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um dieser letzterer willen nicht bereits Karl X. verjagen muͤssen. Freilich weiß ich, daß nach dem Buchstaben der Charte die Minister allein verantwortlich sind; aber die Charte sagt auch, daß der Koͤnig unverletzlich sey. Nichts— destoweniger haben Sie aber diesmal, m. H., den Koͤnig fuͤr die Verbrechen seiner Minister verantwortlich gemacht; diese hatten die Verordnungen unterzeichnet, und der Monarch hat dafuͤr mit dem Verluste des Throns buͤßen muͤssen. Das Urtheil ist sonach bereits gesprochen, das Verbrechen bereits gestraft, und es bleibt Ihnen nur noch uͤbrig, die schuldigen Ve mittler frei zu sprechen; denn ohne Zweifel ist es nicht
Ihre Absicht, die Unverletzlichkeit des vorigen Koͤnigs wieder herzustellen; dies wuͤrde aber offenbar der Fall seyn, wenn Sie jetzt noch nachtraͤglich die Ex-Minister zur Rechen
schaft ziehen wollten. Vergessen wir nicht die Worte, die der Mann, dem Frankreich seine Rettung verdankt, von die— ser Rednerbuͤhne herab, nach der letzten Krise, zu uns sprach. „„Diese Revolution““, sagte er, „„hat einen eigenthuͤm— lichen Charakter; zu dem Muthe hat sich die Großmuth ge— sellt; es ist unsrer würdig, daß wir die naͤchsten Tage durch große Handlungen der Menschenliebe bezeichnen.““ Eine solche Handlung steht jetzt in unserer Macht. Wie koͤnnten Sie nach jenen Worten, und nachdem Sie selbst die Propo— sition des Herrn von Trach in Erwaͤgung gezogen haben, eine Anklage auf Leib und Leben anstellen? Man sagt uns, das Volk verlange eine solche Anklage. Waͤre dies der Fall, so wurden Sie sie gewiß zuruͤckweisen. Aber dem ist nicht also. Sie wissen, meine Herren, daß unsere vielleicht etwas zu eifrige Jugend der Meinung gewesen ist, daß sie dem An— benken ihrer vor acht Jahren fuͤr das Vaterland gefsalle—
lung der Todesstrafe abfasse. Lassen Sie uns daher ge— recht, aber auch großmuͤthig seyn. Ich schlage vor, die Anklage folgendermaßen abzufassen: Die Minister sind an— geklagt, 1stens ihre Gewalt gemißbraucht zu haben, um die Wahlen zu verfälschen und die Burger der freien Ausuͤbung
fuͤr ihre politischen Ansichten und in Folge eines in mehre— droht oder sie wirklich abgesetzt zu haben.“ — H
que ville unterstuͤtzte die Antraͤge der Konmnission. Er ließ sich vornehmlich uͤber die Feuersbruͤnste in der Normandie
vernehmen, die er lediglich der Partei der Contre-Revolution
zur Last legte, und gab den Wunsch zu erkennen, daß man den Urhebern dieser Verbrechen auf die Spur kommen moͤge, um sie der Strenge der Gesetze uͤberltefern zu koͤnnen. — Nach ihm bestiedg Herr Berryer die Rednerbuͤhne.
„In dem tiefen Stillschweigen“, begann er, „womit Ihre
Versammlung den Bericht der Anklage⸗Kommission angehoͤrt hat, schien sich eine so allgemeine Zustimmung kund zu geben, daß es ben meisten unter Ihnen als eine Art vön Verwegenheit erschei⸗ nen muß, von dieser Rednerbuͤhne herab den in Antrag gebrach⸗ ten Beschlu zu , Aber gerade dann, wenn unter so ernsten Umstaͤnden die Gemuͤther sich mit Gewalt zu einer und dersfelben Ansicht hingezogen fuͤhlen, gebietet die Pflicht des un⸗ erschrockenen Mannes, die entgegengesetzte Ansicht, die er aus sei⸗ nem Gewissen und seinem Verstande schoͤpft, nur um so lauter auszusprechen. Ich verhehle mir nicht, daß diese Lage, die unter gllen Umstaͤnden eine sehr schwierige seyn wuͤrde, der Schwicrig⸗ keiten noch mehr fuͤr mich als fuͤr jeden andern darbietet. Meine
Worte müssen Ihnen bei dieser Gelegenheit verdaͤchtig erscheinen.
