1820 / 59 p. 2 (Allgemeine Preußische Staats-Zeitung, Sat, 22 Jul 1820 18:00:01 GMT) scan diff

mögen sie aus ihrem Begehren, aus ihren Reklama⸗ tionen alle Drohungen verbannen; mögen sie sich stets darauf beschränken, den Verstand aufzuklären, nie aber die Herzen erbittern. Es giebt allerdings unter der konstitutionellen Parthei vormalige warme Republikaner, deren politische Lehren auch jetzt noch nur ungern ein monarchisches System sehen. Allein ihr Einfluß darf keine Besorgniße veranlaßen; sie werden ohne Verdruß ihre Theorien zum Opfer bringen, um den Sieg ihrer Grundsätze zu sichern und alle neuen Revolutionen zu verhindern. Soll⸗ ren sie auch nach ihrem Gefühle keine Royalisten seyn können, so werden sie aus Vernun ft Bourbonisten seyn. Ein anderes Fantom, was Manche noch bange macht, ist nicht mehr zu be⸗ fürchten. Schon feit lange her ist es unmöglich, daß der Jakobinismus wieder bei uns vorherrschend werde. Indem die Revolution die großen Vermögen, wenig⸗ stens viele derselben vernichtete, hat sie einer Menge kleiner Proprietäten das Daseyn gegeben, welche wesentlich dabei intereßirt sind, daß Alles so bleibe, wie es wirklich ist. Wir haben nicht mehr je— nes Volk, das vor dreißig Jahren alle Dämme durchbrach und Alles niederriß, die Schlößer, wie die Institutionen und das Königthum, jene Mas sen ohne Eigenthum, die in Armuth dahin schmachte— ien; wir besitzen eine Menge kleiner Eigen hümer, die ihr Eigenthum erhalten wollen. Die konstitutionelle Freiheit ist die beste Schutzwehr gegen Jakobinis mus; ste schützt sich durch das allgemeine Intereße, sie knüpft sich an das Vermögen Aller, und erhält durch diese ihre Stärke. Mehr Aufmerksamkeit verdienen die An⸗ hanger eines Mannes, den Manche an die Freiheit knüpfen, ob er gleich ihr stärkster Widersacher war. Geine pomphaften Siege verführten die Menge, sein Misgefäick erregte Theilnahme. Noch immer sind die Blicke der unwißenden Klaßen gegen das Welt⸗ hee. gerichtet, und werden dahin gerichtet bleiben, bis ein heiisamer Untereicht diese Irthümer zerstört und die Gesinnungen nach einer beßeren Richtung hing elei⸗ tet haben wird. Alle aufgeklärten, alle wahren Freunde der Freiheit werden dergleichen Irthümer nicht fort⸗

pflanzen und einer Erinnerung nicht sch meich eln, die man hinführo der Geschichte überlaßen muß. Ihre Pflicht ist aber ganz besonders, nicht länger den mili—

tairischen Geist fortzupflanzen, der Frankreich der Hertschaft der Bahyonette aufs Neue unterwerfen tönnte. Ven hier gus droht Gefahr. Jeder wohlgesinnte Bürger Frankreichs wird mit freudiger Erinnerung an den Kampf für die Unabhangigkeit, den seine Armeen in den früheren Jahren der Revolu⸗ tlon so muthig bestanden haben und an den Ruhm denken, den sie sich erworben: allein er wird nicht zu geben, daß der militairische Ruhm vorherrschend werde, und daß er die Zukunft, prädominire. Dieser militairische Geist muß bekämpft werden, weil er in den Reihen der alten Armee der jetzigen Dy⸗ nastie gefährlich, in den Reihen der neuen Armee der konstitutionellen Freiheit nachtheilig, kur weil er faktieur und zerstörend werden würde. Allein nur große Gährungen können ihn furchtbar machen, und diese kann er gegenwärtig nicht veranlaßen, weil er durch zu viele Einsichten bewacht, durch zu mannigfaltiges Intereße zurückgestoßen wird.

