1830 / 115 p. 4 (Allgemeine Preußische Staats-Zeitung) scan diff

866

ergreifen, um unsere Schiffahrt zu retten. Am kluͤgsten wuͤrde

es seyn, alle auf Hanf, Eisen und Seegeltuch seit 1807 ge⸗ legten Taxen aufzuheben. Wohl weiß es der Ausschuß, daß sich gegen eine solche Magßregel eine Menge Kapitalisten auf das lauteste erheben wuͤrden, die lieber die Marine der Vereinigten Staaten, als ihren persoͤnlichen Nutzen, zum Opfer bringen mochten. Es muß aber etwas zum allgemei— nen Besten geschehen, und zwar bald. Wir muͤssen unsere Abgaben auf den Tonnengehalt aufheben, unsere Abgaben auf den Schiffbau ermaͤßigen und unseren Verkehr mit frem— den Nationen durch Aufhebung verbotaͤhnlicher Zoͤlle und Feststellung gegenseitiger Handelsgrundsaͤtze zu vergroͤßern suchen. Unsere Politik muß eine andere Gestalt annehmen und das allgemeine Beste nicht länger einseitigen Ansichten und Privat⸗-Interessen aufgeopfert werden.“ Columbien. Folgendes ist die vom Kongresse in Bogota dem Ge—

neral Bolivar am 22. Januar auf seine Botschaft vom 20sten

dess. Mts. ertheilte Antwort:

„Das verschlingende Ungeheuer der Anarchie, Sennor! wird unter uns wuͤthen, wenn Sie uns in diesem Augenblick verlassen. Sie haben feierlich versprochen, in der Ausuͤbung der hoͤchsten Gewalt zu bleiben, bis der Kongreß eine Ver— fa sung promulgiren und die Landes⸗-Beamten ernennen wird; und wenn einerseits das, Sennor! was Sie Columbien und sich selbst schuldig sind, gewichtige Hindernisse wider das Vor— haben aufstellt, Ihre Abdankung von dem Praͤsidenten-Amte der Republik zur Vollziehung zu bringen, so ist andererseits der Kongreß gaͤnzlich außer Stande, sie anzunehmen, weil jenes Versprechen in demselben Gesetze aufgenommen worden, durch welches der Kongreß autorisirt ist; daher er der erste seyn muß, es gewissenhaft zu befolgen. Was Ihren Ruf be— trifft, so kann derselbe in keiner Weise durch die Verlaͤum— dungen Ihrer Afterredner leiden. Das Daseyn dieser Ver— ammlung ist eine siegreiche Antwort auf alles dergleichen. Fahren Sie denn fort, Sennor! Columbien vor den Graͤueln der Anarchie zu bewahren; hinterlassen Sie ihm als Ver— maͤchtniß die Befestigung seiner Gesetze, dann wird Ihr ohne— hin schon unsterblicher Name noch glaͤnzender auf den Blaͤt— tern der Geschichte erscheinen, wann dieselbe Zeugniß davon ablegt, wie Sie Alles beiseit gesetzt, Alles geopfert haben, nur um des Glückes Ihres Vaterlandes willen.“ .

In kan d.

Berlin, 25. April. Um das Publikum davon in Kenut— niß zu setzen, was die Kirchen, Elementarschulen und Wohl— thätigkeits⸗Anstalten des Regierungs-Bezirks Achen dem from— men und wohlthaͤtigen Sinne seiner Bewohner fuͤr den Zeit— raum der zuletzt verflossenen 14 Jahre. zu danken haben, hat die Koͤnigl. Regierung daselbst in der Achener Zeitung eine Nachweisüng von den in den Jahren 1818 bis 1829 inel. vorgekommenen derartigen Vermaͤchtnissen und Schenkungen, so weit sie bei ihr angemeldet worden sind, mitgetheilt. Nach Inhalt derselben betrugen in dem gedachten Zeitraum die Vermaͤchtnisse u. s. w. 1) Fuͤr katholische Kirchen 134,538 Rthlr. 5 Sgr. baar, 114 Rthlr. 23 Sgr. 8 Pf. an

jährlichen Renten und 206 Morgen 123 Ruthen 90 Fuß an

Liegenheiten; 2) ö . Kirchen 11,581 Rthlr. 5 Sgr. ** bagr Geld und 5 Morgen Landes; 3) fuͤr die Armen

