1820 / 68 p. 1 (Allgemeine Preußische Staats-Zeitung, Tue, 22 Aug 1820 18:00:01 GMT) scan diff

Man sieht aus diesen Zahlen, daß die Aristokratie der Grundbesitzer noch stark genug ist, um 172 Depu⸗ tirte wählen zu können, und daß man deswegen dem Theilen des Bodens keine neuen Hinderniße braucht in den Weg zu legen. Denn die großen Ackerhöfe werden sich in Frankreich eben so erhalten, wie sie sich am Rheine erhalten haben, und es wird immer eine große Anzahl Personen geben, die so viel Grundeigen— thum besitzen, daß sie 1000 Fr. Steuer bezahlen.

Da ven allen diesen Departementswählern nach Angabe des kéniglichen Kommißairs nur etwa ein Fünftel zum alten Adel gehört, also zwischen 3000 und 3500, so sieht man, daß die Besorgnis ungegrün— det war, daß das Wahlgeschäft eben so in die Hande der großen Familien von Frankreich kommen würde, als das Wahlgeschäft in England in den Händen der großen Familien von England ist, wo bekanntlich 160 Lord Familien 398 Depurirte ins Unterhaus wählen, also die Majorität, da die Gesammt ahl nur ö ist ).

Sobald die Thatsache außer Zweifel gesetzt wer, daß in den Departemental-Kollegien nur ein Fünftel vom alten Adel sey, so stand gleich die Diskußien auf einer andern Stelle. Denn was auch B Constant von einer Klientel sagen mochte, die der alie Adet sich un ter den Bürgerlichen dadurch versa afft, daß er den „bürgerlichen Eitelkeiten geschmeichelt, so liegt es doch in der Natur einer Klientel, daß sie sich nur zwi⸗ schen sehr von einander entfernt liegenden Stufen der Gesellschaft bilden kann, und die 2 Goo Franken⸗Män⸗ ner können sich keine Klientel unter den 1600 oder unter den 1000⸗ Frankens Männern machen.

wollte man

zwei Kollegien zu gestatten; dann 2tens Spaͤter

damals ein Fuͤnftel der Meistheerbten haben. einigte man sich auf ein Viertel.

) Bei den Verhandlungen uͤber das Wahlgesetz in Frank⸗ reich war es auffallend, daß man nicht gleich darauf ausging, sich genaue Zahlen uͤber die Stacistit der Departements⸗Kollegien zu verschaffen; denn hierauf be— ruhte doch Alles, und wenn man diese harte, so hatte man sich eine große Menge heftiger Reden ersparen koͤnnen, die voͤlig ohne irgend einen Einstuß auf die Entscheidung waren. In England wu de das Parla⸗ ment sich auf eine solche Distußien gar nicht ein n aßen haben, ohne vorher eine Kommißion zu ernennen, die alle Papiere und alle Aufklärungen sammelte, um we— nigstens den Thatbestand festzustellen, da das Parla— ment gewohnt ist, immer mit eigenen Augen zu sehen, und nie mit den Augen der Regierung. Daß man dieses in Frankreich unterlaßen, das fuhrte nachher zu einem großen Schwanken der Meinungen, indem mehre Redner das Gegentheil von dem zu beweisen such⸗ ten, was der Kommißair der Regierung der Kammer mitgetheilt. So sagte Courvoisier, der sonst zu ben Gemäßigten gehört, es sey ihm unwahrscheinlich, daß unter den 18,000 Departementswählern nur ein Fuͤnftel vom alten Adel seyn sollte, da man bekanntlich vor der Revolution 17, 000 adelige Familien in Frank— reich gehabt, und so sehr auch Viele verloren, so hatten die Familien doch im Ganzen ihren Grundbesitz großen— theils in der Revolution gerettet. Allein Hr. Co urvoi⸗ fier uͤbersah hier offenbar den Umstand, daß auch vor der Revolution diese 17, 000 adeligen Familien nicht die 17,000 reichsten Familien von Frankreich waren; denn auch damals war in Frankreich schon ein zahlreicher ar⸗ mer Abel, der sein Vermoͤgen am Hofe und in der Hauptstadt verschwendet hatte. Wenn man damals die 17, ooo reichsten Leute von Frankreich genommen, so waͤ⸗ ren unter diesen vielleicht 12,000 buͤrgerliche gewesen und mehr.