Der Monitenr vom 11. Jul. enthält, daß die De— putirtenkammer die Diskußion über das Gesetz der Mittel und Wege beschloßen, und dasselbe mit einer Mehrheit von Jag Stimmen gegen 6 Stimmen an⸗ genommen hat. Mittelst eines additionellen Artikels hatte der Deputirte Casimir Perrier verlangt, daß die Regierung die 1 Mill. Renten, welche sie besitzt, nicht ohne Autorisation der gesetzgebenden Gewalt ver⸗ äußern könne, und war darin von dem Deputirten Lafitte (beide sind Pariser Banquiers) mit einer ge⸗ wißen Einschränkung unterstützt worden, indem die⸗ ser wollte, daß die Regierung zwar in ihren Nego⸗ cjatjionen Über die Renten disponiren könne, aber

nur kraft einer legislativen Autorisation sie veräußern dürfe, und dabei behauptete, daß diese Maasgabe ihren Kredit nicht schwächen könne, sondern ihn vielmeht befestigen müße. Gleichwol wurde das Gesetz ohne Berücksichtigung dieser Proposirionen angenommen. Bei Gelegenheit einer Petition der Bewohner von Cagolin im Var-Departement, des Inhaltes, daß die Addreße, worin sie ihren Unwillen über die Ermor⸗ dung des Herzoges v. Berry bezeigt, ihnen nicht erst hätte durch eine besondere Einwirkung Comité directeur eingegeben werden dürfen, benutz ten die Deputirten Perrier und Benjamin Eon— stant diese Gelegenheit, um die vor langer Zeit von dem bekannten Elauzel de Caussergues gegen

den Herzog Decazes erhobene Anklage wieder ins

Gedächtnis zu bringen, meinend, daß jetzt, wo der Herzog eine so ehrenvolle wichtige Mißion antrete, er sleckenlos dastehen müße. Herr Elauzel de Eau s⸗ sergues, von welchem mehre Pariser Blätter sälsch⸗ lich versichert hatten, er habe gleich nach der Ankunft des Herzoges Paris verlaßen, trat sogleich auf und

erklärte, er sey immer noch bereit sein Verlangen gel⸗

tend zu machen; man habe ihn deshalb vielfach ge⸗ schmäht, aber wenn er auch seine Anklage ein stweilen zurückgenommen, so gebe er sie doch nicht auf und wolle sie in dem Zwischenraume von der gegenwärti— gen Sitzung der Kammer bis zur künftigen näher ausar— deiten, weil es dazu erst noch mancher Erforschungen und deshalb mindestens einer Frist von fünf Monaten be— dürfe, zumal da es noch immer an einem bestimmten Gesetze über die Verantwortlichkeit der Minister fehle.

Auf die nachdrückliche Rede des Ministers der Aus—⸗

wärtigen Angelegenheiten „wie ungeziemend ein so

schwankendes leeres Beginnen eines Einzelnen sey, der allerdings zwar das Recht habe, gegen einen Minister eine Anklage zu erheben, aber nachdem er aufgefodert worden sey, sie auf dem gesetzlichen Wege und in der vorschriftmäßigen Ordnung zu begründen, das nicht gethan, sondern sie förmlich zurückgenommen“ ging die Kammer so wol über jene Petition, als über diese das dadarch veranlaßte Disgreßion zur Tagesordnung. Die Erfindungen des Lieutenants Haquet, ver— möge deren ein einziger Artillerist hinreicht, sein Ge— schütz zu bedienen und es während des Fahrens zu laden, sind vom Herzoge von Angouleme mit dem schmeichelhaftesten Beifalle aufgenommen worden. Man schätzt die Zahl der täglich hier ankommen— den Briefe auf za, ooo, in London aber auf 133,000;

an Tagblättern werden hier täglich 11,800 und in

London 26,000 ausgegeben. Spanien. Berichten aus Puerto Cabello zufolge

soll der Kongreß von Angostura zwei Bevollmächtigte

an den General Arana gesandt haben, um ihm zu eröffnen, daß, sobald die Verfaßung in Caracas be—

schworen werde, die Insurgenten bereit seyen, Spa

niens Oberherrschaft wieder anzuerkennen Von Arana

soll diese Meldung an den Oberbefehlshaber, General

Morillo, befördert worden seyn. Rom.

verlaßen und nach Teutschland zurückkehren.

Bologna. Semiramide riconosciata, die neuste Oper des aus Berlin gebürtigen Komponisten Meyer— Ve er, ist hier mit großem Beifalle aufgenommen worden.

London. Graf Grey schilderte in seiner, auf den Bericht der geheimen Komite über den Inhalt

der grünen Beutel, am 4. Jul. gehaltenen Rede die ( Mislichkeit der Lage, in der das Oberhaus sich befinde,

Über eine Sache zu entscheiden, gegen die es durch das eingeleitete Verfahren schon eingenommen sey; und den preßhaften Zustand der Königin, sich Mo—

nate lang mit der Schmach der gegen sie laut gewor⸗

denen Anklagen bedeckt sehen zu müßen, ehe sie Gele— genheit habe sie zu widerlegen.

eines

Der Prinz Friedrich von Gotha, det sich hier mehre Jahre aufgehalten, wird uns nächstens

Graf Liverpool

entgegnete, daß es weit beßer gewesen wäre, die Sache in der Stille beizulegen; allein da die Königin darauf bestanden, nach England zu kommen, so sey ven Ministern nur übrig geblieben, sie als Königin von Grosbritannien zu empfangen, oder die Anklage gegen sie einzuleiten; letzteres hätten sie auf ihren ei— genen Antrieb gethan.