1176604 Rthlr. 9 Sgr. 5 Pf. baar und 38 Rthlr. 25 Sgr.

8 Pf an jährlichen Renten; 4) fuͤr Schulen 7571 Rthir. 24 Sgr. 9 Pf. baar Geld und 44 Rthlr. an jahrlichen Ren— ten; mithin im Ganzen 271,191 Rthlr. 24 Sgr. 9 Pf. in bagrem Gelde, 197 Rthlr. 19 Sgr. 4 Pf. an jährl. Renten und 257 Morgen 89 Ruthen g0 Fuß an Liegenheiten. Nachrichten aus Stettin vom 23Isten d. zufolge scheint die Gefahr des diesjährigen Wasserstandes nunmehr voruͤber zu seyn. Das Wasser war zwar am 21sten d. M. Nachmittggs 5 Uhr, bei starkem Nordwestwinde, auf 3 Fuß 8 Zoll, also gegen Tages zuvor um 4 Zoll, gestiegen, ist jedoch demnächst wieder auf 4 Fuß 2 Zell bei Südwind gefallen.

Die Koͤnigliche Kammersaͤngerin, Demoiselle Henriette Sontag erfreut, nach einer mehrjaäͤhrigen Abwesenheit, jetzt

wiederum das hiesige Publikum durch ihre auch im fernen

Auslande so viel bewunderte Kunst. Nachdem die gefeierte

Kuͤnstlerin nun bereits in geistlicher Mustk, in Konzerten

und mehrfach auf der Buͤhne wieder gesungen, und folglich

ihre Talente nach allen Richtungen hin genugsam entfaltet

hat, so werden auch hier wenigstens einige sümmarische Bemer— kungen uͤber diese so verschiedenartigen und dennoch meistens

e , huesereichntten Kunstleistungen nicht am unrechten Platze

Die Kirchen, Musik bedingt als wesentlichste Eigenschaf⸗ ten des Gesanges zunaͤchst eine genuͤgende Kraft der Stimme zur leichten Ausfuͤllung eines gröͤßern Raums; ferner einen solchen Grad der Gesangbildung, daß der Vortrag, ohne ir⸗ gend durch willkuͤhrlichen Zierath uͤberladen zu werden, doch bei aller Einfachheit eine mannigfache Schattirung erhaͤlt; und endlich erfordert die Kirchenmusik durchaus eine tiefere Innigkeit des Gefuͤhls, ohne welche dieselbe ihre beabsichtigte Wirkung auf das Gemuͤth niemals erreichen wird. Be rach⸗ tet man nun nach diesen Andeutungen die hierher gehöͤrige Kunstleistung der Dlle. Sontag welche eine vom Herrn Organisten Hansmann zu wohlthaͤtigen Zwecken veranstaltete Aufführung von Grauns Passions-Musik sehr bereitwillig mit ihrem Talente unterstuͤtzt hat) so ist zunaͤchst zu be= merken, daß deren Stimme, ohne von Natur gerade sehr stark zu seyn, doch durch ihren reinen metallreichen Klang die große Garnisonkirche, in welcher das Oratorium aufge⸗ fuͤhrt wurde, ganz vollstaͤndig erfüllte. Der Vortrag war ferner dem ernsten Kirchenstyle durchgaͤngig höoͤchst angemes— sen; auch die Cadenzen waren bei aller Kunst hoͤchst ein⸗ fach und edel, ja selbst in der brillanten Arie: „Singt dem göttlichen Pfropheten? verwandelte die Virtuositaͤt sich mehr in einen natuͤrlichen Ausdruck eines begeisterten Aufschwungs, mit welchem die Kuͤnstlerin dieses beruͤhmte Gesangstuͤck in verschiedenen Nuͤancen durchzufuͤheen wußte. Der Schreiber dieses Aufsatzes hatte dasselbe vielfach von verschiedenen Saͤn⸗— gerinnen gehort, nie jedoch vernahm derselbe hier eine so tiefe Auffassung und eine solche Innigkeit des Gefuͤhls. Dieses aber bewahrte sich noch weit mehr in dem Vortrage der Re⸗ citative, welche, von innerem Leben wahrhaft beseelt, die tiefste Wirkung hervorbrachten; einige Stellen derselben wie gleich das erste „Gethsemane“ und spaͤterhin die Worte „ich sage dir, du wirst noch heute“ u. s. w. sprachen ge⸗ wiß maͤchtig zum Herzen aller fuͤhlenden Hoͤrer. .

