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Hemeinde, zersplitterte einen Sparren und drang durch zwe Flurdecken in den Keller hinab, jedoch ohne zu zuͤnden ode
Jemand zu beschaͤdigen. .
23 Meile entfernten Westpreußischen Stadt Baldenburg stüärzten 11 Scheunen ein. — Im Neu⸗Stettiner Kreise wuͤ— thete der Sturm eben so furchtbar. Im Amte Draheim sie⸗ len Hagelschlossen mitunter von der Größe eines Huͤhnereies und vernichteten die herrliche Saat mehrerer Feldmarken so aͤnzlich, daß nicht eine Spur mehr davon vorhanden ist. 3 aͤhnliches Schicksal traf die Umgegend von Koͤrlin und den Lauenburgschen Kreis. — Waͤhrend des heftigen Stur— mes ertrank ein Bootsfahrer aus Neuwasser bei Rügenwalde mit 5 Gefaͤhrten, welche sich in einem Boote auf der Fahrt nach Danzig befanden. — Aus Koln vom 6ten d. wird gemeldet: Heute fand in der evangelischen Kirche hierselbst die Eroͤffnung der Pro—
vinzial⸗Synode fuͤr die Provinz Juͤlich-Cleve-Berg und fuͤr
den Regierungs⸗Bezirk Achen statt. Der Pfarrer Engels aus
Muͤhlheim an der Ruhr hielt die Einweihungs⸗-Predigt, wor⸗
auf an die saͤmmtlichen Geistlichen und zur Synode berufe— nen Gemeinde⸗-Aeltesten die Austheilung des heiligen Abend— mahls erfolgte. Hr. Ober-Konsistorialrath und Propst Roß aus Berlin ist, als K. Kommissarius bei der Synode, hierselbst ein—⸗ getroffen. Die Berathungen werden sich auf die allgemeinen kirch— lichen Angelegenheiten in den genannten Landestheilen, nament—
lich auf liturgische Einrichtungen, erstrecken. — Mit dem
Eintritte der bessern Jahreszeit haben hier die staͤdtischen Bauten und Verschoͤnerungs-Anstalten wieder begonnen. Die Drususgasse ist bedeutend erweitert und dadurch viel an Raum und Licht gewonnen worden. Eine gleiche Erweiterung wird an der Ecke der „am Hof“ genannten Straße vorgensmmen werden, wo einst das dem beruͤhmten Wallraf geschenkte Haus stand, welches derselbe bis zu seinem im Jahre 1824 erfolg— ten Tode bewohnt hatte. Jetzt, da seine Sammlungen, dle er mit edlem Patriotismus der Stadt Koͤln vermacht hat, in das stadtische Museum gebracht sind, ist das Wohnhaus niedergerissen, wodurch die Umgegend desselben eine gar nicht unbedeutende Verschoͤnerung erhaͤlt, und durch die Straße, welche nun gerade auf den Dom zufuͤhrt, dies erhabene Ge— baͤude weit großartiger erscheint, als es fruͤher der Fall war. Der Platz, wo Wallrafs Haus stand, wird geebnet. Ob die Dankbarkeit seiner Mitbuͤrger hier etwas zur Erinnerung an einen Mann thun wird, der blos fuͤr seine Vaterstadt lebte und sammelte, laͤßt sich noch nicht mit Bestimmtheit angeben. Jedoch sollen bereits Vorschlage zu einer wuͤrdigen Erinne— rung von den Bauverstaͤndigen gemacht seyn. Bei dieser Gelegenheit, und da Wallrafs Name unter den Kunstfreun— den in 4 sowohl, als im uͤbrigen Deutschland, eine ver⸗ diente Beruͤhmtheit ech
sant, zu bemerken, daß der Aufsatz der Frau Joh. Schopen—
hauer uͤber Wallraf, der in den „Blaͤttern fuͤr liter. Unter-
halt. v. d. J., Nr. 122 — 125“ steht, mehr als eine Un⸗ kein am Leben, und wenn er nicht selbst schon am er sten Tage
richtigkeit enthalte. Der Aufsatz ist mit vieler Achtung und Verehrung gegen Wallraf abgefaßt: aber gerade deshalb ha— ben unterrichtete und glaubwuͤrdige Maͤnner in Koͤln, deren Erinnerungen in die Zeit von Wallrafs regster Thaͤtigkeit rei⸗ chen, sich verwundert, in jenem Aufsatze Begebenheiten er—
