1830 / 236 p. 2 (Allgemeine Preußische Staats-Zeitung) scan diff

1802

Von den Militair⸗Pensionen von g00 Fr. und daruͤber, à 5 pCt Militair-Pensionen unter 900 Fr. 2 2 pt Militair⸗Penstonen der Witwen und Waisen uͤber 500 Fr. à 2 pCt. .. Civil⸗Pensionen uͤber 500 Fr. à 2 pCt. 25, 000 Fr.

in Summa .... 1,540,000 Fr.

Da diese Einnahme bisher zu den Haupt-Linkuͤnften des Invalidenhauses gehoͤrte, so muß dieselbe natuͤrlich anderwei⸗ tig ersetzt werden, weshalb wir Ihnen im neunten Artikel vorschlagen, vom 1. Januar k. J. ab eine Summe von 17 Millionen Fr. als Dotation des Inpalidenhauses auf das Budget des Kriegs-Ministeriums zu bringen.“ Nach die— ser Einleitung theilte der Kriegs-Minister den Gesetz-Ent— wurf selbst mit, dessen Inhalt sich aus dem Obigen ergiebt. Ihm folgte der Minister des Innern, Behufs einer andern amtlichen Mittheilung auf die Rednerbuͤhne und äußerte sich im Wesentlichen also: „Der Charte zufolge soll ein Gesetz gegeben werden, wonach ein jeder Deputirter, der ein besoldetes Amt annimmt, sich einer neuen Wahl unterwerfen muß. Schon fruͤher hatte die oͤf— fentliche Meinung sich fuͤr dieses Prinzip ausgesprochen, und die in Folge einer gluͤcklichen Revolution vervollstaͤndigte Charte hat sonach nur eine Wahrheit anerkannt, der bereits eine funfzehnjaͤhrige Erfahrung den Stempel der Evidenz auf⸗

gedruͤckt hatte. Um dieselbe endlich ins Leben zu rufen, hat der Koͤnig uns aufgetragen, Ihnen, meine Herren, den bei— kommenden Gesetz-Entwurf vorzulegen. Die Grunde dazu sind so allgemein bekannt, daß es uͤberfluͤssig seyn moͤchte, sie Ihnen aufs Neue darzulegen. Der Vorschlag ist aus der Kam— mer selbst hervorgegangen. Mehrmals zuruͤckgewiesen, wurde er vor 3 Jahren zum erstenmale angenommen, und obgleich er damals in der Pairs⸗Kammer scheiterte, so ließ fich doch voraus⸗ sehen, daß er bei einem abermaligen Versuche den Sieg davon tra— gen wuͤrde. Ein einziger Einwand beunruhigt noch einige Gemuͤ— ther; diese besorgen naͤmlich, daß jene neue Buͤrgschaft den Gang der Verwaltung hemmen moͤchte. Uns scheint aber, daß man bei dieser Frage, wie bei so vielen andern, das Wesen der Repraͤsentativ Regierung verkennt. Die Nothwendigkeit, sich stets den Beifall des Landes zu sichern, die heutiges Tages die Bedingung jener Regierung ist, darf nicht blos als eine Beschrankung, sie muß auch als ein fruchtbarer Quell der Macht, als ein maͤchtiges Mittel zum Handeln betrachtet wer— den. Scheuen wir uns daher nicht, die Bande zwischen der Nation und der Regierung zu vervielfaͤltigen und auf Mit— tel bedacht zu seyn, die Einigkeit zwischen beiden zu ermit— teln. Wir befinden uns gluͤcklicherweise nicht mehr in einer politischen Lage, wo die eine der andern Furcht einfloͤßen konnte, wie solches noch unlaͤngst der Fall war. Die vorige Regierung trug einen Keim der Schwache in sich, der ihr nicht gestattete, die gesetzlichen Bedingungen ihrer Existenz vollstaͤndig einzugehen, noch auch nur sich aller der Huͤlfsmittel zu bedienen, die ihre poli— tische Organisation ihr darbot. Das an ,. die Ver⸗ antwortlichkeit der Minister und die Oeffentlichkeit waren ihr in gleichem Maße zuwider. So wenig sie nun aber einer— seits diese Bedingungen ihrer Existenz ertragen konnte, eben so wenig konnte sie sich auch davon befreien, und diefe Be— dingungen wurden daher fuͤr sie die wahre Ursache ihrer Schwaͤchung. Nach ihr muß man aber die jetzige Regie— rung nicht abmessen. Diese hat nichts zu verbergen, nichts zu beschoͤnigen, und da sie, ihrem Wesen nach, volksthuͤmlich ist, so wird sie sich auch vor dem Volke nicht scheuen. Im Gegentheile wird sie da Kraft schoͤpfen, wo die vorige Re⸗ gierung nur Schwaͤche fand. Der Gesetz⸗Entwurf, den wir Ihnen vorlegen, stiftet noch ein Band mehr zwischen der Vegierung und der Nation. Er vervielfaͤltigt die einzelnen Wahlen ünd leitet gleichsam eine fortwaͤhrende Untersuchung uͤber die Gesinnungen des Landes in Bezug auf die Verwal— tung ein. Wir haben daher auch nicht Anstand genommen, das Prinzip der Wieder-Erwaͤhlung der zu öffentlichen Aemtern befoͤrderten Deputirten in feinem ganzen Umfange anzuerken⸗ nen. Bisher hatte man dasselbe immer beschränken und na— mentlich die Minister, so wie den Richterstand, davon aus— nehmen wollen. Hiervon ist in dem Entwurfe keine Rede; dagegen haben wir darin aus leicht begreiflichen Grunden eine Ausnahme zu Gunsten der Militalrs gemacht. Diese sollen bei ihrem Avancement bis zum Sberst, Lieutenant ein— schließlich der Wieder-Erwaͤhlung uͤberhoben seyn. Was nun die Anwendung der im Allgemeinen festgestellten Regel be⸗ trifft, so bestimmt der Gesetz⸗Entwurf, daß die im Staats Dienste angestellten Deputirten, wie sich von selbst versteht,

