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Inland.
— Berlin, 1. Mai. In den Gesammt-⸗-Sitzungen der Koͤ⸗ niglichen Akademie der Wissenschaften im Monat April d. J. wurden folgende Abhandlungen gelesen: 1
Von Herrn von Buch: uͤber die Ammoniten in den altern Gebirgsschichten.
Von Herrn Hermbstädt: Versuche und Beobachtungen uͤber die Hematine als rothfaͤrbenden Stoff im Blute.
Von Herrn Eytelwein: uͤber Ausfluß des Wassers durch vertikale, rechtwinklichte, oben freie Oeffnungen, wenn dieser Ausfluß frei und ohne Hindernisse erfolgt. .
Die in der philosophisch⸗hlstorischen Klasse der Akademie getroffene Wahl des Herrn Wilken zum Seeretair derselben
he die Allerhoͤchste Bestaͤtigung durch Kabinets-Ordre vom
16. Maͤrz d. J. erhalten.
In derselben Klasse wurde zum Korrespondenten der Akademie ernannt: Herr von Blaramberg in Odessa.
Literarische Nachrichten.
Ueber den Werth und die Wirkung der fur die evangelische Kirche in den Königl. Preußischen Staaten bestimmten Liturgie und Agende, nach dem Resultate einer zehnjährigen Erfahrung. — Ein Beitrag zur dreihundertjährigen Jubel— feier der Uebergabe der Augsburgischen Kon— fession, vom Bischof Dr. Eylert. otsdam 1830, bei Riegel. . . .
Unter diesem Titel ist vor einigen Wochen eine Schrift erschienen, , man durch seine amtliche Stellung als evangelischer Bischof und Hofprediger zu Potsdam zu einem Zeugnisse uͤber die oben angedeutete kirchliche Angele— genheit wohl vorzugsweise berufen nennen darf. Er selbst spricht sich in seiner Vorrede, Seite XIV., in folgender ee daruͤber aus: „Seit 36 Jahren Prediger und in die— sem langen Zeitraume unaufhoͤrlich, aus innerer Neigung, mit der Ascetik und Liturgik, auf ganz verschiedenen Stand- punkten und unter wechselnden Verhaͤltnissen, fruͤher 13 Jahre zu Hamm und seit 23 Jahren hier, beschaͤftigt, wurde es mir nicht schwer, uͤber den Werth und die Wirkung unserer seit 10 Jahren gebrauchten Agende aufs Klare und Gewisse zu kommen. Kein Lob hat mich fuͤr sie eingenommen, kein
Tadel mich von ihr abgewendet; bei beiden ruhig, war es mir einzig nur allein darum zu thun, inne zu werden, was sie zuerst auf mich, den Seelsorger selbst, und dann die Ge—
meine, der ich sie vortrug und vortrage, wirke und welche Wirkungen fuͤr ein wahrhaft frommes christliches Leben aus dieser Art und Weise des oͤffentlichen christlichen Gottesdien— stes hervorgehen. Alles vergessend, was fuͤr und wider sie von denen, die sie noch nicht gebraucht hatten, geschrieben ist, soll, von Menschenfurcht und Menschenge aͤlligkeit gleich weit entfernt, jetzt, da der Hader sich gelegt hat und die Sache in Ordnung ist, mein Zeugniß nichts mehr, aber auch nichts weniger, als ein Zeugniß selbst gemachter Erfahrung seyn. Ich gebe es ohne alle Anmaßung, aber auch ohne alle schwankende ÜUngewißheit, treu und wahr, als Pfarrer den Pfarrern, mei— nen lieben Amtsbruͤdern, nah und fern in den evange— lischen Stadt, und Land Gemeinen der Monarchie, (besonders in den westlichen Provinzen, wo man mit der Einfuhrung der Agende noch beschaͤftigt ist) einzig und allein nur in der Absicht, um durch redliche Mittheilung meiner Erfahrungen ihnen und der heiligen Sache, der wir gemeinschaftlich unter Einem gnaͤdigen Herrn dienen, — nach meinen geringen Kraͤften nuͤtzlich zu werden.