1830 / 7 p. 2 (Allgemeine Preußische Staats-Zeitung, Thu, 07 Jan 1830 18:00:01 GMT) scan diff

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bekannt. Admiral Rigny hat dadurch, daß er den ihm an⸗ getragenen Posten eines See⸗Ministers ausgeschlagen, das allgemeine Interesse erregt. Graf Heyden steht mit ihm so⸗ wohl, als mit Sir P. Malcolm in den engsten Verhaͤltnis⸗ sen. Ein aͤußerst anziehendes Schauspiel gewaͤhrte uns die Zusammenkunft unsers Admirals mit dem Pascha von Tene—⸗ dos. Dem 6ö5jaͤhrigen ehrwuͤrdigen Greise leuchtete die Freu⸗ de aus dem Gesicht und er konnte es sich nicht versagen, mit— ten in dem Gespraͤche den Admiral mehrmals zu umarmen und ihn auf gut Russisch zu kuͤssen. Letzterer, so wie Graf Heyden und alle anwesenden Capitaine aßen bei ihm auf Tuͤrkische Weise. Sie wurden bei ihrer Landung am Ufer jeder einzeln von Kanonenschuͤssen begruͤßt, weshalb man schon fruͤher zu ver— stehen gegeben hatte, daß jeder in einer besonderen Schaluppe ankommen mochte. Zur Besichtigung der Insel gab uns der Pascha seine Parade⸗Pferde und that uͤberhaupt alles Moͤg— liche, um uns gut aufzunehmen. Er gehoͤrt zu den aͤltesten Paschas des Tuͤrkischen Reiches, bekleidet diese Wuͤrde bereits I5 Jahr, und herrschte in vielen Provinzen als unumschraͤnk— ter Herr. Tages darauf gab ihm zu Ehren Graf Heyden ein Mittagsmahl am Bord des Asoff, wo er mit 17 Salut— schuͤssen empfangen wurde. Bei dieser Gelegenheit erfuhren wir, daß er auch Befehlshaber einer Flotte gewesen war. Recht sehr bedauerten wir, daß er Tenedos schon am naͤchsten Tage verlassen mußte. Auffallend war es uns im Allgemei— nen, in den meisten hoheren Tuͤrkischen Beamten achtungs— werthe, wohlwollende und zum Theil gebildete Maͤnner zu

finden. Auch in Smyrna ist der Pascha von Allen geliebt und von den dortigen Europäern geachtet ). Diese Stadt ist, als eine Tuͤrkische betrachtet, sehr interessant und verdient gesehen zu werden, nur behuͤte Einen der Himmel dafuͤr, sie zum Aufenthaltsorte zu wahlen. Es giebt dort zwar genug Europaͤer von allen Nationen, sie leben aber alle auf Tuͤrki⸗ sche Weise. Kommt man hin, es sey zu welcher Tageszeit es wolle, so wird Kaffee gebracht, den die aͤlteste Tochter des Hauses in kleinen Tuͤrkischen Tassen selbst uͤberreicht. Dem gefeier⸗ ten Gast wird auf dem Divan ein Platz zwischen den Damen ange⸗ wiesen; die Unterhaltung ist lebendig genug und bewegt sich in fast allen Europaͤischen Sprachen. In großen, mit schoͤnen Baäͤumen und Pflanzen, die das Klima mit sich bringt, reich ausgestatteten Gaͤrten waͤchst Alles in ungebundener Freiheit; Blumenstuͤcke

und Wege sieht man nicht; uͤberall folgt die Natur ihren

Launen und streut die schoͤnsten Blumen an Orte hin, wo man sie am wenigsten erwartete. Ganz besonders zeichnen sich die hiesigen Tuberosen aus; ihres starken Wohlgeruchs wegen, werden sie gewoͤhnlich zur Verzierung der Speisetische benutzt. Schon seit drei Tagen werden wir von einem hefti— gen Sturme heimgesucht, doch ist er nicht so arg, als er bei den Dardanellen zu seyn pflegt; an zwei Ankern liegen wir ruhig genug. Admiral Malcolm, der uns bei den Dardanellen verlassen hatte, war von dort auf einer Brigg nach Konstan— tinopel gesegelt. Er hat eine Privat-Audienz bei dem Sul— tan gehabt, bei welcher dieser merklich niedergeschlagen gewe— sen seyn, sich jedoch ohne sichtbaren Zwang unterhalten haben soll. Der Admiral empfing von ihm eine mit Brillanten ver—

zierte Tabacksdose und fuͤr seine Gemahlin zwei Shawls; der

Kapudan-Pascha schenkte ihm einen kostbaren Sabel; nach seinet Ruͤckkehr habe ich Gelegenheit gehabt, diese Geschenke zu sehen.“

