1820 / 17 p. 1 (Allgemeine Preußische Staats-Zeitung, Sat, 26 Feb 1820 18:00:01 GMT) scan diff

Sand hat gewis darauf gehofft, daß ihm nachfolgen würden, die fühlten wie er.“

Hiermit stimmt die Aeuserung des Ghmnasiasten L. . .. überein: „Hat das Volk erst diese Himmels⸗ Güter (Einheit und Freiheit) erkannt, dann ist das Geschrei von Morden und Abmurksen unnütz.“

Sands gräßliche, und dennoch von manchen pflicht⸗ vergeßenen Lehrer gepriesene That, und dieser Verbre⸗ cher selbst, erschien bethörten Schülern als eine Art von unerreichbarem Vorbilde.

Ein anderer Jüngling von 1 bis 18 Jahren äu— sert unter andern in einem Briefe vom 2. Derb. 1819 „Ich will den Fall setzen, daß sich Einer hingeben muß zu einer Hochthat, nun dann, da hilft und gilt nicht lange Besinnen. Wenn man einmal erfaßt, die That ist noth und recht vor Gott, so ist Jeder der's erfaßt, zur That berufen; drum meine ich, muß sich auch keiner besonders weihen. Wahrlich, wahrlich, wir sind alle geweiht, auch brauchts dazu keiner vorzügli⸗ chen Reinheit, daß man etwa glaube, man müße ganz ein Sand sehn, und könne eher die That nicht thun; wenn nur der Beweggrund zur That rein ist, mögen wir sie thun. Hier hast Du auch gleich noch Etwas, wie dem Vaterlande geholfen werden kann, wie wir helfen müßen, wenn wir nicht anders können. Schon einmal schrieb ich Dir davon, weiß nicht ob Du mich verstanden, ich meine aber, daß wir die bösen Sünder, die das Volk verführen, die K otzebuben, de⸗ ren es noch Viele giebt, da wir die Sünde haßen müßen und vertilgen, auch vertilgen müßen und wirkungslos machen, seys wie es sey.“

Eben dieser Jüngling meldet in einem Briefe vom 18. Jul. 1819. „Von einem Rechtswißer habe ich gehört, es sey nicht verboten, Dolche zu haben, und das ist gut; man kann also ohne Hehl einen machen laßen. Irre nicht an mir, so Du hören soll— test, ich befleißige mich der Stutzerei; ich glaube, wir kennen uns; bei mir wird sich weder der Arge noch Furcht dahinter verstecken. Als Herrmann den Va⸗ rus schlagen woll te, er den Tag zuvor mit ihm freundschaftlichst zu Mittage.“

Zum Belag des Bestrebens, diese Grundsätze zu verdreiten dient der Brief des schon angeführten Hand⸗ lungs-Lehrlings an einen Freund, einen Burschen von gleichem Alter, vom 4, September 1819, worin es un— zer andern heißt: „Warum wirk' ich denn beim an⸗ dern Volk, bei den Nichtturnern? die nehme ich meist für das Turnen, für die allgemeine Sache und für meine Rede ein. Jedem setze ich die wahre Freiheit auseinander, und da leit ich Alles darauf hin, sage ih⸗ nen von der Führung derselben. Doch das kannst Du Dir ja Alles denken. Sieh, die Handwerker laßen sich wohl leiten und lenken.“ So wie deßen Brief an denselben vom 2. Octb. 1319. „Bruder, es regt sich herrlich allenthalben! Ließ die heutige Zeitung, wie es in England steht und geht, und was die Bösen in der letzten Verzweiflung über Teutschland beschloßen, wodurch sie sich noch ein wenig zu halten gedenken. Das böse Gewißen treibt, sie und sie ahnen blos den Morgen, dafür ihnen fürchten müßte. Doch diese Sache scheint mir Vorbereitung zu seyn zum letzten fürchterlichsten Kampfe und der Herr wird die Seinen führen. Aller Orten stehts Volk auf, Bruder! Du theilst gewis was ich fühle, wir ahnen jetzt herrliche Dinge. Laß uns beten, daß wir nicht wieder klein— müthig werden.“ Und endlich desselben Brief vom 21. desselben Monats. „Diese ganze Sache ist gewis nur eine Vorbereitung einer noch größeren. Der Morgen der da kommen soll, nach dem wir unsere Sehnsucht in schöne Lieder hauchen. Tant auch nur erst auf unsern Gräbern das freie Volk.“