wähnt zu finden, die ihnen ganz unbekannt sind. Die Quel⸗
len, aus denen die geschaͤtzte Schriftstellerin schoͤpfte, mogen also wohl nicht uberall die zuverlaͤssigsten gewesen seyn. — Die Abtragung des schadhaften Thurmes an der St. Mau— ritius-Kirche hat ebenfalls bereits begonnen. In architekto— nischer Hinsicht erleidet die Stadt dadurch keinen Verlust, wie es leider bei dem Einsturze des Kuniberts-Thurmes am 28. April der Fall gewesen ist. Wer in Koͤln war, wird sich mit Vergnuͤgen an diesen Thurm erinnern, der auf eine sehr wuͤrdige Weise den Halbzirkel der Stadt auf der einen Seite begraͤnzte und schon aus sehr weiter Entfernung gesehen wer— den konnte. Eine Herstellung desselben in seiner fruͤheren Große und Hoͤhe ist wohl kaum zu erwarten. — Eine be— deutende Verschoͤnerung wird die Stadt auch durch die Er— bauung eines neuen Regierungs-Gebaͤudes erhalten, fuͤr wel— ches . ein Platz, unfern des vor einigen Jahren erbauten ustiz⸗Gebaudes und des im vorigen Jahre aufgefuͤhrten heaters, definitiv bestimmt ist. — Der Mechanikus Mauch zu Koͤln hat kuͤrzlich einen Aerometer ver— fertigt, um dadurch die Bestimmung des specifischen Gewich⸗ tes der fluͤssigen Arzneimittel zu erleichtern. Es besteht der⸗ selbe aus drei Spindeln fuͤr schwere und leichte Fluͤssigkeiten, und die Skale auf demselben ist nach Prozenten berechnet, wobei das destillirte Wasser als Einheit angenommen worden ist. Das Königl. Rheinische Medizinal⸗Kollegium zu Koblenz und die Königl. Regierung zu Koͤln haben diesen Aerometer durch das Amtsblatt 3 ü — Bei den vorgestern Nachmittags hier stattgehabten ftigen Gewittern traf ein Blitzstrahl das in der Friedrichs⸗ traße Nr. 129 befindliche kleine Hospital der Franzoͤsischen
alten hat, scheint es nicht uninteres⸗
Vermischte Nachrichten.
Ueber die Expedition gegen Algier. (Fortsetzung des gestern abgebrochenen Artikels.)
„Alle Reisenden, die Algier gesehen haben, und alle ü ber diese Regentschaft erschienenen Schriften schildern uns die selb e als den groͤßten Raubstaat, der jemals auf Erden exi stir t hat. Seit dem Jahre 1516, in welchem der Korsar Horu ch, Aruch oder Arudsch Barbarossa, durch den damaligen Ma urischen Koͤnig dieses Landes, Selim Eutemy, nach Algier berufen, seinen Wohlthaͤter umbringen ließ und sich seines Thrones bemaͤchtigte, ist die Souverainetaͤt stets in den Ha nden der Raͤuberbanden gewesen, die von diesem ersten Kor saren ge⸗ bildet, von seinem Bruder und Nachfolger Hariad en orga— nisirt und durch Rekruten aus der fernen Levante dergestalt ergaͤnzt wurde, daß sie stets etwa 12,0h0 Mann stark war. Diese Tuͤrken aus der Levante, die sich zum Verbrechen ver— bruͤdern, nachdem sie von den Gerichten verfolgt und aus der Gesellschaft ausgestoßen worden sind, werden von i hren eigenen Landsleuten so gehaßt, daß es etwas Beispiell oses ist, daß eine Tuͤrkische Frau sich jemals so weit ernied rigt haͤtte, einen Algierer zu heirathen. Dennoch laͤßt jeder die— ser Banditen, sobald er in die Algierische Miliz aufgen om⸗ men ist, sich Efendi (gnaͤdiger Herr) nennen und betrachtet sich als Theilhaber an der Souverainetaͤt. Nur fuͤr ihn und um seinen von Jahr zu Jahr wachsenden Sold zusammen— zubringen, gehen die