Das Konzert ist, seiner heutigen Form nach, am Meisten geeig⸗ net, die Summe aller erworbenen Kunstfertigkeiten darzulegen,

und uͤberhaupt die Gewandtheit der Technik im glaͤnzendsten Lichte

zu zeigen. Hier nun gewahrt man bei Dlle. Söontag einen in der That seltenen Grad der Kunst-Entwickelung, die ein uͤberaus fleißiges Studium deutlich bekundet. In einem Umfange von etwa zwei Oktaven bewegt die moͤglichst gleichmäßig ausgebil— dete Stimme, die an Tiefe und Kraft etwas gewonnen zu

haben scheint, sich vollkommen leicht; die Intonation ist,

wenn auch ein vielen Saͤngerinnen eigenes leises Hinneigen zur Tiefe hier bisweilen bemerkbar wird, doch im Allgemei⸗ nen rein und bestimmt und zeigt selbst im Einsetzen der schwie—⸗ rigsten Intervalle stets die höchste Sicherheit. Das Aushal⸗ ten der schwellend gehaltenen Toͤne ist, bis nachher zu deren sanfte⸗ stem Verklingen hin, so fest, daß man auch nicht die leiseste Be—⸗ bung wahrnimmt, und eine gleiche Reinheit und Preeision zeigen, auch bei groͤßester Rapiditaͤt, die diatonischen und chromati⸗ schen Skalen. Der Triller ist hier, bei voller Stimme, gerade

nicht höher ausgezeichnet, desto schoͤner aber erscheint derselbe

dagegen bei Anwendung der mera voce, von der die Kuͤnst— serin uͤberhaupt einen trefflichen Gebrauch zu machen weiß;

der uͤberaus zarte Schmelz darin gewinnt einen in der That seltenen Liebreiz. In den nicht zu haͤufig angebrachten Ver⸗—

zierungen endlich bemerkt man stets einen hoöͤchst gebildeten Geschmack, wie denn uberhaupt der Vortrag der Dlle. Son- tag eine Schule des Gesanges vernehmen läßt, die fast durch⸗ gaͤngig allen Saͤngerinnen zum Muster empfohlen werden kann. Der dramatische Gesang endlich senem tiefern Wesen nach ein steter Ausdruck leidenschaftlicher Gefuͤhle gleichsam ein Plastischwerden des bewegten innern Lebens im

wechselnden Tonbilbe, bedingt, naͤchst dem als Mittel zur leichten

Darstellung erforderlichen Grade technischer Fertigkeit, unter an⸗ dern wesentlichen Eigenschaften zunaͤchst eine charaktervolle Ton⸗— faͤrbung, die, wenn das durch die Composition Gegebene nur als

der bestimmt gezeichnete Umriß erscheint, hier alles bedeutsam aus⸗

malt und durch staͤrkere und schwaͤchere Schattirung zu einem leben⸗ vollen Ganzen abgerundet. Dazu nun gehoͤren besonders ein ge— wisser Grad von Tiefe des Gemuͤths und ein leicht erreg— bares Innere, im Aeußern aber zugleich eine fuͤr die scenische Darstellung guͤnstige koͤrperliche Erscheinung. Dlle. Sontag

nun verbindet mit einer von Natur fuͤr die Buͤhne wohl ge⸗

eigneten Persoͤnlichkeit ein bedeutendes dramatisches Talent,

und endlich ein vielseitiges Studium der so umfassenden theg⸗—

6 Die Küͤnstlerin betrat seit ihrem Hierseyn bereits die große Opernbuͤhne wiederum in fuͤnf zum Theil

einander sehr entgegengesetzten Rollen, naͤmlich: als „Ro⸗ sine“ im „Barbler von Sevilla“, als „Hannchen“ in

„Joconde“, als „Susanne“ im „Figaro“, als „Desde—

Siehe Nr. 99 der Staats⸗Zeitung.