Auch B. Constant leugnete, daß nur ein Fünftel vom alten Adel wäre. Denn, sagte er, les grandes fortunes sont indestructibles.“ Auch sey bekannt, daß, als unter Napoleon eine Statistik von den reichen Leu⸗ ten aufgestellt worden sey, drei Viertel von diesen zum alten Adel gehort. Dieses ist wahr, allein es war blos von solchen die Rede, die 10,000 Rthl. Revenuͤen und drüber hatten, und deren waren damals 1810) in ganz Frankreich 1300, und unter diesen 8 bis god vom alten Adel. Allein hieraus folgt nun nicht, daß man in den tieferen Schichten der Gesellschaft, die 2000 oder 3000 Rthl. Nevenuͤen hat, ebenfalls drei Viertel vom alten Adel fände. Im Moseldepartement waren von 183 Gliedern des Dep. Koll. nur 35 vom alten Adel.

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Die Schwierigkeit bei dem Französischen Wahlge⸗

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setze vom 5. Febr. 1817 scheint dadurch entstanden zu

seyn, daß man es nicht, wie in England, in zwei große Zweige getheilt, in Stadt und Land. Indem man den großen Städten eine Anzahl von Deputirten hätte zugewiesen, die sie zu wählen hätten, so hätten sie diese ganz in demokratischer Weise wählen können, weil die⸗ ses von gar keinem nachtheiligen Einfluße, wenn dann das Land die seinigen in aristokratischer Weise gewählt, da das Land immer eine natürliche Ueberlegenheit über

ten Bevölkerung auf dem Lande wehnen. Jene bil. deten dann die Opposition, diese die Ministerial⸗Par thei, die beim Abstimmen immer die En sch eidung giebt.

Dann ist ihnen in Frankreich eine große Schwierig keit daraus erwachsen, daß sie bei dem Neubau ih ter gesellschaftlichen Einrichtungen bei der Spitze angefan— gen haben und nicht bei dem Fundamente, nämligz dei den Gemeinden. Hätten ste früher die Selbst stan digkeit ihrer 3g, 00 Gemeinden ausgesprochen, si daß diese kleine demokratische Staaten bildeten, so sich

ih sen Vorstand selder wählten: so hätte das demokra und es kame

tische Element seine Stäte gefunden, ihnen nun nicht immer nach oben und in die Gesetz⸗ gebung, wo es nur Verwirrung anrichtet, sobald es die Mehrheit hat. Eine Gemeinde ist ein kleiner Staat, in welchem sich die Dinge immer von selber zurecht finden, eben seiner Kleinheit wegen, die die uebersicht leicht macht und die Men— schen schnell über ihre wahren Intereßen aufklärt. Hier liegt auch die Ursacht, daß die Men— schen sick, wie Göthe behauptet, so treflich aufs Flik⸗ ken verstehen. Man kann daher in allen den Fällen, wo ein bloßes Flicken ausreicht, sie gewähren laßen, und im Voraus überzeugt seyn, daß sie die Sache zu Stande bringen. Wenn es also auch ein Jahr in eir ner Gemeinde aus Unverstand schlecht geht, das nächste Jahr wird es schon beßer gehen, da nun die Familien—

Väter der Gemeinde erkannt haben, wo die Ursache lag,

daß es schlecht gegangen. Im Anfange der Revo lurlor— hatte man ein Sprüchwort: le desordre amenera HFordre. Dieses ist bei einem kleinen Gemeindewesen völlig wahr, allein nicht bei einem großen, weil dic es schwerer zu übersehen ist, und weil die Mittel schwe— rer anzugeben, wodurch ihm zu helfen.

Man hat offenbar von einer Regierung mit einer affentlichen Gesetzgebung eine irrige Vorstellung, wenn

man glaubt, daß dadurch jemand anders ans Regieren

käme, als eben die Minister, von denen die Opposi⸗ tion immer und zu allen Zeiten behauptet hat, und in Zukunst behaupten wird, daß sie das Regieren nicht ve ständen.