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Paris, 29. Dec. Nachstehendes ist ein Auszug aus dem Aufsatze der Gazette de France uͤber die Nothwen—⸗ digkeit eines neuen Municipal-Systems, so wie aus den Rai— sonnements der Oppositions-Blaͤtter uͤber diesen Gegenstand. „Zu verschiedenen Zeiten“, sagt die Gazette, „haben Maäͤn— ner, die sich eben so sehr durch ihre Einsichten als durch ihren moönarchischen Sinn empfahlen, auf eine Verbesserung unserer Gesetze, zu Gunsten der Communen, gedrungen. Sie wuͤnschten nicht eine voͤllige, den Interessen der Gemeinden selbst nachtheilige Emancipation, sondern nur eine weniger große hang glet vom Centrum hinsichtlich der Entscheidung in oͤrtlichen Angelegenheiten; sie wollten dadurch den Admi— nistrirten eine Behörde naͤher stellen, die bestimmt ist, ihre Beziehungen zum Staate zu ordnen; kurz ihre Wuͤnsche gin— gen dahin, die Gemeinde wieder herzustellen, ihr eine Existenz, eine Form zu geben und dann erst sich mit der untergeord— neten Frage der Ernennung der Municipal-Behoͤrden zu be— schaͤftigen. Die Centralisation, welche vor der Restauration bestand, war das Werk des Despotismus; er schuf sie, um seinen Geist auch in die kleinsten Angelegenheiten einzuführen

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und sich einen ausgebreiteten Einfluß zu verschaffen, indem er

* Bekanntlich ist Hassan Pascha seitdem gestorben.

alle, auch die geringfuͤgigsten, Local⸗ und Privat Angelegen⸗

heiten von seiner Entscheidung abhaͤngig machte. Man schien

damals zu vergessen, daß der Hauptberuf einer Regicrun

darin besteht, zu bewachen und zu beschuͤtzen, zwei . welche die Vormundschaft ausmachen. So wie man alle Frei⸗ heiten vernichtet hatte, vernichtete man auch alle Interessen, und diese dienten, statt dem allgemeinen Besten, nur dem Ehrgeize eines einzigen Mannes, dem Gedeihen einer einzigen Stadt. Alle Thatsachen liefern den Beweis dafuͤr, daß die Maͤnner, welche Frankreich einige Zeit lang regierten, zu sehr der Hauptstadt zu schmeicheln suchten, indem sie von der Ueber— zeugung ausgingen, daß ihr Glück gaͤnzlich von der Meinung der Stadt abhaͤnge, die allein der Schauplatz aller großen politischen Bewegungen gewesen war. Sie betrachteten Paris als die Wiege und das Grab aller Gewalten, die auf einander gefolgt waren, und vereinigten allen ihren Einfluß und ihre Macht in diesen Mittel punkt, indem sie das uͤbrige Frankreich geringschaͤtzten. Seit der Wiederherstellung der Monarchie dagegen hat die Regie⸗ rung stets dahin gestrebt, die Geschaͤfte zu decentralisiren. Freimuͤthige und wahrhaft liberale Ansichten uͤber diesen Ge⸗ genstand wurden von den so sehr verlaͤumdeten General-Con⸗ seils, von jener Majoritaͤt der Jahre 1815 und 1825 ausge⸗ sprochen. Im Jahre 1821 erschien eine erste Verordnung, wodurch den Muniecipal- und Departemental-⸗Behoͤrden ge⸗ wisse Befugnisse wieder gegeben wurden. Das Ministerium von 1822 ergriff jede Gelegenheit, um die Geschaͤfte der Mi— nisterial⸗Buͤreaux und den Gang der Verwaltung so viel als