Seeraͤuber Algier's ins Meer und er— heben die Bey's, von ihren Truppen begleitet, Steuern im Lande; er steigt nach der Anciennetaͤt allmaͤlig bis zu den hoͤchsten Stellen in der Miliz und setzt sich, wenn Tre ulosig— keit oder die Erbitterung der Parteien ihn beguͤnstigt, auf den Thron des Dey. Nur Levantische Tuͤrken und Re— negaten werden in die Miliz aufgenommen; jed er im Algierischen Staate Geborene ist auf immer davon ausge⸗ schlossen, weder ein Maure, noch ein Araber, noch ein Jude erhalt Zutritt in dieselbe. Sogar die Kinder der Tuͤrk en von der Miliz, die Kouloglis genannt werden, so wie die der Beys, ja sogar die des Deys selbst, durfen nie in dieses
Corps eintreten, denn nichts kann sie von dem Flecken rein
waschen, von einer Maurischen Mutter oder einer Sklavin geboren zu seyn. — Das Oberhaupt, welches diese Raͤuber unter sich erwaͤhlen, und das sie ihren Dey nennen, steigt nur Über den Leichnam seines ermordeten Vorgaͤn gers auf den Thron, und jede Wahl ist von einem Blutbaäde begleitet.
Der siegreiche Praͤtensent laßt keinen seiner Mit beiwerber
seiner Regierung umgebracht wird, so muͤssen die Kopfe al— ler seiner Nebenbuhler fallen. Uebrigens ist diese so theuer erkaufte Wuͤrde hoͤchst muͤhevoll. Seine früheren Kameraden, die ihn erhoͤht haben, damit er die Mannszucht au frecht er⸗ halte, ihre Streitigkeiten schlichte und Recht spreche, lassen ihn kaum einen Augenblick in Ruhe. Von Sonne naufgang an sitzt er alle Tage der Woche, mit Ausnahme der Donmers— tage und Freitage, auf einer Loͤwenhaut im Di vans saale, um zunaͤchst mit seinen Ministern Staatsgeschaͤfte zu verhan— dein, und dann, um zu richten und seine Ürtheilssp ruͤche voll— ziehen zu lassen. Die letzteren Functionen verricht et er ohne Achtung vor dem menschlichen Leben, ohne Mäßigung in ben Strafen, aber auch ohne Verzug, ohne Kosten und mit
hauptleuten, bei. Anfuͤhrern von Zigeunerhorden, hei See— raͤubern, kurz bei allen findet, die, wie der Dey von Algier an der Spitze von Vereinen stehen, deren Zweck es ist, sich
zu befinden.“
Meere und auf Laͤndern. Die aus 2, 000 Tuͤr ken bestehende Miliz, in deren Namen der Dey regiert, kennt keine Industrie; sie sind nur zusammengetreten, um die Schwachen zu berauben und die Beute unter sich zu theilen. Die Seeraͤub erei wird als die erste Quelle des Staatseinkommens betr achtet. Der oͤffentliche Schatz erhebt die Haͤlfte von dem Ve rkaufs-Preise des gekaperten Schiffes, die Haͤlfte der Ladung und die Haͤlfte des Werthes der Sklaven, die auf dem oͤffentli chen Markte meistbietend verkauft worden, indem man sie vor den Kaͤufern laufen, springen, gasten tragen und ihre koͤrper lichen Gebre— chen, ohne Ruͤcksicht auf Alter und Geschlecht, unter suchen laßt. Diese Sklaven werden darauf in's Bagno gebracht, wo
einer plumpen Unparteilichkeit, wie man sie bei Raäͤuber⸗
im Kriegszustande mit der ganzen menschlichen Gesellschaft „Die Raͤubereien Algiers lasten mit gleicher Sch were auf dem
sie taglich drei schwarze Brodte, jedes von einem ha lben Pfunde, einige Oliven und etwas Essig zur Nahrung erh alten; diesen
