1830 / 356 p. 3 (Allgemeine Preußische Staats-Zeitung, Fri, 24 Dec 1830 18:00:01 GMT) scan diff

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zurch den Eid, die Berathungen im Conseil nicht zu offen, baren, ein absolutes Stillschweigen beobachten muͤsse; aber bei einer so wichtigen und feierlichen Gelegenheit, wo, mein Schweigen guünstig fuͤr die Anklage und zum Nachtheile fuͤr die Angeklagten ausgelegt werden konnte, sagt mir mein Ge— wissen, daß ich, ohne meinen Eid zu brechen, das aussagen darf, num was ich im Namen der hoͤchsten Gerechtigkeit und Wahr— heit befragt werde. Ich war der ersten Bildung des Mini— seriums vom 8. August gaͤnzlich fremd. Nachdem ich am 4. Maͤrz 1828 aus dem Ministerium getreten, lebte ich zuruͤck— gen und ohne Beruͤhrung mit der Politik und nament— ich mit politischen Intriguen. Ueber eine Ministerial-Ver— änderung war mir weder eine direkte, noch eine indirekte Mittheilung zugekommen, als, so viel ich mich erinnern kann, am 2. August der Fuͤrst von Polignae mich besuchte und mir sagte, er komme von Seiten des Koͤnigs, der auf meine Ergebenheit rechne und mir ein Portefeuille u e, lasse. Zugleich benachrichtigte mich der Fuͤrst, daß Se. Majestaͤt bereits zwei Minister gewaͤhlt haͤt⸗ zen. Ich machte ihm bemerklich, daß das Ministerium, so wie er mir dessen Zusammensetzung angebe, mir einer der wesentlichsten Bedingungen, naͤmlich eines guten Redners, zu entbehren scheine; diese Ruͤcksicht muͤsse mich zurückhalten; es sey mir daher unmoͤglich, den Wuͤnschen des Koͤnigs zu willfahren. Ich ging auf verschiedene Erläuterungen uͤber den Gang der Regierung und die Bildung des Kabinets ein, in welches man, dͤußerte ich, meiner Meinung nach, noth— wendig einige durch Talent oder besondere Kenntnisse aus— gezeichnete Mitglieder des vorigen Ministeriums wieder auf⸗ nehmen muͤsse. Herr von Polignae schien geneigt, auf diese Ansichten einzugehen, und fuͤhrte dieselbe Sprache, wie vor

einigen Monaten von der Rednerbuͤhne der Pairs⸗Kammer

herab. Am folgenden Tage nach dieser Konferenz wurde ich nach St. Cloud berufen; ich begab mich auch noch an den ei naͤchsten Tagen dahin. Nachdem ich dem Koͤnige die etrachtungen, die mein Gewissen mir eingab, vorgelegt, be— harrte ich bei meiner Weigerung, ins neue Kabinet einzutre⸗ gen; aber Aeußerungen des Königs, denen ich nicht widerste— hen konnte, und denen widerstanden zu haben ich mir heute noch zum Vorwurfe machen wuͤrde, bestimmten mich, nicht länger zu zögern. Natuͤrlich mußte ich zu wissen wuͤnschen, welche Richtung der Konig seiner Regierung geben wolle, nnd ich kann in Wahrheit sagen, daß mir aus dem eignen Munde des Monarchen die bestimmtesten Versicherungen zu Theil wurden, man wolle in den Graͤnzen der Charte und der Landesgesetze bleiben. Positive Instructionen ergingen mehrmals an das Ministerium, sich innerhalb dieser Gränzlinien zu halten und Alles zu vermeiden, was zu den Angriffen, denen es sich seit dem Augenblicke seiner Bildung ansgesetzt sah, einen Vorwand leihen koͤnnte. Diese Linle hat auch das Ministerlum bis zur Eröffnung und Prorogi— rung der Kammer unveränderlich beobachtet. Um dle Zeit, wo die Rede davon war, einen politischen Beschluß hinsicht— lich der Kammer, die noch prorogirt war, zu fassen, und dies war, wenn mein Gedaͤchtniß mich nicht trügt, in der Mitte des April, wurden zwei entgegengesetzte Systeme im Minister⸗ rath vorgetragen und von beiden Seiten mit allem Ernste er— artert, den ihre Wichtigkeit und die politischen Folgen, welche sie herbeiführen konnten, erheischten. Diz Einen waren der Ansicht, die Kammer, die sich fuͤr unvertraͤglich mit dem Mi— nisterium erklärt habe, muͤsse aufgelsst werden; das Interesse der Königl. Prärogative erheische, daß der König ein Mi— nisterium belbehalte, dessen Handlungen, uͤber die allein die Kammern eine Aufsicht fuͤhren konnten, bisher zu keinem ge— , Tadel Anlaß gegeben haͤtten; der feste Entschluß des Königs, sein Ministerium beizubehalten, werde die Waͤh⸗ ler darauf fuhren, sich in Einklang mit der Krone zu setzen and Deputirte zu senden, die weniger feindselig gegen die Regierung wären. Sie hofften, daß die materlelle Wohl⸗ fahrt des Landes, die sich durch das Steigen des Kredits, durch die Ausdehnung der Handelsverbindüngen, durch die Vermehrung des Ertrages der Verbrauchssteuern offenbarte, die einsichtigen und ihr Land liebenden Buͤrger bewegen wuͤr⸗ den, sich zu verelnigen, um den Folgen eines Kampfes vor⸗ zubeugen, der alle diese Vorthelle in Gefahr bringen konnte. Dles war das System, das von einem Theile des e, , . vertheibigt wurde. Der andere Theil hegte jene Hoffnungen nicht; er war der Ansicht, daß den Prin, einien der Repräsentativ⸗ Regierung zufolge das Königthum * in den Kämpfen zwischen dem Ministerium und den . nern Partei seyn dürfe; daß es nicht nachgebe, wenn es, den Wuͤnschen der oͤffentlichen Meinung willfahrend, sich schließe, das Ministerium zu verandern, sondern daß es nur in der hohen Sphaͤre, worin es stehe, das Ver⸗

