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ten, dem Herzoge von Neweastle gekauft. Er habe diesen jedoch nicht als fenen Patron angesehen, sey vielmehr, nach⸗ dem er sein Geld bezahlt, als ein unabhängiger Engländer, der sein Vaterland liebe, in das Parlament eingetreten. Ein schlechtes Motiv habe er niemals gehabt, denn hatte er unconstitutionellen Aufforderungen Folge leisten wollen, so wuͤrde er einen Sitz mit großer Leichtigkeit haben erlangen koͤnnen. Verkaͤuflichkeit, fuhr er fort, sey uͤber das ganze Land verbreitet, und das, was in East-Retford vorgefallen, ware noch gar nichts im Vergleiche zu dem allgemein einge— fuͤhrten Gebrauche. Man betrachte nicht sowohl das fuͤr ein Verbrechen, daß Bestechung angenommen werde, als die Un— geschicklichkeit, es merken zu lassen, so wie bei den Spartanern das Stehlen kein Verbrechen gewesen sey, die Entdeckung aber eine Schmach zur Folge gehabt habe. Schließlich sprach sich der Redner mit Indignation gegen die Prozesse aus, die kuͤrzlich gegen die freie Presse England s ver— aͤngt worden seyen, und sagte, er muͤsse den General— nwald dieserhalb unumwunden tadeln, wenn dieser auch

einmal sein eigener (des Redners) sehr geschickter Vertheidi⸗

ger gewesen sey. Der General-An wald erwiederte darauf, er hatte gehofft, daß man, da die erwahnten Pro— zesse nächstens vollstaͤndig zur Sprache gebracht werden sol— len (durch Sir C. Wetherell, und zwar nicht erst am 3. Marz, wie es fruͤher hieß, sondern schon am naͤchsten Donnerstage) vor der Hand nicht weiter darauf anspielen wurde. Da es inzwischen einmal geschehen sey, so wolle er nur bemerken, daß er auf keinen Theil seiner juristischen Laufbahn mit sol— cher Zufriedenheit zuruͤckblicke, als auf die kurzlich von ihm geleiteten gerichtlichen Verfolgungen (Hört). Er sey ein auf— richtiger Freund der Preß⸗-Freiheit; der Preß⸗Tyrannei werde er sich jedoch immer widersetzen. „Ist es wohl,“ sagte er, zu rechtfertigen, daß ein oͤffentlicher oder Privat-Charakter der Gnade eines Menschen uberlassen bleibe, der sich nicht scheut, die niedrigsten Falschheiten, die groͤbsten Verlaͤumdun— gen auszusprechen? Die von mir geleiteten Verfolgungen waren eben so nothwendig, um dem allgemeinen Charakter der Presse eine Ehrenrettung zu verschaffen, als um das Publikum vor ihren Mißbraͤuchen zu schuͤtzen.“ Schließlich sagte Sir James Scarlett, daß, wenn er dabei nicht seiner Ueberzeugung gemaͤß zu handeln geglaubt hatte, er die ubrigens von einer Jury gebilligten gerichtlichen Ver— folgungen nicht eingeleitet haben wurde, da er keinesweges seine e hen einer Partei zum Opfer gebracht habe. Herr Peel, der die Rede des Sir Francis Burdett eine von ihrem eigentlichen Thema ganz abweichende nannte und die Bemerkung machte, daß die jetzt in Schwung seyenden Lehren sich schwerlich in der von dem edlen Baronet selbst so sehr gepriesenen fruͤhern Zeit der Constituiton wurden nachweisen lassen, fuͤgte hinzu, daß das gegenwartige Repraͤ— senkations⸗System doch nicht sosschkecht seyn koͤnne, da Pitt und andere beruͤhmte Parlamentsglieder als Vertreter fur Flecken, wie die angegriffenen, sich bemerklich gemacht haͤtten. Wollte man

den Mitgliedern Diäten bewilligen, so wurde dies eine Aus.

gabe von nicht weniger als 270,009 Pfd. verursachen. Dies aber durfte schwerlich das Vertrauen des Volks in sie, wenn es etwa nicht im rechten Maaße vorhanden ware, vermehretn. Fuͤr die Offenheit dankend, womit der Antragende (Marq́. von Blandford) zu Werke gegangen sey, erklaͤrte er, daß er eben so of— fen und ohne Umschwelf seiner Motion sich widersetzen muͤsse. on. O Connell erklaͤrte sich fuͤr den Antrag, ohne jedoch den Diaͤten-Vorschlag billigen zu können. Ohnedies, sagte er, er— hielten schon 73 Mitglieder des Unterhauses 180,000 Pfd. an Gehalten; unstreitig seyen es lauter ehrenwerthe und ge— wissenhafte Männer, aber wenn sie einmal ein gewissenhaf— tes Votum abgäben, so muͤßten sie die Folgen doch empfin— den. Zeuge davon sey das ehrenwerthe und tapfere Mitglied für Sligo (Gen. King), der aus der Liste der Koͤnigl. Kam— merherren gestrichen worden, weil er es wagte, ein ge— wissenhaftes Votum abzugeben. Jeden muͤsse er darum de⸗ nunziren, der fuͤr seine Dienste im Parlamente von der