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Unterhalt muͤssen sie sich durch Arbeit verdienen, wenn nicht die entehrende Gunst ihrer Gebieter sie aus dem Bagno her— vorzieht. Gewoͤhnlich befinden sich 1300 Christen⸗Sklaven in den Bagno's von Algier und 700 bei den Privatleuten. Zu den Zeiten der Macht der Algierer, unter den beiden Barba— rossa s und deren ersten Nachfolgern, wo ihre Sxemacht allen Europuͤischen uͤberlegen war, uͤbten sie gegen alle christlichen Voͤlker ohne Unterschted Seergub aus; aber seitdem ist ihre Macht durch die natuͤrlichen Folgen ihrer Lebensart und ih⸗— rer Verbrechen unaufhörlich im Sinken begriffen. Ihre Flotte besteht nur noch aus 12 bis 15 Schiffen mit etwa 200 Kanonen zusammen. Auch haben sie seitbem Vertrage abge— schlossen und respectiren die Flaggen der Maͤchte, die ihnen furchtbar sind, gegen jaͤhrliche Tribute. Mit denjenigen Staa— ten dagegen, die sie nicht zu fuͤrchten haben, schließen sie nie einen Vertrag und erklaͤren ohne Veranlassung dem Papste, den kleinen Italiaͤnischen Staaten und den Hansestaäͤdten den Krieg, nicht, daß sie sich uͤber ein erlittenes Unrecht zu be— klagen haͤtten, sondern weil ihr Schatz leer ist und sie ihn fuͤllen wollen. Diese Raͤuber stehen außerhalb des Voͤlker⸗ rechts, sie selbst haben es so gewollt, indem sie es als einen hinreichenden Grund zum Kriege betrachten, zu einem andren Volk zu sagen; „„Wir wollen eure Guͤter, um sie unter uns zu theilen, und eure Personen, damit ihr uns als Sklaven dient.““ In sofern ist jeder Krieg gegen sie dadurch ein gerechter, daß man ihnen denselben erklaͤrt. Sie beschweren sich jetzt daruͤber, daß der Franzoͤsische Konsul Roͤmische Unterthanen in seinen Schutz genommen habe; denn Frankreich sey durch Vertraͤge, die zuletzt am 29. Maͤrz 1799 bestaͤtigt wurden, die schimpfliche Bedingung eingegangen: „seine Flagge nicht andern zu lei⸗ hen und Schiffe fremder, im Kriegszustande mit der Re— gentschaft befindlicher Maͤchte nicht zu beschuͤtzen.“ Die Re— gentschaft hatte aber keinen andern Beweggrund, dem Papste den Krieg zu erklaren, als den Wunsch, seine Unterthanen auszupluͤndern, und dieser Grund ist auch hinreichend, um ihr selbst den Krieg zu erklaren. Die Raͤubereien der Tuͤr— lischen Miliz in Algier erstrecken sich uͤber alles zwischen Marokko und Tunis, dem Mittellaͤndischen Meere und der großen Wuͤste gelegene Land. Dieses wird das Koͤnigreich Algier genannt, wiewohl viele unabhängige Voͤlker darin woh— nen, die jaͤhrlich durch die Algierer gepluͤndert werden, nach— dem sie sich nach Kraͤften vertheidigt haben. Perrot giebt diesem Lande eine Kuͤstenlaͤnge von 220 Lieues, und eine Breite von 150 Lieues; Renaudot berechnet die erstere auf 220 Lieues und die Ausdehnung von Norden nach Suden auf 180 Lieues; auf der Karte von Dufour endlich sind 205 Lieues Lange, 140 L. Breite und 19,000 N Lieues als der Flaͤchen⸗Inhalt angegeben. Nach der niedrigsten dieser Be— rechnungen ist Algier wenigstens so groß wie Italien, das es an Schoͤnheit des Klima's und Fruchtbarkeit des Bodens noch uͤbertrifft, dergestalt, daß es doppelt so viel Einwohner ernähren konnte, wie Italien; und es hatte in der That eine so starke Bevölkerung, als es die gluͤcklichste und reichste un— ter den Roͤmischen Provinzen war, so wie spaͤter, als die Herrschaft der Kalifen es zum zweitenmale der Civilisation wieder gab, zahlreiche Arabische Universitaäͤten daselbst stiftete und das Land zu einer Zeit, wo Unwissenheit und Barbarei in Europa herrschten, zum Sitze der Literatur, der Kuͤnste
