1831 / 29 p. 2 (Allgemeine Preußische Staats-Zeitung, Sat, 29 Jan 1831 18:00:01 GMT) scan diff

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nats⸗Praͤsidenten niedergelegt; 7 Kandidaten seyen vorgeschlagen worden, und unter diesen habe die Kommission durch Abstimmuüng 3 9 . um sie der Kammer vorzustellen. Ehe Herr Mo⸗ rawski diese Kandidaten nannte, fragte er noch, ob man die An⸗ sichten uͤber dieselben, welche bei der Diskussion sich nothwendig tadelnd oder lobend aussprechen muͤßten, der Oeffentlichkeit preis

6 wolle. Graf Ledochowski stimmte fuͤr die Oeffentlichkeit der Verhandlungen, rieth jedoch, die Kammer solle sich aller per⸗ soͤnlichen Diskussionen uͤber die Kandidaten enthalten und bei der Abstimmung streng ihrem Gewissen felgen, womit auch der Mar⸗ ce einperstanden war, indem er hinzufuͤgte, daß man unmoͤg⸗ ich bei einer Diskussion den Einen loben konne, ohne den An⸗ dern zu tadeln, und so wuͤrde das An sehen des erwaͤhlten Generalissi= mus immer Gefahr laufen, durch feindselige Bemerkungen geschwaͤcht zu werden. Der Landbote Biernacki meinte, vor allen Dingen muͤsse man daruͤber berathschlagen, ob die Wahl in den arm,. ten Kammern vor sich gehen sollte, oder in jeder einzeln. Es

wurde daruͤber abgestimmt, und die Mehrheit entschied sich fuͤr

die . Der Marschall sandte daher den Grafen Sta⸗ nislaus Jeztersti und Roman Soltyk in die Senatoren⸗Kammer, um dieselbe hiervon zu benachrichtigen, und bald nachher begaben sich saͤmmtliche Landboten und Deputirte, vom Marschall ange⸗ fuͤhrt, dorthin.

In der Senatoren-Kammer waren vorher die Mit⸗

glieder der Reichstags-Kommissionen von dem Praͤsidenten bekannt gemacht worden; dieselben sind: fuͤr die innere Ver⸗

waltung die Senatoren Kastellane Grafen Malagchowski und

Plater und der Senator Wojewode Mionczynski; fuͤr die Civil⸗ und Kriminal- Gesetzgebung die Sengtoren Kastellane Lewinski, Michael Potocki und Bienkowski; und fuͤr die Finanzen die Se—⸗ natoren Kastellane Gliszezynski, Kochaͤnowski und Wodzynski.

Nach Vereinigung beider Kammern nannte zuerst der Landbote

Morawski die 7 von dem Kriegsrath vorgeschlagenen Kandida⸗ ten, naͤmlich den Fuͤrsten Radziwill, die Generale Szembek,

Krukowiecki, Weißenhof, Woyczynski, Paz, und den Oberst Skrzynecki, von welchen der Fuͤrst Radziwill und die Generale

Weißenhof und Szenibek die meisten Stimmen erhalten haͤtten, Der Landbote Ledochowski bemerkte, die Kommissionen seyen bei der rr, von der Meinung geleitet worden, General Wej⸗ fenhof werde dle Befehlshaberstelle nicht annehmen, und deshalb habe derselbe so wenig Stimmen erhalten. (Es hatte sich naͤm⸗ lich das Ger uͤcht verbreitet, General Weißenhof werde eine solche Würde nicht ubernehmen; doch war derselbe am »hsten in der Hauptstadt angelangt und hatte das ihm interimistisch von der Reichstags⸗Deputation uͤbertragene Kommando angetreten,.) Der