Krone oder irgend einem Andern sich bezahlen lasse; denn er

bleibe denselben Gefahren unterworfen. Dagegen stimme er ganz fuͤr eine mehr populäre Repraͤsentation. Es sey be— kannt, daß 243 Mitglieder dieses Hauses von Pairs er— nannt werden, 159 von Mitgliedern des Unterhauses selbst, und 22 vom Schatzamte; 424 Maͤnner seyen also in die⸗ sem Hause, die man nichts weniger als Repraͤsentan— ten nennen konne; das ganze Volk aber werde von nicht mehr als 134 Mitgliedern vertreten. diese Angabe zwar schon vom Jahre 1793 her, al— lein seitdem sey das ,, Verhaͤltniß durch 109 neu indas Parlament gekommene Mitglieder (fuͤr Irland) unstreitig noch vergroͤßert worden. Denn unter diesen befänden sich

Es ruͤhre

nur 21, die nicht von Individuen, sondern vom Volke selbst erwählt werden. Er sey ganz dafuͤr, durch eine Reform der Wahlen, indem man das Recht allen Steuerzahlenden übertrage, den alten demokratischen Geist wieder einzuführen. Durch diesen Geist allein waͤren Venedig, die Schweiz und die Vereinigten Staaten von Nord-Amerika zum Wohlstande gelangt. Dieser Geist wuͤrde auch in England dem Throne neue Sicherheit und dem Volke dauernde Wohlfahrt verleihen. Er hoffe, man werde, dem Beispiele der Niederlaͤnder fol— gend, das Budget so lange verwerfen, bis ein freisinniges Regierungs⸗System versprochen werde. Hr. Brougham schenkte zar dem Vorschlage des Marquis v. B. seinen Bei— fall, konnte es jedoch in seinen einzelnen Theilen nicht gut— heißen und schlug dafuͤr als Amendement die Resolution vor, „daß das Haus der Meinung sey, eine Reform der Volks— Reprasentation wurde sehr zweckmäßig erscheinen.“ Mar— quis von Blandford nahm keinen Anstand, seinen Vor— schlag diesem Amendemente unterzuordnen, das darauf zur Abstimmung kam und (wie gestern gemeldet) von 160 gegen 57 Stimmen verworfen wurde.

London, 29. Febr. In der gestrigen Sitzung des Un— terhanfes kam es bei Gelegenheit des Budgets zu sehr leb— haften Debatten, besonders hinsichts der Ausgaben des Kriegs— Departements. Der Oberst Davis hatte in der Form eines Amendements den Vorschlag gemacht, daß das Budget vor— laͤufig nur fuͤr 3 Monate bewilligt werde. Der Vorschlag wurde jedoch von 225 gegen 93 Stimmen verworfen. Ein anderes von Hrn. Hume gemachtes Amendement, die Zahl der Landtruppen noch um 16,000 Mann zu verringern, wurde ebenfalls, und zwar von 167 gegen 57 Stimmen verworfen.

Depeschen von unserm Botschafter in St. Petersburg, datirt vom 5. Februar, sind heute im auswaͤrtigen Amte an— gekommen. . .

Gestern fand wiederum ein Kabinets⸗Rath statt, bei dem die Minister zwei Stunden zusammen blieben. ;

Aus dem fuͤr das Jahr 1830 entworfenen amtlichen Mi— litair-Etat von Großbritanien geht hervor, daß unsere Ka— vallerie, mit Einschluß der in OHstindien befindlichen, sich auf S313 Pferde, und unsere Infanterie auf 109,009 Mann be— läuft. Die Ausgaben fuͤr dieses 6 sind mit 6,830, 109 Pfd. 7 Shill. 1 D. in Anschlag gebracht worden.

Der Bischof von London ist von seinem kuͤrzlich erlitte⸗ nen Unfalle beinahe ganz wieder hergestellt, ohne daß eine Ausschneibung der verwundeten Stellen stattgefunden hat.