Am 6. wurden die Räthe der Königin, Broug— ham und Denman, vor das Oberhaus gelaßen; beide trugen darauf an, die Anklagebill zum zweitenmale un— verzüglich vorlesen und die Proceduren gegen ihre Klientin sofort beginnen zu laßen. Die zweite Vor— lesung der Bill ward hierauf auf den 17. Aug. be— stimmt. Herr Ferg u son äußerte sich sehr heftig gegen die Mailänder Gesandtschaft, nannte den Vicekanz⸗ ler Leach den Chef derselben, behauptete, daß dieser nach Italien gereist, um diejenigen Erkundigungen einzuziehen, welche den Inhalt der grünen Beutel ausmachten, daß diese Sendung 23,000 Pfd. gekostet habe, und daß er sich anheischig mache, für die Hälfte dieser Summe in Italien Zeugen aufzutreiben, die bereit wären, jeden Menschen, wes Ranges er auch sey, auf ewig zu verunglimpfen. Zuletzt schloß er mit dem Antrage, die Papiere vorzulegen, welche diese Sendung beträfen.

Lord Cast lereagh erwiderte hierauf: „Die— sem Antrage kann ich nicht genügen. Die Mini⸗ ster sind keinesweges gesonnen, die Sache in ein Geheimnis zu hüllen. Wenn die rechte Zeit er— scheint, so soll das Haus von Allem hinlänglich unterrichtet werden, und dann wird dasselbe im Stande seyn, über unser Betragen zu urtheilen. Was in⸗ deßen die Fakta betrifft, welche sic auf die Bill, die im Oberhause erschienen, beziehen, so will ich mich darüber ganz offen erklären. Die Berichte, welche Sr. Majestät Minister über das Betragen der Köni—⸗ gin erhielten, kamen nicht allein von Italien, sondern von verschiedenen Ländern in Europa; und wohlver— standen, diese Berichte waren nicht zusammengebracht, sondern wir erhielten solche ohne Auffoderung von al— len Seiten, und einige waren von einer so ernsthaften Natur und erregten eine solche Sensarion, daß es nöthig gefunden wurde, sich nach der Wahrheit die— ser Angaben zu erkundigen.“ Der Lord vertheidigte nun noch den Karakter des Vice-Kanzlers, betheuerte, daß die Sendung nach Mailand nur darum stattge⸗ funden habe, um hinter die Wahrheit der eingelaufe— nen Nachrichten zu kommen, und versicherte wieder— holt, daß das Haus seiner Zeit von Allem gehörig un— terrichtet werden sollte.

An demselben Tage trafen zwölf Ausländer, mei⸗ stentheils Ftaliener, im Dover ein; es verbreitete sich kaum das Gerücht, daß diese Fremden gekommen, um gegen die Königin als Zeugen aufzutreten, als der Pö⸗— bel über sie herfiel und sie dergestalt mishandelte,

daß ihre Wagen ohne sie nach London abfahren muß—

ten, und Einer der Ankömmlinge schwer verwundet weggetragen ward. Erst nach einer Stunde gelang es der obrigkeitlichen Behörde, das Volk auseinander und zur Ruhe zu bringen.

Als am 11. Jul. dieser Auftritt im Unterhause zur Sprache kam, rügte Lord Castlereagh den Un— fug des Pöbels mit großem Unwillen.

„Mehr denn hundert Personen im Auslande, welche für die Königin zeugen werden, sind auf der Herreise

begriffen.

Nach der Aeußerung des Lord Castlereagh wird die Krönung an dem früher dazu bestimmten Tage nicht stattsinden; ein anderweiter Tag sey dazu vor der Hand noch nicht bestimmt; indeßen habe die An— gelegenheit der Königin auf diesen Aufschub keinen

Einfluß.

Der Mailänder Bergami (s. 56stes Stück der Zeitung) befindet sich gegenwärtig zu Paris.

Für den Herzog Decazes, welcher in kurzem hier trwartet wird, ist schon die Wohnung eingerichtet.

Der mit Depeschen des Herzogs Lon Cumber— land von Berlin hier eingettosfene Ko rier ging am 4. dahin wieder zurück.