Das Band des Freundschaft, das mich seit langen Jahren an mehrere Mitglieder des vorigen Ministeriums knuͤpfte, ist Ihnen Allen bekannt, und vielleicht wird man nur den beguftragten Ver⸗ theidiger der Angeklagten in mir zu hören glauben. Wahrlich, nicht am Tage des Ungluͤcks angeklagter Freunde werde ich Ge⸗
fuͤhle verlaͤugnen, die ihren Ursprung in gluͤcklicheren Tagen ha⸗
ben; aber ein geschickterer und einflußreicherer Mann hat die Vertheidigung derselben uͤbernommen. Geben Sie daher dem Glauben Raum, daß ich bei dieser feierlichen Berathung, den Grundsaͤz⸗ zen getreu, die mich bewogen haben, in Ihrer Mitte zu bleiben, mich uͤber meine Privat⸗Neigungen zu ech⸗ en, die
loyalen Deputirten zu erfüllen ünd das uns heute obliegende hohe Richteramt zu verwalten wissen werde. Es ist keinesweges meine Absicht, den Bericht Ihrer Kommission in seinen Einzelnheiten
zu beleuchten; — ein großer Theil dieser Arbeit wartet auf die einsichtsvolle und unparteiische Prufung der Nachwelt; — ich will
Ihnen nur einige allgemeine Betrachtungen uber den die vorigen Minister betreffenden Beschluß vorlegen. „„Es war ein Beduͤrf⸗ niß für Frankreich (so hat Ihr Berichterstatter sich geaͤußert), der Welt eine Uebersicht seiner Veschwer den gegen eine Regierung, die nicht mehr ist, offen darzulegen. Alle Volker Europas richten ihre Blicke auf uns “ Lgssen Sie uns auf diesem hohen Standpunkte, und diesen zahllosen Zuhßrern gegenuͤber verharren; lassen Sie uns als Gesetzgeber und Richter Gefühle unterdruͤcken, die um so lebhafter wirken, wesl sie noch neu sind; lassen Sie uns allen
Groll, alle Trauer, alles Leih vergessen und ein Benehmen!
verurtheilen? Man verlangt, Sie sollen die
icht eines
nahme, Er habe gewollt, verlangt, befo
und eine Sprache beobachten, denen alle Zeiten und alle Men⸗ schen Beifall zollen muͤssen; dies ist ohnehin eine Bedingung der Gerechtigkeit, deren Gefetze ewig und unwandelbar sind. — Ein gewaltiger Kampf erhob sich zwischen Frankreich und seinem Köͤ⸗ nige. Der Krieg hat entschieden, ruft man Ihnen zu. Der Fuͤrst, zu welchem die Deputirten noch vor wenigen Mong⸗ ten sagten, die heiligen Rechte seiner Krone seyen die sicherste Buͤrgschaft fuͤr un sere Freiheiten, und FJahr⸗
hunderte hätten, zum Gluücke Frankreichs, seinen
Thron in eine Jen Stürmen unzugaͤngliche Region gestell t, derselbe Fuͤrst hat in wenigen Stunden seine Krone und sein Vaterland verloren! Mit seiner Koͤniglichen Nachkommen⸗ schaft ist er in das Land der Verbannung geschickt worden. Der Krieg hat entschieden! Und jetzt macht man den Siegern den Antrag, die besiegten Minister dieser aufgelöͤsten Regierung anzu⸗ klagen und zu richten. Bei mehr als einem Volke und mehr als einmal hat sich der Welt in dem langen und traurigen Verlaufe des Zwirspalts unter den Menschen ein solches Schauspiel dar⸗
geboten, aber auch immer hat die gerechte Geschichte die in sol⸗