867

a“ im „Othello“ und als „Donna Anna“ im „Don e r, n, hier der Ort nicht seyn, auf diese Kunst— seistungen im Einzelnen nahe reinzugehen; im Allgemeinen nur ist anzumerken, daß mit den fuͤr die Darstellnng zureichenden Mitten eine jede Rolle hoͤchst gelungen und zum groͤßeren Theile wirklich vollendet in ihrem so verschiedenen Charakter durchgeführt wird. Gesang und Spiel erhalten stets einen so bezeichnenden Ausdruck und eine so durchweg konsequente Grundhaltung, daß das naive Bauermaͤdchen, wie die schalk— hafte Zofe, die um den Tod des Vaters jammernde Tochter, wie die um das Schicksal des Auserwaͤhlten schmerzlichst ban⸗ gende Geliebte, dadurch zu einem sehr bestimmten und bedeu— tungs vollen Charakterbilde werden; die „Desdemona“ na— mentlich mochte in dieser Hinsicht wohl nur von der an sich ungleich mehr fuͤr das Tragische berufenen Pasta noch in hoͤ— herer Vollendung gegeben werden. Von Natur ist Dlle. Sontag eigentlich mehr fuͤr das Heitere und Liebliche geeig— net; wie so eben bemerkt ward, leistet dieselbe jedoch, durch das fleißigste Studium, auch jetzt so hoͤchst Ausgezeichnetes im tragischen Fach. Abgesehen von dem trefflichen Spiel erscheint die Gesangskunst der Dlle. Sontag im dramatischen Vortrage so vollendet, daß nicht allein eine an sich charakter lose Musik dadurch Bedeutung und tieferes Leben gewinnt, sondern daß aller Streit uͤber die Unnatur der Oper uͤberhaupt hier gleich— sam beschwichtigt wird; die Toͤne gewinnen scheinbar eine solche Wahrheit des Lebens und eine solche Innigkeit des Aus— drucks, daß, wie es immer seyn sollte, der Gesang vollig nur als aͤsthetisch verschoͤnerte Rede erscheint und der gesungene Schmerz und die in Trillern bebende Verzweiflung in keinem auffallend stoͤrenden Widerspruche mehr stehen zum Gefuͤhl; solche Wirkung vermag in neuerer Zeit wohl nur die so reich begabte Dlle. Schechner, wenigstens nach einer Richtung hin, in einem noch hoͤheren Grade hervorzubringen. Diese beiden groͤßten Deutschen. Gesangskuͤnstlerinnen streben, wenn sie sich auch mehrfach begegnen, doch sichtlich in sehr verschiedenen Richtungen zum hoheren Schoͤnen und stehen, nachdem Jede in ihrer Weise bereits ein bedeutsames Ziel erreicht hat, in ihren Leistungen einander uͤberall wuͤrdig ge— genuͤber. Olle. Schechner zeigt den entschiedensten Beruf fuͤr das Tragische und hat nur das mehr Liebliche bis auf einen gewissen Grad sich anzueignen gesucht; bei der Dlle Sontag ist, dem oben Gesagten zufolge, dieses gerade umgekehrt.

Die Stimme der Dlle. Schechner hat großartige Kraft,

hoͤchste Einfachheit und Natur, die der Dlle. Sontag dage— gen schmelzende Lieblichkeit, groͤßte Vielseitigkeit und Kunst; jene ergreift, diese entzuͤckt mehr. So neigt also Dlle. Schech⸗ ner sich in der Gesangskunst mehr zum Ideale des Erhabe— nen, Dlle. Sontag dagegen mehr zur hoͤchsten anmuthigen Schoͤnheit. Die so anziehende Grazie hat aber in aller Kunst uͤberhaupt stets eine großere Zahl der Bewunderer, als die fuͤr ein leichteres Auffassen weniger zugaͤngliche Hoheit, wor— aus denn, in Verbindung mit allem hier Gesagten, die all— gemeinere Wirkung der Dlle. Sontag, in ihrer an sich nicht unbedingt geringeren Kunstsphaäͤre, sich als ganz natuͤrlich von selbst erklaͤrt. Die seltene Gesangskunst der Dlle. Sontag nat einen Ruf erlangt, dem nur der des Virtuosen Paganini hoch allenfalls zur Seite steht; Beide nehmen in der neue—