moͤglich zu vereinfachen, indem es den Gemeinden, den Prä⸗

fekten und Unter-Praͤfekten eine Menge von Sachen uͤber⸗

trug, die bisher einer Koͤnigl. Verordnung, oder der Geneh⸗

migung des Ministers bedurft hatten. Dieses geschah beson— ders in Bezug auf die Feststellung der Communal⸗ Budgets

und der Jahres⸗-Rechnungen; auch den milden Anstalten wurde

diese Wohlthat mit zu Theil, Ein zu Anfang des Jahres 1829 entworfenes Communal- und Separtemental⸗Gefetz bot zwei Arten der Decentralisation dar, namlich eine Decentra— lisation der Personen und eine andere der Sachen. Durch die erstere wurde der Koͤnigl. Autoritaͤt der ihr verfassungs— maͤßig zukommende Einfluß auf die Verwaltung genommen;

die letztere gewährte einige nur unbedeutende Verbesserungen,

und widersprach uͤberdies der Erfahrung, indem sie das, was in das Bereich der Koͤnigl. Verordnungen gehoͤrt und nur

durch diese geregelt werden darf, zum Gegenstande eines Ge⸗

setzes machte. Ueberhaupt herrscht jetzt die Tendenz, die Cen⸗ tralisation in der Verwaltung durch eine andere zu ersetzen, die ungleich langsamer und ungewisser als jene ist; wir mei— nen das Streben, Alles von einem Gesetze abhaͤngig zu ma— chen. Dieses System hat aber den doppelten Mangel, die verfassungsmaͤßige Gewalt des Koͤnigs zu beeintraͤchtigen, und das, was das Wandelbarste und Beweglichste im Staate ist, unter den dauernden und unveraͤnderlichen Einfluß eines Ge— setzes zu stellen. Durch die Verwerfung jenes Gesetz-Entwur— fes ist die Regierung im Besitz des Rechts geblieben, die Gemein— den und Departements allmaͤhlig dadurch zu emancipiren, daß sie die strengen Regeln der Centralisation maͤßigt und den Be— hoͤrden, die dem Interesse der Gemeinden naͤher stehen, einen ausgedehnteren Antheil, als bisher, an der Berathung und Entscheidung uͤher dieselben einraͤumt. Sie wird nicht erman— geln, dies zu thun, um den Wuͤnschen des Landes, welche die General-Conseils, die Organe der Beduͤrfnisse und Absichten der Gemeinden, fast einstimmig ausgesprochen ha— ben, zu entsprechen. Dabei muß jedoch die Königl. Gewalt unversehrt bleiben. Von einem einzigen Punkte aus, den Suͤden wie den Norden verwalten, und auf 37,000 Gemein— den die naͤmlichen Bestimmungen anwenden zu wollen, gleich als ob beide dieselben Sitten und Huͤlfsquellen haͤtten, ein solcher Plan konnte nur von dem Geiste der Gleichheit ge⸗ faßt werden, der allen Voͤlkern eine und dieselbe Verfassung geben und Rom und Hamburg derselben Munieipal-Ordnung unterwerfen wollte. Eine kraͤftig und schnell verfahrende

Verwaltung, die zugleich den Interxessen der Gemeinden das ihnen zukommende Maaß der Unabhaͤngigkeit giebt, dies

ist das allgemein gefuͤhlte Beduͤrfniß. Der Constitution⸗ nel aͤußert sich uͤber obigen Artikel in folgender Art: „Wir stehen noch immer bei den Staatsstreichen, denn Alles UÜnge—⸗ setzliche ist ein Staatsstreich, selbst dann, wenn eine Milde— rung der Centralisation in der Verwaltung daraus hervor⸗ gehen sollte. Man wird sich erinnern, daß in den Cotterieen der Congregation der Entwurf zu einer Modtfieation der Charte vorbereitet und dem Minister-Rathe vorgelegt worden

war. Dieser Zusatz zur Charte betraf drei Dinge: das Wahl⸗

system, die Presse und daäs Municipalwesen. Bei der ruhi— gen und ernsten Stellung Frankreichs hat man die ersten bei— den Plaͤne aufgegeben, den dritten Theil dagegen, eine Ver—