“ — Den Gesichtspunkt, unter welchem der Gegenstand in der vorlle— genden Schrift betrachtet ist, und unter welchem er uͤber⸗ haupt zu betrachten sey, bestimmt der Herr Verfasser auf der Seite 2 derselben in folgender Art: „Wenn von der
Würdigung unserer Liturgie und Agende die Rede ist, so fragt fr nicht, ob sie tadellos sey? — (wo ist eine andere
im ganzen Umfange unserer ascetischen Literatur, von der
dies in r , ehauptet werden koͤnnte? und wann wuͤr—
den wohl Konsistorien und Synoden sich daruͤber vereinigen?) londern ob sie dem heiligen Zweck einer gemeinschaftlichen Hhristlichen Gottesverehrung in dem Grade entspreche, daß durch ihren Gebrauch wahre christliche Erbauung bei den Gemeinen, in der großeren Mehrzahl — bewirkt werden koͤnne? hf den Erfahrungen, die ich daruͤber, hinsichtlich der Liturgie seit 14 de
10 Jahren, bei der hiesigen Hof-, Militair- und Tivil⸗Ge⸗ meine gesammelt habe, kann und muß ich diese Frage, aus langsam gereifter und jetzt fester Ueberzeugung — bejahen.
ahren, und hinsichtlich der 9 seit
9. und Agende ist: rein biblisch in ihrem Inhalte dem
Lehrbegriffe unserer evangelischen Kirche vollkommen gemaͤß;
bindend, aber nicht beengend; altkirchlich in ihrer Sprache und Form; sie weckt und naͤhrt die Andacht; sie erhaͤlt den kirchlichen Sinn; sie ist das wirksame Beförderungsmittel der kirchlichen Union und des immer weitern und sichern Fortschreitens zum Bessern; sie ist zeitgemäß, das feste Band einer kirchlichen Gemeinschaft und in derselben die beste
Grundlage zu einer tuͤchtigen Kirchen-Verfassung; sie ist
achtnational und endlich hoͤchst erfreulich in ihrem Ursprunge.“ — Diese Punkte sind es, deren naͤherer Entwickelung und Be⸗— gruͤndung der Inhalt des vorliegenden Werks gewidmet ist. Es liegt außer den Graͤnzen dieses Blattes, dem Verfasser in das Detail seiner Darstellung zu folgen, und Referent muß sich deshalb darauf beschraͤnken, eines historischen Moments zu erwaͤhnen, welches er in Bezug auf den letzten der angegebe—⸗ nen Punkte, auf den Ursprung der Liturgie und Agende, an— fuͤhrt. Er erinnert naͤmlich an die liturgischen Kirchen-Ord— nungen und Agenden, welche die Markgrafen und Churfuͤr—⸗ sten zu Brandenburg, Joachim II., Johann Georg und der Herzog Albrecht in Preußen in den Jahren 1540, 1558 und 1572 ihrer evangelischen Landeskirche gaben, so wie an die Verfuͤgung, welche 1687 an die Kleve-Maͤrkische evangelisch⸗ lutherische Synode erlassen wurde, und fuͤgt Seite 146 hinzu: „Nie also — das ist eine historische Thatsache — hat in der evangelischen Kirche des Preußischen Staates, sie mochte lu— therisch oder reformirt seyn, eine Konsistorial- oder Presby—⸗ terial⸗Synodal⸗Verfassung haben, in der kirchlichen Ordnung eine Willkuͤhr stattgefunden. Immer hat die evangelische
