1831 / 28 p. 2 (Allgemeine Preußische Staats-Zeitung, Fri, 28 Jan 1831 18:00:01 GMT) scan diff

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Europa's, welche sich auf ihren Rednerbuͤhnen und in ihren offentlichen Blaͤttern offen fuͤr die Polen erklart hatten, war— teten nur darauf, daß diese ihre ar, keit ausspraͤchen; von den Ufern der Seine und der Themse wuͤrden Huͤlfs, truppen nahen. Man muͤsse also dieses Wort vertrauens voll aussprechen, dies sey die erste Pflicht des Reichstages. Nach Beendigung dieser Rede forderte der Marschall, auf den Antrag des Landboten Witkowski, die Kammer auf, daruͤber abzustimmen, ob der Deputirte der Stadt Warschau, Lubowidzki, mit Recht gefangen gehalten werde.“) Der Land⸗ bote Morawski erklaͤpte, daß das Kriminal⸗Gesetz keine Strafe gegen einen Bruder feststelle, der einem Angeklagten zur Flucht behuͤlflich sey, wenn derselbe nicht als mitschuldig befunden werde. Man forderte eine Aufklaͤrung uͤber diese Angelegen⸗ heit vom Justiz⸗Minister. Hierauf nahm Herr Barzykoweki, Mitglied des National⸗-Conseils, das Wort und sagte, es sey in der heutigen Sitzung nicht Zeit‘ dazu, Aktenstuͤcke uͤber eine solche ö vorzulegen, uͤbrigens sey ihm be⸗ kannt, daß Herr Lubowidzki und Graf Lubienski, nach⸗ dem sie von der Flucht des fruͤheren Vice Praͤsiden⸗ ten Lubowidzki gehort, sich selbst unter Gewahrsam ge⸗ stellt haͤtten. Die Akten daruͤber befaͤnden sich in Haͤnden des National-Conseils; an dem gestrigen traurigen Tage habe man nicht Zeit gehabt, sich mit einer Entscheidung dieser An⸗ gelegenheit zu beschaͤftigen: er stimme ubrigens fuͤr die Be— freiung des genannten Deputirten. Auch die Landoboten Sta⸗ rzynski und Ledochowski waren derselben Meinung; der Letz⸗ tere warf Herrn Barzykowski vor, daß er den gestrigen Tag einen traurigen genannt habe; es sey derselbe vielmehr ein fuͤr Polen höchst erfreulicher gewesen. Nachdem noch meh⸗ rere Andere verschiedene Meinungen geaͤußert hatten, nahm der stellvertretende Finanz- Minister Jelski das Wort und äußerte, daß Herr Lubowidzki selbst am ersten Tage wirklich seine Verhaftung verlangt habe, nachher aber in einem Zimmer der Bank so streng eingeschlos⸗ sen worden sey, daß man ihm nicht einmal erlaubt habe, mit Jemand zu sprechen; heute fruͤh jedoch habe er ihn gese⸗ hen und sey von ihm erfucht worden, auf seine Befreiung anzutragen. Endlich trug Theophilus Morawski darauf an, daß der Justiz-⸗Minister, der die ganze Sache genau kenne, Bericht daruber an die Kammer erstatten solle. Hier wurde jedoch die Diskussion durch die Vereinigung der beiden Kam⸗ mern unterbrochen. In der (letzthin bereits erwähnten) Rede, welche der Fuͤrst Czartoryski darauf als Praͤsident in der Senatoren⸗Kammer hielt, aͤußerte sich derselbe folgenderma⸗ gen: Man habe jetzt darauf zu sehen, daß man ein⸗ star ke Regierung errichte, die geeignet sey, alle Kraͤfte des Staates in Bewegung zu setzen; man muͤsse sich von der inneren Lage des Landes zu überzeugen suchen und dessen Verhaͤltnisse nach außen hin fat ste inen Dle Nation, von einem unaushaltsa— men Strom fortgerissen, habe laut und einstimmig ihre Wuͤn— sche und die Bereitwilligkeit, sich zu vertheidigen, verkuͤndigt. Aber es gebe auch Momente, wo die Schicksale der Voͤlker nicht von den sie beherrschenden zufaͤlligen Umstaͤnden, son⸗ dern von ihnen selbst abhangig feyen. In einem solchen Momente befinde sich Polen jetzt. Der vernuͤnftige Genuß der erlangten Freiheit haͤnge von der Nation ab; sie selbst muͤsse sich helfen und beweisen, daß sie sich ganz den Beduͤrfnissen des Landes aufopfern koͤnue. In der Ein— tracht allein beruhe die Buͤrgschaft fuͤr das Gluͤck der Voͤlker; alle persoͤnliche Ruͤcksichten muͤßten jetzt in den Hin— tergrund treten. Ein Wille moͤge Alle verbinden, ein Gedanke, ein Sinn die Kammern, die Regierung, das Heer, die ganze Nation durchdringen. Die Lage der Polen sey sehr schwie— rig, und Alle müßten daher ihre Einsicht, Ueberlegung, Kraft und Festigkeit zu einem Ganzen vereinigen. Nachdem der Landtags⸗Marschall dieser Rede seinerseits unter Anderm noch

