1830 / 232 p. 2 (Allgemeine Preußische Staats-Zeitung, Sun, 22 Aug 1830 18:00:01 GMT) scan diff

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kompromittirte sie andrerseits nicht minder das persoͤnliche In⸗ teresse des Souyerains. Denn was bedeutete sie anders, als daß der Fuͤrst, die Charte mit Füßen tretend, die Reyraͤsen tativ⸗Re⸗ gierung zu einem elenden Gaukelspiele herabwuͤrdigen wollte, worin die Mandatarien des Volkes als Rebellen erschienen, so⸗ bald sie nicht knechtisch alles Dasienige bewilligten, was die Mi⸗ nister von ihnen , . Neun Mongte lang muͤhte das Mi⸗ nisterium sich, die Civil⸗ und Gerichts- Verwaltung mit, seinen Plaͤnen ergebenen Maͤnnern zu besetzen; es glaubte sich stark ge⸗ nug, um bei dem Wahlgeschäfte von Seiten aller besoldeten Be⸗ amten eine blinde Mitwirkung zu verlangen; es verkuͤndigte laut, daß Alle, die aus den Fonds, welche die Nation der Regierung anvertraut, salgrirt wurden, nach seinen Vorschriften und, wenn es verlangt wuͤrde, sogar gegen die Nation stimmen mußten. Hier, meine Herren, bezeichne ich Ihnen ein wahrhaftes Verbre⸗ chen. Ich will nicht von dem im Straf-⸗Gesetzbuche enthaltenen Vergehen reden, welches darin besteht, die Buͤrger in der freien Ausuͤbung ihrer politischen Rechte gewaltsam zu stoͤren; ich spre— che von einer systematischen Absicht, die oͤffentliche Sittlichkeit, das kostbarste Gut eines aufgeklaͤrten Volkes, zu verderben; ich spreche von jener Zumuthung, die man einem Buͤrger macht, bei der Annahme eines offentlichen Amtes den Ministern, wer diese auch seyen und was sie auch verfugen mogen, nicht nur Zeit und Arbeit, sondern auch seine persoͤnlichen Ansichten, sein Gewissen und das Gefuͤhl seiner Pflichten zu verkaufen. Dem tiefen Un— willen, den eine so ganz unmoralische Lehre erregen mußte, be— gegnete das Ministerium mit der Erklaͤrung, daß der Familien— Vater, um sich sein Gewissen frei zu erhalten, ja nur auf die Stelle zu verzichten brauche, wodurch er die Subsistenz seiner Kin— der sichert. Wenn man mit dem Dolche in der Hand eine Handlung von mir begehrt, die meinen Grundsaͤtzen zu⸗ widerlaͤuft, so wird, wenn ich nachgebe, meine Schwaͤche getadelt, und wenn ich widerstehe, mein, Heldenmuth he— wundert werden; aber in beiden Fallen wird der allgemeine Abscheu dem Urheber der Gewalt folgen und das Schwerdt des Gesetzes ihn erreichen. Und hier sind es nun vollends die mit der Aufrechthaltung des Gesetzes selbst beguftragten Beamten, welche die Gewaltthaͤtigkeit zu einem Prinzipe, einem Rechte der Regierung, und die Aufopferung des eigenen Gewissens zu einer Beamten⸗Pflicht erheben. Loyale Staatsdiener wurden ih⸗ res Dienstes entlassen; drohende Rundschreiben schuͤchterten die Waͤhler ein, und schon ließ man es im mittaͤglichen Frankreich nicht mehr bei bloßen Drohungen bewenden. Gewissenhafte Buͤr— ger mußten sich dem Dolche der Moͤrder durch die Flucht ent⸗ ziehen, Der Verbannungsruf, Mordversuche und ein offenbar absichtlich errregter Aufstand, dies ist es, was die Behdͤrden von Montauban gesehen, was sie geduldet, entschulbigt, ja beifaͤllig aufgenommen haben; waͤhrend das Ministerium dem Unwesen ruhig zusah und dasselbe der Vergessenheit zu uͤbergeben suchte. Sie, m. H., werden eine solche Nach laͤssigkeit nicht nachahmen. Sie werden vielmehr eine Untersuchung uͤber die Vorgange in Montauban anstellen, um den Urhebern derselben, so wie den Kunstgriffen, die man uͤberhaupt zur Verfaͤlschung der Wahl⸗ Operationen angewandt hat, auf die Spur zu kommen. Eine zweite Untersuchung muß den geheimnißvollen Ursprung der Feuersbruͤnste, die das westliche und nördliche Frankreich verheert haben, und deren Anstifter wunderbarerweise bis jetzt allen Nach— forschungen entschluͤpft sind, zu Tage foͤrdern; es wird sich dar⸗ aus erklaͤren, warum gerade in demselben Augenblicke, wo die ge⸗ richtlichen Verfolgungen den Schleier zu luͤften verfprachen, das Ministerium den Staatsstreich wagte, wodurch jede fernere Oef⸗

