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vorgebracht und von dem Franzdͤsischen Bevollmaͤchtigten ge— billigt wurde = scheint auf Gruͤnden zu ruhen, die den Ruͤck⸗ sichten fremd sind, welche diese Frage eutscheiden sollten, und kann in der That nur durch ein Vergessen der wahren Zwecke des Ver⸗ trags verantwortet werden. Waͤre es der Zweck des Vertrags ge— wesen, einen Staat zu errichten, der faͤhig waͤre, die Tuͤrki⸗ sche Macht in Europa aufzuwiegen balance) und die Ver— haͤltnisse des Friedens und Krieges auf einem mit der Pforte gleichen Fuße zu fuͤhren, so moͤchte die vorgeschlagene Graͤnze wuͤnschenswerth gewesen seyn, oder sie hatte selbst noch wei⸗ ter ausgedehnt werden moͤgen. Wenn wir aber den Vertrag nicht ganz bei Seite schieben wollen, so kann ein solcher Grundsatz nie von den Verbuͤndeten angenommen werden. Die angenommene Nothwendigkeit eines erweiterten Gebiets und ausgedehnter Huͤlfsquellen, um Griechenlands Freiheit und Ruhe sicher zu stellen, ist offenbar irrig, und das ganze militairische Raisonnement zur Unterstuͤtzung der empfohlnen Graͤnze ist auf den Fall, mit dem wir zu thun haben, durch⸗ aus nicht anwendbar. Der Fall eines legitimen und aner— kannten Krieges zwischen dem Suzerain und dem Vasallen ist nicht moͤglich. l tektor Griechenlands gegen fremde Feindseligkeiten seyn, und gegen Tuͤrkische Ungerechtigkeit oder Unterdruͤckung wird die Ünterstuͤtzung der verbuͤndeten Maͤchte hinreichen. Obgleich nun der Britische Bevollmaͤchtigte auf diese Weise der Kon— ferenz die Ansichten seiner Regierung über die Graͤnzen Grie— chenlands freimuͤthig ausdrückt, kann er doch nicht unempfind lich fuͤr die vereinigte Meinung der Bevollmächtigten Frank— reichs und Rußlands seyn. Trotz der von ihm hier aufge— fuͤhrten Einwuͤrfe und trotz der Unwahrscheinlichkeit, daß die Turkische Regierung dahin gebracht werde, solchen Bestim— mungen beizutreten, will Großbritanien doch, da die Bot⸗ schafter der drei Maͤchte die fragliche Graͤnze einstimmig empfohlen haben und diese Empfehlung von Rußland und Frankreich angenommen wurde, gleichfalls zu deren Annahme als Basis der der Pforte zu machenden Vorschlaͤge insofern einstimmen, daß im Protokoll ausdruͤcklich bemerkt werde, es solle dies auf keine Weise als das Ultimatum der Verbuͤnde— ten betrachtet, sondern es sollen die Einwuͤrfe, welche die Tuͤrkische Regierung gegen alle oder irgend einen Theil der Vorschlaͤge vorbringen mag, genau abgewogen und gepruͤft werden. spruch mit dem Vertrage selbst stehen, der vorschreibt, daß mit beiden streitenden Parteien Unterhandlungen eingegan— gen werden sollten, ehe irgend eine definitive Entscheidung angenommen wuͤrde. In der Ueberzeugung, daß das der Konferenz durch den Bevollmaͤchtigten Sr. Allerchristlich sten Masjestaͤt mitgetheilte Memorandum die Einleitung von Un— terhandlungen uͤber diese Grundsaͤtze bezwecke, wuͤrde Se. Maäjestaͤt mit Vergnuͤgen ein Werk empfohlen sehen, das zu einein gluͤcklichen Resultate fuͤhren mag. Mit einem aͤhn⸗ lichen Vorbehalt giebt der Britische Bevollmaͤchtigte seine Zustimmung zu dem in der Note bes Grafen Nesselrode so stark empfohlenen Entwurfe, d. h. als einem der Pforte zu machenden Vorschlag, fuͤr die Errichtung einer Art erblichen Regierung in Griechenland. Es muß indessen mit Be⸗ dauern zugegeben werden, daß auch dies etwas außerhalb der Bestimmungen des Vertrags Liegendes ist, und ich will nur noch ferner bemerken, daß die Wahrscheinlichkeit, ein solches Zugestaͤndniß von der Türkischen Regierung zu erhal— ten, wesentlich vermehrt werden moͤchte