2112
aufmerksam, und maaß dieselbe den Volks-Vereinen, und namentlich der Gesellschaft der Volksfreunde bei, die ganz offenkundig gegen die Regierung auftrete und Grundsaͤtze verkuͤndige, die zuletzt die oͤffentliche Ruhe und Ordnung nothwendig untergraben muͤßten. Der Redner forderte da—
her die Regierung auf, gegen jene Gesellschaften mit aller
Strenge zu verfahren. Nach einer Erwiederung des Herrn v. Tracy, welcher die Verwaltung ziemlich heftig angriff, bestieg der Minister des Innern die Rednerbuͤhne. Sofort trat die tiefste Stille ein. „Meine Herren!“ begann derselbe, „das Schweigen, womit Sie die Worte des ersten Redners aufgenommen haben, die Schnell ig— keit, womit mein ehrenwerther Vorgaͤnger auf dieser Red— nerbuͤhne sich beeilt hat, darauf zu antworten, beweist, wie es mir scheint, wie zeitgemäß und wichtig die in Anregung ge— brachte Frage ist; sie beschaͤftigt alle Gemuͤther und bewegt ganz Frankreich. Sie mußte daher auch in dieser Versamm⸗ lung zur Sprache kommen. Fast moͤchte ich glauben, daß in den durch die Volks-Versammlungen erregten Besorgnissen ei— nige Uebertreibung herrsche; dieselben scheinen mir bis jetzt we— der ein großes Uebel verursacht, noch eine bedeutende Macht entwickelt zu haben. Ich glaube, der Schrecken, den sie ein— floͤßen, wird durch die Erinnerung an die Vergangenheit ver— groͤßert. Inzwischen ist wirklich eine Aufregung vorhanden, und die Besorgnisse sind eine Thatsache. Das ganze Publi— kum beschäftigt sich mit dieser Angelegenheit, und dieses Vor— handenseyn der allgemeinen Aufregung, mit allen Sympto— men, welche eine solche offenbaren, ist schon an fuͤr sich ein großes Uebel, welchem bald Abhuͤlfe gewährt werden muß. Sie sehen, daß man uͤberall die Kapitalien zutuͤckzieht, daß der Gewerbfleiß sich in seinen Unternehmungen beschraͤnkt und daß in den arbeitenden Klassen, die den Kern der Gesellschaft ausmachen, Unruhe herrscht. Ich weiß, daß die Besorgnisse, welche diese Gesellschaften erregen, etwas uͤbertrieben sind, an— dererseits haben dieselben aber einen guten Grund. Der große Uebel— stand der Volks⸗Vereine ist, daß sie den revolutionagiren Zustand mit jedem Tage hoher hinaufschrauben und die Gemuͤther er— hitzen. Wir haben eine Revolution vollbracht, dabei aber keinesweges die Absicht gehabt, Frankreich in einen fort— dauernden revolutionairen Zustand zu versetzen. Die hervor— stechendsten Zuͤge eines revoluttonairen Zustandes sind aber folgende: Alle Angelegenheiten werden in Frage gestellt, un⸗ bestimmte Forderungen werden in Antrag gebracht; bei jeder Gelegenheit fordert man zur Gewaltthaͤtigkeit auf. Dies ist der wahre Charakter des revolutionairen Zustandes, und ein solcher herrscht in den Volks-Vereinen und in dem Einflusse, den sie zu gewinnen streben. Ich habe gesagt, alle Angele— genheiten werden in Frage gestellt; es handelt sich nämlich in diesen Vereinen nicht um bloße philosophische Theorieen; nicht diese oder jene philosophische Wahrheit wird darin erörtert, sondern von der Wirklichkeit ist in denselben die Rede; die Grundlagen der buͤrgerlichen Gesellschaft, die Revolution, der Staat, die Vertheilung des Vermoͤgens und des Eigenthums, — Fragen dieser Art werden dort taglich verhandelt. Diese Gährung verbreitet sich auch außerhalb dieser Vereine und beunruhigt alle Gemüther. Eben so wenig handelt es sich dabei um fn eine Reform, die man durchsetzen, um ir— gend ein Ziel, das man erreichen will; es handelt sich nicht um eine bestimmte politische Arbeit, sondern um endlose Forde— rungen, uͤber welche man selbst nicht im Reinen ist; auch ist Ehr⸗ geiz im Spiele, der sich aber seines Zweckes nicht bewußt ist. Mit einem Worte, es ist ein fortdaüernder Zustand der Gährüng, keineswegs aber der Plan einer wirklichen politi—
Reform. Was ferner den revolutionairen Zustand der
