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Landständische Verfaßung des Großherz og⸗ thum es Heßen⸗Darmstadt. (Schluß.)
Art. 17. Da über das neue Steuergesetz welches der ersten Ständeversammlung vorgelegt werden wird, nicht vor Ablauf des jetzt laufenden Rechnungs jahres entschieden werden kann, so versteht es sich von selbst, daß die zur Aufrechthaltung der bestehenden Ordnung und zur Erfüllung der übernommenen Verbindlichkei⸗ ten erfoderlichen Steuern für das zweite Semester die⸗ ses Jahres von Uns, ohne ständische Bewilligung, aus⸗ geschrieben werden müßen. In der Folge wird dann das Rechnungsjahr wieder mit dem Kalenderjahre zu⸗ sammenfallen, was ohnehin in mehrfacher Hinsicht vortheilhaft ist. — Art. 18. Die gesammte Staats⸗ Schuld soll durch ein besonderes Gesetz, welches Wir Unferen Ständen werden vorlegen laßen, und durch die Schaffung einer besonderen Staats schulden⸗Til⸗ gungs⸗Anstalt garantirt werden. Art. 19. Eine Ver⸗ mehrung der Staaitsschuld soll, ohne Einwilligung Un⸗ serer getreuen Stände, nicht stattfinden. Wir wer— ben darum auch keine Verhypothecirung Unserer Do⸗ mainen, ohne Einwilligung Unserer Stände, vorneh⸗ men laßen. Dagegen erkennen Wir in Hinsicht Un⸗ serer Domainen keine Beschränkung durch ständische Konkurrenz an, in so ferne von Staats- und Regie⸗ rungshandtungen, welche desfalls mit auswärtigen Staaten vorgenommen werden könnten, von Wieder⸗ verleihung heimgefallener Lehen, von dem Verkaufe entbehrlicher Gebäude, der in anderen Staaten gele⸗ genen Güter und Einkünfte, von Vergleichen zu Been⸗ kdigung von Rechtstreiten, oder endlich von bloßen Austauschungen, von Ablösung des Lehn⸗ und Erb— lehnverbandes, der Grundzinsen und Dienste die Rede ist. Auch behalten Wir Uns vor, wenn Wir es für gut finden, von Unseren Domainen, zum Behufe der Staatsschuldentilgung, in gesetzlicher Form veräußern zu laßen. — Art. 20. Die polizeilichen Gesetze und alle über die gesammte Administration und den Staats⸗ Dienst zu eriaßenden Normative und Regulative wer⸗ den Wir auch ferner, ohne ständische Konkurreng, be— kannt machen und in Wirksamkeit setzen,. Bei allen anderen neu zu erlaßenden allgemeinen Gesetzen dage⸗ gen, werden Wir eine definitive Wirksamkeit nicht ein⸗ treten laßen, bevor Wir das Gutachten Unserer ge⸗ treuen Stände vernommen haben. Wenn auch nur eine Kammer gegen das Gesekz stimmt, so werden Wir der Vollziehung Anstand geben. Wenn Wir aber fort— dauernd von seiner Nothwendigkeit oder Nützlichkeit Überzeugt bleiben: so behalten Wir Uns vor es voll⸗ ziehen zu laßen, wenn bei einer weiteren Ständever⸗ fammlung, welcher Wir es vorlegen laßen, auch nur ine der beiden Kammern sich beifällig für dasselbe erklärt. Gesetze dieser Art werden Wir, vor dem ver— nommenen Gutachten Unserer Stände, auch nicht pro— visorisch vollziehen laßen, ausgenommen wenn sie sich mit direkt auf das Eigenthum und die Freiheit der Personen beziehen (wie die Gesetze über den Civilprozeß), und wenn dringende Verhältniße die provisorische Voll⸗ iehung als nothwendig oder räthlich erscheinen laßen.