1,000,000 Fr. 500,000 Fr. 15,000 Fr.

wieder gewaͤhlt werden koͤnnen, daß sie aber so lange Mit— glieder der Kammer bleiben, bis die neue Wahl beendigt ist. Diese letztere Bestimmung war nothwendig, um zu verhin⸗ dern, daß dieser oder jener Wahl-Bezirk eine Zeitlang in der Kammer gar nicht repraͤsentirt werde. Der letzte Artikel giebt dem Gesetz- Entwurfe eine ruͤckwir— kende Kraft, indem derselbe schon auf die jetzige Kammer Anwendung finden soll, die daburch dem von' iht aufgesteli— ten Prinzipe zuerst ihre Huldigung darbringt. Nie war vielleicht eine solche Anwendung polltisch nothwendiger, als bei dem Entstehen einer Regierung, deren zahlreiche neue Mitglieder ihre Kraft hauptsächlich aus dem Beistande der offentlichen Meinung schoͤpfen muͤfsfen. Aus diesem Gesichts⸗ punkte betrachtet, scheint uns auch der Gesetz-Entwurf, der zu allen Zeiten gut und nuͤtzlich gewesen seyn wuͤrde, unter den gegenwartigen Umstaͤnden noch einen besondern Grad von Wichtigkeit zu haben.“ Nachdem der Minister hierauf den Entwurf selbst vorgetragen hatte, legte er der Kammer noch einen zweiten vor, wodurch das Ministerium auf das Budget von 1830 einen außerordentlichen Zuschuß von 5 Millionen zur Deckung der dringendsten Ausgaben verlangt. Er stellte der Versammlung vor, wie in Folge der letzten Ereignisse mehrere oͤffentliche Bauten unterbrochen, mehrere Werkstaͤtten geschlossen, und dadurch viele Arbeiter augenblick— lich brodtlos geworden seyen; wie man darauf bedacht seyn muͤsse, diesen Leuten auf alle mogliche Weise zu Huͤlfe zu kommen, und wie sich diese Absicht zum Theil dadurch moͤchte erreichen lassen, daß man oͤffentliche Bauten von anerkanntem Nutzen, zu deren Betreibung es aber an den benoͤthigten Fonds fehle, durch Bewilligung von Zuschuͤssen beschleunige. Der Mini— ster machte zu diesem Behufe den Vorschlag (außer den be— reits gestern aufgefuͤhrten Summen) der Stadt ein Darlehn von 2 Millionen zu machen, um verschiedene in den Tagen des 27). 29. Juli beschaͤdigte Gebaͤude wiederherzustellen, auch einige Straßen zu erweitern. Im Ganzen verlangte er, wie oben erwaͤhnt, 5 Millionen, oder eigentlich nur 3 Millionen, da das der Stadt Paris zu machende Darlehn innerhalb 4 Jahren zuruͤckgezahlt werden soll, und bemerkte, daß der König bei der

