1820 / 41 p. 1 (Allgemeine Preußische Staats-Zeitung, Sat, 20 May 1820 18:00:01 GMT) scan diff

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ueber die im Feldzuge nach Rußland im Jahre 1812 Vermißten.

Die Preußische Verwaltung hatte in den im Be⸗ freiungskriege wiedereroberten Rheinisch⸗Westphäli⸗ schen Provinzen kaum begonnen, als sich das Bedürf⸗ nis zeigte, über das Schicksal der Militair-Personen, welche mit dem Französischen Heere im Jahre 1812 nach Rußland gegangen und nicht zurückgekehrt wa⸗ ren, nähere Nachrichten einzuziehen. Außer dem Ver⸗ langen betrübter Verwandten nach ihren Angehörigen, that sich noch ein anderes wichtiges Intereße kund: Erbschaften konnten nicht regulirt, Ehen nicht als getrennt erachtet und zu neuen nicht geschritten wer⸗ den; denn obwol bei den schrecklichen Unfällen, welche das Französssche Heer betroffen hatten, der Tod der Mehrzahl nicht zu bezweifeln war so ermangelte doch in den einzelnen Fällen in der Regel eine hinläng⸗ lich sichere Bescheinigung darüber. Auch mußte als möglich angenommen werden, daß Viele als Kriegs⸗ gefangene in dem weiten Rußischen Reiche in Lagen gerathen wären, woraus sie jetzt gezogen zu werden. wünschen und sich nach ihrem Vaterlande zurückseh⸗ nen möchten. Auf Antrag der Königl. Gesandtschaft zu St. Petersburg wurden nun zwar von der Kaiserl. Rußischen Regierung, mit der größten Bereitwilligkeit, die zweckmäßigsten Verfügungen an die Chefs der Armee-Korps, an die Gouverneurs der Provinzen und an die administrativen Behörden des Rußischen Reiches erlaßen, um den Angehörigen der Verstorbenen sich ere Bescheinigungen des erfolgten Todes zu verschaffen und den zuräckgebliebenen Kriegsgefangenen die ge— wünschte Rückkehr in ihr Vaterland zu erleichtern. Vorzüglichen Erfolg hatte jedoch eine Sendung in das Innere Rußlands, womit das Preußische Ministerium den Hanäverschen Lieutenant Meyer, mit Bewilli⸗ gung der Rußischen und Hanöverschen Regierung beauf— tragte, um Nachrichten über die vermißten Militair— Personen zu sammeln.

Der Lieutenant Meyer hat auf dieser Sendung sechsunddreißig Gouvernements des Rußischen Reiches bereist. Die von den Preußischen Behörden aufge⸗ nommenen Listen, welche ihm mitgegeben wurden, ent⸗ hielten die Namen und Bezeichnungen von beinahe sechszehntausend Vermißten. Durch die gedachte Reise sind nun von 5850 dieser Vermißten bestimmte Nach⸗ richten erlangt worden. Bei agss ist ihr Ableben fest⸗ gestellt; bei Joa nachgewiesen, daß sie in der Rußisch⸗ teutschen, nachmals in Teutschland aufgelösten Legion Dienste genommen haben; bei a9, daß sie aus Ruß—

land entkaßen sind, und bei den übrigen 117, daß sie

in Rußland selbst noch am Leben sich befinden, und zum Theil den Rußischen Unterthanen-Eid geleistet haben. Außerdem hat der Lieutenant Meyer noch über das Ableben anderer 2845 teutscher Soldaten, die in den ihm mitgegebenen Verzeichnißen nicht aufgeführt sind, und über deren eigentliche Heimat sich zur Zeit nichts Näheres ausgemittelt hat, Nachrichten gesam⸗ melt. Es ist nicht unwahrscheinlich, daß darunter noch Solche sich befinden, bie als Preußische Untertha⸗ nen angesehen werden müßen, obwol sie bei Anferti⸗ gung der dies seitigen Verzeichniße nicht berücksichtigt werden konnten, weil ihre Angehörigen sich beim öf— fentlichen Aufrufe nicht gemeldet hatten. Alle wegen der vermißten Preußischen Unterthanen genommene Waasregeln sind von der Königl. Gesandt⸗ schaft zu St. Petersburg, nach dem Wunsche der be⸗ hörigen Regierungen, gieichmäßig auch angewandt worden, um das Schicksal der in gleicher Veranlaßung vermißten kurfürstl. Heßischen, großherzogl. Heßischen, Mecklenburgischen und herzogl. Oldenburgschen Unter. thanen zu erforschen; und der Erfolg der Reise des gieutenants Meyer in dieser letzten Beziehung, besteht darin, daß ahnliche Nachrichten über 551 kurfürstliche, 1163 großherzogl. Heßische, 553 Mecklenburgsche und gas Oldenburgsche ünterthanen erlangt worden sind. Die Richtigkeit und Wahrheit dieser Nachrichten ist durch die aus fast allen Gouvernements mitge⸗ brachten, von der Gesandtschaft zu St. Petersburg

