haftete Einige, die sich hartnäckig widersetzten. Aber betrübend ist es, setzt der Moniteur hinzu, bei dieser Gelegenheit bemerken zu müßen, daß ein Ausruf, wel⸗ cher für alle Franzosen ein Zeichen des Friedens und der Vereinigung seyn sollte, der Ausruf „es lebe die Charte“ in ein Kriegsgeschrei verwandelt wird. Die von der Gens d'armerie zerstreuten Haufen zogen sich durch die Straße Rivoli nach dem Earouselplatze, in⸗ nerhalb der Thuillerien, zurück und bildeten sich dort von neuem. Patrouillen der Garde erhielten den Befehl, sie auseinander zu bringen. Alle gehorchten, bis auf etwa dreißig, die sichtbar es aufs Aeußerste ankommen laßen wollten und die strafbarsten Aeußerungen sich erlaubten. Einer von diesen, der sich vor den Ande⸗ ren durch Heftigkeit auszeichnete, wurde ergriffen, seine Mitgenoßen suchten ihn wieder zu befreien, und so entstand ein förmlicher Kampf, in welchem der Sol— dat, der sich seinen Gefangenen nicht wieder enireißen laßen wollte, sein Gewehr abdrückte, und den jungen Lallemand, einen Zögling der Rechtsschule, derge— stalt verwundete, daß er einige Stunden darauf sei—⸗ Ken Geist aufgab.
Von diesem traurigen Ereigniße nahm der be— kannte Deputirte Camille Jourdan Gelegenheit, in der Sitzung vom 5. mit großem Feuer zu reden (der Moniteur bemerkt dabei ausdrücklich, daß seine Rede improvisirt sey), indem er die Freiheit der Be⸗— rathschlagung der Deputirtenkammer gefährder und die Würde und die Sicherheit der gesammten Natio— nalrepräsentantion durch alles dasjenige angetastet und verletzt glaubte, was gegen den Marquis Ch auvelin geschehen sey. Denn, wohl zu merken, es behaupten die Deputirten der linken Seite und alle ihnen ergebene Zeitungen, daß die Royalisten die eigentlichen Urheber der Unordnungen, und Aufhetzer der Menge gegen Chauvelin gewesen sind. Camille Jourdan berief sich auf das Beispiel des Englischen Parlaments, wo jeder Schimpf, Einem seiner Mitglieder widerfah⸗ ren, als Allen widerfahren betrachtet und gerügt werde. Er sah einen zweiten 18. Fructidor kommen, an wel— chem Tage vor 2s Jahren das damalige gesetzgebende Gorps gewaltsam von dem Direktorium aufgelost und
er selb st ein Schlachtopfer dieses Gewaltstreiches werden würde, und ging so weit zu behaupten, daß die dama—⸗ ligen Jakobiner doch immer noch mehr gute Art und Ordnung beobachtet hätten, als jetzt die sogenannte
gute Gesellschaft. Gleichwol und so stark er auch von mehren Rednern, als Keratry, Benj. Constant, Girardin unterstützt wurde, und obschon von meh— ren Deputirten ihnen widerfahrene Beleidigungen zur Sprache gebracht, und von Lafitte das Schreiben des Kaufmannes Lallem and, Vaters des Erschoßenen, veorgelesen wurde, in welchem dieser gegen die Behaup— tungen der royalistischen Blätter, daß sein Sohn einen
Soldaten entwaffnen wollen auftrat, und sich über die
Censur beschwerte, die seiner Reklamation das Imprima- tur verweigert, hatte sein Antrag, alle weitere Delibera⸗ tionen vor der Hand auszusetzen und sich zuerst mit Untersuchung dieses Gegenstandes zu beschäftigen, den⸗ noch keine Folgen, indem besonders der Siegelbewahrer und Lain é zwar aufs kräftigste den Satz selbst einräum⸗ ten, daß die höchste Freiheit der Berathung aufrecht erhalten, und jeder Versuch sie zu verletzen und einen Deputirten seiner geäußerten Meinung halber öffent— lich beleidigen zu wollen, aufs strengste geahndet wer— den müße, dabei aber behaupteten, daß ein eigentliches Attentat gegen die Freiheit der Berathschlagungen hier nicht vorhanden sey, daß die Regierung sie zu beschützen wißen werde, und daß die vorgefallenen Unordnungen vor die ordentlichen Gerichte gehörten.