hinzugefügt hatte, daß die Polen, wenn auch keine Thermopylen,

doch Herzen wie die Spartaner haͤtten, und daß sie aus ihnen eine Brustwehr aufstellen sollten, welche ihr Land von Rußland, wie die beruͤhmte Mauer China von der Tartarei, trennen wuͤrde, wurde den Kammern von der Reichstags-Deputation Rechen⸗ schaft uͤber ihre Schritte abgestattet. Der Bericht daruͤber enthaͤlt im Wesentlichen dae d, was (wie letzthin gemeldet) die Warschauer Staats- Zeitung schon uͤber die Verhandlun⸗ 3 jener Deputation mit dem Diktator mitgetheilt hat.

ußerdem fuͤgt derselbe noch das Naͤhere hinzu, der General Chlopicki habe erklart, daß, wenn er den ungeheuren

Kampf, welchem sich das Land gegen den maͤchtigsten Mo⸗

narchen unterziehen muͤsse, und die geringen Vertheidigungs—⸗

mittel dieses Landes in Betracht ziehe, er als ein erfahrener

) SG. Nr. 24 der St. Zeit.

Krieger keine andere Beendigung des Aufstandes anra— then konne, als durch eine friedliche Vermittelung; wollte er jetzt die Nation in einen Krieg fuuͤhren, aus dem sie sich unmoͤglich mit Vortheil herauszukäͤmpfen im Stande sey, so wuͤrde die Geschichte ihn mit dem Namen eines Verraͤthers gegen sein eigenes Vaterland bezeichnen. Ferner wurde in diesem Bericht das Schreiben des Staats-Ministers Grafen Grabowski an den General Chlopicki mitgetheilt, welches folgendermaßen lautet: .

„General! Ich habe den Befehl erhalten, Sie, mein Herr, zu benachrichtigen, daß Se. Kaiserl. Majestaͤt Ihren Bericht vom 109ten d. M. erhalten und daraus mit Wohlge— fallen die Ausdruͤcke der Gefuͤhle ersehen haben, von welchen Sie fuͤr Hoͤchstdessen Person belebt sind. Er wird denselben völligen Glauben beimessen, insofern Sie, Herr General, Ihm unwiderlegbare Beweise davon geben; wenn Sie sich nach Seinen hohen, in der am 17. Dezember an die Polni— sche Nation gerichteten Proelamation dargelegten Absichten so streng richten, als es nur immer die Moͤglichkeit erlaubt. Empfangen Sie die Versicherung der hohen Achtung, mit welcher ich die Ehre habe zu seyn, Herr General, Ihr un— terthaͤnigster und gehorsamster Diener.

(unterz. Graf Grabowski“.

