1819 / 101 p. 3 (Allgemeine Preußische Staats-Zeitung, Sat, 18 Dec 1819 18:00:01 GMT) scan diff

Petersburg, vom 39. Nov. Dutch einen Kai⸗ serlichen Ukas vom . d. M. sind zu Präsidenten des Reichsraths ernannt: der wirkl. Geheimerath Fürst Labanow-⸗Rostowskji im Gesetz⸗Departement, der wirkl. Geheimerath Popow im Departement der geistlichen und Civil-⸗Angelegenheiten, und der wirkl. Ge— heimerath Lanskoi in der Bittschriften⸗Kommißion.

Kon stan tünopel, vom 1 Nov. Die Pforte hat in den letzten Tagen des vor. Men. über die zwischen ihr und dem Schah von Persien fortdauernden Gränz— Fehden günstige Nachrichten aus Bagdad erhalten. Die von dem ältesten Sohne des Schah angeführten Trup— pen sind mit großem Verluste zurückgeschlagen worden. ((Man erfährt hiedurch wenigstens, daß die vor ei⸗ niger Zeit verbreitete nähere Vereinigung der Fürsten des muhamedanischen Glaubens keinen Grund hat.)

Deßau, vom 12. December. Heute war die feier⸗ liche Taufe unserer neugebornen Prinzeßin im herzog— lichen Schloße. Als Tauf-Parhen waren erbeten: Se. Majs. der König von Preußen, der Prinz Friedrich von Preußen, die Prinzen Georg und Friedrich von Anhalt-Deßau, der Herzog und die Frau Herzogin von Cumberland, die verwit.« wete Frau Erbherzogin von, Deß au, Mutter unfers Herzogs, die Frau Greßfürstin Alexandra Feo— dorowna von Rußland, die Frau Großherzogin von Meklenbutg-Strelitz, die Prinzeßin Wil— chelm von Preuß en, die Frau Erbgroßherzogin von Schwerin, die Frau Fürstsin von Schwarzhurg— Ru dol stadt und Lie Prineßin Gustav von Hom— burg. Für Se. Maj. den König von Preußen haben der Prinz Fritdrich von Preußen K. H., Bruder unserer Frau Herzogin, Hochstwelche am é.

üeber die Partheien in Frankreich.

Da man außerhalb Frankreich zum Theil irrige Begriffe von den in diesem Lande existirenden Par— thelen hat: so wird vielleicht folgende Auseinander— setzung manchem Leser nicht unangenehm seyn.

Eigentlich giebt es in Frankreich, außer dem Saale der Deputirten- Kammer, neben einer freien Haupt— Parthei, nur eine kleine Minorität. gr der Nation, alle Besitzer von liegenden Gründen (und

seit dem Verkaufe der geistlichen Güter ist fast jeder

Bauer Gutsbesitzer) sind mit ihrem ge enwärtigen Zu⸗ stande zufrieden, und verabscheuen die Idee einer neuen Revolution. Die Anhänglichkeit an das königliche Haus, welches einem Theile der Nation fremd gewor— den war, hat durch das kluge Be r

dieser Familie und durch die Menschenliebe derselben, weiche jede Gelegenheit aufsucht, die Thränen des Un— glücks zu trocknen und ihren wohlthätigen Einfluß un— ter alle Klaßen der Nation zu, verbreiten, sehr zuge⸗ nommen, und wo nur die Königlichen Prinzen und Prinzeßinnen sich sehen laßen, erregt ihre Gegenwart den lebhaftesten Enthusiasmus. Der Wohlstand, wel⸗ cher, seitbem der Friede die Quellen dee selben wieder eröffnete, auf eine beinahe unglaubliche Weise zuge— nommen hat, und wovon die Leich igkeit, mit welcher die Auflagen bezahlt werden, der sprechendste Beweis ist, hat den Namen Buonapartes, deßen eiserne Hand alle Industrie gelähmt hatte, noch verhaßter ge⸗ macht, als er während seiner Tyranney selbst war. Nirgend ist man des Konstitutionswesens herzlicher müde, als in einem Lande, wo man die Erfahrung gemacht hat, wie nichtig alle auf dem Papiere ste⸗ hende und nicht allmäsig aus den Begebenheiten selbst hervorgegangene Stagtsverfaßungen sind, da sie keine Stütze in alten Institutionen haben, und der geschriebene Buchstabe von jeder herrschenden Parthei nach ihren Leidenschaften erklärt werden kann. Dar— aus folgt, daß, wenn man in Frankreich auch im Gan⸗ zen mit denjenigen Modifikationen zufrieden ist, welche durch die vom Könige verliehene Charte einige Zweige der unumschränkten monarchischen Gewalt erlitten ha—

