. Dem Münzwesen steht eine ganz veränderte Organisation bevor. Die Weiber, Kinder und das Gesinde der verhafteten Ar— menier sind der Obhut ihres Patriarchen übergeben. Suda⸗Effendi, schon einmal Minister der auswär— tigen Angelegenheiten, ist zum Minister des Inneren ernannt.

Stuttgart, vom 27. Oktober. Der Köänig ist bei seiner am 24. abends hieselbst erfolgten Zurück— kunft aus Warschau, von dem Magistrate und der Bür⸗ gerschaft seiner Hauprstadt feierlich und freudig em— pfangen worden. Am Königsthore, wo ihn der Magi— strat empfing, waren zwei Obelisken mit den Inschrif— ten: „Dem Beschirmer des Vaterlandes!“ und „Dem Beglücker des Volkes!“ errichtet. Die Bürger spann⸗

ten die Pferde vom Wagen und zogen ihn unter tau

sendstimmigem Vivat an das Schloß⸗Portal, woselbst

der König ausstieg. Auf dem Schloßplatze war ein Al- tar mit zahlreichen Inschriften, dem Könige das Ver⸗ trauen und die Liebe des Volkes auszudrücken, errich⸗ tet, und von der versammelten Menge ward unter Be⸗ gleitung des Theater- Orchesters ein Lied zur Ehre und

auf die glückliche Rückkehr des Königes gesungen.

Der König empfing mit Rührung und Wohlgefal— len diese ungeheuchelten Beweise der treuen Zuneigung seines Volkes, und gab solches am folgenden Tage dem Magistrate, der sich zur Audienz im Schloße ein— gefunden hatte, mit großer Herzlichkeit auch mündlich zu erkennen.

Frankfurt a. M., vom 30. Oktober. Da der Großherzoglich Heßische Hof nunmehr auch ein Mit— glied der Maynzer Central-Kommißion in der Per— son des Herrn von Preu schen ernannt hat, so ist diese Kommißion vollzählig.

Das Münchner Intelligenzblatt enthält die Königl. Baiersche Verordnung vom 165. d., durch welche die Beschlüße der Bundesversammlung in Ansehung der bei den Universitäten zu ergreifenden Maasregeln, der Preßfreiheit und der Untersuchung revolutionairer um⸗

triebe bekannt gemacht worden, mit dem Befehle, daß

sämmtliche Behörden und Unterthanen, mit Rücksicht . auf die dem Könige zustehende Souverainität, auf die

Verfaßung und auf die Gesetze des Königreiches, sich darnach geeignet achten sollen.

„Es scheint gewiß zu seyn, daß die zu Karlsbad über die teutschen Angelegenheiten stattgefundenen Mi⸗ nisterial-Konferenzen in der letzten Hälfte des k. M. zu Wien werden fortgesetzt werden. Von Preußischer Seite erwartet man daselbst den Herrn Staats- und Kabinets-Minister Grafen v. Bern storf.

e /

Ueber Parga. .

Herr Nikolopoulo, ein gelehrter Grieche von Smyrna, der sich in Paris aufhält, hat eine besondere geographische und historische Nachricht über Parg a bekannt gemacht, die aus einem größeren in London erschienenen Memoire des Englischen Oberstlieutenants v. Boßet „Proceedings in Parga and the Jonian I8lands“ entnommen ist.

Dieser unbedeutende Fleck, ein vormals fast unbe⸗ kanntes Städtchen von 4000 Bewohnern, mit einem Umkreise von 2 bis 3 Engl. Meilen hat einen Namen in der Weltgeschichte erlangt, theils weil die Ueberlie— ferung einer der Ehristenheit angehörenden Gemeinde an die Türken das Mitleid der gesammten Christen— heit rege gemacht, theils weil die Parganer das Beispie? eines standhaften und entschloßenen Haßes ihrer Widersacher gegeben haben, das sie den Sagun⸗ tern und Saragoßern beigesellt. .