und Wissenschaften machte; das tyrannische Joch der Algie—
rischen Miliz hat aber späͤter so schwer auf dem Lande gela— stet, daß die Bevoͤlkerung auf 23 Millionen Einwohner zu⸗ sammengeschmolzen ist, die aus Ueberresten der alten Ber— bern, Mauren, Araber, Spanischen Moresken und Juden bestehen. Das einzige Prinzip der Al ierischen Regierung ist dieses, den ungluͤcklichen Einwohnern . u nehmen, was genommen werden kann. Nur die in den Staͤdten wohnen⸗ den Kuloglis (Abkoͤmmlinge von Tuͤrken), die sklavischen und entarteten Mauren und die Juden genießen einer Art von Schutz und Gerechtigkeit, aber auch nur in dem engen uͤm— kreise der Staͤdte, wo sich ihre Felder und Gaͤrten befinden. Einst volkreiche und bluͤhende Staͤdte haben keinen Gewerb⸗ fleiß, keinen Handel, keine Manufakturen mehr, entvoͤlkern sich und sinken groͤßtentheils in Truͤmmer. Die entfernter liegenden Felder werden von Berbern und Mauren bebaut, die sich nur wahrend der Zeit der Arbeit einfinden und nach der Wüste zurüͤckfliehen, sobald sie die Aerndte beendigt haben, Pon der sie einen Theil mitnehmen und den andern in die rde vergraben. Jedes Jahr rücken die drei Beys von Oran, Titerie und Konstantine mit drei Tuͤrkischen Corps aus, um von diesen Völkern den jährlichen Tribut zu erhe— ben. In einem Umkreise von drei Stunden um Algier soll man 10 - 12000 Landhaͤuser und Garten zaͤhlen, in denen die Fruchtbarkeit des Vodens mit der Nachlässigkeit und Un— kenntniß der Bebauer kaͤmpft, die alle Früchte haben ausar—
ten lassen. Kommt man uͤber diese Graͤnze und uͤber das Weichbild der andern großen Staͤdte hinaus, so hat der Grund und Boden keinen Besitzer und das Land keine Regierung mehr. Der erste beste befäet das Feld und stieht mit der Aerndte, wie mit einer dem Feinde abgenommenen Beute, da⸗ von. In diesem sich jahrlich wiederholenden Kampfe zwischen der Raͤuberei und der Barbarei hat die moralische Natur des Menschen noch mehr als die Industrie gelitten. Die schmaͤhlichste der Herrschaften hat ihrer würdige Fruͤchte gebracht. Die herr⸗ schende Miliz, obgleich der Abschaum des Tuͤrkischen Volkes, ist noch der am wenigsten veraͤchtliche Theil der Vevoͤlke rung Algiers. Bei aller Lasterhaftigkeit und Grausamkeit hat sie Mannszucht und Tapferkeit bewahrt und ihre Macht hat ihr eine gewisse Wuͤrde des Benehmens gegeben. Aber alle unterjochten Stamme sind furchtbar ausgeartet. Die Kuloglis, deren Anzahl Renaudot auf 150, 009 angiebt, und welche durch die Politik ihrer Vaͤter von der Armee und von aller Theilnahme an der Regierung ausgeschlossen sind, geben sich allen Lastern und weibischer Verweichlichung hin. Die Mauren, die Berbern und die Spanischen Moresken besitzen
nichts mehr von dem Muthe ihrer Ahnen; sie haben die
Kriegskunst, die Wissenschaften, in denen sie glaͤnzten, die Kuͤnste des Gewerbes, wegen deren sie einst bewundert wur den, so wie den Ackerbau vergessen, den sie in Granada und Valencia in der hoͤchsten Vollkommenheit trieben. Die in den Staͤdten lebenden unter ihnen sind dem Trunke und der Sklaverei anheim gefallen, und diejenigen, die das Feld be⸗ bauen und bei Annaͤherung der Tuͤrken in die Wuͤsten und Berge fliehen, sind zu der niedrigsten Stufe der Wilden herab⸗ gesunken. Die Juden endlich, von allen anderen Klassen der Bevoͤlkerung verachtet und noch niedriger als die Sklaven gestellt, duͤrfen nicht an den offentlichen Brunnen ihren Durst loͤschen, bevor der letzte der Sklaven daraus getrunken hat.