Dem Standard zufolge hat Sir Walter Scott an

einer sehr schweren Krankheit in Edinburg danieder gelegen;

gegenwartig soll man jedoch schon seiner voͤlligen Reconvales— cenz taͤglich mehr entgegen sehen.

Zum Wiederaufbau des abgebrannten Englischen Opern— hauses werden bereits wieder e ern, getroffen, und glaubt man, dasselbe schon bis zum 1. Juli wieder herstellen zu kön— nen. Die Eroͤffnung einer neuen Straße von der Waterloo Bruͤcke aus soll damit verbunden werden.

Deutsch lan d.

Dresden, 27. Febr. JJ. KK. HH. der Kronprinz und die Frau Kronprinzessin von Preußen sind gestern Nach— mittag hier angekommen und in den fuͤr Hoͤchstdieselben in . gehaltenen Zimmern im Königl. Schloß abge— tiegen.

Hannover, 26. Febr. Der vorgestrige Geburtstag unsers so innig verehrten General-Gouverneurs, Koͤnigliche ö ist hier, wie uͤberall im Lande, mit den innigsten

uͤnschen fuͤr das Wohl und die Zufriedenheit des allen Hannoveranern so theuren Fuͤrsten begruͤßt worden. Zur Feier

dleses Tages hatten Ihre Koͤnigl. Hoheit die Herzogin von

Cambridge im Palais eine zahlreiche Gesellschaft zum Ball

und Souper zu vereinigen geruht. Gestern wurde im Schau—

spielhause ein von dem Dr. Blumenhagen gedichteter Prolog gesproͤchen und nachmals die Oper: Valentine von Mailand, zum erstenmale aufgefuͤhrt. ; Die auf Veranlassung Sr. K. H. des Herzogs von Cambridge am 18. Februar zum Besten der Armen veran— . oͤffentliche Redoute hat einen Ertrag von 1063 Rthlr. eliefert. . ) Stuttgart, 23. Febr. In der am 20sten d. gehalte⸗

nen Iten Sitzung der Kammer der Abgeordneten wurde die

gemeinschaftliche standische Adresse in Betreff der Verwilli⸗ gung von 3560 Rekruten je auf die Jahre 1830 bis 1833 zum Vortrage gebracht und erhielt die 2 der Kam⸗ mer. Sie enthält am Schlusse die Verwahrung, daß die Verwilligung für ein viertes Jahr hinsichtlich des Grund—

Beilage

441 Beilage zur. Allgemeinen Preußischen Staats-Zeitung K 61.

satzes, daß ein solches Ansinnen nur fur eine Periode von drei Jahren an die Staͤnde zu gelangen habe, eben so wenig zu einem Praäjudiz fuͤr die Zukunft gereichen solle, als dieses fruͤher bei der Steuer-Verwilligung fuͤr ein viertes Jahr der Fall gewesen sey. Demnaͤchst erstattete die Petitions⸗Kom⸗

mission einige Berichte.

Munchen, 20. Febr. Das hier erscheinende Tagblatt „das Inland“ enthält folgenden Artikel: „Seit einigen Ta— gen ist in unsern Lese⸗Vereinen ein gegen den bedauernswuͤr— digen Unfug hiesiger Tages, Literatur gerichteter „Aufruf“ in Umlauf gekommen. Der Gegenstand, welcher hierdurch end,

lich einmal oͤffentlich zur Sprache und vor das Forum des

gebildeten Publikums gebracht wird, ist von der hoöoͤchsten Wichtigkeit und verdient eine ernste Beherzigung. Die un— wuͤrdigen Fehden mehrerer von unsern Tagsblaͤttern, ihre Frivolstaͤt und Unwissenheit bei Eroͤrterungen der Angelegen— eiten des Stagts und der Kirche, ihre frechen Eingriffe in herr e e, fe ihr poͤbelhafter Ton u. s. w., haben der Journalistif bereits in der offentlichen Meinung so viel ge— schadet, daß man anfaͤngt, die Tagblattschreiber zur frechen und unwissenden Rabulisterei in eine Ecke zu werfen. Die Gefahr, welche aus einer so verkehrten Richtung der Jour— nale dem guten Geschmack, den guten Sitten, der Preßfrei⸗ heit und dem Rufe Baierns im Auslande droht, ist in ge— dachtem Aufrufe treffend bezeichnet, indem zugleich alle wohl⸗ gesinnten Baiern e ,. werden, sich zur Verbannun

von dergleichen unwürdigen Blättern aus der guten Gesell— schaft zu verbinden. Moͤchten sich doch bedeutende und ein— flußreiche Manner fuͤr eine so theure Sache an die Spitze stellen und durch ihr Beispiel, zür Ehre und Wohlfahrt un— sers Vaterlandes, eine so geme nnuͤtzige Absicht foͤrdern helfen!“