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ordnung naͤmlich, die den Orts-Behoͤrden einige Geschaͤfte uͤbertrage und die Ministerial⸗Buͤreaux vereinfache, scheint das Ministerium ins Leben treten lassen zu wol— len. Man will sich dadurch ein vollstaͤndiges Muniei— pal-Gesetz ersparen, wie es Frankreich und die beiden Kammern wuͤnschen. Die daruͤber lautende Verordnung soll dem Minister⸗Rathe vorgelegt worden seyn und Beifall gefunden haben. Welchen Taͤuschungen uͤberlaͤßt sich doch

das Ministerium! Das jetzige System der Municipalitaͤten

ist durch ein Gesetz organisirt und kann auch nur durch ein 3 , . Jede Organisation der Departe⸗ mental, und Gemeinde⸗Räͤthe, wonach die Mitglieder dersel—⸗ ben nicht von den Gemeinden selbst gewaͤhlt werden, ist schon an sich fehlerhast. Frankreich will nicht ferner General-Con⸗ seils haben, welche die Jesuiten zuruͤckwuͤnschen und fuͤr die Kapuziner, so wie fuͤr die bischoͤflichen Pallaͤste Geld bewilli— gen, wahrend sie die Dorf⸗Pfarrer im Elend und die Land— straßen im klaͤglichsten Zustande lassen. Frankreich will, daß bie Mitglieder der Gemeinde-Raͤthe von den Einwohnern selbst gewaͤhlt werden, weil diese die Mandatarien derselben sind.“ Der Courrier frangdis sagt: „Eine solche Verordnung uͤber die Gemeinden wuͤrde die Kammer schwer verletzen, indem sie ihre legislativen Rechte umginge. Die Kammer hat ein gesetzliches und durch ein Gesetz geordnetes Municipal⸗System gewollt, wuͤrde aber ein der Kraft und des Lebensprincips entbehrendes Zugestaͤndniß des Ministe⸗ riums zuruͤckweisen. Das Princip der Wahl ist die Grund- lage jeder Municipal-Organisation; ohne eine ausgedehnte

und gesetzmaͤßige Vertretung der Interessen der Steuerpflich— tigen giebt es kein Communal⸗System.“ Der Messager

des Ehambres: „Da die Partei der alten Aristokratie keine Gesetze zu machen im Stande ist, die ihr zu Werkzeu⸗ gen dienen konnten, so will sie es auch vermeiden, der Kam⸗ mer solche vorzulegen, die den Wuͤnschen der Majoritaͤt ent— spraͤchen. Diese Partei bedarf aber unter den jetzigen Um staͤnden der Popularitaͤt, und laßt, um ihre geheimen Wuͤn— sche mit dem Beduͤrfnisse des Augenblicks zu vereinigen, das Geruͤcht verbreiten, daß eine Departemental- und Tommu— nal-Verfassung durch eine Koͤnigliche Verordnung geschaffen werden wuͤrde. Dieser Plan, die Kammer durch Wohlthaten gegen das Land zu entwaffnen, waͤre gut, wenn er nicht als ein zu sichtbarer Fallstrick erschiene und im Hintergrunde ein aristokratisches Postseriptum erblicken ließe. Man wird Niemanden uͤberreden, daß die Willkuͤuhr den Interessen des Landes vortheilhafter sey, als die Debatten der Kammern.

Diese geben Gesetze, die nur durch die Uebereinstimmung der

drei Gewalten wieder vernichtet werden konnen, und setzen die Unterthanen nicht in die Nothwendigkeit, der Verwaltung den Hof zu machen; sie betteln nicht um die Gerechtigkeit, sie erhalten sie; sie bitten nicht, sondern gehorchen ihrer eige— nen Natur, und entwickeln sich nach den Gesetzen ihres eige— nen Lebens-Princips.“ Das Journal du Commerce: „Das System der Verordnungen an die Stelle der Gesetze treten zu lassen, war ein Unternehmen, das offenbar die Kraͤfte unserer Minister uͤberstieg, aber das, was man die Koͤnigl. Praͤrogative nennt, auf Kosten der gesetzgebenden Gewalt auszudehnen und die Kammern zu bloßen Maschinen fuͤr die Geld⸗Bewilligungen zu machen, diese Art der allmaͤligen Usur— pation ist eher ausfuͤhrbar. Das Ministerium scheint, durch einige gluͤckliche Versuche ermuthigt, hierzu entschlossen zu . Herr von la Bourdonnaye durch seine Verordnung über den hiesigen Fleischhandel, und Herr von Bourmont durch sein Reseript uͤber die Militair-Pensionen, haben der Willkuͤhr den Weg gebahnt. Jetzt kuͤndigt aber das Mini—

