1819 / 103 p. 2 (Allgemeine Preußische Staats-Zeitung, Sat, 25 Dec 1819 18:00:01 GMT) scan diff

die Religionsgesellschaften zu verhindern beabsichtigte. Es waren unser etwa 30 bis 40 Personen. Wer an der Gesellschaft Antheil nehmen wollte, ließ sich durch einen Freund dem Wirthe des Hauses vorstellen. In dieser oder ähnlicher Art erklärten sich sammtliche Beweis und Gegenbeweis-Zeugen. Die Generale Tarahre und Pajol verweigerten die An t⸗ wort. Der Herzog von Broglie und der Baron Stael von Holstein waren ausgeblieben. Das Zeugenverhör wird über 8 Tage fortgesetzt werden.

Das Journal des Debats klagt die Minister dar— über an, daß sie an der heftigen Diskußion in der Kammer der Abgeordneten über die Zulaßung Gre— goires keinen Theil genommen. „Wie? (ruft es aus) die Ehre der Krone steht auf dem Spiele, und die Minister erheben sich nicht auf die Rednerbühne? Um sie her ist Ales in Aufstand, und sie allein sind unbeweglich?“ Das Journal de Faris erwidert hier⸗ auf: „Die Entfernung eines Kandidaten, der für einen Königsmörder gehalten wird, ist kein Gunst, welche die Krone der Kammer erweist, sondern eine Huldi— gung, welche die Kemmer der Krone schuldig ist. Bei der Zulaßung eines solchen Kandidaten, die nicht zu den Befagnißen der Krone, sondern der Kammer ge⸗ hört, steht nicht die Ehre der Krone, sondern die Ehre der Kammer auf dem Spiele. Wollt ihr, daß die Minister, im Angesichte des ganzen Europa, dieses Zeugnis des Nationalgefühles an sich reißen sollen, statt es zu empfangen, und daß sie den Gesetzgebern als Aue opferung abfodern sollen, was sie als freiwillige Opfer— gabe von ihnen erwarten durften?“

London, vom 146. December. Die Bill, durch welche die Waffenübungen untersagt werden, hat die Zustimmung des Prinzen Regenten erhalten. Die Regierung trifft die erfoderlichen Anstalten, um sie ohne Verzug zur Ausführung zu bringen. Es ist kein Zweifel, daß auch die übrigen Gesetz-Entwürfe nach vollendeter Berathung in beiden Häusern werden an— genommen werden. Bei den Erörterungen über die Bill wegen aufrührischer Versammlungen wurde der Antrag „den Geschwindschreibern der Zeitungen das Recht zu bewilligen, öffentlichen Versammlungen bei— wohnen zu dürfen“ im Unterhause mit greßer Stim⸗ menmehrheit verworfen. Die früher behaupteten zahl⸗ reichen Versammlungen der Kohlengruben-Arbeiter wur—⸗ den von einigen Mitgliedern des Hauses als völlig unwahr dargestellt. Auf die Frage eines Mitgliedes nach dem Aufstande auf Santa Maura gab Lord Ca st⸗ lereagh unbefriedigende Auskunft, weil die amtlichen Berichte fehlten.

Der berüchtigte Libellist Hobhouse ist wegen ei⸗

nes Libells, worin er sagt „daß nur physische Gewalt, oder dringende Furcht vor derselben, die Reform des Parlamentes bewirken könne“ nach dem Gefängniße geführt, und soll sich vor dem Hause rechtfertigen. In verschiedenen Gegenden sind Volks versammlun⸗ gen theils gehalten, theils ausgeschrieben, um Addreßen

wider die Billen zu veranlaßen, die indeß zu spät kom— men werden.

Madrid, vom 30. November. Das gelbe Fieber hat in Kadi noch immer nicht ganz aufgehoͤrt. Vom 19. bis 25. d. sind noch 798 Personen gestorben und es waren am letzten Tage noch 113 Kranke.

Ein am 20. September von Puerto-Cabello, dem

Hafen von Venezuela, abgegangenes Fahrzeug hat am 19. d. einen Adjutanten Morillos nach Kadir ge:. bracht, von deßen Depeschen bis jetzt nichts bekannt geworden.

Petersburg, vom 4. December. Se. Kaiserl. Hoheit der Großfürst Konstantin ist von Warschau hieselbst eingetroffen.

Zu Moskau ist der General-Göuverneur, General von der Kavallerie Graf Torm aßow, verstorben.

