1819 / 91 p. 3 (Allgemeine Preußische Staats-Zeitung, Sat, 13 Nov 1819 18:00:01 GMT) scan diff

gen das Jahr 1600, durch die Ahnenprobe, völlig von ihnen ausgeschloßen wurden. .

Die Ahnenprobe war ursprünglich nur ein Be- Alle

weis von freier und ehelicher Geburt. Innungen und Zünfte hielten auf diesen Beweis, da

sie Niemanden unter sich aufnahmen, der auf irgend

eine Weise hörig war, oder der wie ein Bastard, ohne Vergangenheit war, und besckämt blos auf sich selber angewiesen. Dieser Beweis von freier und ehelicher Geburt konnte am keichtesten von Meisters— Kindern geführt werden, deren Eltern bei der Zunft aufgeschworen waren, da sich daraus, daß ihre Eltern bei der Zunft aufgeschworen waren, dieser Beweis von selber ergab. Jede Zunft nahm daher zu Lehrlingen gerne Meisters-Kinder an, und endlich warde aus der Gewohnheit ein Gesetz, daß man blos Mei— sters⸗Kinder aufnahm. Die Dienstmannsct af⸗ ten, so sich im 15ten und 14ten Jahrhunderte gebildet, hatten unter sich die Ritterspiese emgeführt, und da sie sich völlig so ausgebildet harten, wie jede andere Innung, Zunft oder Knapschaft, so nahmen sse Nie— manden unter sich auf, der es nicht bis zur Meister— schaft gebracht, und der die edle profession d'armes nicht zunfmäßig gelernt. Er mußte seine 7 Jahre als Waffenjunge (Gimplex) und dann seine 7 Jahre als Knappe (Famulus) gestanden haben, ehe er als Meister (Ritter, Miles) auf- und angenommen wurde. Auch diese Knapschaft nahm Niemanden unter sich auf, der nicht von ehelicher und edler (freier) Geburt war. Dieser Beweis war für Meisters-Kinder am leichtesten zu führen, und sie nahmen daher am lieb⸗ sten Meisters⸗-Kinder zu Lehrlingen auf. Dieser Be⸗ weis der ehelichen und freien Gevurt wurde für El— tern und Groseltern, das heißt für Menschenge— denken geführt. Denn Menschengedenken ist der große Zeitabschnitt im Munde des Voltes, das nicht schreibt, und das nur Zeugenbeweis kennt und keinen schriftlichen. Die schriftlichen Beweise über die Ab— stammung (die Stammbäume) sind aber erst im 16ten und besonders im 17ten Jahrhunderte bei uns auf⸗ gekommen. Alle Ritter- und Wappenbücher auf den Rirterstuben des Kleveschen, Märkschen, Jülichschen und Bergschen Adels reichen nicht bis zum Jahre 1600 hinauf.

Daß aber damals, unter edler Geburt eine freie Geburt verstanden wurde, das geht aus allen Ur— kunden des Mittelalters hervor. So erscheint in der Urkunde von 1317, wo Lutolt v. Regensberg sein Wappen, den Brakenkopf, an Burggraf Friedrich v. Nürnberg gegen 36 Mark guten Silbers verkaufte, u. Duthelm v. Krenkingen, Regensbergs Oheim, der ebenfalls dieses Wappen sührte, blos als Freier, und doch waren diese Krenkingen von so gutem Adel, daß einer von ihnen vor dem Kaiser Fried— rich dem RNoihbarte nicht aufstand, als dieser durch die Stadt Tungen ritt ).

Daß man auf Landtagen den Gebrauch ein— führte, daß keiner erscheinen durfte, der nicht den Be— weis führen konnte, daß er von freier und eheliger Geburt sey, und seine Eltern und Groseltern eben— falls, das war nicht zu tadeln. Allein es war sehr fehlerhaft, daß man von einem Landeigenchümer, so

) Die Geschichtschreiber erzaͤhlen diese Begebenheit auf folgende Weise: Als Kaiser Friedrich einst mit sei— nem Gefolge durch die Stadt Tungen im Bisthume Konstanz ritt, und alle Inwohner ihm entgegeneilten, blieb ein Freyherr von Krenkingen vor der Haus⸗