Nach Abstattung dieses Berichts kehrte die Landboten— Kammer wieder in ihren Sitzungs-Saal zuruͤck und setzte ihre Berathungen uͤber die Freilassung des Herrn Lubowidzki fort. Der stellvertretende Justiz⸗Minister B. Niemojewmski erklaͤrte, daß die Verhaftung jenes Deputirten ohne sein

Wissen auf Befehl des Diktators geschehen sey; der Anlaß

dazu habe in der Entweichung des ehemaligen Vlee-Praͤsi⸗ denten Lubowidzki gelegen; die Untersuchung der Sache habe der Diktator dem Munieipal-Rath und dann einer schieds— richterlichen Kommission uͤbertragen. Der genannte Depu—

tirte habe eingestanden, daß er zum Entkommen seines Bru⸗

ders beigeteagen; das Kriminal-Gesetz spreche ihn aber in dieser Hinsicht von jeder Strafe frei; uͤbrigens stelle er es

der Kammer anheim, daruͤber zu entschelden ob derselbe in

fernerem Gewahrsam gehalten oder freigelassen werden follte. Mit einer Majorität von 8J gegen 30 Stimmen ent— schied die Kammer sich fuͤr das Erstere. Hierauf unterzeich⸗ neten, auf einen Antrag des Landboten Trzeinski, diejenigen Landboten und Deputirten, welche dies noch nicht gethan hatten, ihre Namen unter die Akte, durch welche die Revo⸗ lution vom Reichstag fuͤr national anerkannt wird. Dann wählte man die 15 Mitglieder fuͤr die Reichstags ⸗Kommis⸗ sion, welches bis spaͤt in die Nacht hinein dauerte, und schloß hierauf die Berathungen.

Am 2osten fruͤh fanden keine Sitzungen statt, weil um

diese Zeit ein Kriegsrath beim General Klicki gehalten wurde. Erst Nachmittags um 6 Uhr versammelten sich belde Kam— mern zagleich, um einen Generalissimus fuͤr die Armee zu wählen. (Das Resultat dieser Sitzung haben wir in dem vorgestrigen Blatte der St. 3. schon mitgetheilt; die naͤhe— ren Detaills muͤssen wir uns wegen Mangels an Raum noch vorbehalten.)

General Chlopicki hat am 18ten d. seine bisherige Woh— nung im Statthalter-Palaste wieder verlassen und ist in sein früheres Quartier zuruͤckgezogen. Dagegen bewohnt nun Fuͤrst Radziwill, nunmehriger Generalissimus der Polnischen

Armee, jenen Palast, wohin ihn am 20sten d., als er von

den Berathuugen der Kammern zuruͤckkehrte, eine Abthei⸗ lung der National-Garde geleitete und die Ehrenwache an dem Palast verrichtete. Am 2tsten d. hat der selbe einen Tagesbefehl an die Truppen erlassen, worin er denselben er⸗ oͤffnet, daß er sich bereitwillig, auf die an ihn ergangene Aufforderung, an ihre Spitze stellen und sie in den Krieg fuͤhren werde. Fuͤrst Radziwill war fruͤher Polnischer Be⸗ neral und kommandirte zur Zeit des Herzogthums Warschau das 5te Infanterie⸗Regiment.

Am I8ten Abends erhielt die National⸗-Garde ploͤtzlich Befehl, uͤber Ordnung und Sicherheit in der Hauptstadt zu wachen, indem sich eine große Menge Personen jedes Stan⸗ des vor dem Palast der Koͤniglichen Statthalter und vor dem Franziskaner-Kloster zu versammeln anfing; man be⸗ fuͤrchtete in der Nacht unruhige Auftritte; doch bis jetzt ist die Ruhe noch nicht unterbrochen worden.

Einer aus Krakau hier eingelaufenen offiziellen Nachricht zufolge, melden hie sige Blatter ist dort eine Revolution ausgebrochen, welche die vereinte Buͤrgerschaft fuͤr national anerkannt hat. nommen worden seyn. (Vergleiche dagegen unten den

kel: Krakau.) . General Anton Potocki, der Bruder des in der Nacht

vom 29. Nov. gebliebenen Generals Stanislaus Potoeki, ist

rti⸗

Der Praͤsident Wodzieki soll gefangen er,

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in Warschau angelangt. Der Warschauer Zeltung zu— folge wird auch der Franzoͤsische General Fabvier in der Hauptstadt erwartet.