und in der Ueherzeugung, daß die Kammer den ver—

langten Kredit nicht verweigern werde, jene Summe bereits vorlaufig durch eine Verordnung bewilligt habe.

Nachdem der Minister den Entwurf selbst vorgelesen hatte, bestieg Herr Jars die Rednerbuͤhne, um den Tommissions— Bericht über die Proposition des Hrn. B. Delessert, des In— halts: daß man den in den Tagen des 26. 29. Juli Verwun— deten, so wie den Witwen und Waisen der Gefallenen, Pen—

sionen und sonstige Belohnungen zuerkenne (f. Nr. 330 der

St.Zeit,), abzustatten. Er trug im Namen der Commission auf die Annahme dieses Antrages mit einigen unwesentlichen Aenderungen in dem betreffenden Gesetz⸗Entwurfe an. Die Kammer beschloß, sich mit diesem Gegenstande erst nach der Erledigung der Eingangs erwaͤhnten Proposition des Herrn Mercier zu Hbeschaͤftigen. Herr v. Tracy entwickelte hierauf

eine Proposition folgenden Inhalts: „Ich habe die Ehre

der Kammer den Vorschlag zu machen, daß sie durch ein Gesetz die Toderstrafe in Frankreich abschaffe.“ Herr von Montigny sprach sich gegen diesen Antrag aus nnd verlangte, daß man denselben mindestens noch aussetze, da

ohne Zweifel nur wenige Mitglieder der Kammer vorbereitet

genug waren, um uͤber einen Gegenstand von so hoher Wichtigkeit zu berathschlagen. Der General Lafayette sprach die entgegengesetzte Meinung aus. „Ich gestehe Ihnen, meine Herren“, aͤußerte er unter Anderm, „daß ich seit unsern politischen Stuͤrmen eine unuͤberwindliche Abneigung gegen die Todesstrafe empfinde. Uebrigens ist die Abschaffung dieser Strafe zu allen Zeiten von den achtbar— sten Publicisten verlangt worden. Es scheint mir dieser letz⸗ ten Revolution wuͤrdig, ihre ersten Tage durch den großen Akt der Menschlichkeit zu bezeichnen, den mein ehrenwerther Freund von Ihnen verlangt. Ich stimme dafuͤr, daß sein Antrag in Erwaͤgung gezogen werde.“ Nachdem noch der Baron Lepelletier d Aulnay sich in dem Sinne des Hrn. v. Montigny ausgesprochen hatte, Herr v. Tracy aber zur Behauptung seiner Proposition aufgetreten war, entschied die Versammlung, nach dem Antrage des Herrn v. Lafayette, daß die gedachte Proposition in Betracht gezogen werden solle. Dem Herrn v. Tracy folgte Hr. v. la Pin sonnidre zur

Entwickelung eines andern Vorschlages auf der Rednerbuͤhne.

Derselbe gab seine Verwunderung daruͤber zu erkennen, daß gewisse Baͤnke der Versammlung bestaäͤndig leer waͤren, un— geachtet die Deputirten, die dieselben gewöhnlich einzunehmen pflegten, weder ihre Abdankung eingereicht, noch auch dem neuen Koͤnige den Eid der Treue geleistet hatten. Um die—