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thuͤr sitzen und lupfte nur den Hut. Der Kaiser fragte: Wer seyd ihr, daß ihr meine Majestaͤt verach⸗ tet und nicht aufsteht, wie Dienstmannen zu thun schul— dig sind? Der Ritter antwortete: Mein Nahme lst Krenking en. Mein Geschlecht ist alt. An Guͤtern

Leib und Sachen bin ich so frei, daß ich weder vom

die Steuern bewilligten, sie nicht bezahl ten, und die, so sie bezahiten, waren vo den Landtagen ausgeschloßen, und hatte nicht mehr das Recht, sie zu bewilligen. Diezu kam noch, daß die Vertretung immer schwäche wurde, da die alten Familien nach und nach erloschen

Ahnen auf 8 und endlich (seit 1756) sogar auf 16 gangen, so waren auch von dieser Seite noch viele Familien ausgeschloßen, die den Beweis nicht führen konnten, daß ihre 4 Urgrosväter sämmtlich Meister⸗ söhne, und ihre 4 Urgroßmütter sämmtlich Meistertöch⸗ ter in der Dienstmannschaft von

gewesen. Im Jahre 1647 wollte die Märkische Rit—

hen.

vor 900 Jahren in den Familien gewesen, und es würgen hiedurch nur falsche Eide geschworen. Und

thörigt, indem man mit dem Beweise von freier und ehelicher Geburt, nicht über Menschengedenken brauchte hinauszugehen. Denn es kann in einer Ver—

gu seine Voreltern mögen gewesen sein, sob als Niemand etwas von diesen Voreltern mehr weiß. Mit drei Generationen, die lebende mit ein— gerechnet, schließt sich jede Geschichtkenntnis ab, und was jenseit der Großeltern und jenseit der Enkel liegt, das schwimmt schon in solchen unhestimmten

oder groß Leid deswegen hat. Nur die regierenden Geschlechter macken hievon eine Ausnahme, da ihr Da—

dem sie durch die Jahrhunderte wandern. derbare Einrichtung mit dem Aufschwören, von 3 und 1 Ahnen, war aber dadurch entstanden, daß man den alten Gebrauch des mündlichen Zeugenbeweises verlaßen, und schrifeliche Beweise zugelaßen. Wenn man sieht, wie viel Unheil die Schreiberei überall an— gerichtet, so muß man den Verstand der Bewohner von Nurzia bewundern, von denen Möser erzählt, daß sie 4 Magistratpersonen wählen, die Illiterati heißen, und die eidlich versichern müßen, daß sie nicht schreiben könn en.

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Die son⸗

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Kaiser noch einem anderen Herren etwas zu Lehn trage. Der Kaiser ist das freigewäahlte Haupt des Reiches. Fur meiner Guter Herrn aber erkenne ich ihn nicht. Dieser Antwort wurde Friedrich froh und sprach : Ihr habt die rechten Gedanken von der Freiheit und den Pflichten eines freien Mannes. Auf daß ihr aber dem Reiche groͤßere Dienste leisten moͤget, so empfahet, wenn ihr wollt, ein Lehen und das Recht fuͤr euch und eure Nachkommen, Muͤnzen mit des Kaisers Bild niße zu schlagen. Denn ich halte euren adeligen Sinn in Ehren.

(Fortsetzung in der Beilage.)

6 : am mn .

Beilage.

sammlung Niemand Ehre oder Schande machen, was

Weil man nun zugleich in den Ahnenproben von 6

ö

Jülich und Berg

terschaft bei dem Aufsch ren auch auf 16 Ahnen ge⸗ i. Der große Kurfürst aber sagte, daß solches un⸗ ö christlich sey, indem Niemand wißen könnte, wie es

wirklich war das Aufschwören mit 8 und i Ahnen .

Gestalten am Horizonte, daß Niemand große Freude 3

seyn an das Daseyn eines Volkes geknüpft ist, mit (

Beilage : zum 9rsten Stücke der Allgemeinen Preußischen Staats⸗Zeitung,

vom 13ten November 1819.

eber die ,, ꝛc. ortsetzung.