Oesterreäich. Wien, 22. Febr. Am ten d. M. Morgens gegen halb 6

Uhr war zu Hieflau im Brucker Kreise eine schwache Erd— Erschuͤtterung zu verspuͤren und dabei ein Brausen wie das

eines Sturmwindes zu vernehmen. In einer Viertelstunde darauf folgte jedoch eine heftige schaukelnde Bewegung mit einem gewaltigen Stoße, begleitet von einem donneraͤhnlichen dumpfen Getöͤse. Das Schwanken mag 5 Sekunden ange— halten und die Richtung von Nordost gegen Suͤdwest ge—

nommen haben, und war so heftig, daß die noch Schlum—

mernden aus dem Bette geworfen zu werden glaubten, die Fenster klirrten, die hoͤlzernen Gebäude und Bruͤcken krach—

ten, die an der Wand hängenden Bilder und Spiegel wank—

ten und das lockere Gemäuer von den Decken fiel. Dabei war es windstill und der Himmel duͤster umwoͤlkt, obwohl er am Tage vorher, am Abende, und auch außerdem am Tage selbst sehr klar und rein war. Obschon dieses Erdbeben im ganzen Bezirke Hieflau verspuüͤrt wurde, so hat es doch 6 eschädigung an Menschen oder Gebäuden zur Folge gehabt.

Auch die Bewohner der Herrschaft Gutenstein wurden in der Nacht vom 30sten auf den Z3isten v. M. durch eine so heftige Erderschuͤtterung aus dem Schlafe geweckt, daß mehrere derselben ihre Haͤuser und Huͤtten noch in der Nacht verließen. In den folgenden Tagen stieg die

Kälte dergestalt, daß sie am 5. Februar Morgens 25

Grad erreichte. Sonntags, den Jten, trat bei anhalten der Kalte ein fuͤrchterliches Schneegestoͤber ein, welches mit plöͤtzlicher Nachlassung in der Nacht auf den 8. Februar in Thauwetter und selbst in warmen Regen uͤberging.

Schwenz.

Zuͤrch, 20. Febr. Von der Hand eines Rechtsgelehr— ten des Kantons Uri sind vor Kurzem Abrisse der Civil— Rechtspflege und der Straf-Rechtspflege dieses Kantons ge⸗

liefert worden. Die neue Zuͤrcher 5 itung theilt daraus

folgende Darstellung des Strafrechts⸗Verfahrens in Malefiz⸗ fällen mit: „Kriminal-Verbrechen (sagt der Verf.) werden vom Landrathe gestraft. Wenn nun shor in allen bisher bezeichneten Fällen das Verfahren einseitig, das Recht des Beklagten vielfach . und allen Grundsaͤtzen einer klugen und gerechten Verwaltung der Rt zuwider ist, so ,, , nämlich eine Anklage auf Malefiz beim Landammann ig.

e⸗

5 wird, so hat dieser das Recht und die Pflicht, den

uldigten verhaften zu lassen. Sogleich werden die vom

Kläger gestellten Zeugen verhört und deren Aussagen sodann

dem Rathe vorgetragen. Bestaͤtigt auch nur einer die An⸗

linquenten anzuwenden.