Dieser Fanatismus gehet so weit, daß selbst das größte der Uebel gewünscht wird, wenn es nach der Ansicht dieser Schüler zu ihrem Ziele führen kann. „Du hast recht (heißt es in dem obengedachten Briefe

vom 21. Oktb. 1819), nur ein Krieg kann helfen, und harte Bedrängniße von Außen. Das sagte Lein Primaner) auch einstens in der grimmigen Ver⸗ zweiflung. Hier Noth oder da Noth oder Tod, könnte

man fragen. Verzweiflung in der schrecklichsten Noth

hat schon eher bewirkt, wonach Jahre lang vergebens gestrebt wurde. Wenn nur erst Krieg wäre, da weiß man doch woran man ist. Laß uns harcen und im— mer gerüstet seyn.“

Aus der großen Menge der, unter den in Beschlag genommenen Papieren gefundenen, gedachten Geist athmenden Gedichten und Liedern, wird hier für jetzt nur nachstehendes von einem Gymnasiasten im An— fange des Jun. 1818 verfertigte Gedicht mitgetheilt:

Verlaß uns nicht, Herr hochgelobt! Wenn endlich wird das Jahr erscheinen, Wo Bruder gegen Bruder tobt,

Und wo der Vater Feind den Seinen 3 Wo endlich mal nach langem Biegen, Das Volk mit Fuͤrst kurz abgebrochen; Und feile Schmalzgesellen liegen

Und pruschen, zu dem Thron gekrochen.

Verlaß uns nicht, wenn bis dahin

Sie oft an unser Haͤuflein setzen,

Mit Spaͤhern und Tyrannensinn

uns moͤchten wie die Hunde hetzen.

Dann staͤrke Du Verstand und Glauben, Wenn Jahre Arbeit eitel scheinen,

Wenn sie uns zwicken, wenn sie schrauben, Laß uns laut lachen, bis sie weinen.

Wenn zu dem Weib der Nachbar spricht, Und zu den Kindlein die Blut weinen: „Herzvater geht zum Hochgericht,“

Dann troͤste Su, sey Schirm den Deinen. Nehmt hin, Ihr Argen! Weib und Kinder, Nehmt Vater, schlinget was Ihr wollt:

Zur Freiheit helft Ihr uns geschwinder, und Eure Rechnung steht sehr voll.

Verlaß uns nicht! Halt Du die Zucht, Wenn nun die hochbegluͤckte Menge,

Da sie gefunden, was gesucht,

Zu weit schweift in dem Volksgedränge. Wenns Freiheit heißt, und frei wird stehen Der Mann, wie Du ihn frei geschaffen, Wenns aus ist mit dem Koͤnigsblaͤhen, Wenns gilt die That nicht bloßes Gaffen.

Wenn Sens' und Harke maͤht und sticht

Bei wunderschönen Erndteliedern,

Wenn vor dem Landsturm nichts haͤlt Stich, Dann halt Du Mannszucht in den Gliedern. Wenn Gard'n anfangen auszukneifen,

Wenn Doppel-Eid ) und Sold nicht halten, Der Adel tanzt, wie wir ihm pfeifen,

Dann wuchte Du das Schwert zum Spalten.

Des Priesters Segen gieb Gedeihn;

Bein Geist treib alle Waffenschmiede; Zum Beten wollst Du Kraft verleihn

Dem Weib, dem Barden zu dem Liede; Bie Jugend fuͤhr' zur Bibel und Geschichte, Zur Lust ein frei Geschlecht zu werden, Des Wehrmanns Hieb gieb voll Gewichte, Die bleiben, bett in freier Erden.

Und haben wirs gut aus gekaͤmpft,

Laß nicht durch laͤppisches Erbarmen,

Die immer teutsche Kraft gedaͤmpft,

Den Muth uns windelweich erwärmen. Jetzt liegen zwar wir arme Suͤnder,

Weil Volk und Kirche war verlaßen, Doch sind wir einst der Freiheit Kinder, Richtst Du uns auf, und wirst uns halten.

ere

) In einer Anmerkung ist geaͤusert, die Garden schwuͤ⸗ ren nehen dem gewoͤhnlichen Dienst-Eide noch einen außerordentlichen Eid.

(Wird fortgesetzt.)

Redaktion in Aufsicht: von Stägem ann. Reimersche Buchdruckerei.

. meer,...

Allgemeine

Preußische Staats— Zeitung.

d

1723 Stück. Berlin, den 26sten Februar 1820. ——————

Zeitung s-Nachrichten.