Parga, eine Stadt und Fort der vormaligen Re— publik Venedig auf dem festen Lande des ehemaligen Epirus, auf einem Felsen am Kanal von Korfu er— baut, gehörte vormals zu der sogenanten Venetiani⸗ schen Levante, welche die Jonischen Inseln und die Plätze auf dem festen Lande, Butrinto, Parga, Pre⸗ vesa und Vonizza bildeten. Die Berge Albaniens trennen Parga vom Türkischen Gebiete, deßen Gou— verneur der bekannte Ali Pascha von Janina ist. Das Gebiet der Stadt ist fruchtbar, waßerreich, und mit Orangen: Zitronen- und Oelbäumen besctzt. Auch einiger Weinbau wird getrieben. Eichen, Pla— tanen und Zypreßen unterbrechen den eintonigen An— blick der Oelblume. Ein Flüßchen unfern der Stadt wird für den Cochtus der alten Dichter gehalten. Der Acheron, jetzt Aspro-Potamo, fließt 6 Engl. Meilen von der Stadt.

Die Parganer sind stark, tapfer, nüchtern, gast⸗ frei. Ihr ununterbrochener kleiner Krieg mit ihren Türkischen Nachbarn hatte sie an Wehr und Waffen gewöhnt. Die Frauen sind in der Regel anmurhig, und kleiden sich mit vieler Eleganz. Wiewol sie gro⸗ ßer Freiheit genießen, sind sie doch züchtig und sehr arbeitsam. Die vorzüglichsten Nahrungzweige der Parganer waren Fischerei und Schiffahrt. Einige Früchte, besonders süße Zitronen, Oel und Tabak verkauften sie an die benachbarten Inseln. Getraide bauten sie kaum zum eignen Bedarf. .

Sie haben das Griechische Glaubensbekenntnis. Ihre Lebensart ist sehr einfach; sie bleiben alten Sit⸗ ten und Gewohnheiten treu. Uebrigens find sie hei— ter und lieben den Tanz, besonders die Romeka. Ihr Ländchen gewährte einen lachenden Anblick in Vergleich gegen ihre Türkische Nachbarschaft, wo man unter dem tyrannischen Joche des Pascha von Janina, so weit das Auge reicht, nur öde Wüsten erblickt, die hin und wieder von einigem Vieh unter der Aufsicht erbärmlicher Sklaven beweidet werden. .

Vor dem Jahre 1400 lag die Stadt noch jenseit der Berge; ihr Gebiet war weiter ausgebreitet. Man sieht noch jetzt die Spuren einer Kirche und einiger Häuser unter dem Namen Alt-Parga. Mit dem Verfalle des Griechischen Kaiserthums verließen die Be— wohner diesen Ort und bauten sich auf dem Felsen an, wo sie gegen die Anfälle der Türken gesicherter waren. Im Jahre 1401 begaben sie sich in den Schutz der Venetianer, die damals schon im Besitz der Joni⸗ schen Inseln waren. Sie erhielten einen Venetiani— schen Gouverneur der jederzeit aus dem Adel von Korfu gewählt wurde. Im Jahre 179 theilte Parga das Schicksal der Jonischen Inseln, und in Gemäß— heit des Friedens von Campo Formio ward es von Französischen Truppen besetzt. Als die Pforte, nach dem Angriffe auf Egypten, der Französischen Republik den Krieg erklärte, zog sich die Fran jösische Besatzung nach Korfu zurück, und Parga erhielt von den Rußen, welche Zante besetzt hatten, die Zusicherung ihres Schutzes. Inzwischen schloßen Rußland und die Pforte am 25. Dec. 1798 einen Allianztraktat in Folge deßen