Kirche unseres Landes eine Agende gehabt, nie eine andere,
als welche der Landesherr gegfben und sanctionirt hatte, und nie ist es den Dienern der Kirche gesetzlich erlaubt gewesen, von derselben bei der Fuͤhrung ihres Amtes abzuweichen, oder eine andere selbstgemachte willkuͤhrlich an deren Stelle zu setzen.“ — Waͤhrend nun die Liturgie und Agende bei der Mehrzahl der kirchlich gesinnten Gemeinen nach den mitge— theilten Erfahrungen des Verfassers die dankbarste Aufnahme und eine stets wachsende Liebe und Anhaͤnglichkeit gefun— den und bei redlichen Zweiflern, wie bei festen, biblisch— evangelischen und gepruͤften Christen, ihren Zweck voll— kommen erreicht hat, — ist ihr jedoch hier und da auch
Widerspruch und Abneigung begegnet, und derselbe giebt da—
her im weiteren Fortgange des Buches eine Charakteristik derjeni⸗ gen, von deren Seite letzteres der Fall gewesen; er klassifizirt sie in: „Indifferente, Eklektiker, Aesthetiker, Rationalisten, zwi— schen dem Rationalismus und Supranaturalismus Schwan— kende, und in Mystiker und Pietisten.“ Hinsichtlich der Erst— genannten bemerkt der Herr Verfasser Seite 154 und fol— gende: „Dem Indifferentismns, welcher die heilige Angelegenheit der Religion, namentlich der geoffenbarten, auf sich beruhen laßt, weil er es fuͤr eben so unmoͤglich als un— noͤthig hält, daruͤber aufs Klare und Gewisse zu kommen, kann unsere Agende, in ihrem positiven entschiedenen Cha— rakter, freilich nicht gefallen. Sie stellt die Liebe zum Erloͤ— ser und die Sehnsucht nach einer ewigen Seligkeit in den Mittelpunkt des Herzens und Lebens, und die geistige Waͤrme, welche sie durchdringt, haͤlt die Kalte des Indifferentismus fuͤr Ueberspannung und Schwärmerei. Zwar sollte man meinen, daß demselben, wie die Kirche mit ihren Andachts—⸗ übungen uͤberhaupt, so nun auch diese liturgische Form der— selben eine ganz gleichguͤltige Sgche seyn und er davon gar keine Notiz nehmen wuͤrde. Aber welch ein Sophist der Verstand und das Herz des Menschen, — bei einmal gefaß— ten Vorurtheilen — ist, wird auch hier wieder klar. Die tiefer liegende Abneigung gegen oͤffentliche gemeinsame An— dacht versteckt sich dann hinter die Mißbilligung dieser, wie sie meint, neuen, wenn gleich uralten, kirchlichen Ordnung, und fruͤher nie oder hoͤchst selten zur Kirche und zum heili— gen Abendmahle gekommen, sagen jetzt die Indifferen— ken, sie kaͤmen darum nicht, weil ihnen die Liturgie und Agende nicht gefalle. Gern bereden sie sich, damit eine guͤl— tige Entschuldigung ihres unkirchlichen Sinnes gefunden zu haben, und da der Indifferentismus, seinet Natur nach, immer mit dem Egoismus in der genauesten Verbindung steht, so ort man ihn nur klagen uͤber die Ruͤckschritte der Zeit. — here lle e m e sich der Widerspruch bei den Eklektikern.