Die große Masse

Betragen der Glieder

dieses von Berlin hier angelangt waren, zugleich di Stelle vertreten. Der neugebornen Prinzeßin wurden bei der Taufe, welche der Saperintendent Consista. rialraih Demarse verrichtete, die Namen Amalie Friederike Augu ste beigelegt.

durch eine Verordnung vom 6. d. unsre erste konsti tuirte Ständeversammlung auf den 16. Januar zu, sammen berufen. Die Mitglieder beider Kammern müßen sich behufs der Verifikation ihrer Vollmachten,

zu welcher die semal nöch eine befondere Kommißl

niedergesetzt wird, 2 Tage zuvor einfinden.

Darm stadt, vom J7. Dezemb. Das gestern be kannt gemachte Regierungsblatt enthält eine Groß herzogliche Verordnung, durch welche die Institution

der Landwehr, deren Uebungen und Ausrüstung durch

die Verordnung vom 22. April d. J. bereits 5 spen dirt waren, seiner ganzen Formation nach gänzlich auß

gehoben worden, „indem (wie es in der besagten Ver. ordnung heißt), mehre Naehbarstaaten nach dem frü⸗—

heren Vorgange mehrer Anderen, und weil felbst in den über die teutsche Heeres-Organisation statt ge habten Verhandlungen vorzugweise das Linienmilitait in Anspruch genommen worden, die Landwehr gän gli aufgehoben haben; ein Ereignis, welches nothwendig da eine Landesbewaffnung dem ursprünglichen Zwecke nur bei allgemeiner Einführung in ganz Teutsch land entsprechen kann, die Bedeatsamkeit einer Landwehrein⸗ richtung in einzelnen Bundesstaaten aufheben mußte.“

„Die Preußische Scheidemünze (Groschen, Böhmen, Dürchen) ist hier durch eine Verordnung vom 23. v. M.

außer Cours gesetzt, und das Preußische Courantgelh auf 105 Kreuzer für den Thaler festgestellt worden.

.

Stuttgart, vom 1. Dezemb. Der König hu

ben ') doch sich nirgend eine große Anhänglichkeit an diese Verfaßung zeigt, und zu vermuthen ist, daß die Nation aus der Hand des Königes dankbar jede Vet beßerung derselben annehmen würde, welche sie den Grundsätzen näher brächte; denn daß die Min icee es wagen sollten, den in der Charte liegenden Ele—

menten des Republikanismus noch größere Entwicke⸗.

lung zu geben, läßt sich wol kaum erwarten. Mit

einem Worte, der aufgeklärte Theil der Nation ist ge gen jede geschriebene Konstitution gleichgiltig, und der

ungebildete denkt sich bei der Charte royale nichts weiter als die Vorbereitung

Mann mit dem Worte Freiheit verbindet.

In diesem Zustande der Ruhe existirt jedoch ein .

Keim zu Misvergnügen und Unruhe, welcher von Ue— belgesinnten sorgfällig unterhalten wird. die sogenannten Nationalgüter. Bekanntlich sind diese von zweierlei Art. Die erste Nationalversammlung,

die zwar die Urheberin alles Unheils ist, welches die Re. volution üoer Frankreich und Europa gebracht hat, aber welcher man doch reine Absichten nicht abspreche

kann, hat sich der ganzen Masse der geistlichen Güter bemächtigt, und dagegen dem Clerus bestimmte Gr halte angewiesen. Diese Güter sind in kleinen Portik nen verkauft worden, und diese Veräuserung hat in mehren Provinzen den Wohlstand ungemein ver— mehrt. Von dem Römischen Hofe ist in einer sp— teren Epoche in diese Beraubung der Kirche ein— gewilligt, und auf diese Weise sind die Gewißen be— ruhigt worden. daß die Geistlichkeit auf jenen Besitz Verzicht geleistet hat; sollte sie ja noch in ihrem Herzen einige Hoffnung hegen, wieder dazu zu gelangen, so ist doch diese sehr entfernt, da die Seelsorger keinen, oder doch in der That einen für Religiosität und Moralität des Vol— kes viel zu geringen Einfluß haben.

*) Es gieht in Frankreich keine andere Konstitution, als die hergebrachte, auf das sogenannte salische Gesetz sich gruͤn⸗ dende erbliche unumschraͤnkte, jedoch durch die Charte Lud⸗ wigs XVIII. in einigen Punkten begraͤnzte Monarchie.

