1830 / 323 p. 1 (Allgemeine Preußische Staats-Zeitung, Sun, 21 Nov 1830 18:00:01 GMT) scan diff

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Wenn auch die Volkszahl nicht die einzige Bedingung ist, wovon die Wichtigkeit der Städte abhaͤngt: so ist sie doch eine der vorzuͤglichsten, und eine der uͤbersichtlichsten, weil sie auf einem einfachen Zahlenverhaͤltniße beruht. Die Meinung, daß der Zuwachs der Bevoͤlkerung in den neue— sten Zeiten nur auf einer Vermehrung der Almo senempfaͤn⸗ ger beruhe, duͤrfte mit welchen AÄnspruͤchen auf Erfah— rung sie auch vorgetragen wird eben von der unbefangnen Erfahrung keinesweges unterstuͤtzt werden. Ob eine Arbeiter— familie wöchentlich drei Thaler Lohn, oder zwei Thaler Lohn und einen Thaler Almosen erhalt, ist in Bezug auf die Ver— wendung, wodurch dieselbe unterhalten wird, gleich. Aber die Wirkung auf ihre Sittlichkeit ist allerdings eine sehr ver— schiedne. Das edle Bewußtseyn, nnr der Frucht eignen Flei— ßes seinen Unterhalt zu verdanken, wird verabschiedet, die Bettelhaftigteit mit ihrer Kriecherei und ihrem Tretze zieht siegreich ein. Die Verhandlungen uͤber das englische Armen— wesen geben den Kommentar zu ditsem Texte. und wteviel davon gluͤcklicherweise in sehr verjüngten Maaßstabe auch den deutschen Landern gelten mochte, darf hier uneroͤr— tert bleiben, wo es nur darauf ankommt, die Meinung zu unterstuͤtzen, daß Koͤnigsber in Preußen schon vermoͤge sei— ner Bevoͤlkerung noch immer zu den ersten Staͤdten der preußischen Monarchie gehort, obwohl die Leichtigkeit des Er— werbs, welche der fruͤhere Getreidehandel gewährte, von ihm gewichen ist, und eine andre Grundlage des Wohlstandes sich noch nicht ausgebildet hat. Die vielen Verbeßerungen, woel— che die offentlichen Anstalten fuüͤr Bildung, Sicherheit, Be— quemlichkeit, Annehmlichkeit, uberhaupt Veredelung des Le— bens auch in Königsberg eben in den letzten funfzehn Jah— ren empfangen haben, buͤrgen dafur, daß auch hier der Geist und die Kraft des Gemuͤth's ihre Wuͤrde gegen die Veran— derlichkeit aͤußrer Verhaͤltnisse und die Ungunst der Zufälle zu behaupten wissen.

Koͤnigsberg war vom Spaͤtherbste des Jahres 1806 bis zum Ende des Jahres 1899 der Vereinigungspunkt Aller, welche die Gefahren der Zeit um den Thron versammelten: es ist Vielen damals werth geworden, die, seitéem in allen Theilen der Monarchie zerstreut, kostbare Erinnerungen aus jenen Tagen der Prufung bewahren. Darum mag es ein gutes Wort an guter State seyn, in einem Blatte, welches

der ganzen Monarchie mit gleichem Nächte angehört, auf die

vorliegende Darstellung des neuesten Zustandes der östlichsten Provinzial⸗Hauptstadt aufmerksam zu machen, die hiernach nicht blos ein Provinzial-Intresse neben dem allgemeinen geographisch⸗statistischen hat.

Es gehoͤren so vielseitige uns selten vereinigte Kenntnisse und Eigenschaften dazu, das bewegte Leben einer großen Stadt richtig aufzufassen, und mit dem Taiente des wahren Kuͤnstlers darzustellen, der unbeschadet der Treue seine nahere Verwandtschaft mit dem Schoͤnen und Guten auch im Por— trait nicht verlaͤugnet, daß die Billigkeit eine große Ermaäßi— gung der Anspruͤche fordert, welche an ein solches Werk von einer hoͤhern Ansicht aus wohl gemacht werden konnten. Dei dieser Billigkeit und bei gerechter Wuͤrdigung der Schwuͤrig— keiten, welche in dieser Entfernung von dem Mittelpunkte de— Deutschen Buchhandels auch in rein mechanischer Beziehung der Herausgabe eines Taschenbuches entgegenstehen, darf die Verdienstlichkeit bes vorliegenden Werkes einer sehr verbreite— zen Anerkennung, nach der Ansicht des Verfaßers dieser An— zeige, wohl mit vollem Rechte entgegensehen. Eine kritische Würdigung desselben gebuͤrt den fuͤr Kritik bestimmten Zeitschriften. H.