häͤltniß der Dinge richtig wuͤrdige, und daß seine Praärogative dabei unverletzt bleibe; daß, wenn man die Stimmung der Gemuͤther, den Einfluz der Presse, die Vereine, die sich auf mehreren Punkten gebildet, und andere bekannte Umstände erwäge, man erwarten muͤsse, daß dieselben Deputirten zu⸗ ruͤckkehren wuͤrden, wenn nicht feindseliger, so doch mächtiger durch die neue Bestaͤtigung; dieser Stand der Dinge . e einen großen Konflikt herbeifuͤhren, dessen nothwendige Fol— gen von Seiten der Kammer die Verweigerung des Bud— gets, oder von Seiten der Regierung ein Gewaltstreich seyn würde, da letztere, welche die Kammer nicht wieder auf— löͤsen, noch auch eine guͤnstigere hoffen könne, nothwendig dahin gefuͤhrt werden wurde, aus der gesetzlichen Ordnung heraus— zutreten und sich der Gefahr auszusetzen, daß die Abgaben verweigert wurden und der Widerstand sich uͤberall organi— sire. Der zweite verno]mmene Zeuge war Herr von Tourvoisier; seine Aus age lautete: „Im August 1829 be— fahl mir eine telegraphische Depesche, nach Paris zu kommen, und zeigte mir an, daß der Koͤnig mir die Staats-Sie— gel, anvertraue; ich gehorchte; ich sah den Fuͤrsten von Polignae, bat ihn, dem Koͤnige meine Einwendungen und Besorgnisse mitzutheilen, was er mit großer Puͤnktlich⸗ keit und Loyalität that. Der Koͤnig berief mich nach St. Cloud und sagte mir, er kenne meine Gesinnungen; er selbst wolle nur den Thron und zu gleicher Zeit die öffentlichen Freiheiten befestigen; seine Minister koͤnnten und duͤrften sich von diesem Ziele nicht entfernen; gute Kopfe seyen uͤber die anzuwendenden Mittel verschiedener Ansicht, alle jedoch er⸗

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. Beilage zur Allgemeinen Preußischen Staats⸗-Zeitung F 356.

stadt; ich habe bei ihm stets die verfassungsmaͤßigsten Prin⸗ cipien gefunden.“ Herr Cremieux: „Dieselbe Frage thue ich in Betreff des Herrn von Guernen— Ranville.“ Herr v. Chabrol; „Ich nehme keinen Anstand, zu sagen, daß, als ich und Herr von Courvoifier uns entschlossen hat⸗ ten, aus dem Ministerium auszuscheiden, wir glaubten, Herr von Guernon werde dasselbe thun; er hatte steis constitution—⸗ nelle Grundsaäͤtze, und sogar mit einem seinem Charakter eige⸗ nen Starrsinn kund gegeben.“ Hierauf ver tagte der Praͤsi⸗ dent die Sitzung des , . auf den folgenden Tag, und die staͤdtischen Gardisten fuͤhrten die vier angeklagten Mi⸗ nister in ihr Gefaͤngniß zuruͤck. Die Herren von Peyronnet und von Ehantelauze gruͤßten beim Herausgehen mehrere ih— rer Bekannten. Nachdem die Angeklagten den Sitzungs saal verlassen hatten, verließen auch die Pairs ihre Sitze und zogen sich zuruͤck. Eine große Menschenmenge lagerte vor allen Zugaͤngen des Palastes; sie war aber nur durch die Neuglerde herbeigezogen, und es ist keine Unordnung vorge— fallen. Ueberall standen Abtheilungen der National⸗Garden

unter den Waffen.