München, vom 7. December. Unsere politische Zeitung enthält Folgendes. „Es kann nicht oft ge— nug wiederholt werden, daß die Preße in Teutschland

von vielen Seiten im höchsten Grade gemißbraucht wurde, und es ist Zeit, das Volk auf die Schriftstel

ler aufmerksam zu machen, die sich, mit der Feder in der Hand, als Verfechter seiner Rechte, als Begrün=

der seiner Freiheit und überhaupt als Beglücker dei

Menschheit angesehen wißen wollten. Allerdings ist es ein hoher, ja ich möchte sagen, ein heiliger Beruf zum Velke zu sprechen; aber die das Wort führten, hatten die Eitelkeit, daß sie fast nur dahin trachteten,

durch ihre Lehren großes Aufsehen zu erregen; vad daher kam es, daß sie sich ihre Muster in dieser ode

jener Kammer des Auslandes, gleichviel zu welcher Epoche, wählten, und auf diese Weise in einem Geistt schrieben und sprachen, der dem ruhigen Vortrage, der gemäßigten Sinnesart, der würdevollen Haltung des teutschen Karakters entgegengesetzt ist. Nicht daß wit Stände haben, ist antigermanisch; nicht daß wir pe— ( litische Angelegenheiten in Zeitblättern verkehren, it tadelswerth und verwerflich, wol aber der deutlich . ausgesprochene Hang, gesetzliche Gränzen und Allet,

was im bürgerlichen Leben Anstand, im politischen

Schonung und im religiösen Ehrfurcht gebietet, zu

überspringen, und mit der Ungebundenheit jener In—

dependenten in Frankreich und England zum Gegen stande leidenschaftlicher Angriffe zu machen. Mn unterdrückt nicht den Gang der Wißenschaften, mu lähmt nicht geistige Forschungen, nicht den Umschwunz gelehrter Ideen, wenn man Misbräuchen der Preß⸗ freiheit Einhalt gebietet. Daß aber der Geist viele

Scheiftsteller von dieset Seite zu weit ging, wer wird . Dies war der Weg, worauf sich Neur⸗ rungen einzudrängen suchten, welche sich in keinet

es leugnen?

Hinsicht mit unserem eigenthümlichen Zustande vertra— gen. Und so kam es überhaupt, daß in Teutschland, ohne daß wir die Zeiten eines Ludwig XVI. bis auf die Restauration, und die des Cromwels bis auf Englands neuste Periode in unserer Geschichte gelebt, hin und wieder Früchte sich zeigten, deren Geschmac

und Gestalt an fremden Boben erinnerten. Ich will nicht sagen, daß Teutschland so isolirt von allem frem⸗ den Einfluße seyn sollte, wie das ewig stagnirende In— dien von dem der ganzen übrigen Welt; auch er⸗ kenne ich recht wohl, wie die Nationen einer gegensei⸗ tigen Wechselwirkung bedürfen, um sich kräftiger und schneller zu entwickeln: aber bei dem Allen ist wohl zu bedenken, daß viele Einrichtungen, welche dem einen Volke angemeßen und nothwendig sind, dem andern verderblich seyn können, und daß Institutio⸗ nen, die nicht schon früh auf teutschem Boden gewur⸗ zelt, nur mit Vorsicht in denselben verpflanzt, nicht aber, ohne Rückficht auf inheimischen Karakter, nicht aber mit Verletzung des Bestehenden, bei einer Masse von Menschen angewendet werden sollen, die größtentheils kein Bedürfnis danach fühlen, ja die nicht einmal eine rechte Kunde davon haben und die also solche Schöpfungen mit Befremden und Mistrauen betrach⸗ ten, da ihr Sinn, wenn man ihn recht und aufrich⸗ tig betrachten will, immer noch treu am Alten hangt, das unstreitig des Guten recht Viel in sich faßt. Dies jenen Neuerern zur Warnung, die noch weiter gehen wollten, als ihre Zeit. Aber dahin zielte eben der glü⸗ hende Eifer, das war eben die große Angelegenheit un⸗ serer Zeitblätter und Journale: sie wollten p olitisch e Aufklärung verbreiten. So nannten sie das Bestre⸗ ben, womit sie von allen Seiten auf die Geister ein⸗ wirkten, und revolutionaire Gährungstoffe, welche zu unterdrücken Frankreich so großer Anstrengungen, so un sägticher Opfer und der vereinten Kräfte seiner mächtigen Alliirten bedurfte, in die Gemüther pflanz ten. Es hatte sich zu diesem Zwecke eine Anzahl spe⸗ kulativer Köpfe gebildet, welche sich das Wort gege—⸗ ben, in hohen und niederen Schulen, durch öffentlichen und Privatunterricht, durch Zeitschriften und durch Reden, in Gesellschaften und an öffentlichen Plätzen Unzufciedenheit mit der Gegenwart zu verbreiten und das Volk mit Ideen und Ansichten bekannt zu ma⸗ chen, worüber diese Demagogen selbst noch nicht Eins waren und deren sich widersprechende Tendenz den Streit und die Verwirtung, welche bisher nur auf dem litterarischen Felde der politischen Polemik ge⸗ herrscht, unter die ungelehrte Menge verbreitet haben pürde. Die Bundes-Akte hat nach dem 15ten Art. für alle teutsche Staaten die Einführung repräsenta— tiver Verfaßungen bestimmt, und Baiern verdankt der Grosmuth seines Monarchen eine Konstitution, in welcher die Grund⸗Elemente eines Staates, wie sie hi⸗ storisch vorgefunden, in eine der Zeit angemeßene