chen. Fallen von der siegreichen Partei getroffenen gerichtlichen Zaruͤstungen getadelt und wird sie auch ferner tadeln. Ich
spreche hier, m. H., einen Gedanken aus, der tief in mein Herz
gegraben ist, und den ich, verzeihen Sie mir den Ausdruck, eini⸗ ges Recht habe, mit Vertrauen zu äußern. Schon im Jahre i315, also zu einer Zeit, wo die politischen Leidenschaften in allen Gemuͤthern aufs hoͤchste gespannt und wo sie auch in mir mit aller Gluth der Jugend erwacht waren, sagte ich zu mir, von Gefuͤhlen beseelt, die nur mit meinem Leben in mir erloschen werden: „Ein Giftmischer, ein Straßenraͤuber, ein Vatermoͤrder sind stets Verbrecher und muͤssen zu gllen Zeiten und in allen Laͤndern verurtheilt werden. Anders ist es mit den Staatsver⸗ brechern; man gebe ihnen andere Richter; die Zeit bringe ver⸗
letzte Interessen zum Schweigen, mildere die Leidenschaften,
. n, . ͤ z 8. „und ihr Leben, ja vielleicht sogar ihre Ehre werden geborgen seyn.“ nen Freunde nicht besser huldigen koͤnne, als wenn sie Mit dieser Ansicht nahm ich zur Seite meines Xr nz als Ver⸗
sofort am Richtplatze selbst eine Bittschrift zur Abstei, theidiger des Marschalls Rey Platz, und es gelang mir, wenigstens
das Leben der Generale Debelle und Cambronne zu retten! Jetzt
m. H, hat sich eine neue und voͤllige Umwaͤlzung unter uns zu⸗ getragen; das Volk hat im Kampfe strenge Rache an denen ge⸗
nommen, die uͤber dasselbe herrschten; alle Gewalt in der buͤrger⸗
lichen Gesellschaft ist in die Haͤnde der entgegengesetzten Partei
1
* ö . 2. J. 26 ‚. h ihrer buͤrgerlichen Rechte zu berauben; Atens den Beamten übergegangen; die fruher bedraͤngten Ansichten häben den Sieg
gerliche chte z ö davon getragen; die bisher verletzten Interessen sind jetzt die herr⸗ ken Departements verabredeten Planes? mit Absetzung ge, schenden; und Sie, meine Herren konnten glauben, daß unter
r. v. VBri⸗ keit angernessen ware, die Urheber der politischen Maaßregeln, die
solchen Umstaͤnden es der Wurde, Unbefangenheit und Gerechtig⸗
jener ungeheuren Umwaͤlzung unmittelbar vorangegangen sind, zu J r⸗Minister des Hochverraths anklagen! Des Hochverraths, gegen wen? gegen den Koͤnig, der von dem Thron gestuͤrzt worden ist, oder gegen den, der von Ihnen auf denselben berufen worden ist; gegen die Ordnung der Dinge, welche das Volk umgestoßen hat, oder gegen die von Ihnen neu geschaffene; gegen die Charte, deren Grund⸗
prinzip Sie selbst aufgehoben, deren Charakter und Bestimmun⸗
gen Sie verandert haben? Nein, meine Herren, am 7. August, wo Sie in Ihrer Declaration vorweg erklaͤrten, daß in Folge der Verletzung der Charte der Thron Karls X. dem
Rechte und der That ngch erledigt sey, an dem Tage, wo aus Ihrer Mitte erwaͤhlte Kommissarien diesen Fuͤrsten und seine
Familie biz jenseit der Franzoͤsischen Graͤnze geleiteten, haben Sie sich des Rechts begeben, die Minister Karls X. um derselben Handlungen and derselben Verletzungen der Charte willen anzu⸗ klagen. Erlauben Sie mir, hier an eine Bestimmung der Verfassung zu erinnern, aus welcher Folgerungen zu ziehen sind, welche Jeder⸗