fentlichkeit unmöglich gemacht wurde. Ich meinerseits beschraͤnke

mich auf die Bemerkung, daß die Feuersbruͤnste und der Auf— stand in Montauban die einzigen Ereignisse waren, welche die Ruhe Frankreichs stoͤrten. Ungeachtet der allgemeinen Bangig—

keit stieß die Regierung nirgends auf ein Hinderniß, und die Mi

nister, die schon seit dem Monate August 182 an dem Umsturze der Gesetze arbeiteten, fanden noch im Monat Juli 1830 in Allem, was sie im Namen der Gesetze verfuͤgten, den unbedingtesten Gehorsam. Unsere politische Stellung war nicht minder beruhigend. In dem groͤß⸗ ten Theile des Reichs waren die Wahlen genau der Ausdruck der Gesinnung des Volks gewesen. Ich scheue mich nicht zu behaup⸗ ten, daß Niemand fuͤr diese Wahlen haͤtte dankbarer seyn sollen, als, der Fuͤrst selbst, dem man sie als einen Alt der Empbrung schilderte. Gah es fuͤr seinen durch zahlreiche Fehler erschuͤtter⸗ ten Thron noch eine dauerhafte Stuͤtze, so mußte er sie in den Deputirten des Landes suchen. Wir betheuern es, dgs Volk verlangte nach keiner neuen Revolution, nicht weil es sich dazu zu schwach fühlte, sondern aus Liebe zur Ordnung, aus Achtung fur seine Eidschwüre. Die Entfernung eines allgemein verwor—= fenen Ministeriums, Gesetze, die uns fuͤr die Zukunft gegen die Ruͤckkehr der Vergangenhelt bewahrten, dies war es, was wir zu fordern beauftragt waren. Um diesen Zweck zu erreichen, konnten wir uns nur der einzigen Waffe bedienen, welche die Charte uns in die Hande gegeben hat, der Verweigerung des Budgets an Minister, die das Vertrauen der Nation nicht besa—⸗ ßen. Dies war unsere Absicht. Europa hatte seine Augen auf uns gerichtet: und es muß Frankreich die Gerechtigkeit widerfahren lassen, daß keine außergefetzliche Handlung, keine feindliche De— monstration den Stagtsstreich, von dem wir betroffen worden und der den National-Freiheiten oder der Dynastie ein Ende ma— chen mußte, veranlaßt hatte. Der Bericht an den Kö⸗ nig und die Verordnungen vom 25. Juli sind noch bei Jedermann in frischem Andenken. Ich darf nicht unbemerkt

lassen, daß, da die Verordnungen eine Folge des von dem ge⸗ sammten Mlinisterium unterzeichneten Berichtes waren, sie auch, wie zicser, daz Werk des Ministeriums sind und dessen Verant= wortlichkeit solidarisch in Anspruch nehmen. Haben Sie, m. H., als Sie diese Aktenstuͤcke, die jetzt der Geschichte angehdͤren, lasen,

sich nicht mehr als einmal bewogen gefunden, sie aus einem ganz

andern Gesichtspunkte, als demjenigen, ju betrachten der uns in die?

sem Augenblicke beschaͤftigt? Haben Sie sich nicht gefragt, ob

die Rathgeber der Krone wohl irgend etwas ersinnen konnten, das die Person des Fuͤrsten selbst mehr befleckte, als die gedachten Verordnungen? Das Volk hatte jene Königl. Proclamakion noch nicht vergessen, die ihm noch kürzlich die Aufrechthaltung seiner Institutionen und Gerechtsame verheißen hatte; gleichwohl sollte die Freiheit der Presse, diese Huͤterin aller andern, vernichtet und das Wahlgesetz dergestalt verfaͤlscht werden, daß es nur noch das Eigenthum ciner geringen Anzahl von Maͤnnern 5 ware, die ihrerseits wieder desselben nur nach dem Belieben der Regierung haͤtten genießen können. Zu diesem bittern Spotte gesellte sich noch ein anderer; denn welchen andern Namen verdient jen? Behauptung, daß die Freiheit der periodischen Presse in Frankreich die Oeffentlichkeit toͤdte; oder jene Erklaͤrung, daß man die Preßfreiheit und die Wahlrechte vernichte, um in die Bahn der Verfassung zuruͤckzukehren oder jene Aufloͤsung der Deputirten⸗Kammer, noch ehe diefe eine ge⸗