ein gemeinschaftliches Geschwader die Jonischen In⸗ seln in Besit nahm. Durch die Konvention vom 21. März 1800 zwischen beiden Mächten ward das Schick⸗ sal dieser Inseln bekanntlich dahin bestimmt, daß sie unter der Benennung der Republik der 7 vereinten Inseln einen Freistaat unter dem Schutze der Türken und Rußischer Garantie, bilden sollten. Die A Plätze des festen Landes in Albanien, also auch Parga, wur⸗ den der Oberherrschaft der Pforte ganz überlaßen, doch sollten die Bewohner im Genuße der freien Religions⸗ Uebung verbleiben, auch nicht mehr Abgaben bezahlen, als an die Venetianische Regierung, und kein Maho⸗ medaner sollte Eigenthum unter ihnen erwerben kön⸗ nen. Parga verweigerte sich diesem zu unterwerfen, widerstand dem Pascha von Janina 6 Monate lang und brachte es endlich bei der Pforte dahin, daß es nur einen einzelnen Bey, als Schutz gegen Ali Pa⸗ scha, in die Eitadelle aufnehmen durfte. Die andern z Städte wurde die Beute des Pascha, der durch Er⸗ mordungen und Plünderung der Bewohner seine Herr⸗ schaft bezeichnete und jeden Artikel des Traktates vom 21. März 1800 verletzte. Um diesem Schicksale nicht auch erliegen zu dürfen, gaben sich die Parganer, als im Jahr 1806 der Krieg zwischen Rußland und der Pforte ausbrach, aufs neue in Rußischen Schutz und erhielten eine Rußische Besatzung. Der Friede von Tilsit brachte sie wieder in Französische Hände. Ali Pascha machte zwar den Anspruch der Pforte rege, allein der Französische Gouverneur der Jonischen In⸗ seln, Cäsar Berthier, verweigerte ihn anzuerken⸗ nen, und nahm förmlich von Parga Besitz, indem er die Französische Fahne aufpflanzen ließ und eine Be⸗ satzung in die Stadt und in das Fort legte. Im Jahre 1814 erneuerte Ali Pascha seinen Anspruch, nahm ein zu Parga gehörendes Dorf Aja in Besitz, und grif die Stadt selbst an. Die Französischen Truppen, 300 Mann, zogen sich in die Citadelle, aber die Parga⸗ ner schlugen dennoch den Angrif des Pascha zurück, deßen Neffe dabei getödtet wurde. Er ließ ihn an der Grenze beerdigen und ein Denkmal errichten, wel— ches den Parganern das Schicksal verkündete, das sie von seiner Rache zu erwarten hätten. Auch ließ er bei Aja ein Fort errichten, das die Umgegend be⸗ herrscht. Da die Parganer die Ohnmacht der Fran— zosen hiedurch inne wurden, riefen sie den Schutz der Engländer an, welche die gegenüberliegende Jo⸗ nische Insel Paxo besetzt hatten, bemächtigten sich des Forts, pflanzten die Englische Fahne auf, und nah⸗ men Englische Besatzung ein; dieses geschah im März 1814. Am 11. März 1815 erklärte der in den Jo⸗ nischen Inseln kommandirende Englische General dem Kommandanten von Parga, daß die Stadt als ein Theil der Inseln und als ein Vorposten der Be⸗ satzung von Korfu gegen die Türken betrachtet werde. Der Pascha von Janina vergaß jedoch seine Rache nicht; er betrieb in Konstantinopel die Uebergabe von Parga an die Türken mit solchem Erfolge, daß im Fahr 1817 wirklich ein Vertrag zwischen England und der Pforte zu Stande kam, in Folge deßen der Pforte gegen den Beitritt zu dem Vertrage, durch den die Jonischen Inseln unter den Schutz Englands ge⸗ stellt wurden, die Stadt und das Gebiet von Parga überantwortet werden sollte. Der General Mait⸗ land, der die Englischen Truppen in den Jonischen Inseln befehligte, verstärkte jedoch aus Vorsicht die Besatzung zu Parga mit zoo Mann unter dem Obrist⸗ lieutenant v. Boßet, der die Bewohner zugleich mit ihrem Schicksale bekannt machen mußte. Er benach⸗ richtigte sie, daß diejenigen, welche ihre Vaterstadt zu verlaßen vorzögen, in die Inseln aufgenommen wer⸗ den und einen Lrsal für ihr zurückgelaßenes Vermöͤ⸗ gen erhalten würden; denn es war in jenem Ver⸗ trage abgeredet worden, daß das Vermögen der von Parga wegziehenden Bewohner abgeschätzt und von Ali Pascha bezahlt werden solle. Dieser Trost be— ruhigte die Parganer nicht, und da sie eine günstige Stimmung der Englischen Garnison für die Behaup⸗