Vereine charakterisirt, ist der von ihnen ausgehende immermährende Aufruf zur Gewalt, und die Drohungen, die man ungufhötlich gegen alle Existenzen und Ideen richtet. Dieß ist der Grund, Charakter solcher Vereine; sie sind ein wahrer Tummelplatz fuͤr alle Leidenschaften. Man verlangt keine Verbesserungen, sondern bloße Veranderungen. wil die nothwendigen Folgen der letzten Revolution ins Werk gerichtet sehen. Nun wohl, meine Herren, Niemanden kann mehr als uns das Fortschreiten der huͤrgerlichen Gesellschaft am Herzen liegen, aber Unordnung ist kein Fortschreiten, und ein revolutionairer Zustand ist nicht der Weg zum Bessern. Die von den Volks-Vereinen ausgehende Gaͤhrung entspricht nicht den Wuͤnschen Frankreichs, welches keinesweges in dem Zu⸗ stande einer fortdauernden Revolution verharren will. Funfzehn Jahre lang hat Frankreich gegen die Gewalt-Herrschaft ge— kaͤmpft, ehe es sich zur Revolution entschloß; in der Zwischen⸗ zeit fanden einzelne klei ie Verschwoͤrun gen und Meutereien, aber keine wirklich revolutiongiren Un crn:hmungen von Sei— ten der Nation statt. Erst als die Neglerung Unsere ganze gesellschaftliche Ordnung und unsere ganze Zukunft gefaͤhr—
Man will
das Vertrauen des Landes eben so gut verdienen, wie diejenigen, welche, ich wage es zu sagen, sich auf eins so seichtsinnige Weise zu Anwalten der Nation aufwerfen. Nach der letzten Revolution hat man Reformen in der Gesetzgebung verlangt; sie siird bewerkstelligt worden; man nenne uns einen einzigen Fall, in welchem dies nicht geschehen wäre, wir werden stets zur Antibort bereit sehn. Das Ministerium wird scki Bren, wu see At schten mmer ffn, ha, legen, und Frankreich wird dann zwischen uns, die wir die Revolution zu schließen streben, und denen, die gern eine
neue zu Stande bringen möchten, richten. Wir haben zümn
Volke gesagt: „Ihr wollt Ruhe, wir werden sie Euch geben“ tind wir haben sie ihm gegeben. Was man guch sagen mag, ich wiederhole es, wir haben uns um Frankreich wohl ver— dient gemacht. Man sagt uns, die Freiheit sey bedroht; ein Redner hat sogar keinen Aufruf an die Hauptstädt
9 Einen Auszug aus den Reden dieser drei Deputirten be⸗ halten wir uns auf morgen vor. 31
. ö 2 n ö. . . ; ö . k
2113
erichtet. Wohlan, man beftage die Hauptstadt. Was ver—⸗ angen die Handwerker? Sie wollen arbeiten und von ihrer Arbeit leben; wie koͤnnen aber die Meister Gesellen in Ar— beit nehmen, wenn man das Land und die gewerbtreibende Klasse fortwaͤhrend in Unruhe und Besorgniß erhaͤlt, und sich mit allen nur möglichen Theorieen beschaͤftigt, die der mensch—⸗ liche Geist erfinden kann. Man lasse die Hauptstadt ent— scheiden, und sie wird antworten, daß man verhindert wird, in einen Laden zu gehen und etwas zu kaufen, wenn man Unruhestifter und Volksaufreizer auf den Straßen umherzie— hen sieht. Was die ärgerlichen Volks-Vereine betrifft, so hat die Regierung sich in Bezug auf diefelben klug benommen; kei— nesweges darf man derselben Schwäche verwerfen. Die Ge— richte sind gegenwartig mit Thatsachen beschaͤftigt, die bereits durch eine Entscheidung fuͤr Vergehen erklaͤrt worden sind, und sie werden ein Urtheil daruͤber fallen. Wir koͤnnen uns daher uͤber diese im Namen des Landes gegen uns erhobene An— klage beruhigen. Es giebt in Frankreich 32 Millionen Men— schen, welche nicht eine immerwährende Aufregung, sondern Ruhe und Frieden und eine kraͤftige Regierung wuͤnschen.
Man hat von einem. Gesetze gesprochen, wodurch das Beste⸗ ᷣ Leb Verordnungen vom 25. Juli keine Abgaben zu bezahlen.“
hen dieser Vereine genehmigt werden soll; ich behalte mir vor, dasselbe seiner Zeit zu beleuchten. Wie kann man an
ein solches Gesetz denken, waͤhrend uns noch ein Municipal-
Gesetz mangelt, welches den unter unseren Fuͤßen schwanken— den Boden befestigen soll. Bei diesem noch ungeordneten Zustande spricht man von einer Maaßregel, deren Tendenz eine voͤllig desorganisirende sein wuͤrde! Vergessen Sie nicht, m. H., daß das, was zum Zerstoͤren gut ist, zum Aufbauen und Befestigen nichts taugt.“
Nach dieser Rede trat eine Pause von mehreren Minu— ten ein, wahrend welcher die Deputirten ihre Sitze verließen, verschiedene Gruppen bildeten, und sich unter einander sehr lebhaft unterhielten. fortgesetzt und damit bis zum Schlusse der Sitzung fortge— fahren.
