1830 / 163 p. 4 (Allgemeine Preußische Staats-Zeitung) scan diff

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eitzes und die Sklaverei des Landes. Die einzigen Truppen

n unserem Gebiet bestehen aus 4 Jaͤger-Bataillonen, wovon eines vor 3 Tagen zur Verstaͤrkung des Generals O'Leary ausgeruͤckt ist, der Befehl erhalten hat, nach San-Martha zu marschiren. Der arme General! er hat nur 500 Mann unter seinen Befehlen, und der Gouverneur von Merida, General Penango, hat ihn zu vernichten gedroht, wenn er eine Bewegung auf seine Graͤnze zu machen wuͤrde. In

einem Monat ungefahr muͤssen sich die Dinge aufklaͤren. Un⸗ ser friedfertiger General Montilla will keinen Krieg, sondern

nur Ruhe. Er ist aufmerksam auf Alles, was um ihn her vorgeht, und wird sich fuͤr den erklaren, der die meiste Aus— sicht hat, die Oberhand zu erhalten.“

* der Gaceta di Colombia heißt es: „Alle unsere Hoffnungen beruhen auf der Vortrefflichkeit der Verfassung, die man im Begriff steht, uns zu gehen. Unsere Repraͤsen— tanten verdienen großes Lob fuͤr die Liebe zum allgemeinen Wohl, durch welche ihre Arbeiten sich auszeichneten, und fuͤr das lebhafte Interesse, mit dem sie die Wuͤnsche und Beduͤrf⸗ nisse der Nation zu Rathe zogen. Die neue Verfassung ist nicht nur ganz republikanisch und auf die ausgedehnteste Frei⸗ heit gegruͤndet; sie bezweckt aicht nur, den Maͤngeln der zeit— herigen abzuhelfen, sondern sie ist ein aus Foͤderalismus und Centralismus gebildetes Ganze. Wahrend sie einerseits fuͤr eine bessere Verwaltung der oͤrtlichen Interessen sorgt, fuͤhrt . in der Leitung der National-Angelegenheiten diejenige Ein— heit herbei, welche uns die Erfahrung als der Republik vor— theilhaft und nothwendig gezeigt hat.“

Nordamerikanische Blätter vom 8. Mai theilen die vom General Paez unterm 2. Maͤrz an die Bewohner von Venezuela erlassene Proclamation, von der bis jetzt nur einzelne . gegeben worden sind, vollstaͤndig mit. Sie lautet, wie folgt; „Venezuelaner! Einstimmig habt Ihr die Verwaltung von Venezuela von der des uͤbrigen Columbischen Gebietes getrennt und mir einstweilen die Erhaltung der Ruhe und Ordnung im Staate anvertraut, bis die Versammlung von Venezuela ihre Arbeiten beginnt. Ich habe von Euch keine Buͤrgschaft empfangen; in meinen Augen giebt es aber auch keine außer der Aufrichtigkeit der Gesinnungen, die Ihr ohne Einfluß irgend einer fremden Macht geäußert habt; von meiner Seite habt Ihr als Buͤrgschaft nur meine Nei— gung und meinen Willen, Alles aufzubpfern, um diese Ge— sinnungen gegen die gewaltsamen Maaßregeln zu schuͤtzen und zu vertheidigen, die man zu ihrer Unterdrückung nehmen urn Ueber zwei wesentliche Punkte sind wir jedoch voll— kommen einig; naͤmlich hinsichtlich der Ueberzeugung, daß das politische Leben Venezuela's, seine Wohlfarth und sein kuͤnfti⸗ ges Gluͤck von seiner Trennung abhaͤngt, und daß der Ein—

des Generals Bolivar der neuen Organisation nachtheilig

. wuͤrde. Eure Beschluͤsse haben es Euch auferlegt, kein Opfer zu scheuen, um Euren Zweck zu erreichen. Eure Guͤ— ter, Eure Ruhe, Alles sogar, wenn die aͤußerste Noth es for— dert Euer Blut seyd Ihr dem Vaterlande schuldig; was mich betrifft, so verpfaͤnde ich durch mein Versprechen meinen Ruf, den Ruhm, den ich muͤhsam gesucht und mitten in großen Gefahren errungen, und das Vermögen, das ich zur Belohnung meiner Dienste von dem Vaterlande empfing.