mann in die alugen springen muͤssen. Die Charte sagt: die Per son des
Koͤnigs ist un verletzlich und heilig, und seine Minister
allein sind verantwortlich. Diese beiden Prinzipien sind korrelativ, haͤngen von einander ab, sind eines vom andern un⸗ trennbar. Die Verantwortlichkeit der Minister ist die Burgschast fuͤr die Unverletzlichkeit des Konigs, und diese Unverletzlichkeit der Königlichen Person ist umgekehrt der Grund der Verantwert⸗ lichkeit ihrer Beamten. Ohne die Verantwortlichkeit der Mini⸗ ster wuͤrde die Unverletzlichkeit des Fuͤrsten ein bequemer Vor⸗
wand und ein leicht zu handhabendes Mittel der Tyrannei seyn; andererseits wuͤrde ohne die Unverletzlichkeit des Königs die Verantwortlichkeit der Minister den Weg zu unaufhoͤrlichen Unordnungen und zur Anarchie bahnen. ie Ausuͤbung des
Rechts der Anklage in Folge der Verantwortlichkeit der Minister ist in dem naturgemaͤßen Gange einer verfassungsmaäͤßigen Re⸗
gierung und in dem Kreise der regelmaͤßigen Wirksamkeit der Staats⸗-Gesetze legitim und nothwendig; sie ist ungerecht und das Maaß uͤberschreitend nach jenen gewaltigen Umwaͤlzungen, in
denen die Ordnung der Dinge im Staate veraͤndert worden, die
Gesetze untergegangen sind und das Scepter den Haͤnden, die es trugen, entfallen is. Indem Sie den Thron fuͤr erledigt er⸗ klaͤrten, den Koͤnig selbst durch den Verlust seiner Rechte, sogar fuͤr seine Nachkommenschaft, straften, Eisen e von der An⸗
96 . la hlen, aus, und sonach koͤn⸗ nen Sie jetzt nicht seine Minister auch noch fuͤr ihren Gehor⸗ sam Bestrafen wollen Die von Ihnen vollbrachte. Revoln⸗ tion hat die politische Ordnung vernichtet, welche auf⸗ recht zu erhalten und zu rächen, allein der Gründ ei⸗ ner, Anklage der Minifler feyn könnte, Ich will mich nicht bei der Untersuchung aufhalten, welche gesetzliche Folge⸗
sich besinden, bei jedem Schritte aufhalten.
* diese Antraͤge auf.
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rungen sich in Betreff der Ausdehttung der Rechte der vorigen Regierung aus der von Ihnen gestrichenen Einleitung der Charte, o wie aus dem von Ihnen veraͤnderten Artikel 14 und aus den jetzt noch geltenden Bestimmungen unserer Gesetze, wodurch ie⸗ der Angriff gegen die angestammten Rechte des Königs zu Ver⸗ ehen gestempelt werden, ziehen lassen konnten. Noch, weniger ann es mir in den Sinn kommen, die Minister als völlig vor⸗ wurfsfrei zu betrachten., Ach! nur zu gerechte Klagen gegen sie werden nicht allein von denen erhoben, die auf deren Vernrthei⸗ lung dringen! Die schönste Krone der Welt ist vom Haupte des Erben so vieler Könige gefallen, Der Charakter eines rechtlich gesinnten und menschlichen Königs ist auf eine so schmerzliche
Weise blosgestellt nd so heftigen Anklagen Preis gegeben wor⸗