ir behalten Uns außerdem vor, das Gutachten Un⸗ serer getreuen Stände auch über solche Gegenstände ber Gesetzgebung zu vernehmen, welche nur das In⸗ tereße einzelner Provinzen betreffen. — Art. 21. Die Kammern haben das Recht, Uns alles Das jenige vorzu⸗ tragen, was sie, vermöge eines übereinstimmenden Ve⸗— schlußes, für geeignet dazu halten, um an Uns, als eine gemeinschaftliche Beschwerde, oder als ein gemein— schaftlicher Wunsch gebracht zu werden. Wir werden ,, Anträge jederzeit willig annehmen, und, in sofern Wir sie für gegründet halten können, mit Ver⸗ gnügen den Beschwerden abhelfen und die zu der Er— füllung solcher Wünsche erfoderlichen Verfügungen er⸗ iaßen. — Art. 23. Insbesondere ertheilen Wir Un⸗ sern ständischen Kammern die Befugnis, auf die in bem vorhergehenden Artikel bestimmte Art diejenigen Beschwerden an Uns zu bringen, welche sie sich gegen
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das Benehmen Unserer Staatsdiener aufzustellen be⸗ wogen sinden könnten, indem es Unser ernstlicher Wille ist, daß jeder Staatsdiener mit Sorgfalt und Půnkt⸗ lichkeit seine Pflichten erfülle, und nicht, ganz gegen Unsere wohlmeinenden und väterlichen Absichten, Mis⸗ trauen und Unzufriedenheit veranlaße. — Art. 25. Einzelne und Korporationen können sich nur dann an die Kammern Unferer Stände wenden, wenn sie in Hinsicht ihrer individuellen Intereßen sich auf ein e unrechtliche oder unbillige Art für verletzt oder ge⸗ drückt halten, und wenn sie zugleich nachzuweisen ver⸗ mögen, daß sie die gesetzlichen und verfaßungsmäßigen Wege, um bei Unseren Behörden eine Abhilfe ihrer Beschwerden zu erlangen, vergeblich eingesck lagen ha⸗ ben. Eine solche Petition kann dann den Ständen, wenn ste dieselbe nicht alsbald oder nach der ihnen von Unsern obersten Behörden ertheilten Auskunft als ungegründet verwerfen, Veranlaßung geben, ven der in dem vorhergehenden Artikel ausgesprochenen Befug⸗ nis der Besckwerdeführung bei Uns Gebrauch zu ma⸗ chen. Ein Petitionsrecht der Einzelnen und der Kor⸗ porationen in Hinsicht allgemeiner politischer Intereßen erkennen Wir dagegen nicht an. Diese Intereßen zu prüfen und zu wahren gebührt blos der Versammlung Unserer getreuen Stände, und die Vereinigung Eins zelner oder ganzer Korporationen zu diesem Iwecke soll daher von Unseren Regierungsbehörden als eine polizei⸗ widrige und strafbare Handlung betrachtet und behan⸗ delt werden. — Art. 26. Unsere Stände sind Uns für den Inhalt ihrer freien Abstimmung nicht verantwort⸗ lich. Dagegen schützt das Recht der freien M inungss Aeußerung nicht gegen den Vorwurf der Verläuma dung, welche Einzelne in dieser Aeußerung etwa finden sollten, und Wir sind nicht gemeint, in solchen Fällen den Einzelnen das Klagerecht zu entziehen, welches ihnen gegen Verläumdungen nach den Gesetzen zusteht. Klagen dieser Art sollen jedoch nur dei Unserem Hof Gerichte in Darmstadt angestellt werden können. Für das Entferntbleiben unanständiger Aeußerungen hat der Prässdent jeder Kammer nach dem Geschäftreglement Sorge zu tragen. Während der Dauer des Landtages sind die Personen, welche zu der Ständeversammlung gehören, keiner Art von Arrest, als mit Bewilligung der Kammer, zu welcher sie gehören, unterworfen, den Fall einer Ergreifung auf frischer That bei strafraren Handlangen ausgenommen, wo aber alsbald der Kam⸗ mer, zu welcher der Verhaftete gehört, die Anzeige des Vorfalles, mit Entwickelung der Gründe, gemacht wer⸗ den soll. — Art. 25. Ueber die Art und Weise wie