war machen sie einen Unterschied zwischen Willkuuͤhr und 36. in kirchlichen Dingen. Jene verwerfen, — diese je⸗ doch wollen und begehren * Weil sie aber diese Freiheit nicht nach dem gegebenen Gesetz, sondern nach ihrer Indivi⸗ dualitaͤt, jeder nach der seinigen, mithin jeder anders, gestalten: so ist es klar, daß auf diesen regellosen Gange jeder innere und äußere Zusammenhang zerrissen wird und solche mißverstan⸗
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Und zwar aus folgenden triftigen Grunden. Unsere Litur—
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dene Freiheit nichts als Willkuͤhr ist, welche Konfusion und
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pitulirend, mit keinem aufs Reine und Gewisse kommen, kei—
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Dißffusion unvermeidlich mit sich fuͤhrt. — Von tausendfach ver⸗ schiedenartigen Dingen angeregt und bewegt und mit sich selbst nicht eins, schwanken sie hin und her, waͤhlen und ver⸗ werfen. In dieser Unentschiedenheit, die sich selbst eine Re⸗ ligion macht und aus den heterogensten Elementen zusammen— setzt, wird jede gegebene positive Form laͤstig und druͤckend, und wenn der evangelische Geist, der in ihr lebt, nicht der ihrige ist, und also nur der todte Buchstabe ihnen starr ent— egen tritt, — so klagen sie uͤber Beengung und toͤdtenden e rns r, — „Auch der Widerspruch der Ae st het i⸗ ker“, faͤhrt der Herr Verf. Seite 158 fort, „ist hoͤrbar ge⸗ worden. Gebildet durch die schoͤnen Schriften unserer vor— zuͤglichsten Deutschen Klassiker, durch diese auf einen aͤstheti⸗ . Ton gestimmt und selbst bei religiöͤsen Gegenständen durch eine uͤppige, bluͤhende, bilderreiche Sprache verwoͤhnt, kann bei dieser Richtung, in diesem sublimirten Geschmack, die einfache, schmucklose, alterthuͤmliche und zum Theil ver— altete Sprache unserer Agende solchen sogenannten schoͤnen Geistern freilich nicht gefallen. Ihnen ist der fromme Sinn mit dem Schoͤnheitssinn gleichbedeutend und sie meinen, auch der oͤffentliche Gottes dienst muͤsse in seiner ganzen Auffassung, in seinen Gesaͤngen, musikalischen Begleitungen, Bildern, De—⸗ korationen, Gebeten und Betrachtungen ein aͤsthetisches Kunst— produkt feyn. Darum ist ihnen das Einfoͤrmige, immer Wie— derkehrende auch immer das Langweilige, welches bald ermuͤ— det, weil sie auch in der Kirche angenehm affizirt und unter— halten seyn wollen. Wie konnte eine Agende aus dem 16ten is 17ten Jahrhundert ihnen gefallen?“
: Von den Rationalisten wird Seite 160 gesagt: „Von allen Fundamental-Artikeln des christlichen Glaubens weiß die sich selbst uͤberlassene Vernunft nichts, kann es auch nicht wissen; aus der goͤttlichen Offenbarung muß sie erst lernen, und wie das Herz, so muß auch der Verstand zuvor Buße gethan haben, ehe beide es als ein neues christliches Lebens— prinzip glaͤubig in sich aufnehmen können. Wer in diesen rein biblischen Standpunkt sich nicht hinein gedacht, gefuͤhlt, gelitten und gelebt hat und in der Religion nichts gelten laßt, als was die Vernunft aus sich selbst schoͤpft oder mit ihren Begriffen uͤbereinstimmend findet, der kann auch an einer Agende keine Erbauung finden, in welcher die Person Jesu Christi und der historische Christus der Mittelpunkt ist. Hier ist der Widerspruch eben so konsequent, als er in den meisten Faͤllen redlich ist; er ist auch ein zu alter, durch alle Jahrhunderte der christlichen Zeitrechnung fortgehender, — als daß er befremden und irre machen konnte. Diejenigen, die ihn ganz und vollstaͤndig in richtiger Schlußfolge shste— matisch aussprechen, — (wozu jedoch, merkwuͤrdig genug, die Wenigsten den erforderlichen Muth haben, denn es giebt tie— fer liegende Beduͤrfnisse des Herzens und Gewissens, wovon sich die Philosophie nichts träumen laͤßt) geben offen und ehrlich sich so zu erkennen, daß es klar wird, wie man mit ihnen daran ist.