Das sind die Gefahren, die uns drohen in dem edlen Unternehmen, die Grundlagen unserer Freiheit ungesaͤumt zu befestigen, indem wir uns und den kommenden Geschlechtern die Wohlthaten einer populären Regierung sichern, in wel— cher die dem Buͤrger zugestandenen Rechte eben so stark sind als die regierende Gewalt, . daß das Gemeinwesen Venezuela's nicht mehr der Willkuͤhr einer Familie oder ir— gend eines einzelnen Mannes ausgesetzt ist. Ihr werdet mich an der Spitze der Armee meine Pflichten als Soldat erfuͤllen und meine buͤrgerlichen Rechte wie den eifrigste Re— publikaner aufrecht erhalten sehn. Sollte ungluͤcklicherweise ein Usurpator uͤber uns den Sieg erringen, so erinnert Euch daran, was ich Euch jetzt sage; er wird die Fruͤchte seines

verderblichen Sieges nicht eher genießen, als bis er meinen

Leib mit Fuͤßen getreten. Denn ich bin entschlossen, die

Schmach nicht zu uͤberleben. Vrnezuelaner! Ich muß Euch

den Zustand Eures pelitischen Daseyns mit Freimuͤthigkeit enthuͤllen. Es ist in Gefahr, wenn Ihr Euch nicht über Raͤnke, Verleumdung und die Gewalt des Ehrgeizes er—

aben zeiget. Die in Bogota stattfindende Versamm— ung hat den Ausdruck Eurer Wuͤnsche mit Verachtung empfangen; f hat erklaͤrt, daß das Grundgesetz 6 Union unzerstoͤrbar sey, und ze eich dem General Bolivar den Auftrag gegeben, die noͤthigen Maaßregeln zu ergrei— fen, um die Integritaͤt des Gebietes aufrecht na erhalten. General Bolivar hat, nachdem er bereits der Ober⸗Verwal⸗

drucken.

tung entsagt hatte, freiwillig diesen gehaͤssigen Auftrag uͤber⸗ nommen und marschirt an der Spitze einer Armee gegen uns, um den nicht zu beugenden Geist Venezuela's niederzu— Er zieht das Schwert gegen den Busen der Mut— ter, die ihm das Leben gab, und verbirgt das Gift der Rache unter der Maske des Gehorsams und der Unterwerfung un— ter den Willen der Nation. Um Euch zu uͤberraschen und zu verfuͤhren, wird er zur List seine Zuflucht nehmen; gelingt ihm das nicht, so wird er noch zweckloser die Gewalt anwen— den. Die Angreifenden muͤssen uns ganz vernichten, wenn sie festen Fuß fassen wollen. Die civilisirte Welt wird auf ihrer Stirne die Spuren des geflossenen Blutes sehen und, die Gerechtigkeit unserer Sachè anerkennend, unserer Festig— keit, ja selbst unserer Wuth im Gefecht, gerechte Lobeserhe— bungen zollen.“ . „Venezuelgner! Unsere Rechte und Pflichten sind ge— meinschaftlich. Ich vertheidige Nichts, was ausschließlich mein waͤre, denn ich verabscheue die Vorrechte. Ich empfehle Euch, durch Eure Gesinnung mit einander verbunden zu bleiben. Weiset die Zwietracht als das verderblichste Uebel zuruͤck, kas Euch heimsuchen kann. Verbreitet sie ihre Herrschaft uͤber Ordnung und Sicherheit, so werden wir uns von Anarchie verschlungen und von der Wuth unserer Feinde ohne Gnade zerrissen sehen. Venezuela wird mit Schmach bedeckt bleiben, sein Name Schrecken einstoͤßen, seine Tugenden werden von der Nachwelt fuͤr Undank, unsere Herzen wie Herzen von wilden Thieren ünd unsere Werke wie abscheuliche von Ver— wuͤnschungen begleitete Handlungen betrachtet werden.

Venezuelgner! richtet Eure Blicke auf das allgemeine Beste,

und das Vaterland ist gerettet. Zu demselben Zweck vereint, seyd auch durch dieselben Gefahren vereinigt, und bald wer— den wir eine weise und maͤchtige Regierung haben und Tage des Gluͤcks und des Friedens sehen.“ e, Valencia, den 2. Maͤrz 1830. Jo se A. Paez.

Y nl nm d.

Schloß Fischbach, 9. Juni. Se. Majestäg der Koͤ— nig erfreuen Sich mit Höͤchstihrer Familte des erwuͤnschtesten ohlseyns und genießen daher die Frende der Familien⸗Ver⸗ einigung mit Ihrer Majestat der Kaiserin von Rußland auf das Vollkommenste. rch d bach aufgefordert, machen die Höchsten Herrschaften taͤglich kleine Spazierfahrten und besuchen auf diese Weise nach und nach alle reizenden Punkte der naͤchsten Umgebungen.