durch die Maͤßigung, die wir in unsern Forderungen fur Gebietserwerbung offen⸗ baren. Gleicherweise stimmt die Britische Regierung dem in der Russischen Note erwaͤhnten Plane bei, durch welchen vor— geschlagen wird, den Betrag der Entschaͤdigung festzustellen, die den Tuͤrkischen Eigenthuͤmern fuͤr den Verlust von Laände⸗ reien oder anderem Eigenthum zu leisten ist, das in Folge der definitiven Loͤsung dieser Frage von den Griechen in Besitz ge— nommen wird. Der Britische Bevollmaͤchtigte druͤckt schließlich die ernstliche Hoffnung aus, daß Se. Kaiserl. Majestaͤt es fuͤr zweckmäßig finden moge, die Unterhandlungen in Konstantino—⸗ pel der Sorge ihrer Verbuͤndeten anzuvertrauen; zugleich aber fuͤhlt er sich zu der Erklärung verpflichtet, daß nach dem Ur— theile seiner Regierung die Ruͤkkehr der Botschafter von Eng— land und Frankreich bereits zu lange verzoͤgert werde, und daß selbst, wenn sie nicht mit den Interessen der Allianz beauftragt waren, kein zureichender Grund bestände, ihre diplo⸗ matischen Verbindungen mit der Pforte noch ferner zu sus⸗ pendiren. Da in Verbindung mit der Regierung Sr. Aller⸗ christlichsten Majestaͤt der Türkischen Regierung ein Vorschlag emacht wurde, der zum Zweck hat, die Erneuerung dieser . bang zu erleichtern, daß man von der Pforte die Herstellung des Waffenstillstandes und die Anerkennnang der srovisorischen Garantie erhaͤlt, so wird sich Se. Mej.
Jede andere Bahn wuͤrde in der That im Wider,
Die Pforte selbst muß der natuͤrliche Pro ⸗
durch jeden Grundsatz der Ehre und Festigkeit fuͤr verbunden erachten, sobald sie im Stande ist, dies zu thun, die Ruͤckkehr ihres Botschafters nach Konstantinopel anzuordnen.“
Inland.
Berlin, 2. April. Die oͤffentliche Pruͤfung der Zoͤglinge des Koͤlnischen Real⸗Gymnasiums wird . 3 in dem Koͤlnischen Rathhaguse stattfinden. Der Direktor der Anstalt Hr. Dr. August, hat dazu mittelst eines Programms „Uuͤber die Fortschritte der Hygrometrie in der neuesten Zeit“ eingeladen. Aus der in der Einladungs⸗Schrift enthaltenen Chronik der Anstalt ergiebt sich, daß die am Schlusse des vorjaͤhrigen Programms angekuͤndigte Gruͤndung einer neuen Klasse (Prima) seitdem erfolgt ist; auch eine neue Quarta ist
in Folge der gesteigerten Freguenz der unteren Klassen einge⸗
richtet worden, wozu so wie zu der Einrichtung der Prima, — der hiesige Magistrat im Einverständnisse mit der Stadt-Verordngten-Versammlung die Mittel gewahrt hat. Richt minder ist in dem verwichenen Jahre einem schon laͤn⸗ ger gefuͤhlten Beduͤrfniß der Anstalt durch Beschaffung eines eigenen Laboratoriums abgeholfen worden, und der physikalische Apparat, so wie die Bibliothek, hat, ebenmaͤßig durch die Fuͤr⸗ sorge der staͤdtischen Behörden, einen bedeutenden Zuwachs er⸗ halten; außerdem aber sind derselben von verschiedenen Sei— ten sehr schaͤtzbare Geschenke an Buͤchern und anderen zur Belehrung gereichenden Gegenstaͤnden, auch an Geld, Behufs der Komplettiruͤng des Lehr-Apparats, zu Theil geworden. — Seit dem 1. April 1829 sind dem bisherigen Lehrer⸗Personal 7 neue
Lehrer hinzugetreten und 3 davon ausgeschieden; die Anzahl
der seit jenem Zeitpunkt neu aufgenommenen Schuͤler ist 130; abgegangen sind: aus Secunda 10; aus Tertia 6 und außerdem noch mehrere aus den unteren Klassen, theils um
auf anderen Anstalten ihre Bildung fortzusetzen, theils um
in ein buͤrgerliches Geschaͤft einzutreten. Die Gesammtzahl der Zoͤglinge belaͤuft sich jetzt auf 260, von denen 4 in Prima, 16 in Secunda, 40 in Tertia, 44 in Ober⸗Quarta, 46 in Unter-Quarta, 50 in Quinta und 60 in Sexta sich befinden.