Ein großer Staat läßt sich eben seiner Größe we gen nur nach allgemeinen Gesetzen regieren, die das Jeder weis dann, was er an nicht aus der Stadt zu entfernen. und sein Nachbar zu thun und zu laßen hat, und

Menfäsen und Dinge bewegen sich dann mit Leichtig⸗

bürgerliche Leben ordnen.

keit aneinander vorbei und ohne gegen einander zu rennen. Es ist aber, selbst beim besten Willen unge⸗

mein schwer, zu solchen Gesetzen zu gelangen, die auf alle Fälle paßen, wenn man solche nicht einer öffent.,

lichen Berathung und einem öffentlichen Widerspruche aussetzt. Indem man auf diese Weise Alles hört, was sich dagegen sagen läßt, so unterrich et man sich jedes mal vollkommen über den Gegenstand. Denn bis jetzt haben die Menschen noch kein beßeres Mittel ge—⸗ funden, das Wahre an einer Sache zu entdecken, als daß sie dieses durch zwei streitende Partheyen, gerade wie vor den Gerichtshoͤfen, kontradikterisch ent— wickeln laßen. Ist aber ein Gesetz einmal mit einer völligen Kenntnis des Gegenstandes abgefaßt worden, so finden sich nachher bei der Anwendung weniger Schwierigkeiten, weil man nun auf keine mehr stößt— so bei der Abfaßung nicht vorgesehen worden. (Schluß folgt.)

Redaktion in Aufsicht: von Staͤgemann— Reimersche Buchdruckerei,

Algemeine

Preußische Staats- Zeitung.

die Städte hat, indem immer drei Viertel der gesamm·

682 Stück. Berlin, den 22sten August 1820.

w

Zeitung s-⸗Nachrichten.

Spanien. Das von dem Könige bestätigte De— beet der Cortes, durch welches die Thronfolgerechte „der Geschwister des Königes, des Infanten D. Fran⸗ tesko und der Infantin S. Marie Louise (Mut⸗ ter des Herzoges v. Lucca) hergestellt worden, ist jetzt in die Regierungszeitung aufgegommen.

Durch einen Bischluß der Cortes ist die Einfuhr von Korn und Mehl in die Häfen der Halbinsel die Balearischen und Kanarischen Inseln ausgeschloßen) bis zur nachsten Sitzung verboten, so lange der Preis nicht über 50 Realen (5 Thl.) für den Fanegas Wai⸗ zen, und nicht über 120 Realen (75 Thl., für den Fentner Mehl berrägt. (100 Fanegas sind etwas über 10958 Berl. Scheffel.

Ein in der Verfammlung der Cortes gemachter Antrag zur Abschaffung der Zehnten hat zwar Wi⸗ dersprüch gefunden; es ist aber mit starker Mehrheit bischloßen worden, ihn in Berathung zu ziehen.

In der Sitzung vom 30. Jul. wurden die anwe⸗ senden Minister in Beiug auf die Neapolitanischen Angelegenheiten befrogt, ob der König von Neapel die Spanische Verfaßung angenommen habe. Der Mini⸗ ster des Inneren erklärte, daß er sich amtlich hierüber nicht äußern könne. In derselben Sitzung ward der Ent surf eines Gesetzes, die Errichtung einer Natio⸗ nal-Schutzwache, in 5250 Mann bestehend, vorgelegt und zur Berathung der Cortes angenommen.

England. Da der Prozeß gegen die Königin am A4. Uug. eröfnet werden soll, obwol einige unsrer öf— fentlichen Blätter auf eine Annäherung hindeuten: so haben die sämmtlichen Konstabler und Polizeibeamten von Westminster Befehl erhalten, sich von diesem Tage

Die Häuser unfern dem Parlamente, in welchen die aus Jralien berufenen Zeugen gegen die Königin wohnen werben, sollen durch Aufpflanzung von Ge—

schütz und durch ein starkés Hetaschement von Truppen

gegen die etwanigen Angkiffe des Pöbels gesichert werden.

. Man will in der Abtei zu Connor in Irland eine Irländische Uebersetzung der Gedichte ians vom

Jahre 1463 gefunden haben.