(Fortsetzung in der Beilage.)

jzu einer Ordnung der Dinge, wo man keine Auflagen mehr zahlen wird denn dies ist der einzige Begriff, welchen der gemeine

Dies sind h

Man kann als zuverläßig annehmen,

Beilage zum lor sten Stücke der Allgemeinen Preußischen Staats⸗Zeitung,

vom 18ten December 1819.

Ueber die Partheien in Frankreich.

Gortsetz ung.) . Ganz anders verhält es sich mit einer zweiten Gattung von uneigentlich sogenannten Nationalgütern. Diese haben ihren Ursprung in der schändlichen von dem National; Konvente ausgesprochenen Konfiskätion der Güter derjenigen Franzosen, die entweder aus Treue für ihren Monarchen, oder aus Furcht vor den Greueln der Revolution ihr Vaterland verlaßen hat— ten. Kein rechtlicher Mensch hat je diesen am Pri⸗ vat-Vermögen begangenen Raub gutheißen können, und die öffentliche Meinung hat sich so laut dagegen ausgesprochen, daß obgleich jene Güter, zum Theil mehrmals ihre Besitzer verändert haben, sie doch nie u ihrem wahren Werthe haben verkauft werden können, dee immer um ein Drittel oder die Hälfte woöhlfei⸗

er im Preise stehen, als sogenannte Patrimonial-Gü⸗ ter, wie man zum Unterschied das Eigenthum nennt, an deßen Ursprunge kein Verbrechen klebt. Es muß in der That jedes Gefühl empören, wenn man die Familien

der Ausgewanderten zum Lohne ihrer Treue, neben dem übertriebenen Wohlstande der Käufer ihrer Güter dar⸗ ben sieht. Auch können die Innhaber solcher Lände— reien sich keinen Augenblick ihres Besitzes erfreuen. Das Gewißen tritt früher oder später in seine Rechte ein, und der Fluch, der auf diesen Nationalgütern haftet, ist die Geißel, womit die rächende Nemesis das begangene Unrecht straft. Sie sind der Sitz der heimlichen Krankheit, welche Frankreich zu Grunde richten wird, wenn die Weisheit des Monarchen nicht noch zu rechter Zeit ein heilendes Mittel anwendet.

Die Unzufriedenheit der beraubten Familien, die Un⸗

sicherheit des Besitzes in den Händen der Genießen⸗ sen, die Furcht der letzten, durch den überhandneh⸗ menden Einfluß der ersten zu einer Erstattung ge—

zwungen zu werden, unterhält eine Gährung, in wel⸗ cher keine Ruhe gedeihen kann. Da jedoch selbst die Royalisten keine unbedingte Rückgabe wünschen, so ist die Schwierigkeit, diesem unseligen Zustande ein Ende zu machen, nicht so unüberwindlich als sie auf den ersten Anblick scheint. Lud wig XVIII. hatte den Weg dazu gebahnt, als er in seiner ersten Pro— klamation von 1814 sagte, „das Gesetz wird die Ver— äuserung aller Rationalgüter schützen, und alle fried— liche Vergleiche (transactions) in Ansehung der— selben begünstigen.“ Warum diese Worte der Weis— heit nicht zur Ausführung gekommen sind, wird die Geschichte fagen; es ist hier nicht der Ort die Ursa—

chen auseinander zu setzen. Nur so viel muß zum . Derständnis der Königl. ,, gesagt werden, daß schon vor zwanzig Jahren, als mehre Royalisten in ihr Vaterland zurückkehrten, und das Gefühl des Rechtes anfing in die Gemüther des Volkes zurück iàukehren, mehre Besitzer von Emigrantengütern sich gegen Nachzahlung von verhältnismäßigen Summen, vvon den ehemaligen Eigenthümern Kaufbriefe ausfer— iIigen ließen, wodurch jene Güter die ihnen ankle— vende Makel verloren, in die Kategerie von Patrimo— nial-Gütern traten, und dadurch auf einmal einen doppelten, ja dreifachen Werth erhielten. Aber die Tegierung verbot sehr bald den Notarien dergleichen Kontrakte aufzunehmen, und den Direktoren der Ein⸗ ttzisttirungsgebühren diejenigen Vergleiche einzutra— gn, welche die Partheien versuchen würden, ohne Nitwirkung einer öffentlichen Person zu schließen. Dieses Verbot besteht noch. Ein zweites Mittel, dem Uebel abzuhelfen, hatte der edle Macdonald im An⸗ fange des Fahres 1814 in der Pairkammer vorgeschla— en. Der Beifall, mit welchem das Projekt dieses pairs von der öffentlichen Meinung aufgenommen wurde, ist ein Beweis, wie allgemein man die Noth— wendigkeit einer solchen Maasregel fühlte.