Außer den Allerhoͤchsten Herrschaften, welche gegen— waͤrtig in Schloß Fischbach wohnen, befinden sich noch in der nahen Umgegend folgende hohe Personen. Im Schloß Ruhberg: Ihre Königliche Hoheit die Frau Kur⸗ fuͤrstin von Hessen, nebst Gefolge; zu Schloß Erdmanns— dorf: Ihre Königlichen Hoheiten Prinz Wilhelm, Sohn Sr. Majestaͤt, nebst seiner Durchlauchtigen Gemahlin uttd Gefolge; im Schloß Buchwald: Ihre Königl. Hoheiten der Prinz und die Prinzessin Karl, nebst Gefolge. In Schmie— deberg wohnen die Frau Graͤfin von Modene, die Fuͤrstin Ouroussoff und Se. Exe. der Wirkliche Geheime Rath Frhr. von 93 oldt. Der Fuͤrst Wolkonskt, die Frau Graͤfin von Orloff, die Fuͤrstin Wolkonski, der Leibarzt der Kaiserin, Crighton, nebst dem uͤbrigen Gefolge Ihrer Majestaͤt, bewoh—= nen das Schloß und Dorf Fischbach.

Aus Koln schreibt man: Der Waarenzug auf dem Rheine hat auch im Monat Mai unseren Hafen in große Thaͤtigkeit gesetzt; an beladenen Schiffen sind zu Berg 55 und zu Thal 240, mithin im Ganzen 295 Schiffe angekom⸗

men, und von hier abgegangen sind zu Berg 112, zu Thal

. i . 5 2. r . ; 1 6 , reu einischen Dampfschiffe haben ihren Dienst un— unterbrochen geleistet. Das erste Dampfschiff, welches in

nischen Dampfschifffahrts-Gesellschaft, auf der guten Hoff— nungs⸗Huͤtte ,, , genannt die „Stadt Mainz“, ist in diesem Monat zu Ruhrort gluͤcklich vom Stapel gelau— fen und hat jeden Kenner durch die Schoͤnheit der Form, so wie durch die Soliditaͤt der Construetion angenehm Aͤher⸗ rascht. Ob der Maschinenbau (bei welchem neue Combing— tionen in Anwendung kommen) eben so gluͤcklich gelingen wird,

kann erst nach ein Paar Monaten erprobt werden.

Durch die herrliche Gegend von Fisch⸗

. und zwar fuͤr Rechnung der Preußisch Rhei⸗

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Wissenschaftliche Nachrichten.

Die St. Petersburgische Zeitung enthaͤlt im neue— sten Blatte einen ausfuͤhrlichen Artikel uͤber die (letzthin be— reits erwaͤhnte) Fortsetzung der Gradmessung in Rußland; wir entlehnen daraus Nachstehendes: „Dersenige Meridian Rußlands, unter welchem die Dorpater Sternwarte liegt, bietet von der Nordgraͤnze des Reichs bis zur Donau eine Ausdehnung von 25 Breitengraden dar und wuͤrde, fortge— setzt bis an die Suͤdspitze von Kandien, eine ununterbroche⸗ ne von 367 abgeben. Er stellt sich so von selbst als der Hauptmeridian Europa's fuͤr die Bestimmung der Figur der Erde dar, unter dem dasjenige in ununterbrochener Reihe ausgefuͤhrt werden kann, fast genau in der Richtung des Meridians, was unter andern Europaischen Meridianen bruchstuͤcksweise geleistet ward. Se. Majestaͤt der Kaiser Alexander J. genehmigten schon im Jahr 1820 den durch die Universitaͤt Dorpat gemachten Vorschlag, auf dem in den Ostseeprovinzen des Reichs liegenden Theil jenes Meridians eine Gradmessung von 39 35“ zwischen der Duͤna und der Insel Hochland auszufuͤhren. Diese Arbeit ward in den Jahren 1821 bis 1827, unter Leitung des Direktors der Dor— pater Sternwarte, Herrn Kollegienrathes und Ritters Dr. Struve, vollendet, indem die Kosten derselben von der Uni— versitaͤt Dorpat, aus der in ihrem Statut zu wissenschaftli— chen Reisen bestimmten jahrlichen Summe, bestritten wurden.