Senator Dembowski fragte, welche Gewalt dem Befehlshaber uͤbertragen und was uͤber die Stellvertretung desselben festgesetzt werden sollte? Hierauf entgegnete der Landbote Morawski, daß über diese Punkte von den Kömmissionen ein besonderes Projekt entworfen werden wuͤrde, Hinsichtlich der Stellvertretung schlug * 6. vor, denjenigen Kandidaten dafür zu bezeichnen, wel⸗

er nach dem Generalissimus die meisten Stimmen haben wurde; Graf Ledochowski meinte jedoch, man wuͤrde dadurch militgiri⸗ schen Talenten, welche sich im Kriege erst entwickeln, die Aus sicht auf die hoͤchste Würde vorweg benehmen; damit erklaͤrte sich Herr Jasinski für einverstanden, wuͤnschte jedoch, daß man nur für den Fall eines unvorhergesehenen Todes den Stellvertreter bestimme; aber auch dem widersetzte sich der Marschall, mit der Bemerkung, daß in solchen Faͤllen die Stellvertretung der Ancien⸗ netaͤt zukomme, bis die höͤchste Gewalt weiter daruͤber entscheide. ierauf trug der Landbote Barzykowski noch darauf an, daß man ich, ehe man zur Wahl schreite, vorher davon uͤberzeuge, ob der zu Waͤhlende diese Wuͤrde auch annehmen werde, oder daß man ein Gesetz gebe, wodurch derselbe zur Annahme verpflichtet werde. Der Senator Bienkowski erwiederte jedoch, daß ein solches Gesetz gan uͤberfluͤssig sey, denn gus dem offentlichen Rechte gehe schon ie Nothwendigkeit einer solchen Annahme fuͤr jedes Mitglied der Nation hervor. Derselben Meinung waren auch mehrere Andere. Man schritt daher zur Abstimmung unter den vorge⸗ schlagenen Kandidaten, nachdem man auf allgemeines Verlangen noch einen vierten, den General Krukowiecki, welcher die naͤchste Stimmenmehrheit besaß, hinzugefuͤgt und einen Antrag des Land⸗ boten Biernacki angenommen hatte, daß namlich der zum Gene⸗ ralissimus Erwaͤhlte die vollstaͤndige Majoritaͤt, d. h. die Haͤlfte saͤmmtlicher Stimmen und eine daruͤber, haben muͤsse. Es wa⸗ ren 140 Stimmfaͤhige anwesend, und nach erfolgter Abstimmung zeigte es sich, daß der Fuͤrst Radziwill davon 197, der General Krüufgwiecki 13. Weißenhof s und Szembel 6 erhalten hatten. Der raͤsident , sonach, daß Fuͤrst Radziwill durch den Willen der Volks⸗Repraͤsentanten zum Generalissimus ernannt sey. Da derselbe gegenwaͤrtig war, so erhob er sich von seinem Stuhl, naͤherte sich dem Praͤsidenten und erklaͤrte, daß er diesen Beweis des Vertrauens ö Landsleute annehme und in seiner neuen Wuͤrde nicht aufhören werde, derselbe zu seyn, als wel⸗ 491 är . ge ig, 22 Mit n ,, . Ruf: „N. uen, na itthauen!“ wurde die Sitzung gegen 10 Uhr Abends beendigt. ; . 3. . Freitag, den 21sten d., fanden keine Berathungen statt. Am Sonnabend früh um 107 Uhr versammelten sich die Kammern wieder. In der Landboten⸗Kammer legte Franz Soltyk einen Antrag beim Marschallsstabe nieder, in welchem er behgup⸗ tete, daß die jetzigen Volks Repraͤsentanten keine Vollmacht dazü besuͤßen, die herkschende Dynastie in Rußland dez Polnischen Thrones fuͤr verlustig zu erklaͤren und die Selbststaͤndigkeit des

Landes auszusprechen; er verlangte, daß neue Wahlen angeordn werden sollten, aber der Ruf: „zur 8 ließ ihn .