ren Entwickelungs⸗Geschichte der Tonkunst eine sehr bemer—

kenswerthe Stelle ein. Wenn namlich eitle Kehlfertigkeiten und leere Fingerkunststuͤcke einer die naturlichen Krafte gleich— sam uͤberbietenden Technik sich bisher so haufig einzig nur fuͤr sich selbst geltend machen wollten und dadurch das tiefere geistige Wesen der Musik bereits merklich beeinträchtigt wurde, so scheinen sie dagegen alle denkbaren Schwierigkeiten nur be— siegt zu haben, um dadurch reicher zu werden an Mitteln fuͤr den klaren Ausdruck des inneren Lebens, und demnach verbinden die Leistungen Beider die an sich wenig werthvolle moderne Virtuositaͤt wiederum inniger mit dem wahrhaft Schonen in der so herrlichen Tonkunst. Eine bestimmtere Ausfuͤhrung aller bisher gegebenen Andeutungen ist an dieser Stelle nicht thunlich; moͤge denn auch das Wenige, welches hier uͤber die Kunstleistungen der Dlie. Sontag gesagt wor—

den ist, einigermaßen beitragen zu einer richtigen Würdigung

ber verdienstvollen Kuͤnstlerin.

Die Franzoͤsische Expedition gegen Algier. . (Fortsetzung und Schluß.) „Die Stadt Algier“, fahrt Graf v. Laborde in seiner Beschreibung des Terrains fort, „liegt am Abhange eines steilen Huͤgels und bildet ein Dreieck, dessen lange Seite am Meere liegt und das, sich 27 28 Toisen uͤber dessen Spie⸗ gel erhebend, mit dem Horizonte Winkel von 15, 20 - 25 Grad bildet. Auf dem Gipfel dieses Huͤgels liegt die ziem— uch stark befestigte Citadelle, Cassaubah genannt, in welcher

4 .

( 1 6 ö J 1 2 ö I . * . * K ä 2 8 Fm K / /// // ä / /// ä .

der Dey residirt. Von dieser senken sich zur rechten und lin— ken Hand hohe mit einem Graben versehene Mauern herab, die an vielen Stellen nur durch die Haͤuser der Einwohner gebildet und nur hier und da durch kleine Schanzen verthei— digt werden; auf beiden Mauern befinden sich kaum 150

schlechte Geschuͤtze. In suͤdwestlicher Richtung und 4— 505

Toisen von der Citadelle entfernt, liegt 10 Toisen uͤber dem Meeres spiegel ein kleines Plateau und auf diefem das soge⸗ nannte Kaisersfort, welches den Haupt-Vertheidigungspunkt Algiers von der Landseite bildet; es erfordert eine Besatzung von 5— 600 Mann. Das Terrain erhebt sich nach Suͤd— west hin allmaͤlig und bildet kleine oben abgeplattete Anhoͤ— hen, welche 5— 6 Toisen hoͤher als das Fort liegen. Nach dieser Beschreibung des Terrains lassen sich die Operationen der Expeditions⸗Armee leicht im voraus berechnen; diese wer— den zunaͤchst darin bestehen, daß man sich der Zugaͤnge zur Stadt bemaͤchtigt, die umliegenden Hoͤhen besetzt und vor dem Kaisersfort, welches die Stadt dominirt, die Laufgraͤben eroͤffnet. Das Heer wird sich wahrscheinlich in zwei Corps theilen, von denen das eine ausschließlich die Belagerungs— Arbeiten betreiben wird, wahrend das andere als Bbserva— tions-Corps die Truppen der Beys von Konstantina und Til— lery, die zum Entsatz des Forts herbeikommen werden, im Zaum halten soll. Dieses Corps wird sich daher, wenn die Landung, wie unter Karl V. und Oreilly, auf der Rhede von Algier geschehen ist, sogleich linkshin wenden, oder zur Rech— ten, wenn die Landung westlich von Algier bei dem Cap Ca— xine stattgefunden hat. Das erstere Corps wird einige der Anhoͤhen besetzen, welche das Kaisersfort beherrschen und mit Huͤlfe mehrerer Schluchten, welche die Annaͤherung er— leichtern, gleich nach Beendigung der ersten Parallele das Bresche-Schießen eroͤffnen konnen. Das Fort kann auf diese Weise in 8 10 Tagen eingenommen werden. Inzwischen wird Alles von dem Widerstande der aus den Bergen und dem Innern des Landes herbeigekommenen feindlichen Massen abhaͤngen und die Armee Anfangs viel— leicht sich genoͤthigt sehen, ihre Kraͤfte zu concentriren, um einem entscheidenden Angriff gewachsen zu seyn. Es ist hier der passende Ort, einen Blick auf die Streitkraͤfte der Re— gentschaft zu werfen. Die gegenwärtige Regierung in Algier