Tärkisches Reich. Da die Pforte über ihre Maasregeln gegen den Pascha von Janina und über die Vorfälle in dieser Gegend nichts zur Kenntnis des Publikums bringt, so beruhen die Nachrichten von schon erfochtenen Siegen gegen die Truppen des rebellischen Pascha nur auf Gerüchten. Dahin gehört, daß ein Neffe desselben in die Flucht geschlagen, so wie, daß sein Sohn Veli Pascha bei Lepante besiegt, und ein dasiges Schleß verbrannt worden. Gewiß ist, daß die Pforte fortwährend Truppen, Geschütz und Muni—⸗ tion absendet, und von mehren zum Gebiete von Ja— nina gehörigen Ortschaften, ohne Widerstand zu fin⸗ den, Besitz genommen hat. Ein Geschwader von 12 größeren Schiffen, einigen Kanonenschaluppen und Ga⸗

leeren unterstützt von der Seeseite die Unternehmun⸗ gen der gegen Ali Pasch a vereinten Statth lter.

In der Hauptstadt hat die Pest noch nicht auf⸗ gehört.

Oesterreichsche Staaten. Nachrichten aus Triest melden das Absterben der Madame Elise Bac⸗

ciochi, Schwester Buonaparte' s.

Großherzogthum Baden. Die Frage über die schutzbürgerliche Annahme der Juden ist in der zweiten Kammer nach langen, mitunter stüůrmischen Debatten, durch den Besctzluß „diese Annahme zu Schutzbürgeru überall den Gemeinden zu überlaßen“ entschieden worden. (Der Abgeordnete Win ter hat in der Karlsruher Zeitung, aus der die Erzählung in Rr. 67. der Staats- Zeitung genommen worden, seine Abstimmung dahin erklärt: er habe sich dagegen gesetzt, daß die Annahme der Ortbürger lediglich in bie Willkür der Gemeinden gestellt, daß sie an kein Gesetz gebunden, und daß endlich der Regierung eins der wesentlichsten Rechte, das Recht der Aufsicht über den Vollzug der Gesetze, entzogen werden solle Sein Antrag sey deshalb dahin gegangen: „den Gemeinden seht das Recht der Bürger⸗Annahme zu, nach den bestehenden oder künftigen Gesetzen.“ Eben so laute sein Antrag wörtlich hinsichtlich des Rechtes der Gemeinden zur bürgerlichen Annahme der Juden. Gleichmäßig erklärt er sich über seinen Antrag, den unterschied zwischen Ort- und Schutz⸗Bürgern aufzu⸗ heben, daß dieser Unterschied, da er lediglich „auf dem Antheile oder Nicht-Antheile an dem Genuße des Ge⸗ meinde-Vermögens“ gegründet werde, und nach den bestehenden Gesetzen die Schutzbürger, an dem Privat⸗ Vermögen der Gemeinden AÄntheil hätcen, in den jeni⸗ gen Gemeinden, worin sich keine Gemeinde Allm e n⸗ ben vorfinden, ganz bedeutungslos erscheine. Hin⸗ sichtlich der Schutzbürger in Gemeinden, welche All⸗ menden besäßen, vielleicht nur die Hälfte der Gemein⸗ den, habe er andere Vorschläge gemacht.)

Durch einen Beschluß der zweiten Kammer ist die Amortisationskaße zu einem Anlehn von 56 Mill. Gul⸗ den ermächtiget worden, von welchen 1 bis 13 Mill. zur Heimzahlung von Stiftungs-Kapitalien verwendet und die Verwaltungsbehörden der Stiftungen ange⸗ wiesen werden sellen, dieses Geld in den behörigen Landestheilen wieder auszuleihen.

Die verschiedenen Kirchen- Sektionen haben einge⸗ willigt, ihre Kapitalien künftig nur zu 5 Procent zu belegen, und die Regierung hat die bisher unablös lichen Breisgauischen Staatspapiere für aufkündbar erklärt.

Großherzogthum Heß en. Der Stände⸗Ver— sammlung ist von Seiten der Regierung der Entwurf zu einem Gesehze vorgelegt worden, das die Garantie der politischen Rechte aller Staatsbürger enthält, in⸗ dem es festsetzt, daß alle konstitutionellen Gesetze und Rechtsbestimmungen nie anderes, als mit Einwilligung