So lang indeß die Wunde nicht vernarbt ist, wird lie Faktion, welche unter dem Mantel liberaler Ideen

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am Umsturze der Monarchie arbeitet, immer Mittel finden, die besten Absichten der Regierung zu ver⸗ eiteln, zugleich aber sich durch Aufrührung der Ge⸗ müther in den Wahlversammlungen, und durch diese in der Deputirtenkammer Einfluß zu verschaffen. Um die Benennungen zu verstehen, unter welchen die verschiednen Faktionen oder Partheien dieser Kam⸗ mer bekannt sind, muß man einen Begriff von der Konstruktion ihres Saales haben. Er stellt das Seg⸗ ment eines Cirkels vor. In der Mitte der Sehne be⸗ findet sich eine viereckigte Vertiefung, und in derselben eine Erhöhung, auf welcher der Stuhl des Präsiden⸗ ten steht; neben ihm, etwas niedriger, sitzen die Sekre⸗ täre; vor ihm, noch einige Stufen niedriger ist die Sprecherbühne, auf welche jeder treten muß, der Et⸗ was vorzutragen hat, selbst die Minister, wenn sie im Namen des Königes sprechen; kein Mitglied kann von seinem Sitze mehr sagen als allenfalls einen ein⸗ zelnen kurzen Satz. Von der Sehne des Bogens, auf ebenem Boden, auf beiden Seiten der Vertie⸗ fung, ist ein breiter Weg, welcher sich mit den Thü⸗ ren endigt, die zu den Conferenzsälen führen. In diesem breiten Wege stehen kleine Tische für die Jour⸗ nalisten, welche die Vergünstigung haben, durch einen ihrer Redakteurs den Debatten beizuwohnen. Ihrer ist ein ganzes Dutzend, und unter denseiben befindet sich der Stenograph, welcher alles was gesprochen wird, für den Moniteur aufzeichnet. Dieses Journal ist das einzige, worin man die Debatten in der Regel unverstümmelt findet; da es jedoch unter einem ge⸗ wißen äuseren Einfluße steht, so sieht es sich zu Zeiten veranlaßt, einige Reden zu liefern, nicht wie sie aus dem Stegreife gehalten, sondern wie sie von den Sprechern nachher zum Einrücken übersandt worden sind. Das Talent der Redakteurs der Übrigen Jour⸗ nale besteht darin, im Fluge die Dinge so aufzufaßen, wie sie im royalistischen, ministeriellen, oder Revblu⸗ tions-Geiste jedes Journals vorgetragen werden müßen. Die beiden royalistischen Blätter, das Journal des Débats und die QGuotidienne, sind beinahe die einzi⸗ gen, welche sich nicht erlauben Unwahrheiten vorzu— tragen); der persönliche Karakter ihrer bekannten Eigenthümer und Redakteurs ist dafür dem Publikum Bürge, aber sie begleiten oft die Vorträge mit ihren Anmerkungen und sind also nicht ganz unbefangen. Von dem beschriebenen Gange erheben sich amphi⸗ theatralisch die Reihen der gepolsterten Sitze für die Abgeordneten der Departements. Ihre Zahl ist 250, da aber der Saal für J50 eingerichtet ist, so bleibt bei einer vollen Sitzung ein großer Raum übrig. Die Sitze sind durch drei von unten hinauf laufende und auf kleine in der hintern Wand angebrachte Thü⸗ ren führende schmale Gänge durchschnitten, und das Amphitheater auf solche Weise in drei gleiche Abschnitte getheilt. Die unterste Bank des mittleren Abschnit⸗ tes wird von den Ministern und den königlichen Kom⸗— mißarien besetzt. Jene haben, auch wenn sie nicht vom Volke abgeordnet sind, das Recht, den Sitzun⸗ gen beizuwohnen; die Kommißarien sind ihnen beige⸗ geben, um mit ihnen über die von der Regierung vor⸗ geschlagenen Gesetze die nöthigen Erläuterungen zu geben, die Einwürfe zu beantworten u. s. w. 8 und die Minister haben das Vorrecht, in jedem belie⸗ bigen Augenblick die Rednerbühne zu besteigen, da die Deputirten in der Regel nur in der Ordnung, wie sie sich haben einschreiben laßen, sprechen dürfen. Die drei Abschnitte des Amphitheaters bilden, was man die rechte und linke Seite des Präsidenten

) Wie schlecht zum Theil das teutsche Publikum bedient wird, kann man daraus sehen, daß, wie durch Ver⸗ gleichung verschiedener Zeitungen mit den Franzdsischen Blaͤttern erhellt, die Debatten der vorigen Sitzun durchaus ohne Benutzung des Moniteur, des Jon des Debats und der Quotidienne erzählt werden sind.