setzliche Existenz hatte, und wodurch man sonach der Krone die

monstrubse Befugniß beilegte, die Volkswahlen zu vernichten? Nein, zu feiner Zeit noch hatte die Regierung mit solcher Kuͤhn= heit der Ungerechtigkeit die Beleidigung hinzugefügt, zu keiner Zeit noch hatte sie sich mit mehr Verachtung uͤber die Rechte eines großen Volkes, so wie uͤber ihre eigenen Eidschwuͤre, hinwegge⸗ setzt. Dem Plane des Ministeriums wurde noch etwas gefehlt haben, wenn es nicht noch bis auf den letzten Augenblick die Hoffnung und das Vertrauen des Volks genaͤhrt hatte. Die Mitglieder beider Kammern wurden daher schriftlich auf den 3. Aug. einberufen, und auf allen Punkten des Landes machten die Deputit— ten Anstalt, zu einer Versammlung abzureisen, deren Aufloͤsung die Minister schon im Voraus beschlossen hatten. Man hat, und nicht ohne Wahrscheinlichkeit, geglaubt, daß jene Einberufung absichtlich ge⸗ schehen sey, um die Deputirten der Oppositions-Partei unter Augen zu haben; daß bereits Proseriptions-Listen angefertigt wa⸗ ren, und daß Verbannung oder Tod die Votanten der Idresse erwartet hatten. Die Untersuchung wird hieruͤber Licht verschaffen. Das Ministerium wußte, daß zur Vollziehung jener Verordnun⸗ gen die Anwendung der Gewalt unumgaͤnglich noͤthig werden wuͤrde; es war daher entschlossen, eine bewaffnete Macht zu entwickeln, die stark genug ware, jeden Widerstand zu besiegen. Schon wird bas Murren, das der Unwille waffenlosen Einwohnern entlockt, durch Angriffe der Gendarmerie bestraft. Bald aber gelangt das Pariser Volk zur Erkenntniß seiner Rechte, wird sich . Kraft bewußt und ruͤstet sich zum Kampfe; bald gt es von der Selbst⸗ vertheidigung zum furchtbarsten Angriffe uͤber. Der Tod wuthet nach allen Seiten hin, und bei jedem Schwunge maͤht feine Sichel einen Franzosen nieder. Zu diesem vorherberechneten Blutbade, dem die Tapferkeit des Volkes einen andern Ausschlag, als den crwarteten, ab, schien es schwer noch ein Verbrechen hinzuzufüigen. Und doch! Ce ige wohlgesinnte Buͤrger glauben, daß, wenn ihre Stimme beim Volke Gehör gefunden, sie auch bei den Ministern Eingang finden werde. Um dem Blutvergießen Einhalt zu thun, versuchen sie es daher, die Stimme der Wahrheit zum Throne gelangen zu las— sen; sie geben die Mittel an, wie das Leben vieler Tausend Fran⸗ zosen gerettet werden koͤnne; sie wenden sich an den Befehlsha⸗— ber der Truppen, und durch ihn an das Ministerium. Aber ihre Rathschlaͤge, ihre Vorstellungen, ihre patriotischen Bitten werden

zuruͤckgewiesen; Tod oder Unterwerfung, dies ist die ein—

zige Wahl, die man dem Volke laͤßt. In Ihrer denkwuͤrdigen Sitzung vom J. August, meine Herren, haben Sie aus dem Munde eines achtbaren Deputirten vernommen, daß die Mi⸗ nister damals die Verxantwortlichkeit für ihre Weigerung allein guf sich nahmen, und daß sie den Monarchen weder von dem Blutvergießen in Paris, noch von den Vorschlaͤgen, die dem—

selben ein Ende machen konnten, unterrichteten. Ein solcher

grausamer und nicht ivieder gut zi machender Verrgth gegen den Fuͤrsten scheint fast unglaublich; doch laͤßt sich derselbe nicht fuͤg⸗ lich in Zweifel ziehen, wenn ingn in dem amtlichen Monitenr⸗ vom 2 sten und 23sten Juli liest, daß der Hof damals eine Meile weit von der blutbefleckten Hauptstadt Audienzen ertheilte und sich mit der Jagd und sonstigen Vergnuͤgungen die Zeit vertrieb.