= Die Königsberger Zeitung vom 27. Marz ent— haͤlt folgende vom A2ßsten desselb. Mts, datirte Bemerkungen über das gegenwartige Fruͤhlings-Fluthwasser und den Eis⸗ gang in. Verwaltungs- Bezirk der Königl. Regierung zu Köͤ— nigsberg: „Den 17. Marz ward die Eisdecke, welche 3 Fuß dick war, von dem von den Anhdhen zustroͤmenden Wasser auf dem Alleflusse gehoben, zerbrochen und zerstoͤrend gegen die ber den Allefluß bei Wehlau belegene Bruͤcke, welche eben reparirt werden sollte, gefuͤhrt, wodurch ein alter Eis⸗ brecher und ein Joch der Bruͤcke , , . und die Pas⸗ sage unterbrochen wurde. Der Wasserstand war oberhalb des Wehrs, bei dem großen Muͤhlenwerke zu Pinnau in dem Alleflusse, nur 5 Zoll und unterhalb 1 Fuß 3 Zoll niediger, als im vorigen Jahre. — Auf dem Pregelstrome nahm der
Eisgang den 18ten d. M. den Anfang, und bei Taplaken
war das Fluthwasser 20 Zoll niedriger, als im vorigen Jahre, und die dortigen Damme und Bruͤcken sind gut er⸗ halten. — Bei Wehlau wurde die lange Pregelbruͤcke durch die Fluth heftig angegriffen; das Eis stopfte sich auf mehre— ren Stellen unter der Bruͤckendecke bis auf den Grund, ward aber durch thäͤtige Nothhuͤlfe ruͤhmlichst erhalten, ingleichen auch der noch stehende Theil der Allebruͤcke bei Wehlau geret⸗ tet. Bei Tapiau war der Wasserstand 2 Fuß niedriger, als im vorigen Jahre, und da der Eisgang fruͤher auf dem Dei—⸗ meflusse erfolgte, zog sich auch ein großer Theil des Fluth— wassers dorthin, uͤberfluthete den Fahrdamm bei Klein⸗Schleuse und verursachte, trotz aller Vorkehrung durch thaͤtige Noth⸗ huͤlfe, solche Durchrisse, daß jetzt die Passage durch eine Ue⸗
berfaͤhre, bis das Wasser wieder faͤllt, unterhalten wird. Die
in diesem Damme vorhandenen großen Bruͤcken, obgleich sie auch sehr vom Fluthwasser angegriffen wurden, sind erhalten. Wenn? das Fluthwasser des Pregelstroms bei Tapiau sich nicht getrennt und durch das Deime, thal nach dem Kurischen Haff gezogen, wodurch jetzt der Scheleckensche Damm bei Labigu, auf der Straße nach Tilsit, so uͤberschwemmt ist, daß die Passage, indem die Fuhrwerke durch das Wasser fahren, weil der Grund noch gefroren ist, unterhalten wird, so waͤre eine Ueber schwem⸗ mung hier in Koͤnigsberg, wo der Eisgang bei dem Wasser— stande von 9 Fuß 2 Zoll den 21sten d. M. den Anfang nahm, in den niedrigliegenden Theilen der Stadt (als dem eigentlichen, aber bebauten, Fluththale des Pregels), minder den örtlichen Verhaͤltnissen gemäß, unvermeidlich gewesen.