den! Der lange Frieden und die Wohlfahrt eines großen Volks sind von so betruͤbendem Unheil bedroht gewesen! Jg, die meisten sind schuldig! aber nicht Sie, m. H, künnen sich zu Anklaͤgern der⸗ selben aufwerfen, und auch keine sonstige Richter kann ich fuͤr sie in unserem Lande sinden. Wem wollen Sie die Anklage vorle⸗ gen, m. H? Wer soll fiber das Geschick der Ex Minister ent⸗ scheiden? Der Pairshof? Gut! Ist aber dieses fuͤr Prozesse der höheren politischen Gerichtsbarkeit gegruͤndete Tribungl heute noch dasselbe, wie zu der Zeit, w die Minister dem Ur theile desselben mit Fug und Recht unterworfen waren Ist es noch dasselbe, wie an dem Tage, wo die Anklage Ihnen vorgelegt wurde? Seitdem sind 3 Pairs von Frankreich von Ih⸗ nen der Rechte der Pairschaft beraubt worden. Als die Anklage schon bei Ihnen anhängig gemacht worden war, veraͤnderten Sie den Gerichtshof und vertrichen eine so große Anzahl von Rich⸗ tern von ihren Sitzen! Ich mag nicht aufs neue bekaͤmpfen, was von Ihnen einmal entschieden ist. Jene Magßregel war vielleicht ein durch den Lauf der Revolution, die Sie vollbracht haben, nothwendig gewordenes Ereigniß. Beweist dieses Faktum aber nicht hinlaͤnglich, daß Sie nach einer in ihren Ergebnissen so um⸗ fassenden Revolution nicht, ohne alle Gerechtigkeit und Moral zu verletzen, wegen fruͤherer Handlungen eine Anklage erheben und dieselbe eben so wenig vor Richter bringen koͤnnen, die ste sich gleichsam zur Verurtheilung vorbehalten haben? Es ist unmoglich, meine Herren, daß diese Betrachtungen sich nicht schon Ihnen von selbst dargeboten haben sollten. Wenn diese Berathung, bei der es sich um Tod und Leben handelt, peinlich fuͤr Sie ist, so ist nicht das Gefuͤhl der Menschlichkeit die alleinige Ursache davon; ernste Gedanken beschaͤftigen Ihre Seele. Betrachtungen aller Art müͤssen Ihre Berathung in der hohen Sphaͤre, worin Sie Ihr talentvoller Be⸗ richterstatter hat diese Betrachtugen weise angedeutet, ehe er die Rednerbuͤhne verließ. Gerechtigkeit, aber keine Rache, so sagte er, ist der Wun sch aller Herzen. In diesem wichtigen Augenblicke schaͤtzt ich alle Plaͤne, Brohungen, Leiden schaften
. und vergaͤngliche Interessen der Politik gering und rufe im Na⸗
men der Gerechtigkeit die ewigen, stets maͤchtigen, moralischen
Gesetze an, deren Verletzung sich immer, früher oder spaͤter, auf Erden raͤcht
Nur von dem Gefuͤhle meiner persoͤnlichen Ehre, so wie der Ehre der Kammer und meines Landes, geleitet, stimme
ich aus Ueberzeugung und freier Ein hang ohne Zuneigung und ohne Furcht, gegen den Antrag au die nister.“
nklage der Ex- Mi⸗
Nach Hrn. Bertyer, auf dessen Rede eine ziemlich lebhafte Bewegung folgte, wurde die Sitzung momentan unterbro⸗
chen. — Der Baron v. Podenas las demnaͤchst eine lange
Rede ab, worin er das vorige Ministerium des Hochverraths fuͤr schuldig erklaͤrte und sonach fuͤr die Antraͤge der Kom⸗ mission stimmte. — Hr. v. Lardemelle trat sodann gegen Wenn man, meinte er, blos seinem
selben, vernehmen ließ.