In den darauf folgenden Tagen haben wieder starke Bewegungen unter den jungen Leuten stattgefunden und sich vornehmlich gegen die Vorstadt St. Antoine ge⸗ richtet. Aber die arbeitsamen Einwohner dieser in meh— ren Revolutions-Epechen berüchtigten Vorstadt ha— ben selbst die öffentlichen Beamten in der Erhaltung der Ordnung unterstützt. Dennoch haben jene unruhi—
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gen Bewegungen nicht ganz aufgehört, und das Geschrei
„es lebe die Charte“ war das Signal, um einen all— gemeinen Aufstand hervorzubringen. Dieser Versuch ist indeß an dem guten Geiste der ruheliebenden Bür— ger und an den getroffenen Anstalten gescheitert; doch sind einige Verhaftungen vorgefallen. Man will mehre auf halben Sold stehende Bonapartische Officiere unter den unruhigen jungen Leuten bemerkt haben. Die zur Erhaltung der Ordnung getroffenen Anstalten waren übrigens von der Art, daß ganz Paris sich in gespannter Sorge befand.
Louvel ist nach der Anzeige des Moniteurs am J. auf dem Greoe-Platz unter einem unermeßlichen
Zusammenfluße von Zuschauern, mit dem Schwerte hingerichtet.
Das Allerwichtigste was die neusten Pariser Blät⸗
ter bis zum 10. bringen, ist, daß in der Sitzung vom 9g. die ven dem Deputirten Boin vorgeschlagene und vornehmlich von dem Deputirten Beugnot unter— stützte Verbeßerung der Wahlordnung angenommen wor— den; untet 25 Stimmenden waren 185 dafür und 66 dagegen. Durch diese Verbezerung ist das alte Wahlgesetz, so wie der neue Entwurf, nicht unwesent— lich geändert, und es scheint, als hätten die Minister, um die Gemüther zu beruhigen und alle Parteien zu vereinigen, selbst dahin gewirkt, daß der Vorschlag da—
zu von dem Deputirten Boin gemacht worden, obgleich
dieser selbst ihn aus eigner Bewegung angebracht zu haben behaupten. Die erwähnte Verdeßerung be— stimmt, in Voraussetzung des bereits angenommenen
ersten 9 des neuen Entwuefes, wonach in jedem De⸗
partement ein Departements Kollegium und Bezirk— Wehl Kollegien seyn sollen, daß die Deparrements⸗ Kollegien aus den am höchsten besteuerten Wahlern, an der Zahl gleich dem vierten Theile aller Wähler des Departements bestehen müßen; daß diese Depar— tements-Kollegien 172 Deputirte zu ernennen haben
für das Jahr 1820, gemäß einem dem Gesetze beige
fügten Verzeichniße; daß jedes der Bezirts-Sollegien Einen Deputirten ernennt, und daß diese Kollegien aus allen Wählern benehen, die ihr politisches Domi— cilium in einer der Kommunen haben, die in dem Raume des Wahl Bezirkes liegen. Dieser Raum wird previsorisch für jedes Departement nach dem Berichte des General-Konseils durch Ordonanzen des Königes festgesetzt, welche in der nächsten Sitzung der Deputirtenkammer zur Beistimmung vorgelegt werden.
Funf lig der gegenwärtigen Deputirten, die für die
nächste Sitzung ernannt werden, werden durch die
Wahlbezirks-Kollegien erwählt, und für die künftigen Sitzungen werden die Departements, die ihre Depu⸗ tirten zu ernennen haben, sie nach den Grundsähen des
gegenwärtigen Artikels ernennen.
Wenn — sagen die neusten Nachrichten — wenn
der Zustand von Paris in den letzen Tagen der Woche nicht viel ruhiger war, als in den ersten, so kann man die Gährung der Gemüther mit vollem Rechte dem wirklich empörenden Betragen der revolu— tionairen Mitglieder der Deputirtenkammer zuschreiben;
doch würden im Ganzen die Zusammenrottirungen in
diesen letzten Tagen von einer weniger gefährlichen Na tur gewesen seyn, wenn die Aufrührer nicht, gewihzigt
durch die Vorfälle der früheren Tage, die Vorsicht ge⸗
habt hätten, den Aufstand erst bei einbrechender Nacht anzufangen, wo eine Menge unbeschäftigter Menschen sich auf den Straßen befindet, uns wo es der Polizey schwerer wird, die ihr zu Gebote stehenden Mittel zu brauchen, indem der Unschuldige in der Finsternis leicht mit dem Schuldigen verwechselt werden kann. Die von derselben ergriffenen Mittel, die Aufstellung einer zahlreichen bewaffneten Macht, gaben in diesen Tagen Paris ganz das Ansehen einer belagerten Stadt. In allen Straßen, wo die Empoörer durchzogen, wur— den die Buden geschloßen, welche in dieser ungeheueren Stadt fast alle unteren Stockwerke einnehmen, zum Theil mit den kostbarsten Waaren gefüllt sind, und ihre
Ausgänge unmittelbar nach der Straße ohne alle Stie⸗
gen haben. Auf vielen Plägen und da, wo die Straßen sich durchkreuzen, standen Pikets von Kavallerie; allein häufig kamen diese an den Stellen, wo Lärm entstand, erst an, wenn die Unruhstifter schon von einer Menge Neugieriger umgeben waren, und es also schwer wurde zu den Schuldigen durchzudringen. Es war nicht zu vermeiden, daß nicht einige unglückliche Vorfälle statt hatten; und diese sind von der revolutionairen Faktion in der Kammer trefflich benutzt worden, um den Glauben zu erregen, daß der friedliche Bürger in Paris seines Lebens nicht mehr sicher sey.