Indeß wurde Paris durch eine Koͤnigl. Veroördnung in Belage⸗

.

hers'schen. Die Hauptstadt nahm aber die Herausforderung an; Alt und Jung griff zu den Waffen; alle Klaffen von Einwohnern

stellten Streiter, die mit dem glaͤnzendsten Muthe das Gefuͤhl

der Menschlichkeit und Uneigennuͤtzigkeit verbanden. Nach sol⸗ cher Erfahrung sollten wir es fast nicht mehr bedauern, daß das Ministerium für die Stimme der Versoͤhnung taub gewesen ist; die heldenmüthigen Opfer des Kampfes wurden uns verlaͤugnen. Ein vollstaͤndiger Sig war zur , der Freiheit, wie zum tiefen Sturze der Verfechter des Äbsolutismus, nothwenbig= Doch ich sche, meine Herren, daß ich unwillkührlrch von dem Gegenstande meines Vortrages abweiche; ich lenke ihre Aufmerk⸗ samkeit von den schuldigen Besiegten ab, um sie auf die hochher⸗ zigen Sieger zu leiten. Erlauben Sie mir nur noch die Bemer⸗ kung, daß der Ruhm jener denkwuͤrdigen Tage jede schmerzliche

Erinnerung, die sich an dieselben knuͤpft, verdraͤngen muͤsse. Es

rungs⸗-Zustand erklaͤrt; die militairische Macht allein sollte dort

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*. in Frankreich eine Charte, die um so heiliger war, als die KRoͤnigl. Autorität sie aus freiem Willen ertheilt zu haben vorgab. Zwar war dieselbe schn in einigen wesentlichen Punkten verletzt worden; doch bestand sie noch ihrem Hauptinhglte nach und waͤr daher fuͤr den Fuͤrsten, wie fuͤr seine Minister, obligatorisch. Ob diese Letzteren die Absicht hatten, dig Verfassungs Urkunde

aͤnzlich zu vernichten, will ich dahingestellt feyn lassen; eine

ntersuchung allein kann hieruͤber Auskunft geben. Für jetzt beschranke ich mich auf wirkliche Thatsachen:;

Das Ministertum hat in der Thron⸗Rede eine Sprache ge— fuͤhrt, welche die Regierung von der Mitwirkung der beiden andern Staatsgewalten freisprach, und in der Königl. Procla— mation hat es sich nicht gescheüt, einen von der Wahl Kam⸗ mer ausgegangenen vollig verfassungsmaͤßigen Akt als ein Werk der Empbrung darzustellen. ;

Das Minjsterium hat sich bemüht, durch Bestechung, Dro— hungen, Gewaltthaͤtigkeiten und Mord die Wahlen zu beherrschen.

Das Ministerium hat die öffentliche Sittlichkeit dadurch ver— letzt, daß es den Mißbrauch der Gewalt, Seitens der Regierung, und die Verlaͤugnung des Gewissens, Seitens der Buͤrger, zu cinem Grundsatze erhohen hat.

Das, Ministerium hat sich unter dem abgeschmackten Vor— wande, eine noch nicht konstituirte Kammer aufzuldsen, das Recht aumaßen wollen, die von der Franzoͤsischen Nation getroffene Wahl ihrer Depuͤtirten zu vernichten. .

Das Ministerium hat die durch den 8. Artikel der Charte gesetzlich verbuͤrgte Freiheit der Presse durch eine Verordnung vernichten wollest. .

Das Ministerium hat , ,, e., durch eine Verordnung das von der Charte im Allgemeinen verbuͤrgte und durch be= stimmte Gesetze eingefuͤhrte Wahl⸗System umstoßen und dagegen ein System des Betruges einführen wollen, wovon die Berlchuüng des Abstimmungs-Geheimnisses und die Allmacht der Agenten der Verwaltung die Hauptzuͤge ausmachten.

Um diese alle unsre Rechte vernichtenden Maßregeln durch— zuführen, hat das Ministerium die Soldaten gegen die Bürger bewaffnet und die Einen durch die Andern hinwuͤrgen lassen. Aufgefordert, dem Blutvergießen ein Ende zu machen, hat es das⸗ selbe vielmehr fortgesetzt, bis der Muth der Pariser über seine blutduͤrstige Halsstarrigkeit siegte.