Vorigen Freitag, den 2lsten, hat sich, wie dasselbe Blatt berichtet, in der Hauptstadt ein neuer „atriotischer Verein“ unter dem Vorsitz des Professors Joachim Lelewel gebildet, welcher seine Sitzungen in der Universitaͤt halt. Man beschloß in demselben einstimmig, den Diktator uͤber den von ihm gethanen Schritt zur Rechenschaft zu ziehen, und uͤbertrug einem Comité die Anfertigung einer in dieser Beziehung bei den Kammern einzureichenden Petition. Fer⸗ ner trug der Geistliche Klonowski in der Sitzung dieses Ver— eins darauf an, uͤber die Mittel zu berathschlagen, wie die in der Hauptstadt vorgefallenen Ereignisse auf das sch nellste und richtigste in den Provinzen verbreitet werden könnten; er schlug in dieser Hinsicht vor, fuͤr die allgemeine Verbrei— tung der oͤffentlichen Blaͤtter zu sorgen und die Geistlichen an folchen Orten, wo jene nicht von Allen gelesen werden koͤnnten, zu beauftragen, daß sie ihre Pfarrkinder nach der Predigt von der Kanzel herab von dem Gange der Er— eignisse unterrichten und zur Unterstuͤtzung des Landes auf⸗ fordern sollen.

Krakau, 20. Jan. Der hiesige Courier enthaͤlt folgende Bekanntmachung des dirigirenden Senats: „Die Nothwendlgkeit, Sicherheit und Ruhe in der Stadt Krakau aufrecht zu erhalten, als die ersten Bedingungen, auf welche das Gluͤck der geseilschaftlichen Ordnung gegruͤndet ist, hat den dirigirenden Senat bewogen, einen icherheits⸗Aus⸗ schuß aus folgenden Personen jusammen zu setzen: dem Se⸗ nator Bartl, dem Grafen Joseph Wodzicki und Herrn Mar— tin Soczynski, und demselben zugleich Vollmacht zur Anwen⸗ dung aller Mittel zu ertheilen, welche zur Erreichung eines so wichtigen und das allgemeine Wohl interessirenden Ziels für noͤthig befunden werden mochten. Da jedoch bel so aus⸗ serordentlichen Ereignissen einer jeden Behörde und einem jeden rechtschaffenen ehrliebenden Buͤrger die Verpflichtung obliegt, sich diesem Comité anzuschließen, um dasselbe in sei—⸗ nen edlen Bestrebungen zu unterstuͤtzen, so fordert der Se⸗ nat alle Behörden, Bürger und Einwohner der Stadt Kra— kau auf, die ersten, als von Amtswegen und vermoͤge ihres Berufs zur Aufrechthaltung der Sicherheit ver— pflichtet und dafuͤr verantwortlich, die anderen, um ihr Eigenthum und ihre Person zu sichern, welche im Fall der Unordnung und Entziehung des den Behoͤrden und dem Gesetz schuldigen Gehorsams von Gefahren bedroht werden konnten, beide also, daß sie dem, wie oben erwaͤhnt, zusammengesetzten Ausschuß nicht nur auf jedes Verlangen desselben eilige Huͤlfe leisten, sondern auch außerdem dessen Bemuͤhungen mit allen ihren Kraͤften unterstuͤtzen. Zugleich macht der Senat hiermit kund, daß der Senator Wojewode des Koͤnigreichs Polen, Graf Stanislaus Wodzieki, bisheri— ger Senats-Praͤsident, wegen selner durch Alter und ange— strengte Arbeit im . seiner oͤffentlichen Amtsfuͤhrung geschwächten Gesundheit, und in der Absicht, sich zu erholen und seine noch uͤbrigen Kräfte dem Wohl seiner eigenen Familie zu widmen, das bisher von ihm bekleidete Amt am I18ten d. M. niedergelegt hat. Es sind Buͤr ger auserwaͤhlt worden, welche denselben bei seiner Entfernung in das Koͤ— 6 Polen bis an die Graͤnzen unseres Gebiets begleiten sollen. . . Fuͤr den Senats-Praͤsidenten der praͤsidirende Senator

Grodzieki. Fuͤr den General-Secretair des Senats Darsws ki, Staats⸗Referendar.“

Frankreich.