Am gefährlichsten sah es Donnerstag abends aus. Statt der Vorstadt St. Antoine, wo der erste Versuch, einen Aufstand zu erregen, mißlungen war, hatten die Häupter des Tumultes die Plätze an den sogenannten Thoren von St. Denis und St. Martin eingenommen, wo eine Menge arbeitloser Handwerksbursche und mit Lumpen bedeckter Menschen sich zu ihnen sammelten. Alle diese Leute trugen an diesem Tage, wie an den vorigen, keine andere sichtbare Waffe, als dicke Prügel. Aber auch diese Gruppen wurden bald von den hervei— eilenden Wachen zerstreut. Aehnliche Scenen erneuerten sich jedoch Freitag abends. Der Zweck dieser Menschen schien zu seyn, das Militair zu ermüden, zu erhitzen und zu einigen gewaltthätigen Handlungen zu reizen, die vielleicht das Signal zu gefährlicheren Auftritten geben könnten. .
Die Sitzungen der Deputirtenkammer wo, in Ab— wesenheit von Ravez, Villle mit einer großen Würde präsidirte, waren höchst intereßant. Das von Courvoisier vorgeschlagene Amendement hat eigent—
lich den Grafen Beug not zum Urheber, und den
Zweck, die ganze linke Seite des Centrums, welche bis— her in der Diskußion über das Wahlgesetz gegen die Minister gestimmt hatte, von der revolutionairen linken Seite zu trennen. Courvoisier, dem das Amende⸗ ment durch die dritte Hand zugestellt worden war, fand in demselben eine seinen Ansichten günstige Verfügung, bemerkte aber nicht, daß es den Grundsatz der doppel— ten Wahl in den Departements-Kollegien enthielt. Als er seinen Irrthum gewahr wurde, wollte er den Vor⸗— schlag zurücknehmen; allein da das Ministerium des Beitritts der Royalisten gewiß war, so wurde das Amendement durch einen Anderen vorgeschlagen. Alle Deputirte, welche man die Reunion Terneaux nennt, stimmten für dasselbe, und so setzten die Mini⸗ ster den Artikel mit einer Majorität von 19 Stim— men (185 gegen 66) durch.
unter den Verhafteten befinden sich der General Solignac und der Schwadron Chef Duveryier, der eben von einer Reise zurückgekommene General Fressinet, und der durch sein Duell mit dem Grafen St Maurice berüchtigt gewordene Obrist Dufay. Man behauptet, der letzte habe den Versuch gemacht, dem Ungeheuer Louvel eine Rede zuzustellen, welche dieser auf dem Schaffotte halten sollte.
Aus einem Schreiben vom 10. 8. M. abends Uhr. Man hat gestern in den Thuillerien einen Menschen arretirt, der schändliche Proklamationen ausstreute. Man hat sogleich seine Wohnung durch⸗ sucht und wichtige Notizen über die Häupter der letz— ten Unruhen gefunden.
Die Truppen haben sich mit einer über alles Lob erhabenen Ruhe, Mäßigung und Würde betragen.
Zwei Mitglieder der Deputirtenkammer, die wir hier nicht nennen wollen, haben in der heutigen Siz— zung angekündigt, daß morgen, Sonntag, wo die Ar— beiter müßig sind, ein ganz anderer Lärm statthaben werde, als bisher.
Ich darf nicht vergeßen anzuführen, daß die Her⸗ zogin von Angouleme abermals einen Beweis des in ihr wohnenden männlicken Geistes gegeben hat. Gewohnt, nach Französischer Hof⸗Etikette, nicht anders auszufahren, als von einer bewaffneten Macht beglei— tet, hat sie sich am 9. zum erstenmal in einem offenen Wagen ohne alle Bedeckung gezeigt. Dieser Umstand hat einen lebhaften Eindruck gemacht.