Die Frage, wie lange wird sich das neue Franzoͤsische Ministerium halten? ist von solchem Interesse und solcher Wichtigkeit, daß sie Jeder, welcher an dem Gange der Eu— ropaͤischen Angelegenheiten irgend Theil nimmt, bereits auf— geworfen und zu beantworten versucht hat. Die Schwierig— keiten einer angemessenen Antwort sind indessen so groß, daß wir, anstatt uͤber die Zukunft abzusprechen, uns blos an die Vergangenheit wenden und fragen, wie lange hat sich, seit dem Anfange der Revolution, jedes Ministerium erhalten? Hieruͤber giebt Auskunft das Dictionnaire de tous les mini- aires depuis la révolution jusqu' en 1827 publié par M.

Gedruckt hei A. W. Hayn.

.

Pr. Engl. Anl. 18 Pr. Engl Anl. 22

Leonard-Gallois, Paris. Bechet, 1828. Zufolge desselben gab es in Jahren:

17 Minister der Finanzen;

22 J! ö Marine;

24 Justiz;

27 auswärtigen Angelegenheiten; 27 des Innern; 34 Krieges, und zwischen 1794 u. 1815 15 = der Polizei.

Im Durchschnitt ist also zeither jeder Minister um etwa ein bis zwei Jahre lang im Amte gewesen; woraus sich allerdings fuͤr die Zukunft noch kein bestimmter Schluß ziehen, wohl aber allerlei vermuthen laͤßt. Jedenfalls entbehrte die Verwaltung Frankreichs seit 1791 der Ruhe und Sicherheit, welche dem Durchfuͤhren großer Plane und dem Wohle der Unterthanen zutraͤglich ist. Der haͤusigste Wechsel fällt auf die Jahre 1797 und 1793, und auf die Jahre 1814 und 18515. So gab es 1792 vier, und 1815 vier Justiz⸗Minister;

vier, drei Minister der auswaͤrti⸗

gen Angelegenheiten;

1814 und 1815 sechs Minister des . Innern;

fünf Minister des Krieges;

funf Minister der

. Marine u. s. w.

Fuͤnf Ministerien, welche unter dem Konsulat und dem

Kaiserthum errichtet wurden, sind wieder eingegangen oder

anderwärts untergesteckt worden; eines, fuͤr das Königl. Haus, enistand bei der Herstellung der Bourhoniden. p

1792 und 1793 sieben neun 5

( . vier '! J

=

Königliche Schau spiele. Sonnabend, 20. Nov. Im Schauspielhause: Verbre⸗ chen aus Ehr sucht, Schauspiel in 5 Abtheilungen von A. W. Iffland.

Königstädtisches Theater. Sonnabend, 26. Nov. Der Leichenräͤuber, Melodrama in 3 Akten. Sonntag, 21. Nov. Die Kreuzfahrer, Melodrama in 5 Akten. (Dlle. Louise Bellarti: die Pfoͤrtnerin, als Gastrolle.) Montag, 22. Nov. Der Alpenksnig und der Menschen— feind, Zauberspiel in 2 Akten.

——

Berliner Börse. Den 19. Novemher 1830.

Amtl. Fonds- und Geld-Cours- dettel. (Prerss. Cour.)

f,, s, r,, St. chuld ch. 4 ö 1Ostpr. pri I IV 974 Pomm Plandlbrf. 953 Kur- u. Num. do. S837 Schlesische do. Rkst. C. d. R. u. . L. Sch. d K. u. N.

oll. voll. Puk.

Rene dito . rie drichsd' or. Dis conto ..

Pr. Engl. Ohl. 3) Kurm. b. m. l. C Nenum Int Sch. d. Berl. Stadt - Gb. Königsbg. do. Elbinger do. Danz. do. in Th. Weslpr. Pfdh. Grossliz. Pos. do.

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93

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Aus wärtigze Börsen.

Amsterdam, 14. November. Niederl. wirkl. Schuld 3353. Kanxz-Bill. 16. Oester. Metall. S6.

Hamburg, 17. Noverber. Oesterr. 4proc. Metall. So3. Bank- Actien 1033. Engl. Rua Anl. 96. Russ. Anl. Ham. Cert. 9. Dän. 58. Poln. pr. 36. Nov. 1063. Engl. Neap. 643. Fale. 69.

Redacteur Jehn. Mitredactenr Cott el.

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Allge

Preußische St

meine

a ats ⸗Zeitung.

M 323.

Zeitungs-Nachrichten.

Ausland.

Rußland.