Paris, 26. Sept. Gestern fuͤhrte der Koͤnig in einem dreistundigen Minister-Rathe den Vorsitz. Saͤmmtliche Mi— nister waren zugegen. ]
Der Moniteur enthaͤlt eine Koͤnigl. Verordnung, wo— durch das Corps der hiesigen Stadt-Adjutanten aufgelost wird.
In verschiedenen Zweigen des Finanz-Ministeriums und
namentlich bei der Muͤnz⸗, Lotterie; und Zoll-Verwaltung,
so wie bei den General⸗Dirertionen der indirekten Steuern und der Post, haben mehrere Ernennungen statt gefunden.
Dem Vernehmen nach wird Hr. Berenger, Berichter⸗
statter der Anklage⸗Kommission der eputirten⸗Kammer, statt
des Hrn. Clausel de Coussergues, der die zur Leistung des
neuen Eides gestellte Frist unbenutzt hat verstreichen lassen, zum Rathe am Kassationshofe ernannt werden.
Die General⸗Majore Gueheneue und Danlion werden, wie es heißt, Kommandos bei der Expeditions-Armee in Afri— ka erhalten. Die General, Majore Graf v. Bouills und Vi— comte v. Berthier sind auf Reform-⸗Gehalt gesetzt worden.
Der erst vor Kurzem aus Algier zuruͤckgekehrte Mar— quis von Bethizy, Pair von Frankreich, ist gestern im 21 sten Jahre seines Alters hier mit Tode abgegangen.
Der Fuͤrst Talleyrand ist am verwichenen Donner stage in Calais angekommen, konnte sich aber, da die See sehr un⸗ ruhig wat, icht einschiffen; zwei Packetboote, welche unter Segel gegangen waren, mußten in den Häfen zuruͤckkehren.
Im heutigen Montteur liest man; „Obgleich von meh— reren Blättern foͤrmlich Luͤgen gestraft, wiederholt das Josr— nal la Revolution: der Herzog von Orleans habe der Ge—
sellschaft der Volksfreunde am Mittwoch durch eine Person
seines Hofstaates anzeigen lassen, daß nur ein Zufall ihn ver— hindert habe, sich einzufinden, und daß er einer der naͤchsten Sitzungen beizuwohnen wuͤnsche. Wenn diese Angabe nich gänzlich eine Erfindung des Zeitungs⸗-Schreibers ist, so muß man annehmen, daß die in diesen Sitzungen herrschende Unord⸗ nung nicht gestattet, sich naher von dem Charakter derjenigen Personen zu überzeugen, die mit solchen Auftragen in jenen Mane er fc nn en,,
Der Messager des Chambres meldet; „Gestern Abend bildeten sich, während die Gesellschaft der Volksf in ihrem gewoͤhnlichen Sitzungs-Lokale in der Straße Mont⸗ martre versammelt war, vor der aͤußeren Thuͤr einige nicht sehr zahlreiche Gruppen, aus deren Mitte sich Gezisch und der Kuf:; Nieder mit den Klubs! vernehmen ließ. Bald hatte sich eine Menge Neugieriger auf . zusam⸗ mengedrängt, so daß die Straße gesperrt war. Die Natio— nal⸗Garde erschien jedoch bald, zerstteute die Gruppen, stellte die Straßen ⸗ Communication wieder her und beschwichtigte
—
Demnaͤchst wurde der Petitions⸗-Bericht . woͤhnlichen Wege heute ausgeblieben.)