Auf dem Frischen“, so wie auf dem Kurischen Haf, liegen
die Eisdecken noch fest und werden nur erst, wann Stuͤrme eintreten, bald zerbrochen und durch das Fluthwasser fortge⸗
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fuͤhrt werden. In den obern Gegenden bei Wistiten, Pil— kallen, Goldapp u. s. w. sind die kleinen Fluͤsse, welche dem Pregelstrome das Wafsfer zuleiten und denselben bei Inster—⸗ burg zum schiffbaren Strome bilden, auch schon aufgegangen und die Felder von Schnee befreit; mithin ist im Pregel⸗ Gebiet kein großes Schneewasser in diesem Fruͤhjahre mehr zu befuͤrchten.“ 6 t = Rach einer im Amtsblatte der Koͤnigl. Regierung zu Frankfurt a. d. Oder enthaltenen Bekanntmachung der Ne⸗ sultate des Seidenbgues in deren Verwaltungs ⸗Bezirk, im verwichenen Jahre, sind an Seiden-⸗Grains 11 Pfund 22
Loth ausgelegt, davon 3912 Pfund 6 Loth Kokons gewonnen,
von diesen 395 Pfund 26 Loth verkauft und 1914 Pfund 235 Loth abgehaspelt worden, Das reine Produkt an abgehas— pelter Seide hat 546 Pfund “z Loth betragen, und diese ist Hurchschnittlich mit 4 Rthlr. 19 Sgr. 9 Pf. pro Pfund ver⸗ kauft worden. Der Erlös fuͤr verkaufte Seide hat 2543 Rthlr. 20 Sgr. 7 Pf., der fuͤr verkaufte Kokons 164 Rthlr. 17 Sgr. 6 Pf., zusammen also 2703 Rthlr. 8 Sgr. 1 Pf. betragen. Die Zahl der Seidenzuͤchter hat sich gegen 1328 um 48 ver⸗
mehrt, und es sind daher auch 2 Pfund 154 Loth Grains
mehr ausgelegt worden. — Das Resultat, hinsichtlich des Gewinnstes, wuͤrde noch weit guͤnstiger ausgefallön seyn, wenn nicht die kalte und nasse Witterung im vorigen Sommer sehr nachtheilig auf die Maulbeer-Baͤume und folglich auch auf vie Seiden-Raupen gewirkt haͤtte. Die Regierung empfiehlt den Seidenzuͤchtern fuͤr solche Faͤlle das sorgfaͤltige Abtrock—
nen der Blaͤtter vor dem Futtern, und macht sie zugleich auf
eine neue Art kleiner Seiden Haspeln aufmerksam, welche von dem Mechanikus Ernst zu Berlin verfertigt werden und die sich bereits als besonders zweckmäßig bewahrt haben.
— Aus Stettin vom 31. Maͤrz wird gemeldet: „Nach⸗— dem das Eis im Haff, welches der Fahrt nach und von Swi—
nemuͤnde hinderlich war, durch den noͤrdlichen Wind in die
Bucht von Wollin geschoben worden, sind seit gestern Nach— mittag 20 Seeschiffe hier angekommen, und somit ist die Tom⸗ munication mit der See und die Schifffahrt wieder eroͤffnet. — Das Wasser ist bei nordwestlichem Winde abermals ge— stiegen und steht heute fruͤh 6 Fuß il Zoll. Es uͤberstroͤmt fast das ganze Bollwerk an beiden Seiten der Oder, so daß kleinere Kähne auf demselben liegen; die Passage, so wie das Ein- und zh lade ist dadurch sehr erschwert. Auch der Weg von hier uach Damm ist allenthalben uͤber schwemmt, und selbst die große Blockhausbruͤcke steht ganz unter Wasser, indeß ist bei der soliden Bauart des Dammes und der Bruͤcken die
Passage fuͤr Reuter und Fuhrwerk bis jetzt noch nicht unter—
brochen, wenn gleich das Wasser an einzelnen Stellen den Pferden bis unter den Bauch geht. Durch die Gewalt des Stromes ist heute wiederum ein Kahn vor der langen Bruͤcke umge⸗ schlagen, die darauf befindlichen 3 Leute sind jedoch gerettet worden. Laut offiziellen Nachrichten von Garz war der Oderdamm n . früh 6 Uhr auf 122 Fuß Laͤnge vom Wasser uͤber⸗ stroͤmt, wobei die Fahrbahn jedoch, obgleich der Untergrund vom Wasser durchdrungen ist, den gehoͤrigen Widerstand lei⸗ stet, um der Passage ein sicheres Fortkommen zu gewaͤhren. Die auf einen Tag angeordnet gewesene Sperre ist wieder aufgehoben, und die heute Nachmittag angekommene Schnell— post hat den Weg ohne Unfall passirt. — Es ist zu hoffen, daß der hohe Wasserstand nicht mehr lange dauern werde, da nach offiziellen Schreiben der Koͤnigl. Regierungen zu Breslau und Oppeln das Wasser dort bedeutend gefallen ist. Wenn indeß nach den Versicherungen alter Leute das Was— ser aus jenen Gegenden erst in 8 bis 10 Tagen hier eintrifft, so duͤrfte, zumal bei dem jetzt unguͤnstigen Winde, noch eine geraume Zeit bis zum Zuruͤcktritt in den gewohnlichen Stand erforderlich seyn.