gabe des Klaͤgers, so erklart der Rath, auf einmalige hören der Zeugen, Aussagen, das 3 fuͤr e , und durch dieses Urtheil ist auch schon die lebenslaͤngliche Ehrlosigkeit des Inquisiten ausgesprochen. Von diesem Urtheile an wird er als Verbrecher präsumirt und aus dem Polizei-Verhaft in einen engen kalten Kerker gesetzt, wo er auf Stroh liegen muß. Der Rath erwaͤhlt aus sich zwet Verhoͤr⸗Richter, weiche das Gestaäͤndniß des Inquisiten einzuholen haben. Von Zeit zu Zeit geben diese Verhoͤr-Richter von ihren Bemuͤhungen dem Rathe Kunde, und dieser entscheidet, je nachdem die Ver— höre lauten, ob die Akten spruchreif seyen oder nicht. Im letztern Falle, und wenn der Inquisit mit dem Gestaͤndnisse zoͤgert, erlaubt der Rath, auf geschehene Anfrage, den Ver— hoͤr⸗Richtern, territiones verbales und reales gegen den De—⸗ Diese territiones bestehen darin, daß dem Beklagten der Henker vorgefuͤhrt wird, oder daß ihm eine gewisse Zahl Streiche aufgemessen wird, welche je nach Umständen vermehrt und verschaͤrft werden durfen. In Un⸗ terwalden wendet man in solchen Faͤllen auch noch feurigen Zunder an. Zum Gluͤcke sind die Verbrecher des Kantons Uri, wie das uͤbrige Volk, so einfach, redlich und offen, daß ihr Gestaͤndniß gewoͤhnlich erfolgt, ohne daß diese Huͤlfsmit— tel unerfahrener, mit dem menschlichen Herzen eben Fo wenig als mit den Klugheitsregeln der Strafrechts-Wissenschaft ver⸗ trauter, Verhoͤr⸗Richter muͤssen hervorgesucht werden. Auch wird nicht eben streng darauf geachtet, daß das Gestaͤnd— niß mit der Klage in durchgaäͤngigem Einklange stehe. Wird nun dem Rathe von den Verhoͤr-Richtern uͤber das erfolgte Gestaͤndniß Bericht erstattet, so erklaͤrt dieser die Akten für spruchreif, setzt den Rechtstag fest und ruft den Malefiz-⸗Land—⸗ rath Loder wie er auch heißt) den zweifachen Landrath als Strafbehoͤrde zusammen. Eben dieser Rath erlaubt dem Verhoͤr-Richter, wenn er es verlangt (denn nach dem Gesetze ist er selbst der Vertheidiger des Beklagten!), einen Verthei— diger fuͤr den Delinquenten zu bestimmen. Diesem . diger werden dann die Akten uͤberliefert und ihm auch der Zutritt zum Verhafteten gestattet. Zur Bearbeitung der Ver— theidigungs-Rede ist ihm aber in der Regel nur eine Zeit— frist von einigen Tagen eingeraͤumt, indem der am Sonn— abend gehaltene Rath den Reichstag in der Regel auf den naͤchstfolgenden Dienstag oder Mittwoch festsetzt. Auch wer⸗ den demselben alle Angriffe auf den gefuͤhrten Prozeß, alle Einreden gegen die abgehoörten Zeugen streng untersagt. Der Delinguent, mag er nun einen Mord begangen oder nur ein Schaf ab der Allmend (von der Weide) gestoh— len haben, wird unterdessen mit den Sterb-Sakramenten versehen und vom Geistlichen mehreremale, und so oft er es verlangt, besucht. Unter dem Vorsitze des Landammanns versammelt sich der Malefiz-Landsrath, welcher nichts an— ders als ein multiplizirter Rath ift, indem der Rath, also die vorberathende und unter suchende Behoͤrde, und sogar auch die Verhoͤr⸗Richter, im Yee mn Ln des h. Sitz und Stimme haben. Alle Mitglieder des Landraths sind auch Mitglieder dieses letzteren Raths, mit dem einzigen Unterschiede, daß ihnen der Besaäch des erstern geboten, der des letztern aber freigestellt ist. Jedem Mitgliede des Landrathes wird von den Gemeinden noch ein sogenannter Mitrath beigegeben. Dieser doppelte Landrath hört nun den Auszug aus den Akten (hoͤchst selten die Akten selbst!) an und ladet den Delinquenten vor, welcher, von zwei Geistlichen und dem Gerichtsdiener gefuͤhrt, auftritt und sich auf die Kniee wirft. Es wird ihm nochmals der Extrakt der Prozeßakten vorgelesen und sein Ge⸗ staͤndniß vom Land anmann noch einmal eingeholt, worauf der en, , =. durch einen foͤrmlichen Beschluß dem Delin— quenten einen Vertheidiger aus Gnaden gestattet. Der Ver— theidiger unterzieht sc dann seiner Pflicht nur unter der Reservation, daß die Vertheidigung weder ihm noch den Sei⸗ nigen zu Praͤjudiz oder Nachtheil gereichen solle. Man findet die⸗ sen Vorbehalt in allen alten und neuen Protokollen. Er be⸗ weist augenscheinlich, daß man den Verbrecher als den Flu aller Menschen und nicht einmal der Vertheidigung wer achte. Darum ward auch ein Landsfuͤrsprech in neuesten Ta⸗ gen mit ziemlichem Aerger ein Vertheidiger des Lasters ge⸗ nannt, weil er in seiner Rede das vorliegende Verbrechen nach philosophischen und juristischen 3 en zu beurtheilen und deswegen, wenigstens nach dem Urtheile der Richter, zu verkleinern suchte. Das ganze Straf⸗Verfahren beweist, wie wenig buͤrgerliche Freiheit und Ehre bei Verbrechern in 6c genommen wird, und wie . die Theorie einer ver . . Straf Gerechtigkeit in Uri bisher Eingang gefun— en hat. 6