Dringlichkeit der Umstaͤnde

1803

sem Zustande der Dinge, wodurch eine große Anzahl von Be— zirken sich ohne Repraͤsentanten in der Kammmer faͤhen, ein Ende zu machen, schlug der Redner folgenden Gesetz-Entwurf vor: „Alle diejenigen Deputirten, die nicht innerhalb 14 Ta— gen nach der Bekanntmachung des gegenwartigen Gesetzes den Eid geleistet oder ihren Abschied genommen haben, wer— den als aus der Kammer ausgeschieden betrachtet, mit Aus— nahme derjenigen Faͤlle, wo eine rechtmaͤßige Verhinderung ge⸗ hoͤrig nachgewiesen werden kann.“ Der Vicomte von Mar. tignac ließ sich uͤber diesen Antrag in folgender Weise ver— nehmen; „Meine Herren, ich erkenne ganz leicht die Gruͤnde, welche die Ihnen so eben vorgelegte Proposition veranlaßt haben; nichtsdestoweniger hoffe ich, daß es nicht noͤthig seyn wird, zu diesem Aeußersten zu greifen, und will zu dem Ende der Kammer einige Bemerkungen vortragen, fur die ich um Ihr geneigtes Gehoͤr bitte. Unter den ernsten Umstaͤnden, in denen wir uns befinden, ist es wichtig, daß alle Interessen in dieser Kammer vertreten werden, daß jeder Theil unseres Gebietes ein Organ fuͤr seine Wuͤnsche, seine Beduͤrfnisse und seine Beschwerden habe. Diese Ruͤcksicht ist in meinen Augen so wichtig, daß sie von Allen gefühlt werden muß, und eben aus diesem Grunde betrachte ich die Ihnen vorgeschla— gene Maßregel als unnuͤtz. Ein einziges Hinderniß haͤlt noch einige Mitglieder dieser Kammer in ihren Wohnsitzen zuruͤck, und zur Ehre des menschlichen Geschlechts darf man sich nicht wundern, auf dasselbe zu stoßen. Die fes Hinderniß ist die Nothwendigkeit, einen Eid zu leisten. In diesem Zwange, das, was man vertheidigt hat, aufzugeben und den Eid der Treue gegen einen Koͤnig, eine Dynastie, auf einen andern Koͤnig und eine andere Dhnastie uͤberzutragen, liegt etwas das Gewissen Verletzendes, und dieser moralische Wi— derstand kann nur der Stimme einer noch hoͤheren Pflicht weichen. Diese Pflicht muß reiflich erwogen werden. Ist fuͤr uns Deputirte Frankreichs eine solche Pflicht vorhanden? Das muͤssen wir zunäͤchst untersuchen. Ich nehme keinen Anstand, die Resultate dieser Untersuchung Ihnen vorzulegen, denn mei— ner Ueberzeugung nach darf auf dieser Rednerbuͤhne jede wahre Gesinnung, jede rechtlich gemeinte Ansicht ausgespro⸗ chen werden, wenn es mit Offenheit und Wuͤrde geschieht. Meine politischen Freunde und ich haben aus Anhaͤnglich keit gegen das gesunkene Haus Alles, was unser Gewissen uns vorschrieb, gethan, um es vor dem neuen Ungluͤck zu bewah⸗ ren, von dem es nunmehr betroffen worden ist. Wir kann— ten laͤngst die Wuͤnsche, Beduͤrfnisse und Krafte Frankreichs und haben uns nicht vorzuwerfen, dieselben jemals verhehlt zu haben. Meine Herren, in einer Denkschrift, die im Ok— tober 1828 von dem Ministerium, zu dem ich gehoͤrte, vor— gelegt wurde, und woraus ich, ohne hoͤhere Ruͤcksichten zu verletzen, eine Stelle citiren zu koͤnnen glaube, sagten wir dem Koͤnige, nachdem wir ihm den wahren Stand der Dinge auseinander gesetzt: „Kein anderes Mittel fuͤr die Sicher— heit, keine Maßregel anderer Art kann uns in den Gedanken kommen, denn unsere Institutionen lassen kein anderes zu, und jenseits dieser duͤrfen wir nichts suchen. Die Weisheit zweier Koͤnige hat dem Lande große Zugestaäͤndnisse gemacht; Frankreich hat sie mit Freuden angenommen. Bei der ge⸗ genwaͤrtigen Stimmung der Gemuͤther und bei der Richtung, wezu jene Zugestandnisse selbst beigetragen haben, ihnen zu geben, hieße es, das Koͤnigthum selbst aufs neue in Ge— fahr bringen, wenn man daran denken wollte, sie zuruͤckzu⸗ nehmen, zu suspendiren, zu modifiziren, und gewiß Nie— mand wird in Frankreich den unheilbringenden Muth haben, dem Koͤnige 6 einem solchen Schritte zu rathen. (Eine Menge von Stimmen: Sehr gut! so mußten Minister spre— chen!) Diesen un heilbringenden Mußth haben Andere ge— habt, und ihr thoͤrichter Duͤnkel, ihre unbegreifliche Unwissen⸗ heit über den Zustand des Landes haben zur Folge gehabt, daß ein Thron, der seit acht Jahrhunderten stand, in zwei Tagen zertruͤmmert wurde. Richt ohne tiefen Schmerz ha— ben wir diesen Fall gesehen. Unser Bedauern und unsere Ehrfurcht, wie man sie erhabenem Mißgeschick schuldig ist, folgt den ungluͤcklichen Fuͤrsten, denen, um ihre hohe Be⸗— stimmung gut zu erfuͤllen, nichts mangelte, als Mißtrauen gegen falsche Freunde zu hegen und das Land, zu dessen Herrschern sie berufen waren, so wie die Zeit, in der wir leben, richtiger aufzufassen. Wir haͤtten gewünscht, es wäre moglich gewesen, in diesem großen Schiffbruche am Prinzipe der Legitimität festzuhalten, an diesem erhaltenden Prinzipe, das noch vor Kurzem von der Kammer felbst als noch heil⸗ samer fuͤr die Volker, als fuͤr die Könige bezeichnet wurde— Es ist anders gekommen: Die Gewalt der Dinge, die Macht der Ereignisse, der Einfluß der Umstaͤnde hat es nicht erlaubt. Von allen Uebeln der Anarchie bedroht, dem Gesetze der Nothwendigkeit weichend und von ihr ein Mandat anneh⸗