Dynastie verschwunden, deren Schicksale durch acht Jahr⸗ hunderte mit denen Frankreichs eng verknuͤpft gewesen waren; von einer Bestrafung der Minister koͤnne, nachdem die von der Charte ausbedungene Unverletzlichkeit des Koͤnigs umge⸗ stoßen worden, keine Rede mehr seyn. „Sie haben kein
Recht,“ so schloß der Redner, „die Rathgeber eines Koͤnigs,
den sie wie einen absolnten Souverain behandelt haben, als verfassungsmäßige Minister zu betrachten. Mögen diese Mi— nister den Boden Frankreichs, das ihnen so gerechte Vorwuͤrfe zu machen hat, verlassen; moͤgen sie in fremden Laͤndern ihr Betragen abbuͤßen; moͤgen sie durch ihre baldige Entfernung uns eine Berathung, vlelleicht gar eine Handlung, ersparen, worunter die oͤffentliche Wuͤrde und die National-Großmuth nur allzusehr leiden wuͤrden.“ — Herr Mereier ließ sich hauptsaäͤchlich uͤber die Feuersbruͤnste in den Departements des Calvados und des Kanals, so wie in dem Departement der Orne, vernehmen und erinnerte bei dieser Gelegenheit an die von dem vorigen Großsiegelbewahrer verlangte Ein— setzung von Prevotal-Gerichtshoͤfen. Als Deputirter der Normandie, äußerte er, sey es seine Pflicht, die Aufmerksam—
keit der Kammer auf diesen Gegenstand ganz besonders hin—
zulenken, dessen nahere Aufklaͤrung sich nur von einem Pro— zesse der Ex-Minister vor dem Pairshofe erwarten lasse. Er stimmte sonach fuͤr die Antraͤge der Kommission. — Hr. von Francheville sprach in dem Sinne des Herrn von la Boõurdonnaye. Es zieme der Kammer nicht, meinte er, einer Anklage wegen eines Verbrechens Folge zu geben, das man bereits die vorige Dynastie — das Opfer ministe— rieller Unfaͤhigkeit — habe entgelten lassen. — Hr. Lab bey de Pompidres hielt zu Gunsten der Antraͤge der Kom— mission eine Rede, die hei der Schwäche seines Organs fuͤr den groͤßern Theil der Versammlung verlösren ging. — Der Graf von Lam zan beschraͤnkte sich auf die Vertheidigung des Barons von Montbel, den er als einen seiner ver— trautesten Freunde hezeichnete. „Der Name dieses Mi— nisters,“ äußerte er, „erinnert uns an die Rechtlich—⸗ keit und vielleicht allzu große Guͤte, die derselbe seit dem Antritte seiner parlamentarischen Laufbahn stets be— wiesen hat; ich kenne die edlen und ruͤhrenden Gruͤnde, die ihn verhinderten, vor der letzten Katastrophe aus dem Mini⸗ sterium auszuscheiden. Gewiß ist, daß Herr von Montbel die unseligen Verordnungen niemals unterzeichnet haben wurde, wenn er geglaubt hätte, daß sie sein Land irgend in Gefahr bringen koͤnnten. Vergessen wir ja nicht, m. H., daß in der Politik oftmals die besten Absichten unter gewissen Umstaäͤnden die verderblichsten Folgen haben koͤunen. Mein Wahlspruch wird stets seyn: Maͤßigung und Großmuth im Siege.“ — Hr. v. Tracy war ver letzte Redner, der sich uͤber die Antrage der Kommission, und zwar zu Gunsten der⸗ Er gedachte unter Anderm im Laufe
seiner Rede auch des von ihm herruͤhrenden Antrags, die Todes—
Grolle Gehör geben wolle, so sey es unmoͤglich, Minister nicht fur strafbar zu halten, welche die schoͤnste Monarchie
der Welt, die das Land wegen der Buͤrgschaft, welche sie ihm durch das Prinzip der Legitimitaͤt gewahrt, noch lange
schmerzlich vermissen werde, untergraben haͤtten; hierum
handle es sich aber in dem gegenwärtigen Falle nicht, son—