Diese Gradmessung erhielt einen weiteren Umfang durch eine

Vereinigung derselben mit den trigonometrischen und astro⸗ nomischen Operationen, die von Seiten des Kaiserlichen Ge— neralstabes, unter Leitung des General⸗Majors von Tenner, in den Gouvernements Wilna und Grodno ausgefuͤhrt sind. Zu dieser Vereinigung trug Letzterer dadurch bei daß er die Verbindungsdreiecke messen ließ; die Dorpater Sternwarte dadurch, daß auf ihr eine Reihe korrespondirender astronomi— scher Beobachtungen und die Untersuchung der wahren Laͤnge des Normalmaaßes, welches bei den trigonometrischen Mes— sungen vom Herrn General⸗Major Tenner gebraucht worden, angestellt ward. Durch die Verschmelzung diefer beiden Operationen umfaßt die Gradmessung schon 8 Breitengrade

zwischen Hochland und Belin im Grodnoschen Gouvernement,

also ein Drittheil der ganzen Ausdehnung von der Nord— graͤnze des Reichs bis zur Donau. Am wuͤnschenswerthe—

Universitaͤt Dorpat legte ihrem Kurator, dem General-Lieute— nant und Ritter Magnus, Baron von der Pahlen, einen vom Professor Struve ausgearbeiteten Plan derselben vor, der demnaͤchst von Sr. Durchlaucht dem Herrn Minister der Volksaufklaͤrung, Fuͤrsten Lieven, zur Kenutniß Sr. Majestaͤt des Kaisers Nikolas J. gebracht wurde und die Allerhoͤchste Bestaͤtigung des Monarchen erhielt. Dieser Bestaͤtigung zufolge, ist Hr. Kollegienrath Prof. Dr. Struve, als Director der Uni— versitaͤts-⸗Sternwarte, mit der Leitung der Fortsetzung der Grad— messung beauftragt. Die der Sternwarte gehoͤrigen Apparate, die bisher angewandt sind und sich als so vorzuͤglich bewaͤhrt haben, werden auch jetzt benutzt werden. *. Vermehrung der Apparate, so wie zur Bestreitung der Unkosten der Operationen, hat Se. Maj. der Kaiser die Gnade gehabt, auf zehn nach ein— ander folgende Jahre jaͤhrlich der Universitaͤt eine Summe von 10,000 Rubel zu gewähren. Dem Allerhoͤchsten Be— fehle zufolge, soll' die Arbeit schon im Laufe dleses Jahres ihren Anfang nehmen. Zu dem Ende sind zwei dem Herrn Professor Struve zukommandirte Offiziere vom Kaiferl' Ge— neralstabe, die Herren Capitain Rosenius und Lieutenant Aberg, beide geboͤrne Finnländer und seit Jahren sich mit astronomischen Arbeiten in Dorpat beschaͤftigend, schon im April d. J. nach Finnland abgesandt, um den ersten Theil der Arbeit zu beginnen. Diese besteht in einer Aufsuchung der Dreieckspunkte quer durch Finnland, welche die Insch , e, mit Torneo verbinden sollen. Sobald Torm̃o in Verbindung ist, ist der Schauplatz der alten Lapplaͤndischen Gradmessung erreicht, die als ein Theil in die große Russi— sche Gradmessung aufgenommen werden soll. Wahrend daß die Herren Nosenius und Aberg in Finnland beschaͤftigt sind, wird Herr Professor Struve, mit Ällerhöchster Geneh⸗ migung, eine Reise ins Ausland fur die Gradmessung unter— nehmen, theils um Instrumente in Muͤnchen zu bestellen, theils um sich mit mehreren der ausgezeichnetsten Astronomen

des Auslandes zu berathen, theils um mit dem beruͤhmten

stronomen, Herrn Professor Bessel in Koͤnigsberg, sich uͤber

Line Vereinigung der Russischen Operation , die vom Herrn

Sener al⸗ Major von Tenner an mehreren Punkten bls an die Preußische Gränze gefuͤhrt ist, mit der Koͤnigsberger Sternwarte zu besprechen. Durch eine trigonometrische Ver⸗

!

schtießt als Psycholog. sten war die Fortsetzung dieser Arbeit nach Norden. Die z ;

einigung der beiden Sternwarten in Dorpat und Koͤnigsberg waͤre der erste Schritt geschehen, die großen Arbeiten in Rußland mit denen des übrigen Europa in Verbindung zu setzen. Der Hauptzweck der Reise des Herrn Professor

Struve ist aber, sich in Paris und London genaue Kopieen der Toise du Pérou und des Englischen Standard-Vard's zu verschaffen und bei der Vergleichung derselben mit den Ope⸗ rationen selbst gegenwaͤrtig zu seyn, um so der linearischen Einheit, die der Russischen Gradmessung zum Grunde gelegt wird, die groͤßte Sicherheit zu geben.“

Die Philosophie in Frankreich während des neunzehnten Jahrhunderts.

IV.