Hanover. Am Schloßhaue wird fortwährend flei⸗ ßig gearbeitet, und durch neue Thore ist die Restdenz verschönert; dagegen scheint der Plan zum Waterloo— Monumente wieder in Vergeßenheit zu gerathen. MNiederländischen Blättern zufolge sollen wir das Glück haben, des Königs Maj. Ende Sept. hier zu sehen; indeßen ist etwas ganz Bestimmtes hierüber hier noch nicht bekannt.

Dres den. Die Frau Herzogin von Baiern Schwester Ihrer Maj. der Königin, ist nach einem zweimonatlichen Aufenthalte hieselbst, am 13. Jul. wieder nach Bamberg zurückgereist.

Leipzig. Der Artikel im 56sten St. der Allgem. Pr. Staats-geitung, welcher von der Anwesenheit Sr. Maj. des Königs von Preußen in Leipzig, am 3. d. M. Nachricht giebt, bedarf einer kleinen Berichtigung. „Se.; Majestät der König stiegen auf der sogenannten Milch-Insel, der gegenwärtigen Wohnung Sr. Duchl. des Fürsten Schwarzenberg 2c. ab, und verweilten daselbst bis zur Rückkunft Ihres, während deßen mit fri⸗ schen Pferden zu versehenden Reisewagens. Se. Durchl. der Prinz Friedrich von Heßen, Neffe Sr. Maj. des Königs, hatte sich, zufolge einer von Allerhöchst— Denenselben früher erhaltenen Einladung, in Begleitung seines Führers, des Königl. Preuß. Obersten von Below, schon vorher dahin begeben, und empfing, nebst den beiven Adjutanten Sr. Durchl. des Fürsten Schwarzenberg ꝛc., den kaiserl. königl. Obersten Grafen von Paar und Baron von Wernhart, Se. Majestät beim Aussteigen aus dem Wagen. Eine Vorstellung des Prinzen von Heßen und der üdrigen anwesenden Personen fand nicht statt, indem sie alle, mit Ausnahme des Dr. Hahnemann, St. Maj. dem Könige bekannt waren. Der Fürst Schwarzen— berg hatte das Bett noch nicht verlaßen, indem Se. Majestät mehr denn eine Stunde früher anlangten, als Sie in Leipzig erwartet worden waren; Alserhöchst— Dieselben besuchten daher den Fürsten in seinem Sch laf— Zimmer, und verweilten daselbst eine geraume Zeit, indem Sie dem allgemein verehrten Feldherrn die größte Theilnahme an seinem Gesundheitzustande zu bezeigen geruheten.“

Detmold. Die Fürstin Pauline von Lippe⸗ Detmold hat ihren ältesten Sohn PJaul Alexan— ber Leopold (geb. den 6. Okt. 1796) am 26. Jun. für mündig erklärt, ihm die Regierung übertragen und bei dieser Gelegenheit vor der versammelten Landes— Behörde folgende Rede gehalten:

„Als ich vor 18 Jahren die Regierung dieses Landes feierlich ubernahm und zum erstenmale oͤffentlich redete, wie war da alles so anders, so beengt, so traurig! Ein Wit⸗ wenschleier, ein tiefes Trauerkleip, jetzt festliche Gewaͤnder; vaterlose weinende Kinder von 6 und 5 Jahren an meiner Seite, jetzt meine erwachsenen, kraftvollen Sohne, der eine schon als begluͤckter Gatte; damals Mangel und Theurung im Lande und Thränen fuͤr den fruͤh verewigten Fuͤrsten, jetzt Wohlfeilheit und Ueberfluß und kaum noch gehortet Jubel der Freude! Meine Regentschaft war ernst und be— schwerlich durch mancherlei Prüfungen, Kriegsbeschwerden und Misverstaͤndniße: moͤge die Regierung meines geliebten Sohnes um so gesegneter, gluͤcklicher, klarer werden! Ich versprach bei meinem Antritte redlichen Willen, und mich dem Lande und meinen Kindern ganz zu widmen; so oft ich auch gefehlt haben mag, mein Gewißen versagt mir das Zeugnis meiner Pflichttreue nicht; Gott hat mich vaͤterlich geleitet, mein gutes Land mir immer Liebe bewiesen, und so ist vieles geschehen, manches gelungen, mehr noch vorbe— reitet. Mit der würdigen vormundschaftlichen Regierung war ich immer eines Sinnes; die Finanzen erfreuen 16 eines bluͤheuden zustandes: Und so trete ich ruhig in den Privatstand zuruck, entlaße Sie feierlich der mir bisher schuldigen Pflichten, und weise Ihre Freue, Ihre Ergeben heit, Ihren Gehorsam nunmehr an Ihren Fuͤrsten, meinen theuren - altesten Sohn. Ich bitte Gott, daß er ein gereche ter, liebevoller, selbstihätiger und entschloßener Regent werde,