St. Petersburg, 109. Nov. die hiesigen Einwohner die Freude, Ihre Majestaͤten den Kai—⸗ fer und die Kaiserin nebst Ihren Kaiserl, HH. dem Großfuͤrsten Thronfolger und den jungen Großfuͤrstinnen anlangen zu se— hen. Die Allerhoͤchsten und Hoͤchsten Herrschaften residiren im eigenen Palaste Sr. Majestaͤt. .

Am letzten Sonntage den J. d. M. wurden auch in saͤmmtlichen hiesigen evangelischen Kirchen feierliche Dankge— bete wegen der gluͤcklichen Ruͤckkehr des Kaisers gehalten.

In diesen Tagen ist der Koͤnigl. Daͤnische außerordent⸗ liche Gesandte und bevollmaͤchtigte Minister Graf Blome, so wie auch der Koͤnigl. Niederlaͤndische Gesandte und bevoll— maͤchtigte Minister Baron Hekeeren, aus dem Auslande hier angekommen.

Am 1sten Nov. Morgens belief sich in Meskau (wie letzthin gemeldet woͤrden) die Zahl der mit der Cholera be—⸗ fallenen Personen auf 1367. Im Laufe des genannten, Ta⸗ ges kamen nach den in unsern Blaͤttern enthaltenen offizieilen

ngaben 151 Kranke hinzu, es genasen 46 und starben 78. Am 2ten Nov. erkrankten 144 Personen; es genasen 30 und starben 8i. Am Zten erkrankten 14; es genasen 44 und starben o. Am (4 ten erkrankten 120; es genasen 29 und

starben 71.

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scheinen der Cholera erkrankt 4205, genesen 607 und gestor⸗ ben 2170 Perfonen; an Kranken blieben uͤbrig 1426, woyon 72 in Privathaͤusern und 954 in Krankenhaͤusern. Zur Ge⸗ nesung gaben Hoffnung 422 Personen.

Kchte nd der Anwesenheit Sr. Maj. in Moskau wurde auf Allerhöͤchsten Befehl die Errichtung eines Armenhauses fuͤr solche Armen anbefohlen, die auf den Straßen und an den Kirchen Almosen sammeln und mithin der Cholera am meisten ausgesetzt sind, oder auch zur Verbreitung derselben mitwirken; fuͤr die erste Einrichtung desselben wurden von der Regierung 10, 000 Rubel angewiesen. .

Die hiesige akademische Zeitung bringt ein Schrei⸗ ben des Leib⸗WMedikus, Geheimenrath Dr. Loder, aus Moskau vom 23. Okt. Nach Inhalt vesselben hat dieser beruͤhmte Arzt in seinem temporairen Hospital die Verfuͤgung getrof⸗ fen, bei solchen schweren Kranken, bei welchen die anderen Mittel bis jetzt fast nichts ausgerichtet haben, das Rieinus⸗ Hel nach Henderson's Methode anzuwenden, und will den Erfolg davon beobachten. Die Natur der hier herrschenden r gh ist leider noch nicht genug bekannt; indessen scheint es doch, daß sie mit der Cholera in Indien identisch ist. Auf die Wirkung der Mittel aber hat das Klima großen influß, und die Krankheit ist nicht so kontagiös durch die Beruͤhrung, als die Pest, ob sie gleich bei dazu sehr Dis ponirten in we⸗ nig Stunden toͤdtlich wird. Sie befällt hier noch immer viele Menschen, mehr Maͤnner als Weiber, etwa im Ver⸗ hältniß wie 8 zu 5, und zwar vom niedrigsten Stande. Die Ürsache davon ist die nf r enge, feuchte und schmutzige Wohnung der niederen Klasse; die schlechte Bekleidung und unvermeidliche Erkaͤltung dieser Menschen, ihre schlechte Nah⸗ rung von rohen Zwiebeln, Gurken, Schwaͤmmen, halbfaulen gesal⸗ zenen Fischen, schlechtem Fleisch, und hauptsaͤchlich das entsetzlich unmäßige Branntweintrinken, welches n ner Viele toͤdtet. Auch verheimlichen sie anfangs die Krankheit. Die wenigen , (etwa an diefer Krankheit starben, waren zum Theil durch grobe Diatfehler, durch Voͤllerei und durch kindische 6 selbst schulb, theils waren sie durch vorhergegangene Krankheiten,

Berlin, Sonntag den 2isten November

Am 6ten d. M. hatten

Am 5ten erkrankten 105, es genasen 50 und star⸗ ben J5. Bis zum letztgenannten Tage waren seit dem ersten Er⸗

30 40 uͤberhaupt), welche unlaͤugbar

1830.

