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Einrichtung der Bauer des Landrathes oder der Bauer des Majors leichter Befreiung erhielt, als der Sohn eines freien Bauers, der das Unglück hatte, Niemand anzugehören. Denn die Natur der Menschen und der Dinge bleibt sich immer gleich, und in Einem Jahr— hunderte gehen die Begebenheiten, bei übrigens glei— chen Umständen, gerade wie im anderen. Deswegen ist die Geschichte fo lehrreich, und man kann es als einen großen Fortschritt im Verfaßungswesen ansehen, daß man überall zum Geschichtlichen zurückgekehrt ist, und das leere Raisonniren aus Principien, wie Mö⸗ ser es nennt, daran gegeben.
Wurde ein Hof erlebigt, so sorgte der Graf dafür, daß dieser nicht mit einem freien Bauer besetzt wurde, sondern mit einem Knechte, der vielleicht bis jetzt als Häusler in einer kleinen Wohnung des Hofes geseßen; und diese Familie des Knechtes ließ sich nun jede Be— dingung gefallen, auf die ihr der Hof übergeben wurde.
Andere Bauern, die sahen, daß diejenigen Bauern, die den Grafen für ihren Herrn erkannten, es beßer hatten als sie, hielten es der Klugheit für angemeßen, den Grafen ebenfalls für ihren Herrn zu erkennen, und ihm als solchen jährlich einen gewißen Zins von ihrem Gute zu geben. Sie verloren hiedurch das echte Eigenthum am Gute, und hörten auf schöf— fenbare Männer zu seyn, eben weil sie ihr Echtwort verloren. —ĩ
In dieser Periode entwickelte sich auch das Lehn— wesen, was den Untergang der freien Landbauern un— gemein beförderte. Die Güter, auf denen die Fami— lien erloschen, oder denen fie im Kriege genommen worden, wurden nicht wieder einer andern Familie zu Erb und Eigenihum übergeben, sondern nur zu Lehn mit dem Beding, dem Lehnherrn im Kriege zu— zuziehen. Der Bauer, so auf ihnen saß, war also kein echter Eigenthümer.
Sonst übte der Staat die Oberlehn über jeden Ackerhof aus, und jeder Besitzer wurde, wenn der Staat in Gesahr war, durch den Heerbann aufgebo— ten. Jetzt mußte jeder Lehnträger schon gerüstet aus— ziehen, wenn er nicht vom Staate, sondern von sei— nem Lehnherrn aufgeboten wurde.
Bischöfe und Klöster hatten die Verbindungen und den Einfluß, den sie hatten, dahin benutzt, daß sie un— abhängig vom Grafen (vom Landrathe) geworden, in— dem ste einen Voigt (Advocatus) angenommen, der ihre Leute befehligte. ; . Die Bauern, welche nun unter der Bischofmütze oder unter dem Prälatenhute standen, hatten es eben— falls beßer als die anderen, da sie doch ihre Hilfe in der Nähe hatten, und beide, der Bischof wie das Klo— ster, schon ihres eignen Vortheiles wegen, nicht wollten, daß ihre Bauern gar zu sehr geschunden und geplagt würden. Andere Bauern, die dieses sahen, begaben sich ebenfalls in den Schutz des Bischofs oder des Klosters, übertrugen ihnen ihre Höfe, erkannten sie als ihre Herrn und bezahlten einen gewißen Zins. Hiedurch verloren sfte ebenfalls das echte Grundeigen— thum, obgleich sie vor wie nach auf den Höfen blie— ben. Allein sie hielten es für beßer, die gegenwärtige Ruhe mit dem Verluste der Freiheit zu erkaufen, und so den Plakereien des Grafen zu entgehn, indem sie un⸗ ter ihm weg und unter den Voigt des Klosters kamen.
Daß die Aufmahnung zum Heerbanne sich in ein Aufgebot verwandelt, die mannitio in eine ban- nitio, und daß der Graf aufbieten konnte, und gar nicht zu mahnen brauchte, das führte den Un⸗ tergang der freien Landeigenthümer herbei.
Hierzu kam, daß die Grafen-Aemter nach und nach erblich wurden, wo also das, was eine Familie einmal in ihrem Gau an Gütern erworben, auch bei ihr blieb, bis sie nach und nach einen großen Theil des Gaues an sich gebracht.
Hiedurch kam es denn, daß der freien Hofbe— sitzer, so noch echtes Eigenthum besaßen, immer
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weniger wurden, und daß der teutsche Ackerboden sich überall in Lehn⸗-, Pacht-, Zins- und Bauer⸗ Gut verwandelte.
Diejenigen Familien, die in dieser Periode noch echtes Eigenthum bewahrt hatten, zogen sich von den Pacht-, Zins- und Lehnleuten zurück, und hießen freie und schöffenbare Leute. In Urkunden: liberi und liberi scabini. Ihre Güter Freigüter oder freie Bankgüter.