Unsere Stände, wenn Wir einen Landtag ausgeschrie⸗
ben haben, einberufen, wie ihre Legitimation geprüft und wie von ihnen die ihnen obliegenden Geschäfte be—
sorgt werden sollen, werden besondere Reglements er⸗
laßen werden. — Art. 26. Wenn, nachdem Wir die Stände einberufen haben, die Legitimationen derselben geprüft worden sind, so werden wir den Landtag ent⸗ weder in eigner Person, oder durch einen besonders dazu von Uns beauftragten Kommißair eröffnen. — Die Stände werden bei dieser Eröffnung folgenden Eid
leisten: „Ich schwöre Treue dem Großherzoge, Gehor⸗
sam dem Gesetze, genaue Beobachtung der Verfaßung und in der Ständeversammlung nur das allgemeine Wohl nach bester, eigener, durch keinen Auftrag be⸗ stimmter Ueberzeugung berathen zu wollen. — Art. 27. Wir werden den eröffneten Landtag gleichfalls entwe— der in eigener Person oder durch einen besonders dazu beauftragten Kommißair schließen, und alsdann den der
ständischen Versammlung schon vor dem Schluße mit⸗
getheilten Landtagsabschied Unsern getreuen Untertha— nen verkünden laßen. Urkundlich Unserer eigenhändi— gen Unterschrift und des beigedruckten Staatssiegels. Gegeben Darmstadt, den 18. März 1820. Ludewig.
Redaktion in Aufsicht: von Staͤgsem ann. Reimersche Buchdruckerei.
Alsgemeine
Preußische Staats-Zeitung.
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46636 Stuͤck. Berlin, den 6ten Junius 1820.
. Amtliche Nachrichten.
Kronik des Tages.
Berlin, vom 6. Junius. Se. Majestät der König haben dem Königlich Hanöverschen Major v. Münchhausen den Königlich Preußischen St. Jo— hanniter⸗Orden zu verleihen geruhet.
Se. Königliche Majestät haben den bisherigen Ober-Landesgerichts-Referendarius Melzer zum Stadt-Justizrathe bei dem Land- und Stadtgerichte zu Frankfurt an der Oder allergnädigst zu ernennen geruhet.
Se. Königliche Majestät haben allergnädigst geruhet, den Guͤtsbesitzern, Hber-Amtmann Block auf Schierau bei Liegnitz, und Mügge auf Kummernick bei Polkwitz in Schlesten, den Karakter als Amtsrath zu bewilligen und die darüber sprechenden Patente allerhöchst zu vollziehen.
An das Kriegs-Ministerium. Die verhängnisvollen Jahre von 1896 bis 18135 haben viele auf halben Sold gesetzte Officiere in die
Nothwendigkeit versetzt, ihre Gerechtsame als Mitglie⸗ der der Officier-Witwen-Kaße aufzugeben und auf
die dereinstige Sicherstellung der Existenz ihrer Fami⸗ lien zu verzichten. In der Rücksicht, daß der größte Theil dieser Intereßenten des Institutes ohne eigenes Verschulden dahin gebracht, und ihre Wiedereinsetzung in die verlornen Rechte ohne Kosten-Aufwand zu be— wirken ist, will Ich dieserhalb Folgendes festsetzen.
1) Es soll allen von 1808 bis 1814, wo die Pen— sionszahlungen wieder voll geleistet wurden, ven der Officier-⸗Witwen-Kaße exkludirten Mitgliedern, deren Ehen noch zur Zeit der Exklusion bestehen, jedoch mit Ausnahme derjenigen, die ihren Wohnsitz im Auslande, oder die seit 1815 fremde Dienste genommen haben, die im Civildienste versorgt und der Allgemeinen Wit. wen-Kaße beigetreten sind, und derer die kaßirt oder ohne Abschied entlaßen wurden, die Wieder Aufnahme in die Ofsicier⸗Wittwen-Kaße unter nachstehenden Be⸗ dingungen gestattet seyn.