Der vormalige Herausgeber des homme gris ist gefänglich eingezogen, und sofort in die Conciergerie gebracht worden.
Spanien. Die Verhandlungen der Cortes wer⸗ den erst in der Mitte k. M. eröfnet werden. In Ma⸗ drid ist die öffentliche Ruhe völlig hergestellt; die Frei⸗ heitschwindler sehen, daß des Volkes Anhänglichkeit an den König und an die verfaßungsmäßige Ordnung unerschütterlich ist, und scheinen daher ihre sinnlosen Pläne für immer aufgegeben zu haben.
Am 16. v. M. hat des Königs Majestät ein De⸗ kret erlaßen, in dem den Spaniern sowol, als auch den eingebürgerten Fremden, die Errichtung und Be— treibung jedes Gewerbes freigegeben ird; auch ist der Zunftzwang aufgehoben, und vie Gewerbtreibenden stehen lediglich unter der Kontrolle der Polizev, die nur darauf zu sehen hat, daß aus dieser Freigebung, der öffentlichen Wohlfahrt kein Nachtheil erwacse.
Den in der letzten Zeit oft vorgetommenen Beweis, daß viele Schriftsteller noch nicht mündig sind, um von der ihnen, von Seiten des Staates bewilligten unumschräankten Preßfreiheit, zweckmäßigen Gebrauch zu machen, liefert unter andern auch der Konstitutio— nal, welcher wegen mehrer darin enthaltener persön— lichen Beleidigungen, in der Provinz Granada hat verboten werden müßen.
In Saragoßa sind die Unruhen durch das dort ein⸗ gerückte Regiment von Asturien, völlig beseitiget wor⸗ den; auch in Madrid haben die strengen Mansregeln der Regierung gegen die Lorenziner den erwünschten Erfolg gehabt, und die Versicherungen der unwandel— baren Treue, die mehre Deputationen der gesammten Garnison, im Namen ihrer Mandanten, Sr. Majestät dem Könige bei dieser Gelegenheit zu Füßen legten, haben die Feinde der Ordnung überzeugt, daß die all⸗ gemeine Stimmung nicht so ist, als sie solche wol wünschten.
Londen. Herr Brougham und Lord Hut— chinson waren der Königin bis St. Omer entge⸗ gen gekommen, und der letzte machte ihr den Vorschlag der Minister bekannt, daß sie, gegen Verzichtleistung auf den Rang und den Titel einer Königin von Eng— land und gegen die Versicherung, nie in einem Theile des vereinten Königreiches residicen, auch nie nach Eng⸗ land zum Besuch kommen zu wollen, ein lebenslang—⸗ liches Jahrgehalt von 50, 000 Pfund erhalten solle. Sie ließ sich indeßen auf die nähere Beantwortung die— ses Antrages nicht ein, und entgegnete blos, daß sie in London selbst die eiwanigen Vorschläge Sr. Maj. des Königes in Ueberlegung nehmen werde. Sie verließ noch am nämlichen Tage St. Omer und langte in Begleitung der Lady Hamilton, des Aldermanns Wood, ihres adoprtirten Sohnes Au stin, und eines gleichfalls an Kindes Statt angenommenen kleinen Nädchens, über Calais und Dehver, am 6. d. M. in London an, wo sie im Hause des Herrn Wood ab⸗— stieg. Das Volk strömte von allen Seiten herbei, und empfing sie mit dem Freudengeschrei „Es lebe unsre Königin Karoline“. An mehren Straßen-Ecken wa⸗ ren Zettel angeschlagen, in denen das Volk aufgefodert wurde, der Königin zur Erlangung ihrer Rechte hilf— reiche Hand zu leisten. Wenige Stunden vorher hatte Lord Liverpool im Oberhause nachstehende Botschaft des Königs verlesen:
In Hinsicht der Ankunft der Königin findet es der König nöthig, dem Oberhause gewiße Papiere vorzulegen, welche sich auf das Betragen der Königin beziehen, seitdem sie dieses Land verlaßen hat, und die Se. Majestät der augenblicklichen und genauen Auf— merksamkeit des Hauses empfehlen. Der König hat den herzlichsten Wunsch gehabt, alles Mögliche zu versuchen, was in seiner Macht steht, diesen Auftritt, welcher nicht allein schmerzhaft für sein Volk, sondern auch für seine eigenen Gefühle seyn muß, zu ver⸗ meiden; aber der Schritt, den die Königin gethan hat, läßt ihm keins andere Wahl übrig. Indem der