Aus diesen Familien stammt unser alter landsäßi— ger Adel. Es sind die wenigen freien Bauer-Fami— lien, so noch übrig geblieben, echtes Eigenthum bewahrt und keinen Herrn über sich er⸗ kannt hatten.
Diese Familien sind also dadurch aus den andern Bauerfamilien hervorgehoben, nicht daß sie gestie— gen, sondern daß jene gesunken, nicht daß sie beßer, sondern daß jene schlechter geworden.
Dieses waren die Ingenui der Teutschen, acht⸗ bare und schöffenbare Leute, die nun eine beson⸗ dere Zunft oder Innung bildeten, da in der ganzen Welt das Gleiche sich zum Gleichen gesellt.
Die Reichsbedienten, als die Grafen (Comites), Dinggrafen (Vice- comites), ferner die Vögte (Advo—- dati) der Klöster und ihre Stellvertreter die Dingvögte (Vice - ad vocati), alle diese wurden aus den freien und schöffenbaren Leuten genommen, und so kam denn vielfach Amt- und Dienst-Adel noch zum angebornen Land- und Bauer-Adel.
Sie nannten sich nun, indem sie sich von den an⸗ dern Landbauern und Dienstleuten (Ministerialibus) schieden, Edle und Freie (nobiles et liberi)h. Wenn sie in Urkunden als Zeugen erschienen, setzten sie ihre Unterschriften immer vor die der Dienstleute.
Ebenfalls heuratheten sie nicht in die Familien der Dienstleute, sondern heuratheten unter sich, so wie die⸗— ses in jeder Innung Sitte, wo der Meister wieder eines Meisters Tochter nimmt.
Eine sonderbare Wendung nahm dieser Adel in der folgenden Periode, wo ihn der Dienstadel überwuchs, und wo er genöthigt war, sich mit diesem zu vermi— schen, um nur adelig zu bleiben.
Eine zweite Art Adel entwickelte sich nämlich aus dem Kriegsdienste, aus den Gefolgen (cmitatihus). Diese bestanden blos aus Reiterei, welche nicht von ihrem Eigenthume, sondern blos für Löhnung (bene— ficia) diente. Da diese Gefolge, so die Herzoge und Fürsten unterhielten, sich bestindig in den Waffen übten und unter sich die Ritterspiele einführten, so gelangten sie gar balb zu demjenigen Ansehen, welches jetzt im Heere die Linie hat. Sie hatten in ihrer Verfaßung drei Stufen, indem nämlich einer zuerst gewiße Jahre als Simplex oder Waffenjunge, und wiederum gewiße Jahre als Famulus ober Knappe die— nen mußte, ehe er von der ritterlichen Zunft als Miles (später Ritter) aufgenommen wurde Y.
Diese Abtheilungen in Stufen war uralt. Schon zu den Zeiten des Tacitus fand sie sich in den Ge— folgen, wif man aus den Worten sieht: quin etiam comitatus gradus habet.
Von Anfang mochte der hohe und niedere Dienst— Adel aus dem vorhandenen hohen und niederen Land— Adel genommen werden. In der Folge aber nahm die Dienstmannschaft (nach dem gewöhnlichen Gange aller Gilden, die nur Meistersöhne aufnehmen) nur Dienst— mannskinder zu Waffenjungen an, und so konnte so leicht aus den andern Ständen keiner hineinkommen.
I) Siehe Moͤser uͤber die Adelsprobe in Teutschland im 4. Bande der Phantasien. Gewoͤhnlich diente einer vom 14ten bis 21sten Jahre als Famulus oder Knappe.
(Fortsetzung folgt.)
Redaktion in Aufsicht: von Stägemann. Reimersche Buchdruckerei.
— 6 6 6646 m 6464 633 3 . .
Al gemeine
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Preußische Staats- Zeitung.
44e Stuck. Berlin, den 11ten Januar 1820.
J. Amtliche Nachrichten.
Kronik des Tages.
Berlin, vom 11. Januar. Se. Königliche Majestät haben geruhet, den bisherigen Ober-Lan⸗ desgerichts-Vice-Präsidenten Morgenbeßer zu Kö— nigsberg in Preußen, zum Präsidenten des Ober-Lan— desgerichtes daselbst zu ernennen.
Se. Königliche Majestät haben geruhet, den bisherigen geheimen Justiz⸗ und Kammergerichts-Rath von Tettau zum Vice-Präsidenten des Ober⸗Lan⸗ desgerichtes zu Marienwerder zu ernennen.
Der Justiz-Kommißarius Keus zu Dülmen ist auch zum Notarius publicus in dem Departement des Ober⸗-Landesgerichtes zu Münster bestellt worden.
II. Zeitung s⸗-Nachrichten.
Ausland.
Paris, vom 1. Januar. In der Sitzung der Kammer der Abgeordneten vom 30. v. M tadelte Herr B. Coönstant die Faßung des Protokolls der letzten Sitzung, weil es bei aller Weitläuftigkeit dennoch die Verhandlungen nicht treu und erschöpfend wiedergebe. Während man die Aeuserungen der Minister mit be— sondrer Sorgfalt auseinandersetze, gehe man über die Einwürfe ihrer Gegner flüchtig hinweg.