2) Alle die, welche innerhalb zweier Jahre die rück— ständigen Beiträge und Zinsen nachzuzahlen vermögend sind, werden gegen Sicherstellung dieser Leistung, auf ihr Verlangen, als Mitglieder der Officier-Witwen— Kaße wieder anerkannt und gegen prompte Zahlung der laufenden Beiträge in das frühere Verhältnis wie⸗ der eingesetzt.
3) Denjenigen, welche dazu unvermögend sind und sich durch Atteste ihrer Ortsbehörde gegen di⸗ Officier⸗ Witwen-Kaße darüber ausweisen, soll die Zahlung der Rückstände 1c. bis nach ihrem Ableben gestundet, und die Abtragung der letzteren alsdann durch Abzüge von der Pension der überlebenden Wittwe dergestalt be⸗ wirkt werden, daß bei einer Pension von 100 bis incl. 150 Rihl. ein Abzug von 20 Procent, von 209 bis zoo Rihl. incl. von 40 Procent, und von 350 Riehl. bis sos Rthl. von 50 Procent jährlich stattfindet. Die prompte Zahlung der laufenden Beiträge durch Gehalts- und Pensions-Abzuge ist aber auch für diese Intereßenten unerlaßlich, und sie sind gehalten, dei dem früheren Absterben der Frau, damit so lange fort—⸗ zufahren, bis die Rückstandsumme abgetragen ist.
) Den Witwen saon verstorbener excludirter In⸗ tereßenten soll die Pension, mit der sie eingekauft waren, vom 1. Jul. C. a. ab gezahlt, zum Behufe der Tilgung der Rückstände aber, bei einer Pension von 100 bis 150 Rthl. incl. ein Abzug von 40 Procent, bei einer Pension von 200 bis 300 Rthl. von 50 Proc. und bei einer Pension von 350 bis soo Rthl, von 60 Procent gemacht werden. Dieser Abzug vermin⸗ dert sich bei vorhandenen unerzogenen Kindern der hier genannten Wiirwen aus der Ehe mit dem exklu⸗ dirten Manne um 10 Procent, ohne Rücksicht auf die Zahl der Kinder, jedoch nur so lange, bis das jüngste das 17te Jahr zurückgelegt hat.
5) Von Witwenpensionen unter 100 Rthl. findet wegen der Rückstände weder bei schon vorhandenen noch bei künftigen Witwen ein Abzug statt.
6) Eine Erhöhung des Einkauf-Kapitales findet bei der Wieder Aufnahme nicht statt; die Verminde⸗ rung nur unter der Bedingung, daß die Rückstände nach der ursprünglichen Einkaussumme berichtigt werden.
7) Der Antrag zur Wieder-Aufnahme der bei 2. und 5 aufgeführten Intereßenten muß innerhalb dreier Monate vom Tage der Bekanntmachung dieser Bestim⸗ mungen durch die öffentlichen Blätter bei der Officier⸗ Witsen-Kaße eingehen, widrigenfalls darauf keine Rücksicht genommen wird. Ich beauftrage das Kriegs— Ministerium diese Verfügung der Direktion des Insti⸗ tutes mit der Anweisung bekannt zu machen, zwei— felhafte Fälle ungesäumt zu Meiner Entscheidung zu bringen. Potsdam, den 20. Mai 1829.
(gez Friedrich Wilhelm.
II. Zeitungs⸗N ach richten.
Ausland.
Frankreich. Die ausgezeichnetsten Mitglieder der Deputirtenkammer, sowol der linken als der rechten Seite und des Centrums, haben in den Dis⸗ kußionen über die Abänderung des bisherigen Wahl— Gesetzes ihre Stimmen erhoben, nur zwei der vorzug⸗
lichsten Gegner des neuen Entwurfes, Camille Jourdan und Chauvelin sind bisher durch Unpäß⸗ lichkeit abgehalten in den Sitzungen zu erscheinen. Doch möchte Aues, was sie noch hätten vorbringen können, abgerechnet etwa die Gewait der persönlichen Beredsamkeit auf die Gemüther, nicht viel mehr Er⸗ hebliches enthalten, als was Frangois, Royer