Form gebracht, und die also der Natien als Bürge

einer gesetzmäßigen Ordnung für Welt und Nachwelt

dargeboten wurde. Alle Klaßen und Stände sehen dar⸗

in ihre Rechte gesichert, und alle vernünftigen In—⸗

tereßen sind auf gesetzmäßige Weise befriedigt, alle Ge⸗

müther sind durch diese Verfaßung betuhigt! Dies

laßt uns erkennen, hier laßt uns stehen und die Früchte

dankbar genießen, die uns geworden. Fern sey von uns jenes politische Tumultuiren, das unzufrieden mit dem Empfangenen schon wieder Neues verlangt; fern jenes Mißtrauen, das in jeder Sicherheitmaas⸗ regel Beschränkung wohlerworbener Rechte befürchtet, fern jenes Vermengen einer rechtmäßigen Ordnung mit demagogischer Freiheit, welche, wie die Erfahtung lehrt, noch immer in Anarchie ausgeartet ist, und de⸗ ren Keime um so schneller ausgerottet werden müßen, je leichter sie gerade heutzutage wuchern. Es ist jetzt der Augenblick, wo Teutschland Zutrauen faßen muß zu dem wohlwollenden Geiste seiner Fürsten. Die Anzahl der Besonnenen im Volke, die seine Lage kennen, ist noch nicht so vermindert, daß nicht die Stimme der Wohlmeinenden und Redlichen verstan⸗ den werden sollte, so groß auch die Verwirrung seyn mag, welche durch so viele Organe der Opposition be⸗ reits unter den Geistern hervorgebracht werden. Bis jetzt haben fast nur einseitige Stin⸗mführer gesprochen, es ist nun Zeit, daß auch eine andere Parthei zum Worte komme, und das aufgeklärte Teutschiand mag urtheilen, welche Sprache mehr Vertrauen verdiene!“

Stuttgart, vom 8. Detember. An die Stelle

des verstorbenen General-Vikars, Fürsten von Ho⸗ henlohe, ist mit königlicher Genehmigung und ver⸗ möge eines für diesen Fall schon unterm 15. Jun. 1816 erlaßenen päpstlichen Breves, nanmehr der Bi⸗ schoff von Evara, von Keller, bisheriger Pro⸗ Vikar eingetreten „bis zur Errichtung eines Bisthu⸗ mes im Königreiche und bis zur Aufstellung eines Landes- Bischoffs“ wie es in der diesfälligen Bekannt⸗ machung vom J. dieses heißt.

In lan d.

Posen, vom 15. December. Se. Maje tät der König haben den abgebrannten Einwohnern der Stadt Gnesen einen ausgezeichneten Beweis Ihrer vãterli⸗ chen Fürsorge durch die Bewilligung ansehnlicher Bau⸗ hilf-Gelder, und durch die Schenkung eines zur Aus—⸗ führung des neuen Bauplanes erfoderlichen Theiles des ehemaligen Starostei⸗ Grundes zu geben geruhet.

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Wißenschaftliche und Kunst-Nachrichten. Die Wiederherstellung des vormaligen hochmeister⸗ lichen Schloßes Marienburg in Westpreußen, so weit solche noch zu bewerkstelligen ist, hat den Herrn Dr. Förster veranlaßt, eine kurze geschichtliche Darstel⸗ lung „Das Schloß Marienburg in West⸗ Preußen“ drucken zu laßen. Sie ist dem Herrn Geheimen Rathe

und Ober-Präsidenten v. Schön in Danzig zugeeig ˖ net, deßen rastlose Bemühungen um die Erhaltung dieser ehrwürdigen Ruine einer großen Zeit dankdar anerkannt werden. Herr Gropius hat, mit dekann⸗ ter Geschicklichkeit, in seinem Theater (im Lagerdause) sieben neue Ansichten des derühmten Schloßes aufge⸗ stellt, zu deren Erläuterung die Schrift des Herrn Dr.

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