sterium den wichtigern Plan an, den Praͤfekten, Unter⸗Präͤ⸗

fekten und Maires, so wie den General- und Municipal⸗-Raͤ— then einen Theil der bteher der Central-Gewalt zustehenden Befugnisse abzutreten. Dieses Mittel, sich Popularitaͤt zu erwerben, wird ihm aber nicht gelingen. Vergeblich wird es zu einigen Klassen der Buͤrger sagen: „Ihr werdet kuͤnftig nicht mehr noͤthig haben, den langen Weg durch alle Instanzen durch zu machen, um die Erlaubniß zur Errich— tung eines Huͤttenwerks, zur Ausbesserung einer Straße, zur Bearbeitung von Bergwerken und Steinbruͤchen zu erhalten; ihr werdet fortan von dieser Centralisation, dem Gegenstande eurer ewigen Klagen, befreit seyn.“ Den Gemeinden geht ihre Existen uber Alles; und existiren sie, wenn ihre Interessen durch Maͤnner ohne Beruf und ohne Besitz gehandhabt wer—

den ? Die Centralisation ist, so viel Beschwerden sie auch ver⸗

aulassen mag, das einzige Mittel gegen die Fehler des Mu— nieipal⸗Systems, welches die Restaurgtion von der Kaiserzeit geerbt hat; sie gewahrt eine Zuflucht gegen die Mißbraͤuche der Unterbehsrden, die meist unter Einflüssen stehen, welche den wahren Interessen der Gemeinden zuwider sind. Man

kann aus den Beschluͤssen und Wuͤnschen der General- und Municipal⸗Conseils folgern, wie groß die Tyrannei dieser Be⸗ hoͤrden seyn wuͤrde, wenn die Central-Verwaltung, die we— nigstens uͤber den Intriguen der Landschloͤsser und der Pfar— reien erhaben ist, sie nicht im Zaume hielte. Die Gazette behaup⸗ tet, dieser Plan habe nichts gesetz, und verfassungswidriges, denn das Ministerium koͤnne durch eine Verordnung seine Befugnisse Andern uͤbertragen, ohne die Grund saͤtze, nach denen das Gesetz angewendet werde, zu andern. Dies ist richtig, wenn jene Befugnisse ihm zukommen, und selbst dann wuͤrde es sich noch fragen, ob jede Art von Befugniß uͤber⸗ tragen werden kann. Hierauf beruht aber die Frage gar nicht. Der Plan der Minister ist uns nicht genug bekannt, als daß wir zu beurtheilen vermoͤchten, ob die Bewilligungen, die sie zu machen gedenken, gesetzlich und dem Gemeinwohl foͤrderlich sind oder nicht. Das Ministerium scheint sich aber nur mit einigen Aenderungen in den Befugnissen beschaͤftigt zu haben, und also die jetzige Organisation, der Kammer zum Trotz, welche dieselbe als ungesetzlich bezeichnet hatte, beibe— halten zu wollen. Dies verstoͤßt gegen die Verfassung. Das

Ministerium hat sich unrechtmäͤßiger Weise Befugnisse beige⸗

legt, welche die Charte ihm versagt, und behauptet jetzt, sie Andern uͤbertragen zu koͤnnen. Es mag dieselben aber be— halten oder uͤbertragen, in beiden Faͤllen verstoͤßt es gegen die Gesetze.“