hat viel Aehnlichkeit mit der alten Organisation der Tuͤrki—

schen Janitscharen. Die Macht beruht in der Miliz, welche den Dey und die anderen Staatshaͤupter erwaͤhlt; alle An— gelegenheiten werden im Divan verhandelt, in welchem der Mufti, der Kiaja-Aghassi; der Kadi und der Oberbefehlsha— ber der Truppen ihren Sitz haben. Die Verwaltung der Provinzen Oran, Konstantina und Tillery ist den vom Deh aus dem Milizen-Corps gewahlten Beys anvertraut; sie sind faktisch von ihm unabhangig und bezahlen ihm nur die Abgaben, beinahe wie die r s im Tuͤrkischen Reiche. Das Algierische Heer besteht 1) aus 7 bis S000 waffenfaͤhi⸗ en ö n , Soldaten; 25 aus 5 bis 6000 Culuglis oder Tuͤr⸗ ischen Abkoͤmmlingen, welche als Miliz dienen; 3) aus einer gleichen Anzahl Mauren, welche Serorwsch oder Suavis heißen; ) aus den Maurischen und Arabischen Truppen, welche auf Verlangen des Dey von den Beys zusammenbe— rufen werden. Die drei erstgenannten werden die etwa aus 20,00 Man bestehende Besatzung Algiers bilden; die letz⸗ teren sind Huͤlfstruppen, deren Zahl sich schwer bestimmen läßt. Barbarossa konnte in den Jahren 1535 und 1541 zur Vertheidigung von Tunis nur 50,000 Mauren und Araber zusammenbringen; zur Huͤlfe des von Karl V. bedrängten Algier kamen nur JZ0, 909 herbei; aber viel bedeutender war ihre Anzahl bei der Landung der Spanier im Jahre 1775 und während des Krieges gegen Tunis im Jahre 1807. Ge— genwaͤrtig kann man die Starke der Truppen, welche aus dem Innern des Landes ankommen werden, um die Fran— zosen anzugreifen, ohne Uebertreibung auf 56,0090 Mann be— rechnen; sie sind meist beritten, aber schlecht bewaffnet und impo⸗ niren nur durch ihre Masse. Eine zweite Schlacht, wie die bei Heliopolis und bei den Pyramiden wird darüber Auskunft eben; man darf jedoch nicht glauben, sich dadurch von den lrabern ganz befreit zu haben; die Lust zum Pluͤndern, die große Armuth des Landes und der . Fanatismus wer⸗ den bestaͤndig einen Schwarm derselben in Bewegung er—

halten, der die Armee durch Plaͤnkern beunruhigen, ihr die

Verbindung mit dem Lager abzuschneiden suchen und uns vielleicht viele Mannschaft vereinzelt toͤdten wird. Es wird vortheilhaft seyn, mit einem Theile der Arabischen Stämme bald in Unterhandlung zu treten; man kann ihnen Vieh und Getreide abkaufen, waͤhrend sie das Benehmen der Beys beobachten sollen, die, nachdem sie geschlagen worden, in ihre Provinzen zurückkehren werden. In dieser Bezie— hung koͤnnen die jungen Aegyptier, welche an der Expedition

! 2 . . z

J * . 2 6 . . 3 ö 9 2 3 . ö 7 ä , 7 7 7 7 7 77 w w

nn, er /// // 8 88

re

k

ö