Wenn, selbst nach dem Buchstaben der Charte, wie sie bisher bestan den hat, sol che Handlungen nicht das Verbrechen des Hoch— verraths, begründen, so ist die Verantwortlichkeit ein Traum, das Gesetz eine Erdichtung und die Gerechtigkeit ein leeres Wort.

Folgendes ist der Inhalt meiner Proposition:

„Die Deputirten⸗Kammer beschuldigt die Minister, die den Bericht an den König und die Verordnungen vom 25. Juli 1839 unterzeichnet haben, des Hochverraths.“

Die Kammer beschloß (wie bereits gestern erwaͤhnt) fast

einstimmig, diesen Antrag in Erwaͤgung zu ziehen.

Paris, 14. August. Gestern früh praͤsidirte der Koͤnig im Minister-Rathe, der von neun bis zwei Uhr dauerte. Vorher legten die beiden ersten Praͤsidenten des Cassations⸗ und Rechnungshofes, Graf von Portalis und Marquis von Barbé-Marbois, so wie die beiden General⸗Prokuratoren beider Behoͤrden, den Amtseid in die Haͤnde des Koͤnigs ab. Se. Majestäͤt empfingen spaͤter die Gluͤckwuͤnsche mehrerer Generale und Offizier-Corps und eine Deputation der Na— tional-Garde des Departements der Eure und des Loir. Abends um neun Uhr war nochmals Minister-Rath.

Mittags war im Palais Royal Tafel von 70 Couverts; unter den Gaͤsten bemerkte man den Herzog von Bassano, die Generale Maurin und Clausel, den Dichter Casimir De⸗ lavigne u. a. m. .

Fast aus allen Staͤdten des Reiches kommen Deputatio⸗ nen hier an, um dem Könige zu huldigen.

Der heutige Moniteur enthalt acht Koͤnigl. Verord— nungen vom gestrigen Datum und folgenden Inhalts:

J. Das bisherige Staats-Siegel ist abgeschafft; das neue wird aus dem Orleansschen Wappen mit geschlos— sener Krone bestehen, hinter welchem das Scepter, die Hand der Gerechtigkeit und dreifarbige Fahnen kreuzweis angebracht sind; im Abschnitte sollen die Worte: „Ludwig Phi— lipp. I. König der Fran zosen“, angebracht werden

Die kuͤnftigen Namen und Titel der Prinzen und Prinzessinnen des Königl. Hauses werden dahin festgestellt, daß der aͤlteste Sohn, der Herzog von Chartres, den Titel: Herzog von Orkeans, und die Prinzessinnen Toͤchter, so wie die Schwester des Königs, den Titel“ Prinzessinnen von Orleans, annehmen und sich von einander durch ihre Vornamen unterscheiden; die uͤbrigen Prinzen behalten ihre bisherigen Titel. .

Ill. Da laut dem Art, 63 der Charte der Konig die Decoration des Ordens der Ehren-Legion zu bestimmen hat, o wird verordnet, daß dieselbe auch fernerhin auf der einen Seite das Bildniß und den Namen des Koͤnigl. Ahnherrn Heinrich's IV., auf der andern Sette aber in der Mitte die Inschrift: „Ehre und Vaterland“ fuͤhren soll. Die

Sterne der Großkreuze werden dasselbe Bildniß mit derselben

Inschrift und zwischen den fuͤnf Ecken dreifarbige Fahnen

fuͤhren.

IX. Der Titel Monseigneur fuͤr die Mitglieder des Minister⸗Raths wird abgeschafft; diese werden in Zukunft nur Mon sieur le Ministre genannt.

Diese ersten vier Verordnungen sind saͤmmtlich vom Großsiegelbewahrer, Herrn Dupont de Eure, contrasignirt. V. Um der Marine einen Grad zu geben, der dem eines Marschalls bei der Landmacht gleichkommt, werden drei Admira lstellen errichtet und der Admiralsrang wird in jeder Rücksicht dem eines Marschalls von Frankreich gleichge⸗ stellt. Die Admirale sollen gleiche Ehrenbezeugungen ünd Besoldungen mit den Marschällen genießen und nach ihren Patenten unter einander rangiren. In Ausfuͤhrung dieser Verordnung wird: I. Der Vice⸗Admiral Duperré zum Admiral befoͤrdert. Diese beidente Verordnungen sind vom See ⸗Minister, Grafen Sebastiani, contrasignirkt. III.. Der Marschall Soult, Herzog von Dalmatien, und der Admiral Duperré werden zu Pairs ernannt. VIII. Der Professor und Deputirte, Herr Villemain, wird zum Mitgliede des Conseils fuͤr den offentlichen Unter⸗ richt mit dem Auftrage ernannt, in Abwesenheit des Mini—

nisters in diesem Conseil den Vorsitz zu fuͤhren.