Wenn wir 56 wie die Herzogthümer Berg und Jülich, im Anfange des 19ten Jahrhunderts, beinahe Unter der Last der Abgaden erlegen sind, wie der Landmann, obgleich frei geboren, es fast so schlimm hatte, als der Neger in einer Westindischen Plantage, und wie die Landftände ihre Zeit in fruchtlosen Zänke— reien mit der Landeshoheit hinbrachten: so fühlt man, daß man bis zur Quelle des Uebels zurückgehen muß, wenn man auf irgend eine Weise gerecht gegen Men⸗ schen und Dinge seyn will. Wenn man dieses thut, so findet man, daß die berlemmte Lage, in der sich die damalige Generation befand, aus Irthümern und Fehlern enistanden, . . begangen, sondern die

enerationen, so vor ihr gewesen.

ö. Die . Schuldenmasse, so damals auf dem Lande hafcete, rährte zum größten Theile von den damaligen so sehr verderblichen Kriegen her. Es scheint, als wenn damals die Kriege einen weit zer— störenderen Karakter gehabt, als diejenigen, so wir er— lebt haben, deren Spuren, sich wenigstens am Rheine, eben so schnell verwischt haben, wie sie entstanden sind).

Zum Theil rührte aber diese Schuldenmasse auch don der fehlerhaften Verwaltung her. Der Kriegs staat von 4 Regimentern Infanterie und von Regimentern Kavalerie, war offenbar für ein Land von 120 Qua— dratmeilen zu groß, und die Summen, so auf die Festungen von Düßeldorf und Jülich verwendet wur⸗ den, und die in die Millionen gingen, waren dem Lande von gar keinem Nutzen. Denn Düßeldorf hat sich im siebenjährigen, so wie im letzten Kriege, bei keiner Belagerung länger als höchstens 1 Tag gehalten, da die Stabt nach der Rheinseite offen war, und ge⸗ genüber keine Festungswerke haben konnte, weil das senseitige Ufer zum Eristifte Köln gehör e. Wären diefe Millionen zur Anlegung von Landstraßen ver— wendet worden, so würde das Land die Aufdringung derselben wenig empfunden haben, da sein innerer

Verkehr hiedurch zugenommen, und sein Wohlstand sich in demselben Grade vermehrt hätte. . Ebenfalls war die Hofhaltung für ein so kleines Land viel zu kostbar. Das Schloß Bensberg hat über eine Million gekostet, und wenn der Kurfürst Johann Wilhelm länger gelebt hätte, so hätte er zu Düßeldorf noch ein größeres erbaut, zu dem der

) Doch mag dieses schnelle Verwischen auch wol daher ruͤhren, daß die Grundsaͤtze, wegen der diese Kriege gefuhrt wurden, fuͤr den Landmann, der doch immer den Kern und die Mehrzahl des Volkes macht, sehr vortheilhaft gewesen sind. Hierhin gehort die Aufhe— bung des gehnten auf dem linken Rheinufer, dann die Aufhebung der Steuerfreiheit und endlich die Aufhebung der Kloͤster, deren große Guͤter verkauft worden, und die das Domain des Bürger- und Bauerstandes be⸗ deutend vermehrt haben. Hiezu kommt, daß der Acker⸗ boden so aller Bande entlaßen war, sich schnell in die Hand desjenigen fuͤgte, dem er am meisten trug. Vom Edelmanne kaufte ihn der geldreiche Kaufherr, von diesem, der ihn wieder theilweise verkaufte, der vermoͤ— gende Landmann. Denn da in den 30 Jahren, von 1789 bis 1810 der Mittelpreis des Korns der doppelte

gewesen, wie in den 30 Jahren, so vor 1789 liegen so

ist der Landmann, der doppelt so viel Silber fuͤr seine Frucht foderte und doppelt so viel erhielt, viel geldrei⸗ cher geworden wie fruher. Welches auch die Ursache von dieser merkwürdigen Erscheinung (einer Preis⸗ verdopelung in zo Jahren n seyn mag, fuͤr die man bis jetzt noch keine befriedigende Erklarung gefun⸗ den, so geht sie doch so bestimmt aus allen Rheinischen Marktverzeichnißen hervor, daß sich die Richtigkeit die⸗ ser Thatsache nicht weiter in Zweifel ziehen laͤßt.