In zweien Schreiben an den Redacteur des Courrier frangais zeichnet Herr Benjamin Constant der Deputirten— Kammer den Gang vor, den sie, seiner Meinung nach, in der naͤchsten Session zu beobachten habe. Am Schlusse des zweiten Schreibens aäͤußert er: „Theilen wir das Budget in zwel Klas⸗— sen: die Kammer mag die Civil-Liste bewilligen, damit man nicht sage, daß wir den Thron erschuͤttern; sie mag die Ver— zinsung der oͤffentlichen Schuld bewilligen, damit die Staats— Glaͤubiger gedeckt sind; sie mag die Fonds fuͤr das Justiz⸗ Ministerium bewilligen, damit die Gerichtshoͤfe, dieser Schild unserer Freiheiten, die Gerechtigkeit handhaben konnen; sie mag endlich den Truppen den Sold bewilligen, damit man uns nicht den Vorwurf mache, daß wir das Land ohne Ver— theidiger lassen. Aber keine Fonds fuͤr das Ministerium des

Innern ohne eine hinlaͤngliche Buͤrgschaft gegen schlechte Praͤ—

fekte und solche Rathschlaͤge, welche faͤlschlich im Namen des Volkes ertheilt werden moͤchten! Keine Fonds fuͤr das Mi— nisterium der auswaͤrtigen Angelegenheiten, so lange wir nicht die Gewißhelt haben, daß dasselbe unser Interesse wahrneh⸗ men und die Wuͤrde des Landes behaupten wird! Keine Fonds fuͤr den oͤffentlichen Unterricht und die geistlichen Angelegen— heiten, bevor wir nicht uͤberzeugt sind, daß man aus dem Unterrichte nicht das Werkzeug eines fremden Einflusses ma— chen, und daß man die Freiheiten der Gallicanischen Kirche, die das katholische Frankreich von jeher fuͤr sich in Anspruch genommen hat, aufrecht erhalten wird.“

Die Quotidienne enthalt dagegen Folgendes: „Wir

fragen Jeden, der es aufrichtig meint, er sey nun Republi—

kaner oder Foöoͤderalist, Constitutionneller oder Buonapartist, ob es die gesellschaftliche Ordnung mit sich bringe, daß eine Regierung, sie sey welche sie wolle, sich ungestraft beleidigen lasse. Die Antwort wird gewiß verneinend ausfallen; als—⸗ dann fragen wir aber weiter, ob es nicht die verwegenste Thorheit von Seiten der Liberalen ist, daß sie Frankreichs Regierung aufs Aeußerste treiben und sie durch ihre Verun⸗ glimpfungen in die furchtbare Nothwendigkeit versetzen, sich durch alle die Mittel zu vertheidigen, welche die Gesellschaft selbst ihr anzuwenden gebietet. Wahrlich, die Liberalen muͤssen eine schlechte Meinung von dem Koͤnigthume haben, wenn sie von ihm glauben koͤnnen, daß es keine von ihren Beleidigun⸗ gen ahnden duͤrfe. Sie sollten doch wohl bedenken, daß die Franzoͤsische Monarchie eben dadurch, daß sie den Stuͤr, men von funfzehn Jahrhunderten zu widerstehen vermochte, eine Kraft entwickelt hat, die der Macht Buonapartes mit seinen Millionen Soldaten und seinen zehn Kronen, weit uͤberlegen ist. Das Kaiserthum haͤtte nicht einen einzi⸗ gen Tag die Presse frei geben duͤrfen; die Monarchie steht, trotz aller gegen sie gerichteten Angriffe, fest wie der Fels im

Meere. Wir wollen zwar hiermit nicht behaupten, daß die⸗

ser Fels nicht zuletzt doch erschuͤttert werden könnte; wir glauben vielmehr, daß er bei aller seiner Festigkeit am Ende wohl von dem Strome fortgerissen werden konnte. Aber wir fraͤgen nur, ob man irgend vorgusseßen duͤrfe, daß die Mo⸗ narchie sich zerstoͤren lassen muͤsse, ohne ihre Existenz zu ver⸗ theidigen. Wir fragen die Liberalen, ob sie sich stark genug fuͤhlen, der Monarchie die Spitze zu bieten, wenn diese, aufs Aeußerste getrieben, aufstehen sollte, um ihre täglichen Angriffe zuruͤckzuweisen. Wir glauben, daß jene kecken Herausforderer sich alsdann bei Zeiten zuruͤckziehen, daß sie vielleicht gar ihre