Deputirten⸗Kammer. In der Sitzung vom ig. Januar wurden die Berathungen uͤber den Gesetz-Entwurf wegen der Personal⸗ und Mobiliar⸗-Steuer fortgesetzt. Herr v. Las Cases meinte, es sey ein großes Ungluͤck fuͤr eine Nation, wenn die Art und Weise der Steuer-Erhebung die Einwohner daran gewoͤhne, in den Agenten des Fiskus nichts als Feinde zu erblicken und sich deren angeblichen Bedruͤk— kungen bei der ersten sich darbietenden Gelegenheit zu wider⸗ etzen; der neue Plan der Regierung scheine ihm unbedenk— lich ein solches Resultat zu versprechen, und er halte es da—⸗ er fuͤr um so besser, bei dem gegenwaͤrtigen System zu blei⸗ en, als danach weit weniger Unterschleife zu gewaͤrtigen waͤren, als wenn der Fiskus direkt die Steuerpflichtigen taxi⸗

ren wollte. Herr Salverte nahm sich dagegen des Ge⸗

setz- Entwurfes an; er verspraͤch sich von der Ausfuͤhrung des⸗ selben den doppelten Vr ß

repartirt werden und mehr eintragen wuͤrde, als bisher. Nach⸗ dem noch drei Redner, Herr Blin de Bourdon, der

eil, daß die Steuer gleichmaͤßiger

Graf von Rambuteau und Herr Estancelin sich gegen den Entwurf erkaͤrt hatten, trat der Unter⸗Staats⸗Secretair im Finanz⸗Ministerium, Herr Thie rs, zur Vertheidigung desselben auf. Bei aller Muͤhe, die er sich aber gab, die Vortheile des Gesetzes herauszuheben, gelang es ihm doch nicht, die Versammlung zu uͤberzeugen. Vorzuͤglich lebhaft zeigte sich der Oppositions—⸗ Geist, als der Redner die Behauptung aufstellte, daß die jetzigen Steuerausschreiber ihr Amt mit der größten Sorg— losigkeit verrichteten. Mehrere Stimmen riefen: die Steuer— ausschreiber bestaͤnden aus den angesehensten Einwohnern der Gemeinde; es gebe sogar Deputirte, die dieses Amt ver— sahen. Da Herr Thiers fast bei jedem Redesatze unterbro— chen wurde, so sah sich der Praäsident zu der Bemerkung veranlaßt, daß, wenn der Redner im Irrthume sey, es um so leichter seyn werbe, ihn zu widerlegen; mittlerweile muͤsse es aber Jedem frei stehen, seine Meinung ohne Ruͤckhalt abzugeben. Nachdem die Ruhe wieder hergestellt worden, setzte Herr Thiers seine Rede fort und fuͤhrte unter Anderm, zum Beweise, wie nachlaͤssig die Steuerausschreiber zuweilen ihr Geschaäft verrichteten, das Beispiel eines Einwohners an, der, nachdem er sich beklagt, daß er mit 249 Franken zu hoch besteuert sey, bei einer zweiten Abschaͤtzung zu 400 Franken und bei einer dritten gar zu 600 Franken taxirt worden sey; Niemand koͤnne in Abrede stellen, daß die Steuer-Controlleurs, die in den Städten das Abschaͤtzungsamt zu verrichten haͤtten, weit unparteeischer ver⸗ fuͤhren, als die Steuerausschreiber in den Landgemeinden, was sich auch sehr einfach daraus erklären lasse, daß sie saͤmmtlich an der Anlegung des Katasters gearbeitet haͤtten und mithin die erforderlichen Kenntnisse besaͤßen, um das der Steuer unterworfene Eigenthum richtig zu wuͤrdigen. Als Herr Thiers seinen Vortrag beendigt hatte, verlangte der General Demargay das Wort, um einige von demselben angefuͤhrte Thatsachen zu berichtigen. Zuvor aber bestieg der Minister des Innern die Rednerbuͤhne, um der Ver⸗ sammlung zwei neue Gesetz-⸗Entwuͤrfe vorzulegen. Durch den ersten derselben soll die Stadt Paris zur Eroͤffnung ei— ner Anleihe von 750,900 Fr. Renten, zum Kapitalswerthe von 15 Millionen Fr. Behufs der Deckung der in den letzten 5 Monaten gehabten außerordentlichen Ausgaben, auch der Abtragung des Restes der in den Jahren 1818 und 1828 er— oͤffneten Anleihen von zusammen 5,200, 0090 Fr., ermaͤchtigt werden. Zur Tilgung dieser neuen Schuld wird der Amor⸗ tisations⸗Fonds von 200,000 Fr. auf 500,000 Fr. erhoht.