Paris, vom 19. Februar. Der frevelhafte Mord, der von der Hand eines politischen Fanatikers dem Le⸗ ben des Herzogs von Berry ein Ende gemacht, hat überall, wie in der Hauptstadt, so durch das ganze Land, wohin die Nachricht nur gelangt ist, den tief— sten Abschen erregt. Durch den Tod des Prinzen ist die Hoffnung Frankreichs, daß die Krone dem regieren— den Zweige des königlichen Hauses werde erhalten wer⸗ den, noch nicht ganz erloschen, weil die nun verwit⸗ wete Prinzeßin sich schwanger befindet. Man brachte dieses erst in Erfahrung, da der Prinz die trostlose Prinzeßin bat, ihren Schmerz mit Rücksicht auf ihren Zustand zu mäßigen. Sie hat vorläufig das Schloß zu St. Cloud zum Aufenthalte gewählt, wohin ihr die Herzogin von Angouleme gefolgt ist.

Die Wunde des Prinzen ward von den herbeige⸗ rufenen Wundärzten sogleich für lebensgefährlich er— klärt. Sie war durch ein zweischneidiges 8 Zoll lan⸗ ges Meßer beigebracht, 6 Zoll tief eingedrungen.

Man führte den entseelten Leichnam in den Lou— vre, woselbst er in einem Zimmer des Gouverneurs niedergesetzt wurde.

Seit gestern sind die Anstalten zur feierlichen Aus⸗ stellung der Leiche beendigt und das Publikum wird zugelaßen. Die Kolonnade des Schloßes, von der Seite des Platzes Saint Germain, ist ganz schwarz be⸗ hängt. Die Zimmer sind einfach verziert; dasjenige, in dem die sterbliche Hülle des verewigten Prinzen ruht, erweckt mit seinem Trauergerüst einen frommen Schmerz. Unter einem reich verzierten Thronhimmel erblickt man den Sarg, bedeckt mit dem Herzogsman⸗ tel, der mit goldnen Lilien durchwirkt und mit den Ordenszeichen des Prinzen belegt ist.

Alle öffentliche und Privatlustbarkeiten sind ein⸗ gestellt; und kann ein Trost in dieser bejammerns⸗ werthen Begebenheit den König und die königliche Familie aufrichten, so ist es der theilnehmende Schmerz, der sich überall und in allen Ständen des Volkes so lebhaft kund thut.

Der Moniteur enthält die Akte über das Ableben des Prinzen. Karl Ferdinand, Herzog von Berry, war am 25. Januar 1778 zu Versailles ge⸗

boren, und vermählt mit der Prinzeßinn Marie Karoline Ferdinande Luise, Tochter des Kron⸗ Prinzen von Neapel, am 17. Juni 1816. Eine Prinzeßin ist aus dieser Ehe hinterblieben.

Schon am 14. nachmittags 5 Uhr hatte die Kam⸗ mer der Pairs sich zum Könige verfügt, der auf die kurze Anrede, worin der Kanzler im Namen der Kam⸗ mer deren schmerzliche Theilnahme an dem Unfalle des königlichen Hauses bezeigte, zur Antwort gab: „Ich empfange mit Wehmuth den Ausdruck der Gesinnun⸗ gen der Pairs, aus welchen Ich gern ersehe, daß sie alle Maasregeln zu befördern geneigt sind, welche die Umstände so nothwendig machen, und welche Ich un⸗ verzüglich vorschlagen werde.“

Der Deputation der Abgeordneten, die um 8 Uhr abends, in Begleitung des größten Theiles der Mit- glieder, ihre Addreße überbrachte, erwiderte der Kö⸗ nig: „Ich bin tief gerührt durch den Antheil, welchen die Kammer der Abgeordneten an Meinem gerechten Schmerze nimmt. Ich höre mit Wohlgefallen, daß sie bereit ist, meine Ansichten bei diesem traurigen An⸗ laße zu befördern. Sie darf nicht zweifeln, daß ich, von Herzen Mensch, der Pflicht nach König, diejeni⸗ gen Maasregeln ergreifen werde, die den Staat vor Gefahren sichern, gegen welche die heutige Frevelthat mich nur zu sehr gewarnt hat.“

Die Kammer der Pairs hatte sich am 14. versam⸗ melt und war über die dem Könige zu überreichende Abdreße in Berathung getreten, als sie die Botschaft erhielt, daß sie zum obersten Gerichtshofe ernannt worden sey, um das Urtheil wider den Mörder zu fällen. Sie glaubte hiedurch ihren Standpunkt ver ändert und beschloß, statt der Addreße, durch eine De⸗ putation, welcher sich smmtliche Mitglieder anschlie⸗ ßen könnten, dem Könige nur ihr tiefes Beileid zu bezeigen.

Die Kammer der Abgeordneten befand sich am 14. in oͤffentlicher Sitzung; alle Tribunen waren unge⸗ wöhnlich gefüllt; ein tiefer Schmerz drückte sich auf allen Gesichtern aus; es herrschte eine Todtenstille; das Protokoll der vorigen Sitzung ward verlesen, und auf die gewöhnliche Frage des Präsidenten: ob dabei