Die siebente Verordnung ist von dem Großsiegelbewah⸗ rer, die achte von dem Minister des oͤffentlichen Unterrichts, Herzog von Broglie, gegengezeichnet. Außer diesen enthaͤlt der Moniteur noch fuͤnf andere Verordnungen, welche einige unerhebliche Befoͤrderungen im Justizfache betreffen.

Der. Moniteur berichtigt einen in seinem gestrigen Blatte, im Texte der Minister-Ernennungen, vorgefallenen Irrthum: Graf Sehbastiani sey darin nur ais Minister der Marine aufgefuͤhrt; es muͤsse aber heißen: Minister der Ma— rine und der Kolonieen.

Durch eine Koͤnigl. Verordnung vom 11ten d. sind saͤmmtliche Koͤnigl. Garden aufgeloͤst worden. Die Offiziere haben unbestimmten Urlaub erhalten. Die Unter- Offiziere und Gemeinen, welche fortdienen wollen, koͤnnen sogleich in die Linie eintreten.

Auf den Bericht des Kriegs-Ministers hat der Koͤnig eine Kommission ernannt, um die Anspruͤche und die Lage der von der vorigen Regierung, unter mannigfachen Vor— waͤnden, verabschiedeten und pensionirten Offiziere, von denen viele noch im kraͤftigsten Mannesalter stehen, zu unter suchen. Mitglieder dieser Kommission sind: der General -⸗Lieutenant Graf Decaen als Praͤsident, die General,-Lieutenants Vichery, Saint⸗Cyr⸗-Nugues und Baron Husson, der Oberst Marbot und der Unter-Militair-Intendant Turcas.

Aus Hävre schreibt man unterm 11ten d.: „Die Loot⸗ sen, welche den „Great Britain“ von hier nach Cherbourg gedracht haben, sind heute hierher zuruͤckgekehrt. Als sie mit dem Schiffe auf der Rhede von Cherbourg anlangten, kam Capitain Dumont d'Urville mit mehreren Marine. Ingenieu⸗ ren an Bord, um die fuͤr Karl X. und dessen Familie be⸗ stimmten Zimmer in Bereitschaft setzen zu lassen. Das Koͤnigliche Boot in Cherbourg liegt bereit, Karl X. an Bord des Ame— rikanischen Schiffes zu fuͤhren. Der Marine⸗Praͤfekt hat in einer Proclamation die Einwohner von Cherbourg aufgefor⸗ dert, sich ruhig zu verhalten; auf allen Haͤusern weht dort die dreifarbige Fahne. Das sechste Infanterie Regiment war aus Caen in Cherbourg angekommen.“

Das Journal des Bebats stellt aͤber die (in Num— mer 226. mitgetheilte) Rede des Vicomte von Chateaubriand folgende Betrachtungen an: „Herrn von Chäteaubriand's Rede in der Pairs⸗Kammer hat einstimmige Bewunderung erregt., Alle Parteien schienen sich zu vereinigen, um dem edlen Pair die Huldigung darzubringen, die nur das Genie und die Charakter⸗Größe den politischen Leidenschaften abzu⸗ dringen vermoͤgen. Wir standen Anfangs an, unseren Bei— fall in das Lob zu mischen, das von allen Seiten den edlen Worten Herrn von Chäteaubriand's gezollt wurde. Ach! uns beschäftigte schon im voraus ein schmerzlicher Gedanke! Wie konnten wir sie loben, diese hehren Worte, da wir ganz von der Besergniß durchdrungen waren, er werde zum letz— ten Male gesprochen haben! dieses traurige Gefuͤhl haben so viele Herzen mit uns getheilt, daß wir heute nicht mehr Anstand nehmen, es ausjusprechen. Nicht in Paris allein fragt man sich, ob die letzten Ereignisse einen Namen, der unserer Zukunft so viel Glanz versprach, auf immer aus un⸗ serem oͤffentlichen Leben entfernt haben? Sollte wirklich ein unguͤnstiges Geschick uͤber der politischen Laufbahn des Hrn. von Chateaubriand walten? Sollte wirklich das Leben . der die Freiheit und die Monarchie mit gleicher Waͤrme ver⸗