— Am 2hsten v. Mts. hatte man zu Magdeburg eine interessante meteorologische Erscheinung,⸗ namlich von Sonnen⸗ hoͤfen mit Nebensonnen. Am fruͤhen Morgen war das Wet— ter truͤbe, die Luft ruhig und die Temperatur zum ersten Male nach langem unfreundlichen Wetter hoͤchst gelinde. Der Wind wehete aus Suͤd-⸗West, und das Barometer stand ziem⸗ sich unwandelbar über 28 Zoll. Gegen 10 Uhr Vormittags heiterte sich das Wetter auf und wurde schoͤn. Kurz nach 11 Uhr zeigte sich um die Sonne ein regenbogenfarbener Kreis, dessen Roth jener zugekehrt war, und der zu gleicher Zeit von einem zweiten, ganz weißen, so durchschnitten wurde, daß sein Mittelpunkt (die Sonne) in den Umfang des letzten zu liegen kam. In den Durchschnittspunkten dieser beiden Kreise bemerkte man Nebensonnen.
— Außer dem Gymnasium und der Gewerbeschule be⸗ stehen in Ranma gg, bei einer Bevölkerung von 10,850 Seelen, G öffentliche Schulen, mit zusammen 23 Klassen, 25 Lehrern und 1997 Schulkindern. ER Beweis, wie das
Beduͤrfniß nach Fortbildung sich immer allgemeiner verbreitet ist die daselbst erfolgte Entstehung zweier Sonntags schulen seit dem Anfange des laufenden Jahres. Ein allgemein geach⸗ teter Greis, der emeritirte Diakonus Pietzsch, hatte den Wunsch ausgesprochen, daß er gern noch nuͤtzen und namentlich einer Anzahl Handwerks ehuͤlfen, bei welchen gewoͤhnlich nach dem Austritt aus der chule ein Stillstand in der geistigen und moralischen Fortbildung einzutreten pflegt, an jedem Sonn⸗ tage nach dem Gottesdienste unentgeltlich Unterricht in Reli⸗ gion, Deutscher Sprache, Geschichte, Geogkaphie und Rech⸗ nen ertheilen mochte. Die staͤdtische Behoͤrde bot zu diesem Vorhaben bereitwillig die Hände, und schon haben sich uͤber 40 Schuͤler zum Schulbesuche eingefunden, deren Aufmerk⸗ samkeit (Nachrichten aus Naumburg zufolge) der ꝛc. Pietzsch nicht genug ruͤhmen kann. Der Unterricht dauert von 10
bis 13 Uhr Morgens, und des Nachmittags hilft er den
Schwaͤchern noch besonders nach. Sogleich nach der Ankuͤn⸗ digung dieser Sonntagsschule entstand eine zweite, blos fur den , ,. durch freiwilligen Zusammentritt ei⸗ ner Änzahl dortiger Handwerkmeister, welche ihre Gesellen und Lehrlinge dazu anzuhalten sich verpflichteten. Sie zaͤhlt 46 Schuͤler — das Maximum fuͤr den Raum — welche fruͤh von 10 —= 12 Uhr Sonntags Unterricht erhalten.