Deputirten⸗Kammer. In der Sitzung vom 15. Dezember, in welcher Herr Dupin d. Aelt. den Vorsitz führte, da Herr Cas. Périer der Sessien des Pairs Hofes als Zeuge beiwohnte, wurden die Bergthungen über den Ge— setz Entwurf wegen Organisation der National⸗Garde fortge⸗

setzt. Als Zusatz zum (gestern mitgetheilten) Zten Artikel wurde folgender Antrag des Herrn v. Vatimesnil ange—

nommen: „Zu satz zum Art. 3. In Städten, die in mehrere

Kantone getheilt sind, wovon ein jeder, außer einem Theile der Stadt, auch Landgemeinden in sich schließt, darf die Organisation der National, Garde nur nach den Gemein den erfolgen. Die Organifsation in Kantonal⸗Bataillone, die nach dem Inhalte des vorigen Artikels verfuͤgt werden michte, soll sich nur uͤber die Landgemeinden eines jeden dieser Kantone erstrecken.“

Hierauf verlangte der Praälident des Minister⸗ Rathes das Wort und 2 der Versammlung einen neuen Gesetz⸗ Entwurf uͤber die Civil, Liste vor, die nach dem In⸗ halte desselben vom 1. Jan. k. J. an ein fuͤr allemal auf jahrlich 15 Mill. Fr. festgesetzt wird. Fuͤr das laufende Jahr soll dem Könige ein Summe von 12 Mill. bewilligt werden. Das ganze Gesetz zerfällt in 6 Titel und 27 Ar— tikel, die bei den Berathungen daruͤber naͤher zur Sprache kommen werden. Kaum hatte Herr Laffitte seinen Vortrag beendigt, als Herr von Corcelles, unter Berufung auf den 15ten Art. der Charte, gegen die Vorlegung des Gesetz— Entwurfes protestirte. Der Praͤsident machte ihm indeß be⸗ merklich, daß er (Herr von Coreelles) das Wort nicht habe, und daß es ihm freistehe, im Schoße der Bureaus seine etwanigen Einwendungen vorzubringen. Es kostete einige Muͤhꝑe, Hrn. v. Corcelles zu beschwichtigen. Der Finanz ⸗Mi⸗ nister befand sich waͤhrend dieses Auftritts noch immer auf der Rednerbuͤhne und wartete, bie der Sturm sich gelegt haben wuͤrde, um sodann der Versammlung einen zweiten Gesetz⸗ Entwurf uber die Liquibirung der alten Civil⸗Liste vor⸗ zulegen. Bevor er zu seinem Platze zuruͤckkehrte, äußerte er noch in Bezug auf die Protestatien des Hrn. v. Corcelles: „M. He ich habe so eben noch einmal den 19. Art. der Charte durchgelesen. 96 Der König, wie feine Minister, kannten diesen Artikel. Ich mag daruͤber in diesem Augenblicke keine Erörterung veran—⸗ lassen, aber ich erkläre, vaß der König es nimmer mehr zuge⸗ geben haben wurde, daß seine Minister Ihnen ein Gesetz vorlegen, wodurch unser Grund; Vertrag verletzt wird.“ Die Berathungen uber die Organisation der National⸗Garde wurden demnaͤchst wieder aufgenommen. Von dem ten Ar⸗ tikel des urspruͤnglichen Entwurfs uͤber die seßhafte National⸗ Garde wurde nur der letzte Satz als ein zweiter Nachtra zu dem obigen 3Zten Artikel des Hrn. v. Vatimesnil beibehal— ten. Derselbe lautet also: .

„Z3usgtz zum Art. 3. National Garde nach den Departements oder nach den Unter⸗Praͤfektur⸗Bezirken organisirt werden.“

Nachstehendes ist der 4te 3 ;

) Dieser Artikel lautet also: Die Civil⸗Liste wird far die ganze Dauer der Regierung von der ersten ngch der Thronbestei⸗ gung des Kbnigs versammelten Legislatur festgesetzt.