zu Worte kommen. Hierauf wurde der Kammer von den Reichs

tags-Kommissionen ein Gesetz⸗Entwurf uͤber das Recht der Ini⸗ tiative und der Einbringung von Gesehes⸗Vorschlaͤgen folgenden Inhalts vorgelegt; „Art. 1. Das Recht der Initiative kommt nicht nur der Regierung, sondern guch jeder von den Kammern zu, mit dem Vorbehalt jedoch, daß ein Entwurf, welcher nicht unmittelbar von den Kommissionen, sondern von einzelnen Mit⸗ gliedern eingereicht wird, vorher dem Praͤsidenten der Kammer vorgelegt werden muß. Der Seeretair der Kammer liest den In⸗ halt des Entwurfs vor, und die Kammer entscheidet ohne Bis⸗ kussion, ob derselbe der betreffenden Kommisston uͤberwiesen oder sogleich beseitigt wird. Jeder Entwurf muß in die Kammer eingebracht werden, wo er zuerst vorgelegt worden ist. Art. 2. Die Kammern halten abgesonderte Berathungen; der in einer Kammer

angenommene Vorschlag wird sogleich in die andere Kammer gesandt,

und erst, wenn diese ihn annimmt, verwandelt er sich in ein Gesetz. Art. 3. Wenn jedoch ein in der einen a nnen, . ö 1 Veraͤnderungen angenommener , ,, die Bestaͤti⸗ gung der andern Kammer nicht erhaͤlt, so vereintgen sich beide Kammern zur Diskutirung daruͤber und entscheiden ein fur alle⸗ mal durch einfache Majoritaͤt üuͤber die Annahme oder Verwer⸗ fung desselben. Art. 4. Von obigen Vorschriften ausgenommen ist die Wahl oder Pergbschiedung von Regierungs⸗Begmten, die Kriegserklaͤrung und Ratißication von Traͤktaten, welche Gegen⸗ staͤnde nicht durch die getrennten Kammern gehen, sondern“ so⸗ gleich in beide vereinigte gebrgcht und dort definitiv entschieden werden sollen. Bei der Wahl soll die Ordnung beobachtet wer⸗ den, daß der erwaͤhlte Kandidat die einfache Majoritaͤt, d. h. we⸗

nigstens eine Stimme mehr, als die Haͤlfte der Stimmen aller

gegenwaͤrtigen Mitglieder beider Kammern, fuͤr sich haben muß; widrigenfalls eine nochmalige Abstimmung unter . . . didaten erfolgt, welche die meisten Stimmen haben.? Fr. Wo⸗ lowski, einer der Kommissions-Mirglieder, unterstuͤtzte diesen Entwurf durch eine Rede, in Ii he er die Grundsaͤtze und Ver⸗ anlassungen desselben erklaͤrte. Nach demselhen ließen sich sehr entge⸗ gengesetzte Meinungen daruͤber vernehmen; die Einen verwarfen das ganze Projekt und verlangten, daß man die fruͤhere constitutionnelle Gewalt beidehalte und bei den alten Grund saͤtzen derselben verharre; die Anderen forderten nur eine Veraͤnderung des Entwurfs, so daß beide Kammern in Gemeinschaft oder Confoͤderation uͤber alle in dem Projekt angefuͤhrte Gegenstaͤnde entscheiden sollten. Die Mehrzahl jedoch, unter Anderen Morawski, Biernacki, Swi⸗