auch wohl durch unvernuͤnftiges Aderlassen u. s. w. hoͤchst ge— schwaͤcht und der Lebenskraft beraubt. „Im Ganzen ge— nommen (heißt es am Schlusse) nimmt die Zahl der Kran— ken eher zu als ab, aber die Intensität oder Boͤsartigkeit der Krankheit selbst wird offenbar schwaͤcher, und ich hoffe, daß bei den guten Maaßregeln, welche der unermuͤdete Kriegs— General⸗Gouverneur immer mehr trifft, die fuͤrchterliche Plage bald aufhoͤren wird. Offenbar disponirt die jetzige Luft zu Indigestionen und Erkaͤltungen, die aber nicht immer in Cho— lera uͤbergehen.““)

In Betracht der Wichtigkeit der Lage von Ismail ha— ben Se. Maj. der Kaiser befohlen, fuͤr diese Stadt eine eige⸗ ne Stadt⸗Verwaltung unter den unmittelbaren Befehlen des General⸗Gouverneurs von Neu⸗Rußland und Bessarabien an⸗ zuordnen.

Nach amtlichen Berichten uͤber die innere Schiffahrt im Laufe des vorigen Jahres passirten 29,171 beladene und 4638 unbeladene Barken die zum innern Wassersystem gehoͤ— renden Fluͤsse und Kanaͤle; der Werth ihrer Ladungen betrug 240, 880,153 Rubel; nach St. Petersbung kamen 13,451 Barken mit Waaren fuͤr den Werth von 120,460,916 Ru— beln; dagegen gingen wieder ab 1360 Barken mit Ladungen fuͤr den Betrag von 26,996,584 Rubel. In Moskau kamen 1266 Barken mit Waaren fuͤr 15,851,518 Rubel an; dage— gen gingen wieder ab 74 Barken mit Ladungen fuͤr den Be— trag von gäß, 972 Rubeln. .

Odessa, 3. Nov. Am 28sten v. M. fand die erste

Sitzung des hier errichteten Gesundheits-Ausschusses statt, um s'. Maaßregeln zum Schutze der Stadt gegen die Anfälle der Cholera zu ergreifen Der Ausschuß hat zwei Hospitale zur Aufnahme der Cholera-Kranken, zwei Haͤuser für die Verdächtigen und ein besonderes Lokal fuͤr die Ge— nesenden bestimmt; auch ist der Verkauf von Obst ä,, worden. Seit diesen Verfuͤgungen starben mit mehr oder weniger charakteristischen Zeichen der Cholera 3 Männer und 2 Frauen. Bis vorgestern befanden sich im Beobachtungs⸗ Hospital 3 verdaͤchtige Kranke und 7 Individuen, die gesund waren; 5 Haͤuser sind umzingelt; sie sind von 88 Personen bewohnt, die sich bis jetzt wohl befinden. In den letzten 7 Tagen haben sich keine verdaͤchtigen Anzeichen bemerkbar gemacht. Am letzten Sonntage fanden hier öffentliche Gebete statt, denen eine Prozession durch die Hauptstraßen der Stadt sr. . von dem ÄAllmaͤchtigen das Aufhoͤren der Cholera u erflehen. . In Taganrog starben vom gten bis zum 13ten Oktober an der Cholera 11 Personen, groͤßtentheils in sehr hohem Alter. Da sich diese Krankheit am Bord einiger auf der Rhede liegenden Schiffe gezeigt . so wurden diese unter Quarantaine gestellt. In Asoff erkrankte seit dem 5ten Oktober Niemand mehr; Alle, die damals krank lagen, er holen sich; seitdem sich die Cholera dort zeigte, starben 18 groͤßtentheils sehr alte Leute. Von 7 Kranken am Bord der Brigg „Orpheus“ in Sebastopol starben 4, und 3 wur⸗ den geheilt; ein achter erkrankte, befindet sich aber in der Besserung. In einem zu den Militair⸗Kolonieen des Gou⸗ vernements Cherson gehoͤrigen Dorfe hat sich die Cholera ge— zeigt und dann spaͤter in einem Hospital; im Dorfe starben 10 Personen im Laufe von 5 Tagen.

Nach amtlichen Berichten vom Ataman der Donischen Kosaken, hatte die Cholera am 30. September sowohl in Rowo⸗Tscherkask als in 4 Bezirken und 2 Ortschaften voͤllig aufgehoͤrt. ; ;

Im Gouvernement Kiew hatte sich in einem Dorfe eine Krankheit gezeigt, die man anfaͤnglich fuͤr die Pest hielt,

FD öns oben mitgetheilten Notizen ergiebt sich, daß, seit die⸗ ser gi n, n, taͤgliche 3h der Kranken bis zum Sten

d. M. im Durchschnitt abgenommen hat.

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