mend, das Niemand entziehen konnte, haben Sie den Thron von Frankreich fuͤr erledigt erklaͤrt, die Charte modificirt, Pairs⸗Ernennungen annullirt, eine Declaration der Rechte des Landes abgefaßt und einen Konig und eine Dynafrie pro— klamirt. Meine Freunde und ich blieben diesen Handlungen fremd und kamen erst nach vollendetem Werke. In dieser Lage entstand die ernste Frage, ob wir unsere Posten verlassen oder uns dem verlangten Eide unterwerfen sollten. Bis dahin waren wir einig unter uns gewesen, bei der Beantwortung dieser Frage trennten sich unsere Meinungen. Ich selbst, ich ge⸗ stehe es, gerieth in Zweifel, als ich meisten edlen hochherzi⸗ gen Freund Herrn Hyde de Neuville eine der meinigen ent⸗ gegengesetzte Meinung annehmen sah. Ich mußte meine tiefste Ueberzeugung zusammen nehmen, um mich von diesem Beispiele nicht hinreißen zu lassen; aber diese Ueberzeugung ist in mir und brachte die Stimme meines Herzens da zum Schweigen, wo die Stimme meines Gewissens anders sprach. (Lebhafter Beifall.) Nichts ist einfacher und leichter, als sich zuruͤckzuziehen; man gewinnt Frieden fuͤr das Herz und Ruhe fuͤr den Geist. Auch das ist nicht zu uͤbersehen, daß keine Gefahr damit verbunden ist, denn die Organe der herrschen— den Meinung sind verschwenderisch mit Lobspruͤchen auf die⸗ jenigen, welche aus der Kammer scheiden, und stellen sie, nicht ohne Geschick, als Muster fuͤr diejenigen auf, die sich in aͤhn⸗ licher Lage befinden. Ist dies aber ein richtiger Begriff von Ehre und Pflicht? Ich glaube es nicht, das muß ich offen ge— stehen. Als Deputirte haben wir unser Mandat nicht vom Koͤnigthum, sondern vom Lande. Dieses Mandat ist uns un⸗ ter andern Umstaͤnden und fuͤr einen gesetzlicheren, regelmaͤßi⸗ geren Stand der Dinge gegeben worden; sollen wir es aber niederlegen, weil die Umstände ernster, drohender, schwie⸗ riger geworden sind? Der Boden unseres Landes ist noch von dem gewaltigen Stoße erschüttert, der den Thron umgestuͤrzt hat. Sollen wir diejenigen verlassen, die bemuͤht sind, ihn wieder aufzurichten und zu befestigen, und dadurch vielleicht der Ge—