“ — „Wo zwei entgegengesetzte Dinge“, faͤhrt der Herr Verfasser weiter unten, zu den zwischen dem Rationalis— mus und Supranaturalismus Schwankenden uber— gehend, fort, „sich gegenseitig rein aus- und abschließen, und jedes innerhalb seiner ihm gehoͤrigen Graͤnzen bleibt, hat der Hader ein Ende; aber unaufhoͤrlich erneuert er sich, wo diese Graͤnzen in einander laufen und Heterogenes zusammenge⸗ mengt wird. Schlimmer, endloser und widerwaͤrtiger ist da— her der Widerspruch der noch groͤßern Anzahl aller Derjeni— gen, welche zwischen dem Rationalismus und Supranatura— lismus schwanken und, bald mit diesem, bald mit jenem ka—
nen ganz aufgeben, mit beiden es halten, mit keinem es ver— derben wollen.“ — Von den Pietisten und Mystikern
eißt es unter Anderm Seite 165 u. ff.: „Beim ersten An— blick erscheint gerade bei diesen der Widerspruch am uner— wartetsten, und man haͤtte meinen sollen, gerade sie wuͤrden vorzuͤglich die Agende mit Dank angenommen und sich der selben als einer Stuͤtze des rein evangelischen Glaubens, von dem sie zeugt, gefreut haben. Denn zu diesem bekennen sie sich laut und oͤffentlich und , , . Herz und Mund. Eben sie sind die laute en Anklaͤger der verschrieenen Auf— klaͤrungssucht in der Religion und koͤnnen nicht aufhören, zu bedauern, welchen Schaden dieselbe angerichtet, und wie sie uͤberall, wo sie Eingang gefunden, zerstöͤrt und niedergerissen habe. Darum wollen sie auch nichts von Neologie wissen und halten das System der Orthodoxie fuͤr das einzig wahre, konsequente und ausreichende. Die heilige Schrift ist ihnen allein des Glaubens Quelle und Grund, und nur diejenigen Kirchen besuchen sie, wo das alte Bibelwort verkündigt wird, so wie sie das heilige Abendmahl nur von solchen Geistlichen empfangen, die es ihnen in derselben gläubigen Sympathie,
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wahre, und diese Mystik die reine, wie jener und di als achte Froͤmmigkeit bei allen wah h ft m n , hl sten in ihrem tiefsten Grunde als ein uͤbersinnliches kraͤftiges Lebensprinzip gestalten, wie z. B. sie in der Spenerschen und Frankschen Schule zum Heil der Kirche sichtbar wurden, so wuͤrden sie mit der Innigkeit der Empfindung auch Klar⸗ heit der Erkenntniß verbinden und dankvoll eine Form und Einrichtung segnen, welche beiden eine gesunde Nahrung und einen festen Anhalt giebt. Aber der Pietismus Froͤmmeleih und der Mystizismus (Gefuͤhlsreligion) unserer Zeit er fasset, fragmen⸗ tarisch und rhapsodisch, den Menschen höchst einseitig, und statt seine Kraͤfte in der Totalitaͤt harmonisch aufzufassen, wie es seyn soll und muß, wenn etwas Gesundes und Ganzes daraus werden soll, wendet er sich zunaͤchst an die Phantasie und regt diese in namenlosen Exaltationen und regellosen Gefuͤh⸗ len auf. Er braucht zwar alle Ausdrucke, Worte und Aus, spruͤche, wie die heilige Schrift und der Le rbegriff der Kir⸗ che sie sanctionirt hat, so daß man glauben ö wohne und lebe das ächte, rein evangelische Christenthum aber statt, wie Jesus und seine Apostel, zuerst zur Klarheit der Idee zu erheben und in dem Lichte die Warme zu erzeugen, ver⸗ senkt er das Gemuͤth in unaussprechliche Ruͤhrungen und waͤhnt, gerade in dem Ueberschwenglichen, Geheimnißvollen und Unaussprechlichen das Rechte und Wahre gefunden zu haben. Mit