“ „Wie glorreich fuͤr Frankreich, wie begluͤckend fur die Menschheit ist unter solchen Umstanden eine Expedition, deren Zweck es ist, diesem Aergerniß der gesellschaftlichen Ordnung ein Ende zu machen, einen Raͤuber-⸗Haäͤuptling aus der Reihe der Souveraine auszustoßen und einem Verein von Ber— brechern die Herrschaft uͤber ein Volk und ein großes Land u entreißen! Welcher Ruhm fuͤr Frankreich, nachdem es merika und Griechenland befreit, die Civilisation in das Va— terland des heiligen Augustin zuruͤckzuführen! Das ganze schoͤne Land, das sich von der Sahara bis zum Mittelländi— schen Meere, vom Atlantischen Ocean bis zum Ril erstreckt, das reichste und gluͤcklichste des Roͤmischen Reiches, das einst mit bluͤhenden Staͤdten prangte, die noch im vierten Jahr⸗
hundert 400 Bischoͤfe zu den Afrikanischen Koncilien abschick⸗
ten, wird dann dem Gluͤcke, dem Reichthum, der Industrie, den Wissenschaften und der Tugend wiedergegeben werden, wenn die Franzosen Ordnung und Freiheit dahin bringen. Es handelt sich um ein großes Interesse fuͤr Frankreich, es handelt sich um die Eroberung eines Landes, das fast eben so groß wie Spanien, unter demselben Himmel, ja fast unter denselben Breitengraden gelegen, deuͤselben Reichthum an schoͤnen Quellen, dieselben Erzeugnisse und eine noch großere Fruchtbarkeit, als jenes, besitzt; es handelt sich um die Erobe⸗ rung eines Landes, das, nebst Spanien, eigentlich nur Frank⸗ reich zum Nachbar hat. Algier ist von Toulon nur 135 Seemeilen entfernt, die eine Flotte in 8 Tagen, ein Kauf— fahrteischiff in 3 Tagen, ein Krlegsschiff in 35 und ein Dampf⸗ boot in 24 Stunden zuruͤcklegen kann. Dieses Meer verbin— det die Lander, waͤhrend die hohe Pyrenäͤen-Kette Frankreich und Spanien von einander trennt. Toulon, Marseille kön- nen mit dem gegenuͤber liegenden Algier die Mittelpunkte kommerzieller Thätigkeit werden, während die Nachbarschaft von Roses und Perpignan eine bedeutungslose ist. — Algier wird nicht nur eine Eroberung, sondern auch eine Kolonie, ein neues Land seyn, uͤber welches der Ueberfluß der Bevoͤl— kerung und der Thaͤtigkeit Frankreichs sich verbreiten kann.
Man hat die Wichtigkeit der Kolonieen oft uͤberschatzt,
so ist z. B. St. Domingo, das nicht den zehnten Theil so viel werth ist, wie Algier, als die Quelle des Reichthums des alten Frankreichs dargestellt worden. Auf der anderen Seite haben die Bekaͤmpfer dieses Irthums den Werth der Kolonieen zu niedrig angeschlagen. Die heutigen Europaͤi⸗ schen Voͤlker haben, wie die des Alterthums, das Beduͤrfniß, Abzugsorte zu besitzen, wohin sie den Ueberfluß der Bevölke⸗ rung und der Lebenskraft, welche die Civilisation in ihnen
erzeugt, senden koͤnnen. Frankreich ist allerdings groß und
fruchtbar genug, um zweimal mehr Einwohner ernaͤhren und doppelt so viel Kapitalien anlegen zu koͤnnen, wie es gegen⸗ waͤrtig besitzt. Dennoch ist es Thatsache, daß Frankreich von seinem Ueherflusse an Talenten und Kapitalien jetzt keinen Gebrauch machen kann, daß alle Faͤcher des Staatsdienstes
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