Verschiedene Bitischriften wurden vorgetragen. Eine derselben, das Gesuch eines Officiers der Ehrenlegion, sei⸗ nen Gehaltabzug betreffend, veranlaßte den Generallieu— tenant Gr. Foy (von der Linken) in einer ausführli— chen Rede über die Behandlung zu klagen, welche das Institut der Legion seit dem Jahre 1814 erlitten, und das Schicksal ihrer wohlverdienten Mitglieder, die zum Theil von Almosen zu leben sich genöthiget sähen, der Theilnahme der Kammer zu empfehlen. Man beschloß die Uebersendung der Bittschrift an den Präsidenten des Ministeriums und an den künftigen Ausschuß für das Budjet.
Die Rede des Grafen Foy, die ihm stellenweise bereits in der Kammer das laute Mißfallen der rech— ten Seite zuzog, indem er z. B. die älteren Orden des heil. Geistes, des heil. Mich gel, des heil. Ludwig, Stiftungen unpopulairer Fürsten nannte, haben die royalistischen Tagesblätter heftig gegen ihn angeregt. Man fragt ihn, ob der Stifter des Ordens der Eh— renlegion populairer gewesen sey als der Bekämpfer her Feudalität, Ludwig XI.; man macht ihm be— merklich, daß eben jetzt die Popularität des Ordens vom heil. Michael einen Pair von Frankreich (den Gr. Bertholet, einen bekannten Chemiker) veran— laßt habe, ihn abzulehnen.
Dagegen sind die sogenannt- liberalen Tagblätter über die Beschlüße, welche die Kammer der Pairs bei Gelegenheit einer ungeziemenden Bittschrift zu Gun— sten der verbannten Königsmörder auf die Anträge des Marquis von Lally⸗-Tolendal und des Marschals Prinzen von Eckmühl gefaßt hat, in Bewegung ge⸗ setzt worden. Die beschloßene Zerreißung der Bitt⸗ schrift wird ein willkürliches Parlements-Urtheil ge— nannt. (In Anspielung auf das Urtheil des Parle— ments von Paris, welches den Vater des M. von Lally ungerecht zum Tode verurtheilte. Als ob der
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Beschluß der Tagesordnung nicht auch ein Urtheil, und 10 ob die Kammer der Pairs eine durch Ueber⸗ sendung solcher Bitischrift ihr zugefügte Schmach, ih Attributen gemäß, nicht zu rügen befugt wäre!) 2 trag des Marschals Pr. von Eckmühl, daß
tionsausschuß solche Bittschriften in der Kam⸗ 8 „t mehr zum Vortrage bringen solle, wird als ein Lingriff in das verfaßungsmäßige Petitionsrecht noch härter getadelt. Er könnte aber, insofern er die Angelegenheit des Bittstellers blos von den Ansichten eines Ausschußes abhängig macht, nur dann wesenk⸗ liche Besorgnis erregen, wenn die Kammer der Ab⸗ geordneten denselben Beschluß faßen sollte. Der aus dem entschieden erklärten Royalismus des Prinzen von Eckmühl gezogene Schluß, daß die Bourbons ihre treusten Anhänger unter den vormals treusten Anhängern Bonapartes zu suchen haben, ist wol voreilig und zu gewagt.
Dieser Beschluß übrigens, und die von mehren Seiten eingehenden Addreßen wegen Erhaltung des Wahlgesetzes, haben die Frage von dem Rechte der Petitionen im Allgemeinen, und insbesondere mit Rück⸗ sicht auf die Kollectivpetitionen in unseren Tagblät⸗ tern angeregt und vielseitige Erörterungen veranlaßt. Das Journal de Paris unterscheidet das Recht der Vorstellungen (pétition) von dem Rechte der Be⸗ schwerdeführung (plainte) und vetsteht, in Bezug auf einen an die konstituirende Versammlung über diesen Gegenstand erstatteten Bericht, unter dem er⸗ sten das Recht jedes Staatsbürgers, der Regierung über Gegenstände der Gesetzgebung oder Verwaltung, seine Ansichten und Meinungen mitzutheilen; unter den andern das Recht jeder Person, wider Beeinträch⸗ tigung in ihren Rechten Schutz zu suchen. Das Recht der Petitionen entspringe aus der Volks-Sou⸗ verainität, und könne deshalb jetzt nicht weiter ein⸗ geräumt werden ꝛ. (Der Irrthum ist , , Jede verständige Regierung wird über ihre Gesetzge⸗ bung und Verwaltung sehr gern alle Einsschten, die sich ihr darbieten, zu Rathe ziehen, und deshalb gern jedem Unterthanen das Recht gestatten, seine Bedenk⸗ lichkeiten und Bemerkungen ihr mitzutheilen, wie es bei uns im §. 156. Tit. 20. Th. II. des Landrechtes ausdrücklich geschehen ist und wie dieses Recht bei uns von jeher ausgeübt wird, ohne daß irgend Je⸗