dem Apostel (1 Korinther 3, V. 11) bekennt er wohl: Einen andern Grund kann Niemand legen, außer dem, der gelegt ist, welcher ist Jesus Christus; aber so wie der Nationalismus neben diesem Grunde baut, so baut zwar der Pietismus und Mysticismus unserer Zeit auf diesen Grund, aber nicht (V. 12) das Gold des lauteren Evange⸗ liums, sondern das Holz (Schnitzwerk), das Heu und die Stoppeln bodenloser Allegorien und exaltirter efuͤhle, die leicht entzuͤndbar schnell auflodern und einen schoͤnen Schein von sich geben und aussehen, wie Froͤmmigkeit, aber die Feuerprobe nicht aushalten. In diesem erwäͤrmenden Scheine gefaͤllt er sich selbst und theilt bald gefuͤhlvollen erzen, na⸗ mentlich beim weiblichen Geschlechte, sich mit. 26 Gefuͤhl aber, wenn es in der Religissitat vorherrschend und entschei⸗ dend geworden und nicht das Produkt richtiger Erkenutniß ist, — verschmähet jede Regel und alles, was fe st e, liebende, liturgische Ordnung heißt, ist ihm in seinen unendlichen Abschweifungen zuwider.“ — „Deshalb, sagt der Herr Verfasser weiterhin, „ist ihm auch gar nicht beizukommen, und auf keinem Wege, der nicht der scinige, ist er zu gewinnen. In der Erquickung subjektiver Gefuͤhle glaubt er seiner Sache bis zur Entschiedenhent so gewiß zu seyn, daß er alle anders Denkenden bald als Irrende kuͤhn verach⸗ tet, bald bemitleidet, und so im geistlichen Hochmuthe das erste Element jeder wahren Froͤmmigkeit, die Demuth, ohne es zu ahnen, in sich vernichtet.“ — Am Schlüsse die ser Charakteristik sagt der Herr Verfasser S. 169 unb fer— ner: „Was die heilige Schrift so tief, ernst und wahr von der Nothwendigkeit der Reue, Buße, Traurigkeit, Zerknir— schung und Zerschlagenheit des Herzens, als nothwendiger Durchgangsperiode zur Freudigkeit des Glaubens, lehrt, diese Heiterkeit und Freudigkeit aber als das aͤchte Kennzei⸗ chen des wahren Christen, als das herrliche Ziel, wohin Al⸗ les gehen soll und wozu es doch kommen muß, herzerhebend aufstellt, zexreißt der Mystizismus, trennt Mittel und Zweck und quaͤlt sich mmerdar mit jenen, ohne in seinem hysterisch-⸗ kranken Zustande jemals dieses dauernd zu erreichen. Darum ist er alich gewohnlich dunkel und truͤbe, bitter und intole— raut, aͤußerlich demuͤthig und gesenkt, innerlich hochmuͤthig und hart, aͤngstlich und verschlossen, reizbar und mißtrauisch, selbstgefaͤllig und versteckt, liebt es jedoch dabei, Einfluß zu gewinnen, sich Anhang zu verschaffen, eine Rolle zu spielen, und mochte gern regieren. Die Natur des Menschen und das praktische Leben machen es unmoglich, daß er jemals allgemein werden kaun, weshalb er sich auf immer nur als Separatismus in Sekten gestaltet; sollte es ihm aber in den Hebelkraͤften der hoͤhern Staͤnde und politischen Verhaͤltnisse und deren Beguͤnstigungen gelingen, auf eine kuͤrzere oder laͤngere Zeit, wie es hier und da das Ansehen gewinnen will, sich geltend zu machen und Einfluß zu erhalten: so kann er doch nicht mehr in die evangelische Kirche dringen, wo unsere Liturgie und Agende, in der Klarheit und Kraft ihres biblischen Geistes, bei den durch sie verknuͤpften Gemeinen ins Leben getre, ten, und ihre heilbringende Frucht bereits aher geworden ist.“ Der Herr Verfasser schließt sein Werk mit folgenden Betrachtungen: „Das sind die wahren Schaͤtze und Bestäͤnde
einer christlichen Gemeine, ihre bleibenden Eigenthuͤmer und
Reichthuͤmer, die bei dem Wechsel ihrer Pfarrer ihnen nicht
genommen werden und von den Aeltern auf Kinder und
welche sie durchdringt, reichen. Waͤre dieser Pietismus der
Kindeskinder sich segensreich in den wohlthuendsten Erfah⸗