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beglaubigten Atteste in so weit bescheinigt, als dare aus hervorgeht, daß überall dem Lieutenant Meyer

die besten amtlichen Nachrichten zur Benutzung mit⸗

getheilt worden sind. Erwägt man nun, daß über die vor dem Rückzuge

auf den Schlachtfeldern Gebliebenen oder in den Hospi⸗ tälern des Französischen Heeres Verstorbenen in Ruß⸗ land keine Nachrichten zu suchen waren; erwägt man ferner, daß unmittelbar nach dem Rückzuge, nach den Berichten der Rußischen Behörden, über 175,000 Leich⸗ name in Rußland gefunden und verscharrt worden,

von welchen keine weitere Nachricht aufzufinden war, Heere gehört, welches

als daß sie zu dem feindlichen in Rußland einbrach; zieht man in Betrachtung, daß,

nach ausgemittelten Tharsachen '), von den Gefange⸗

nen der dedeutendste Theil ein Opfer pestilenzartiger Krankheiten und der schrecklichen Verhältniße, mit welchen sie zu kämpfen hatten, geworden ist, ehe man nur ihre Namen aufzeichnen konnte: so gewinnt man die Ueberzeugung, daß nur die sorgfältigste Nachfor⸗ schung über das Schicksal der Vermißten ein so ergie⸗ biges Resultat, als die Reise des Lieutenanis Meyer gewährt hat, liefern konnte— Insbesondere wird es klar, daß, wenn die ganze Masse der lebend und übrig Gebliebenen verhältnißmäßig so klein seyn mußte, die der wirklich noch in Rußland sich Aufhaltenden über— haupt nur sehr gering seyn kann.

Angeblich aus Rußland zurückgekehrte ganz unzu—

verläßige Personen, zum Theil erweislich Landstreick er, haben zwar Gerüchte verbreitet, als gäbe es im In⸗ neren von Rußland noch ganze Schagren von Gefan⸗

genen, die dort wider ihren Willen zurückgehalten wür⸗ den. Allein es ist erwiesen, daß diese Gerüchte völlig erdichtet sind. Von den in Rußland sich aufhalten—⸗ den allerdings zahlreichen Teutschen ist nur ein sehr kleiner Theil im Verfolge des Feldzuges von 1812 dorthingekommen. In sofern diese Rußland zu verlaßen wünschen, ist bereits durch die Gesandtschaft

in St. Petersburg die Einleitung getroffen worden,

den Umständen nach ihre Heimkehr zu bewerkstelligen.

Wegen der Todeserklärung der Vermißten werden näch⸗

stens nähere geseyliche Bestimmungen ergehen.

Die von dem Lieutenant Meher ermittelten Nach

richten, welche Preußische Unterthanen betreffen, sind0 in einer hinreichenden Anzahl von gedruckten Exem⸗ plaren allen Regierungen und Obergerichten mitge⸗ theilt worden, um solche an dazu geeigneten Orten zu Jederinanns Ein sicht niederzulegen, und daß dies ge⸗ schehen, durch öffentliche Blätter bekannt zu machen.

In einigen Blättern wird von einer Königl. Ver— fügung gesprochen, nach welcher künftig die Reviso⸗ ren Königl. Kaßen zu jeder Zeit und so eft sie es für gut finden, befugt seyn sollen, sich deren Gefammtbestand nachweisen zu laßen. Einer solchen Verfügung bedakf es nicht, denn die Kaßen⸗Kuratoren sind zu solchen außerordenlichen und unvorhergesehenen Revisionen von jeher eben so berechtiget als verpflichtet gewesen.

e) Nach den Gefechten an der Berezina wurden etwa Sooo Teutsche in Polotzk gesammelt, um nach Pleskow zur Einstellung in die zweite Brigade der Rußisch⸗teutschen Legion transportirt zu werden. Der menschenfreund.; liche Karakter dis Officiers, welcher sie fuͤhrte, braucht nicht in Anschlag gebracht zu werden, schon sein Vor— theil mußte ihn bewegen, das Moͤgliche zu thun, um sie zu erhalten; aber aller angewandten Muͤhe ung each⸗ tet brachte er von diesen 5090 (so hatte Krankheit, Hun⸗ ger und die Selbstvertheidigung der Einwohner gegen die Versuche der Verzweifelnden, fich Nahrung zu ver⸗ schaffen, sie gelichtet) kein halbes Tausend nach Pleskow; hier fielen die anscheinend Gesundesten von diesem trau— rigen Reste, wahrend ihre Ramen verzeichnet wurden, zu Boden und verschieden wenig Stunden nachher. Dbrist Graf Chazot, der Ehef dieser zweiten Brigad— starb innerhalb einiger Tage an der Ansteckung, ven ber keiner der Offieiere verschont blieb.

Rebaktion in Aufsicht: von Stägem ann. Reimersche Buchdruckerei.

Allg e meine

Preußische Staats⸗

eitung.

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Stück. Berlin, den 20sten Mai 1820.

. Amtliche Nachrichten.