Vermischte Nachrichten.
Parlaments-Schilderungen.
Das New-Monthly and London Magazine schil— dert die Sitzungen des Parlaments, von denen in der Regel nur die ernstere Seite durch die Zeitungen bekannt wird, in folgender nicht uninteressanter Weise:
. „Ein Fremder, der bei der Dis kussion einer wichtigen Frage zum erstenmale auf der Gallerie des Unterhauses Platz nimmt, muß in der That glauben, einer Theater ⸗Vorstellung beizuwohnen, so viel Aehnliches mit derselben hat das, was vor seinen Augen geschieht. Ein beliebter Darsteller tritt mit gleichem Beifalle an heiden Orten — im Parlamente wie auf der Buͤhne — auf. Das Haus ist in tiefes Schweigen gewiegt, wenn er zu sprechen beginnt, seine Rede wird durch Beifalls-Bezeigungen unterbrochen und beim Schlusse dersel— ben haben die Acclamationen der Zuhoͤrer kein Maaß mehr. Rur in der Art der Beifalls-Spendung findet ein kleiner
Unterschied statt; im Theater namlich wird geklatscht, im Un—
terhause aber „Hort, hoͤrt!“ gerufen, was sogar auch auf eine etwas verkehrte Weise noch fortgesetzt wird, wenn der Redner seine Rede schon beendigt hat. Mißfaͤllt ein Dar— steller seinen Zuhdͤrern, so wird es im Schauspielhause durch Zischen, im Unterhause aber durch eine Art von Husten zu erkennen gegeben. So ein Husten ist ungeheuer ansteckend; kaum ist er ausgebrochen, so verbreitet er sich auch schon durch das ganze Haus mit der Schnelligkeit des Blitzes; es ist eine Pest, deren ansteckenden Stoff Jedermann? seinem Nachbar mittheilt. Es kann diese, von der sonst uͤblichen abweichende Weise, sein Mißfallen auszudruͤcken, auf ver— schiedene Art ausgelegt werden. Das Zischen nämlich ist eine ganz freiwillige Handlung und kann leicht die Ursache zu hitzigem Streite werden; Husten aber läßt eine Erklärung zu, denn es kann eine unfreiwillige natuͤrliche Aeußerung seyn. Derjenige, gegen den es gerichtet ist, hat wenigstens kein Recht zu behaupten, daß es nicht die natuͤr— liche und nothwendige Folge einer Erkältung sey. In den Römischen Amphitheatern wurde der besiegte Gladiator, der an das Volk appellirte, von diesem durch das Aufheben des Daumens zum Tode verurtheilt; aber auch dieses Symbol ist eben so freiwillig, wie das fatale Zischen und wuͤrde auf gleiche Weise unstatthaft im Senate seyn. Was aber auch immer der erste Grund seyn mag, der dem Husten, als parla⸗ mentarischem Zeichen, einem Redner sein Mißfallen zu erken⸗ nen zu geben, den Vorzug verliehen hat — der Gebrauch hat die Parlaments⸗Mitglieder so vertraut damit gemacht, daß sie es, ohne sich daruͤber zu beklagen, dulden, wiewehl sie recht gut wissen, daß es eine eben so freiwillige Aeußerung sey, als das Zischen oder das Heben des Daumens.
In der Zusammensetzung des Personals wird man eben⸗ falls eine merkwuͤrdige Aehnlichkeit des Parlamentes mit einem Theater⸗-Institute wahrnehmen, Beide haben ihre tragischen und komischen Darsteller in allen Nuͤancen, ihre Statisten und ihre gemeinen Possenreißer. Das Parlaments⸗Mitglied, das sich uͤber die Gefahren und Schwierigkeiten, mit denen das Land zu kaͤmpfen hat, mit Emphase vernehmen laͤßt, das mit ergreifender Waͤrme die Noth der Zeit ausmalt und gegen das Verfahren der Minister mit mächtiger gluͤhender er renner auftritt, kann fuͤglich mit einem tragischen Schauspieler ersten Ranges verglichen werden. Das andere Mitglied, das sich