Volksfreunde
nung in der Nachbarschaft verursacht hatte. * Gestern und vorgestern sind fünfzig Personen, angeb— lich Handwerks⸗Gesellen, welche in der Mit von tumultua⸗ rischen Versammlungen an den Barrieren von Neuilly und du Trone das Wort fuͤhrten, verhaftet worden. ; Der Temps glaubt, in dem Berichte der Anklage-⸗Keom— mission eine irrige Zahl-Angabe zu finden. Der Berichterstat⸗ ter habe naͤmlich gesagt, daß 45 Verhaftsbefehle am 27. Juli erlassen worden, und daß dieselben auch noch gegen andere Personen gerichtet gewesen seyen, als wider die Zeitungs—⸗
dadurch die Besorgniß, welche dieser Anschein von Unord—
schreiber, welche die Protestation gegen das Preß⸗-Gesetz un⸗
terzaichnet hätten, weil diese nur 38 an der Zahl gewesen waͤren. Diese Angabe sey ungenau; die vom National be—
kannt gemachte Liste der Unterzeichner jener Protestation
enthalte 44 Namen, und sie sey die einzig richtige, weil sie nach dem Original abgedruckt worden. Der A5ste Verhafts⸗
befehl sey wahrscheinlich gegen C. Dunoyer, den ehemaligen Redacteur des Censeur, gerichtet gewesen, der an demselben Tage einen Brief bekannt gemacht habe, worin er erklaͤrte,
er verpflichte sich bei seinem Leben, bis zur Zuruͤcknahme der
Die Gazette de France bemerkt: „Waͤhrend die vor— waͤrts schreitende Bewegung von Paris in ihrer Schnellig— keit die Regierung mit sich fortreißt, erfahren wir, daß sich in Lyon die oͤffentliche Meinung nachdruͤcklich gegen diese Bewegung ausspricht. In diesem Sinne abgefaßte Bitt— schriften werden mit Unterschriften bedeckt, und Alles beweist, daß die Entwickelung des Prinzips der letzten Revolution in den Provinzen mit ernstlicher Besorgniß betrachtet wird.“
Horaz Vernet hat um Entbindung von seinem jetzigen
Amte als Direktor der Franzoͤsischen Kunst-Akademie in Rom,
und um Erlaubniß zur Ruͤckkehr nach Frankreich nachgesucht. (Die Pariser Blaͤtter vom 26. Sept. sind auf dem ge⸗
Niederlande.
Luͤttich, 29. Sept. Die hier erscheinenden Blaͤtter be— richten, daß die National-Truppen in der Nacht vom Son⸗ tag auf den Montag (den 27. Sept.) die Stadt Bruͤssel verlassen und sich zuruͤckgezogen haben. Es war dem Kom— mandanten Don Juan van Halen gelungen, eine guͤnstige Position zu finden, von welcher aus die Kanonen der In— surgenten, von einem Offizier befehligt, den Park, in wel— chem die Königlichen Truppen aufgestellt waren, bestrichen Das Feuern hielt von 11 Uhr Vormittags bis 3 Uhr Nach— mittags an, und diejenigen Soldaten, welche einzelne Haͤu— ser in der Nähe des Pallastes der General-Staaten besetzt hatten, sahen sich dadurch genoͤthigt, sich ebenfalls nach dem Parke, nach der Seite des Königlichen und des Prinzlichen Pallastes zuruͤckzuziehen. Nach 3 Uhr wurde das Feuern, das bis 6 Uhr fortgesetzt wurde, etwas schwächer; um 6 Uhr
aber geriethen die in der Naͤhe des Pallastes liegenden Haͤu—
ser in Brand und beim Einbrechen der Nacht erleuchteten die Flammen den Platz und die Straßen vor dem Parke. Gegen 4 Uhr Morgens erfolgte der geordnete Ruͤckzug der Truppen, die als sie Bruͤssel angriffen, nicht staͤrker als 6000 Mann gewe⸗ sen seyn sollen, und mit Tages-Anbruch stroͤmten die In⸗— surgenten- Haufen auf die von den Soldaten verlasse— nen Punkte, die, so wie die ganze Stadt Bruͤssel, ein fuͤrchterliches Schauspiel der Vermuͤstung darbieten. — Der Kommandant Don Inan van Halen hat sein Haupt⸗ quartier in einen der Pallaͤste verlegt, wohin sich auch am Sonntage Morgens der Baron von Höoghvörst begeben hat.
Die hiesigen Blätter nennen auch fölgende Männer als Mitglieder einer provisorischen Regierung: Baron Vander linden⸗Höooghvorst, Ch. Rogier, Jolly, ehrmaliger Ingenieur— Offizier, Joseph Vanderlinden, J. Nireolai und F. de Cop⸗ pitis, Secretair. Alle diese Manner haben ihre Ernennung angenommen. . . 8 .
Viele hiesige Einwohner sind gestern Abend aus der Stadt gezogen, um auf freiem Felde ihre Wohnungen aufzu- schlagen. Auf einige bewaffnete Haufen, die sich der Citadelle zu sehr näherten, hat die Besatzung mit Kartaͤtschen geschos⸗— sen; zwei Manner wurden dadurch verwundet, von denen Einer bereits gestorben ist. Auf eine in der Vorstadt St.
Walhurge errichtete Barrikade, die fast bis an das Thor der
Citadelle reicht, wird vor den letzteren aus seit heute fruͤh gefeuert. Einige Haäͤuser dieser Borstadt haben durch diese Kanonade bereits gelitten. — Die Stadt Metich hat beschlos⸗ sen, eine Steuer von 5M 000 Gulzen auszuschreiben, die nach dem 6 der direkten Steuern den Pflichtigen auferlegt wer⸗ den soll. z
— Die Hamburger Boͤrsenhalle meldet, daß eine