Kronik des Tages.

Berlin, vom 20. Mai. Se. Majestät der König geruheten dem Königlich Schwedischen außer⸗ ordentlichen Gesandten und bevollmächtigten Minister am diesseitigen Hofe, Herrn Freiherrn von Tau be, den 17. d. um 10 Uhr in Allerhöchstdero Palais eine Abschied⸗ Audienz zu ertheilen, und aus deßen Händen sein Zurückbe rufungsschreiben zu empfangen.

Se. Majestät der König haben den General⸗

Pächter des Domainen⸗Amtes Pretzsch im Herzogthume

Sachsen, Amts⸗Inspektor Schier, zum Amts rathe zu ernennen und das Patent hierüber höchsteigenhän⸗ dig zu vollziehen geruhet.

Se. Königliche Majestät haben den Stadt⸗ Richter Meyer zu Bernau, den Stadtgericht to As seßor Henning zu Havelberg und den Kreis⸗Justiziarius Riem zu Greiffenberg, in Betracht ihrer bei den guts⸗ herrlichen und bäuerlichen Regulirungen bewiesenen Einsicht und Thätigkeit, zu Justiz⸗Kommißionsräthen zu ernennen und die darüber ausgefertigten Patente allerhöchst zu vollziehen geruhet.

Se. Königliche Majestät haben den bisherigen Ober⸗Landesgerichts Referendarius Vogt zum Stadt⸗ Justizrathe bei dem Stadtgerichte zu Breslau aller⸗ gnädigst zu ernennen geruhet.

Der bisherige Ober: Landesgerichts⸗ Referendarius Friedrich Ficken ist zum Justiz⸗Kommißarius in Bor⸗ cken, mit der Prozeß⸗Praxis bei den Land- und Stadt⸗ Gerichten zu Borcken, Bocholt und Ahaus, und zum Notarius publicus im Departement des Ober⸗Landesge— richtes zu Münster, und der bisherige Ober⸗Landesge⸗ richts Referendarius Wilhelm Heinrich Fetköter zum Justiz:Kommißarius bei den Untergerichten von Pa⸗

derborn, Corvey und Rietberg, mit Anweisung seines Wohnortes in Höxter, bestellt worden.

Der zeitherige Privat- Docent Dr. Sten zel hie⸗ selbst ist zum Außerordentlichen Profeßor der Geschichte an der Universität zu Breslau ernannt worden.

Se. Majestät der König haben dem Gerichts⸗ Schulzen Niestroy zu Skrzydlowiz das Allge⸗ meine Ehrenzeichen zweiter Klaße zu verleihen geruhet.

Se. Königl. Hoheit der Kronprinz haben am 16. d. M. eine Reise nach Stettin angetreten.

Nach einem Berichte des Königl. Minister⸗Resi⸗ denten zu Washington vom 23. Februar d. J. ist dem⸗ selben nunmehr von dem dortigen Staats ⸗Sekretair in der Angelegenheit wegen Gleichstellung der Preußi⸗ schen Schiffe mit den Nord⸗Amerikanischen, in Anse⸗ hung des in den Häfen von Nord-Amerika zu zahlen⸗ den Eingang-Zolles und Tonnengeldes, die officielle Erklärung zugegangen, daß die Zoll-Behörden in den Vereinigten Nord⸗Amerikanischen Staaten mittels Cir⸗ kular-Verfügung des Departements der Schatz Kam⸗ mer vom 18. Novemb. v. J. angewiesen worden sind: „sowol für die Zukunft die Kongreß-Akten vom 20. „April 1818 und 3. März 1819 in Rücksicht der „Peeuß. Schiffe und deren Ladungen in Ausführung „zu bringen, als auch alle seit dem 14. August 1818, „als dem Tage der diess eitigen Verfügung wegen Gleich⸗ „stellung der Nord-⸗Amerikanischen Schiffe mit den „Preußischen in Ansehung der Hafen⸗Abgaben und des „Eingang-Zolles, von Preußischen Schiffen erhobenen „fremden Abgaben (discriminating duties) zurückzu⸗ „zahlen.“ Hievon hat der gedachte Minister⸗Resi⸗ dent den sämmtlichen Preuß. Konsuln in den Nord⸗ Amerikanischen Häfen Kenntnis gegeben.

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II. Zeitung s-Nachrichten.

Frankreich. In der Sitzung der Kammer der Abgeordneten vom 6. Mai stattete Herr Lain? im Namen des Ausschußes zur Prüfung des Gesetzes über

die Wahlen Bericht ab. Der Ausschuß hat folgende Veränderungen des

Regierungs⸗ Entwurfes in Vorschlag gebracht:

1. Zum Art. 1. (S. Nr. 35 dieser Zeitung). „In allen Departements, welche nur s00 Wähler haben,

hat nur Eine Versammlung statt.“ 2. Zum Art. 2. „Das Verzeichnis der höchstbe⸗

steuerten Wähler wird gedruckt und einen Monat vor Eröfnung der Departements Wahlversammlung ange⸗