sellschaft neue Erschuͤtterungen bereiten? Sollen wir, die

wir die Ueberzeugung hegen, daß unsere Prinzipien die be⸗— sten sind, und wir muͤssen es seyn, denn sonst wuͤrden wir uns nicht zu ihnen bekennen, darauf verzichten, sie auszuspre—

chen, waͤhrend wir den ausdruͤcklichen Auftrag dazu haben? Gesetze, auf denen unsere ganze Zukunft beruht, sollen dieser Kammer vorgelegt werden, in der wir ein Recht haben, eine Meinung und eine Stimme abzugeben. Sollen wir in diesem entscheidenden Augenblicke den Landestheil, der uns ernannt hat, die Meinung, die wir repraͤsentiren, und alle uns anvertrauten Interessen ohne Organ lassen?

Wenn Ungluͤck, das wir haͤtten verhuͤten koͤnnen, die Folge dieses unbesonnenen Entschlusses ware, wuͤrden wir dann

nicht in unseren eigenen, wie in den Augen unferer Mitbuͤr—

ger, dafuͤr verantwortlich seyn? Wenn die Waͤhler, von de—

nen wir unser Mandat haben, unserem Beispiele folgen woll⸗

ten, koͤnnten wir die Folgen einer solchen Unklugheit berech⸗

nen? Fuͤr mich, meine Herren, ist hier kein Zweifel mehr

vorhanden; die Pflicht erscheint mir hier klar wie die Sonne.

Wir befinden uns in einem Augenblick der Aufregung und des Vorurtheils. Ich werde, so lange ich Kraft habe, ge—

gen die Gefahren der Uebereilung ankämpfen, ich werde Zeit

verlangen, auf Ueberlegung dringen; Alles, was mir ge⸗

gefaͤhrlich erscheint, werde ich bekämpfen. Wird nian im

Namen der Freiheit eine Sprache fuͤhren, die ich wohl ver⸗

stehen werde, so werde ich im Namen der Ordnung sprechen

und von Jedermann verstanden werden. Ich werde den Theo—⸗

rieen die Erfahrung, dem Interesse der Parteien das In⸗

teresse des Landes gegenuͤber stellen. Ich werde die Vollzie⸗ hung der Gesetze verlangen, wenn ich sie verletzt zu sehen glaube. Wenn wir in unsern Straßen, auf unsern Plaͤtzen, gemeine Bilder ausgehaͤngt sehen, auf denen ein erhabenes Mißgeschick dem Spotte Preis gegeben ist, so werde ich die= oͤffentliche Schaam anrufen, die in Frankreich auch Gefetzes—

kraft hat, ich werde sagen, daß es schimpflich ist, das unglüͤck—

liche Alter nnd die gesunkene Macht zu beleidigen, und bin uͤberzeugt, daß Niemand mich verlaͤugnen wird. (Mehrere Stimmen: Man weiß, von wem mehrere dieser Karrikatu—⸗ ren bestellt worden sind. Das ist, nach meiner Ansicht, unsere Pflicht und ist auch der Ehre gemaͤß. Es handelt sich nicht um persoͤnliches Interesse, nicht um Befriedigung des Ehrgeizes. Nicht fuͤr uns, deren Bestimmung es ist, gegen die Bewegung, die uns fortreißt, zu kämpfen, sind Belohnün— gen aufbewahrt. Ein muͤhevolles, schwieriges, von den Maͤch— tigen im voraus verurtheiltes Unternehmen ist unser Theil. Es ist aber einer nutzlosen Unthaͤtigkeit vorzuziehen, so ehrenwerth auch die Beweggruͤnde zur letzteren seyn mogen. Dies sind die Ruͤcksichten, die uns bestimmt haben; es war Zeit, daß sie klar ausgesprochen wurden.