Plan bereits entworfen war. Er hatte eine Erzher— zogin von Oesterreich geheurathet, eine Tochter Kaiser Ferdinand III., und diese große Verbindung scheint die Veranlaßung zu dem ungeheuren Luxus des Ho—⸗ fes gewesen zu seyn ). ö Damals hatte das Land von seinen Landständen nicht den geringsten Vortheil. Die Ursache ist im vorigen angeführt. Es war keine wahre Vertre⸗ tung der Gemeinden. Die Landstände brachten ihre Zeit in leerem Hader mit der Landesheheit hin, der nie zu einem Ziele führte, und der sich langweilig und gestaltlos aus einem Jahrzehend ins andere her— überzog. 2

a. man die Landtagsvoerhandlungen durch, so sieht man, daß der Fehler da lag, daß man nir— gend den Anfang mit dem Anfange machte, und die Hauptfragen zuerst erläuterte, ehe man zu denen überging, die eine Folge von jenen waren. Dann kamen die Landstände, gleich von Anfang dadurch in eine schiefe Stellung zur Landeshoheit, daß sie behaupteten, der Fürst sei primus inter pares, und sie hätten die Bewilligung als kleine Unterfür— sten. Dieses war historisch unwahr, und so lange sie sich in diesem Zirkel bewegten, so mußten, aus alten Misverständnißen, immer neue erwachsen. Hätten sie gleich gesagt; Wir vertreten die Landschaft, vie Land— schaft aber hat die Bewilligung, weil die Landsaßen ächtes Eigenthum befißen; und üherall ist an ächtes Eigenthum das Verwilligungsrecht geknüpft, weil man nur von unächtem Eigenthume, eine Abgabe gegen den Willen des Eigen thü⸗ mers, erheben kann: so ware die Sache gleich klar gewesen. Allein damals war noch kein M öser aufgestanden, der das Recht des teutschen Ackerhgfea mit der Fackel der Geschichte erleuchtet hätte. Das Römische Recht aber hatte das teutsche Bauern echt vergeßen gemacht, und die Sprache war, wie Möser in feiner Osnabrücker Geschichte sagt, eine Verrä⸗— therin der edlen Freiheit geworden. .

Dazu kam, daß die Stände sich selber in der öf⸗ fentlichen Meinung, wo nicht verätlich, doch kiein machten. Nämlich durch ihre Steuerfreiheit, und durch die Dieten, die sie sich selber bewilligten. Wenn der Kurfürst böse auf sie war, so gab er sie ihnen nicht, und nun jammern sie denn in ihren Vorstel— lungen, so sie zum Besten des Landes gemacht, am Ende immer über ihre Dieten, und bitten Se. Kur—⸗ fuͤrstliche Durchlaucht, er möge sie ihnen doch in Gnaden auszahlen laßen, weil sie vom vorigen Land⸗ tage her in Düßeldorf noch nicht ihre, Wirthe bezahlt hätten, und diese ihnen nun nicht länger mehr ihre Zeche borgen wollten. . 3 .

Auf die Reichen, auf die immer die größeren Ehren

„) Man hat schon oͤfter die Bemerkung gemacht: je , das Schiff, je großer das Ruder. Als Foachim Murat im Jahre 1806 Großherzog von Berg und Kleve wurde, so richtete er gleich drer Ministerien ein, dann einen Staatsrath und eine Di- rectiom generale des ponts et chaussces, Zugleich ließ er einen Plan zu einer universitaͤt in Duͤß el dorf ent⸗ werfen, auf der nicht weniger als 70 Lehrstuͤhle seyn sollten, auch einer fürs Persische. Er besaß damals 30 Quadratmeilen. Waͤre er laͤnger als 2 Monate in Duͤßeldorf geblieben, und waͤre sein Finanzminister nicht ein so aͤußerst rechtlicher und einfacher Mann gewesen, so hatte im Bergschen im Jahre 1806 dasselbe Elend wieder begonnen, was unter Jeh ann Wilöhelm im Jahre 1706 statt fand, und das kleine Land ware wie⸗ der unter seiner Armee und unter seinem Hofhalte er⸗ legen. Duüßeldorf würde aber wohlhabend

geworden seyn.