In keinem Falle varf die

„Art. 4. Die National⸗ Garden werden im ganzen Reiche organisirt. Doch kann der Konig diese Organisa— tion in solchen Gemeinden, die einen oder mehrere Kan⸗ tone bilden, auf ein Jahr, und in den Landgemeinden auf 3 Jahre, suspendiren. Diese Termine duͤrfen nur kraft eines Gesetzes verlaͤngert werden.“

Der 5te Art. wurde Behufs einer neuen Abfassung noch⸗ mals an dle Kommission verwiesen. (Die Mittheilung dieses, so ö des 6ten und 7Jten Art. behalten wir uns auf morgen vor.

Paris, 16. Dez. Se. Majestäͤt arbeiteten gestern mit den Ministern des Krieges, des Jnnern und der Finanzen und fuhren Nachmittags in Begleitung des Marschalls Sé— rard nach Neuilly.

Der Baron v. Barante ist hier eingetroffen, um an den Verhandlungen des Pairs-Hofes Theil zu nehmen. Er hat sein Beglaubigungs⸗Schreiben nicht in 3 wie die Blaͤt⸗ ter meldeten, sondern in Genua dem Koͤnige von Sardinien uͤberreicht. .

Gestern Abend fiel in dem Augenblicke, wo im kleinen Luxemburg eine Runde gemacht wurde, im Garten ein Schuß. Die Patrouille eilte sogleich nach der Gegend, wo er gefallen war, und es ergab sich, daß ein Karabiner, in welchem durch Nachlaͤssigkeit die Ladung stecken geblieben, beim Putzen les⸗ gegangen war.

Der Bischof von Straßburg hat den Ligorianern des Klosters zu Bischenberg, dessen Aufloͤsung der Präfekt des Nieder-Rheins unterm 5ten November angeordnet hat, die Jurisdietion, mit welcher sie bekleidet waren, so wie die Er⸗

laubniß, im dortigen Bezirke die Beichte abzunehmen, ent—

ogen. Aus Toulon vom 10. Dezember wird gemeldet: „Un— sere Truppen haben in Mediah, der eroberten Hauptstadt des Bey von Titeri, die ungefähr 20 Lieues von Algier ent— fernt ist, ein Eisen- und ein Kupser-Bergwerk gefunden. Die Brigg „Cigogne“ ist von Navarin, das sie am 11. November verlaͤssen hat, hier eingelaufen.“

Nie der wand e.

Aus dem Haag, 18. Dez. Neuerdings ist dieser Tage ein Detaschement von 120 Jägern, zum größten Theil aus Freiwilligen bestehend, von hier nach der Graͤnze abgegangen. Die treffliche Haltung dieser Jäger hat allgemeine Bewun— derung erregt.

Im Idural de la Haye liest man: Der „Noord— Brabander“ wundert sich daruͤber, daß Hr. Membrede, wie⸗ wohl ein Belgier, immer noch an den Sitzungen der Gene⸗ ralstaaten Theil nimmt. Wir wundern uns unsererseits uͤber diese Bemerkung eines Hollaͤndischen Journals, da demselben doch nicht unbekannt seyn kann, daß Hr. Membrede aus Mastricht stammt, und daß diese Stadt einen Theil der Gebietes der von Alters her vereinigten Provinzen ausmacht.

Es zeigt sich als ungegruͤndet, daß Capitain Hooghout ausgesagt habe, er sey von einem Belgischen Kaper gejagt worden.

Antwerpen, 17. Dez. Hiesige Blätter äußern: „In Gent ist man auf Unruhen gefaßt, die morgen bei den Wahlen ausbrechen sollen. Die Stimmung dort ist gani Oranisch, und zwar so heftig, daß diejenigen, welche sich da—

gegen äußern, Gefahr laufen gemißhandelt zu werden. Un⸗

sere Garnison besteht aus Milizen, die regelmäßig organisirt sind. Die Offiziere sprechen ganz laut davon, daß sie ür den r en von Oranien gesinnt sind. Bei der Wahl der hie⸗ sigen Stadtbehbrden fiel die geistliche Partei, unerachtet siet . außersten Kräfte anwandte, gänzlich durch; ungluͤ

eise scheint es, daß mehrere der gewählten rechtlichen Buůr⸗ * die angetragenen Stellen nicht annehmen wollen.

ent ist man auch, so wie im Allgemeinen im ganzen Lan de uͤber die theokratische Partei, welcher man das es

vorwirft, außerst aufgebracht, und dürfte solche, beim ersten

Anlasse oder Vorwande, ein Opfer der Volks wuth werden. Es fieht sonach ziemlich bunt im Lande aus, und wenn noch keine Reaction stattgefunden, so ruͤbrt es davon her, daß man theiiweise die Folgen der Unordnung scheut und theilmeife auch weiß, daß die Hollander nichts mehr mit uns zu thun haben wollen 36 . Das hiesige Journal du Commeree enthält unter der Uͤcberschrift: „Leiden des Handels und der Industrie⸗n