Der zweite Gesetz Entwurf, den der Graf v. Mon talivet

einbrachte, betrifft das Theater-Wesen. Zur Moti⸗ virung desselben aͤußerte der Minister unter Anderm: „Ihnen, m. H, ist in demselben Maaße wie uns eine große Aufgabe zu Theil geworden: wir sollen gleichsam unsere ganze Gefetzgebung durchsehen, um sie mit den Grundsaͤtzen unse⸗ rer neuen Charte in Einklang zu bringen. Die Regierung konnte bei ihren VerbesserungsPlaͤnen unmoͤglich die Thea— ter uͤbersehen, auf denen Kunst und Literatur sich vereinigen, und die in Frankreich eine so große Rolle spielen. Die dra⸗ matische Censur hatte sie gleich nach ihrem Entstehen abge⸗ schafft und sich dadurch zur Mitschuldigen der hochherzigen Ansichten gemacht, die sich immer gegen jede Censur erho— ben haben. Die Regierung ihrerseits ist diesen Ansichten, so wie ihrem festen Willen, das Gute uͤberall zu fordern, stets getreu geblieben; nicht so die literarische Welt. Sie hat uns gezwungen, eine weit umfassende Arbeit, mit der wir uͤber Alles, was zur geistigen Entwickelung des Menschen beitra— gen kann, beschaͤftigt waren, zu unterbrechen, um uns vor⸗ zugsweise einem Theile derselben zu widmen. Die dramati⸗ sche ziteratur hat, es laͤßt sich nicht laͤugnen, statt von ihrer Freiheit einen klugen Gebrauch zu machen, nur zu oft schon ein öffentliches Aergerniß gegeben; sie ist gleichsam zu einer Biographie und Verleumdung unserer Zeitgenossen geworden und hat daher den gesellschaftlichen Zustand aufgeregt und die guten Sitten verletzt. Wir werden spaͤterhin die Arbelt wieder aufnehmen und mit Beharrlichkeit fortsetzen, die der Literatur im Allgemeinen zu gute kommen soll; mittlerweile aber legen wir Ihnen elnen Gesetz⸗Entwurf vor, den das Gluͤck und die Ruhe der Familien in hohem Grade er forderlich machen. Die oͤffentliche Moral, die Integrität des Natio⸗ nal⸗Charakters, die Unverletzlichkeit des häuslichen Heerdes, die Heiligkeit des Grabes, sind Dinge, uͤber die man nicht ee. genug wachen kann. Fern von uns ist der Gedanke, die ensur wieder einzufuͤhren; in unseren Augen ist sie ge⸗ storben, ohne je wieder aufßuerstehen; die Censoren sel

haben fie getödtet. Keine Praͤventiv⸗Maaßregeln sollen also die Theater⸗Frelheit hemmen; dagegen sollen Repressiv, Maaß⸗ regeln eingefuhrt werden, die dem Lande die benoͤthigten Bürgschaften geben. In der That besteht ein großer Unter—