Diejenigen Schriftsteller, welche wir zur dritten, der eklektischen Schule der vernuͤnftigen Geistigkeit (spiritualisme rationel), zahlen muͤssen, sind weder Schuͤler Eines Meisters, noch bewegen sie sich alle in derselben Richtung. Die Sen⸗ sualisten gingen von der Beobachtung aus, bezogen sie aber lediglich auf die Sinnlichkeit; die Theologen legten ausschließ⸗ lich Glauben und Tradition zum Grunde; die Eklektiker end— lich suchen durch eine vielseitigere Beobachtung das einseitige Shstem der ersten zu erweitern und den Sinn und die Wahrheit der theologischen Lehren tiefer zu erferschen. Sie ergreifen nicht willkuͤhrlich hier und da zerstreute Zuͤge oder gar entgegengesetzte Ansichten und Grundsaͤtze, um daraus ein haltungsloses Ganzes zu erkuͤnsteln, sondern gruͤnden ihre Theorie auf mannigfaltige Erfahrung und wenden sie naͤch st⸗ dem an, um die Wahrheit uͤberall, wo sie sich findet, zu er— kennen und den Irrthum davon abzusondern. Es ist die

Philosophie des gesunden Menschenverstandes (sens commun),

angewandt auf die Kritik der Systeme.

In der Reihe der hierher gehorigen Schriftsteller nen— nen wir zuerst Bérard (geboren 1793, gestorben 1828). Er ist Materialist, so lange er nur die Thatsachen betrachtet, verlaͤßt aber dies System, sobald er die Grundsaͤtze erforscht. Das Sinnliche beurtheilt er durch die Sinne, das Nichtsinn⸗ liche aus dem Bewußtseyn; er beobachtet als Arzt und Es giebt (dies lehrt er in seiner „Pociriue des rapports du physique et du moral''), außer der Sinnlichkeit, einen innern Sinn, ein Prinzip, ein We⸗ sen, welches, obgleich unksrperlich und nicht in die Sinne fallend, doch nicht minder wahrhaft ist und sich, ohne Ma⸗ terie zu seyn, als Kraft lebendig und thaͤtig zeigt und in der mannigfachsten Weise auf das Koͤrperliche einwirkt. Es ist nicht das Gehirn, welches denkt, sder der Magen, welcher verdaut, sondern die geistige Kraft denkt im Gehirne und die verdauende Kraft verdaut im Magen: Gehirn und Ma— gen sind nur die Orte, wo sie ihre Rolle spielen und ihre eigenthuͤmliche Natur entwickeln. So gestaltet, bildet und erhaͤlt sich die Organisation durch den Beistand von Ursachen und Mitteln, die nicht koͤrperlich sind.

In ahnlicher Weise wendet sich Birez (de la puissance vitale) zum Spiritualismus und sucht darzuthun, daß die⸗ jenige Kraft im Menschen, welche sich dem blos Körperlichen so oft widersetzt und es bekaͤmpft, von demselben not hwendig verschieden seyn muͤsse. Diese eigenthuͤmliche Lebenskraft ist in der ganzen Natur in verschiedener Weise und Maͤchtigkeit vorhanden und vertheilt, und, obgleich oft einander entgegen⸗ tretend und sich bekaͤmpfend, geht aus allen Wirkungen al— ler Lebenskraͤfte das Gleichgewicht und die Erhaltung der Velt hervor. Die Nerven und Muskeln sind nicht in der— selben Weise empfindend und beweglich, wie sie etwa schwer oder raumlich sind; diese Eigenschaften bleiben ihnen immer, jene sind Folge des Lebens und dauern nur, so lange dies

dauert. Bestaͤnde der Mensch lediglich aus Raäͤumlichem und

Korper, so muͤßte der Geist ohne alle Kraft und lediglich ein klave seyn. , Obgleich Kératry (geboren 1769) in seinen indictions marales gt physiologiques mehr die allgemeine Beschaffen— . der Dinge zu entwickeln, eine Art von Ontologie zu ge— en versucht, geht er doch oft, minder wissenschaftlich, zu Hy— pothesen uͤber das ehemalige und kuͤnftige Daseyn der See— len uͤber und kann mit Theilnahme und Wohlwollen die Maͤngel einer Moral und Aesthetik nicht vertilgen, welche sich meist auf den Begriff des Nutzlichen gruͤnden. Eben so wenig durften die Verfuche von Massias, Welt und Gott zu erklaͤren, genugend erscheinen, da sie, des wissenschaftlich strengen Ganges oft ermangelnd, kaum in we— nigen Worten charakterisirt werden konnen.