dern blos darum, ob die vorigen Minister sich durch die Un— terzeichnung der Verordnungen vom 25. Juli des Hochver⸗ raths schulbig gemacht haͤtten; er seinerseits koͤnne nicht glau⸗ ben, daß sie wirklich die Absicht gehabt, den Konig und das Land zu hintergehen; eher hatten sie vielleicht gedacht, durch ihre
Auslegung des 14ten Art. der Charte Frankreich vor drohen—
den Gefahren zu bewahren; er beklage die traurigen Ereig⸗
nisse, die jene Verordnungen herbeigefuͤhrt haͤtten; doch konne er um so weniger fuͤr die Anklage stimmen, als in der Wahl—
Kammer 130 Deputirte fehlten und die erbliche Kammer auf den dritten Theil ihrer Mitglieder redueirt sey. —
Hr. Enouf aͤußerte sich ganz in demselben Sinne, wie Herr vv. Briqueville. — Der Graf Arthur von 19 Bourdon—
naye erklärte, es sey nicht seine Absicht, die vorigen Minister
zu entschuldigen; eben so wenig koͤnne er aber fur die Antraͤge selb , Wahlen zu verfaͤlschen und die Buͤrger an der freien Aus—
der Kommission stimmen; saͤße Carl X. noch auf dem Throne, so wuͤrde er (der Redner) keinen Augenblick Anstand nehmen, Maͤnner, die sich eine so offenbare Verletzung des Grund— Vertrages hatten zu Schulden kommen lassen, der ganzen Strenge der Gesetze Preis zu geben; dieser Grundvertrag selbst aber bestehe jetzt nicht mehr, und mit ihm sey eine
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strafe abzuschaffen, in welcher Beziehung er erklaͤrte, daß er auch jetzt noch das Leden des Menschen fuͤr unverletzlich halte. Diese Ansicht, fuͤgte er hinzu, habe aber mit dem Gegenstande der gegenwaͤrtigen Berathung nichts zu schaffen; die Gerechtigkeit muͤsse vorerst ihren Lauf haben, und spaͤterhin lasse sich immer noch be— stimmen, in welcher Weise der Rechtsspruch etwa zu modifi— ziren seyn mochte — Nachdem hierauf Herr Bérenger die Diskussion zusammengefaßt hatte, entspann sich ein Streit uͤber die Frage, ob die Kammer uͤber die Versetzung in den Anklagestand jedes einzelnen Ministers, oder saͤmmtlicher Minister auf einmal, abzustimmen habe. Der Praäͤsident sprach sich fuͤr die erstere Alternative aus. Eben so die Herren Persil, Daunant, Schonen, Alex, von Laborde, von Montigny und Andere. Mehrere andere Deputirte erklärten sich dagegen fuͤr die zweite Alternative; man bemerkte darun— ter die Herren v. Tracy, Demar gay, v. Saunac, v. Clarge, Thouvenel, v. Lameth, Villemain und Andere. Letzterer machte den Vorschlag, daß die Kammer nur im Allgemeinen daruber, ob sie die vorigen Minister des Hochverraths fuͤr schuldig halte oder nicht, abstimme, sich aber in keine nähere Be⸗ zeichnung der Vergehen, worin der Hochverrath bestehe, ein⸗ lasse. Bieser Antrag wurde indeß verworfen. Ein Gleiches
geschah hinsichtlich des obigen Vorschlages des Hrn. v. Larochefou—⸗
cauld; die Bersammlung beschloß dagegen, uͤber jeden Minister und jeden Auklage⸗Punkt einzeln abzustimmen. Zuerst beschaftigte man sich mit dem Fuͤrsten von Polignac. Der erste Anklage⸗ puakt: „daß derselbe seine Gewalt gemißbraucht habe, um die
uͤbung ihrer buͤrgerlichen Rechte zu hindern,“ wurde von der linken Seite und den beiden Centris fuͤr begruͤndet erklaͤrt. Mit gleicher Majoritaäͤt entschied die Kammer die drei an—̊ dern Punkte: „daß er die Verfassung willkuͤhrlich und ge— waltsam verändert; daß er sich eines Komplotts gegen die