dzinski, Kaezkowski, Gustav Malachowski, Franz Wolowski und

Morozewiez, erhoben sich gegen i Einwuͤrfe und brachten es durch lange und heftige Reden dahin, daß der Gesetzes-Vor⸗ schlag, so wie er oben mitgetheilt worden, durch eine Majoritaͤt bon 9, gegen 12 Stimmen angenommen wurde. Am Schluß der Sitzung hoͤrte die Kammer mehrere Antraͤge einzelner Land— boten und eingesandte Proelamationen an; unter Anderem einen Vorschlag des Landboten Trzeinski, hinsichtlich der Wahl eines Comité s aus der Kammer, welches, ohne den Rechten des Ge⸗ neralissimus zu nahe zu treten, uͤber die Beduͤrfnisse und Orga— nisirung des Heeres wachen sollte; ferner den Entwurf zu einer Proclamation an die Armee und die Nation, welchen der Land⸗ bote Chomentowzki einreichte, und ein Projekt des Befehlshabers der beweglichen Garde in der Krakauer Wojewodschaft, die un⸗ bedingte Selbststaͤndigkeit Polens und der unter Russischem Scep⸗ ter befindlichen Polnischen 6 anzuerkennen. Diese 3 Pe⸗ titionen übergab die Kammer den inn i fer, ein anderes Pro⸗ jekt aber zu einem Aufruf beider Kammern an die Nation und das Heer, dessen Verfasser sich nicht genannt hatte, und eine Adresse der in Paris besindlichen Polen an den Reichstag, worin dieselben erklaͤren, daß sie so bald als möglich in ihr Vaterland zuruͤckkehren und nur einen Ausschuß, hestehend aus dem Oberst Jerzmanowski, den Herren T Morgwski und Leonhard Chodzko, in Paris zur Vertheidigung ihrer Interessen hinterlassen , . wurden einstimmig angenommen und zum Druck verordnet. Auch eine Proelamation der Artillerie, in welcher dieselbe dem Reichs⸗ tag Treue schwoͤrt, und eine Petition der Universitaͤts Garde, worin diese die Kammern ersucht, die Haͤlfte ihrer Mitglieder an alle Civil und Militair⸗-Behoͤrden in den Provinzen abzu⸗ ordnen, um denselben Energie einzufloͤßen, und zu ihrem Befehls⸗ haber Herrn Roman Soltyk zu ernennen, nahm die Kammer an und verordnete, die erstere in das Reichs-Archiv einzutragen, die andere aber dem Generalissimus zu uͤbersenden.

In der Sitzung der Sęyngtoren⸗-Kammer wurde das von der Landboten⸗Kammer bestaͤtigte Reichstags-Manifest vom Se⸗ nator Graf Malgchowski vorgelesen und im n angenommen. Dies gab dem Kastellan Dembowski Anlaß, zu erklaͤren, daß, da

in diesem Manifest die Meinung ausgesprochen sey, als waͤren

die im Jahr 1839 ernannten Sengtoren zu dieser Wuͤrde nicht berechtigt gewesen, er sich augenblicklich aus dem Sengt ent fer⸗ nen werde. Diesem Beispiele folgten die Kastellane Krasinski, Lubinzki und Plater. Der Kastellan Lewinski suchte jedoch nach⸗ zuweisen, daß jene Bemerkung im Manifest keinesweges den Er⸗ nannten zur Last falle, und die Diskussion uͤber diesen Gegen⸗ stand wurde sodann bis auf Weiteres vertagt. Hierauf wurde der von, der Landboten-Kammer angenommene Gesetzes⸗-Vor⸗ schieß „uͤber das Recht der Initigtive, der Sengtoren⸗ Kammer zugestellt und auch von dieser einstimmig hestaͤtigt. Eben so er⸗ theilte dieselbe die Erlaubniß, die Adresse der in Paris besindli⸗ chen Polen an die Reichs⸗-Kammern durch den Druck bekannt

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lu machen. Die Kammern vertagten sich sodann bis zum 2usten ieses Monats. . 1

Krakau, 21. Jan. Der heutige Courier enthaͤlt unter der Rubrik: Krakau, einen Artikel, in welchem die im Königreich Polen vollfüͤhrte Revolution gebilligt wird.

Das genannte Blatt theilt auch zwei vom praͤsidiren⸗ den Senator Sobolews ki unterzeichnete Bekanntmachungen der Abtheilung fuͤr das Innere und die Polizei vom 19ten und 20sten d. mit. Die erstere lautet: „Da uns die ge— rechte Beschwerde des Publikums uͤber die Zuruͤckhaltung der mit der gestrigen Post angekommenen Warschauer Zeitungen zu Ohren gekommen ist, so tragen wir dem Krakauer Post⸗ amt auf, sich innerhalb 24 Stunden hinsichtlich dieses Schritts zu rechtfertigen, und verordnen zu gleicher Zeit ein fuͤr alle Mal unter der strengsten Verantwortlichkeit, daß alle Zei—

tungen, sowohl Warschauer, als andere, fo wie es bisher zu

geschehen pflegte, gleich nach der Ankunft der selben den sich meldenden Abonnenten verabreicht werden sollen. Hiervon wird das Publikum durch die Krakauer Zeitung und den Courier benachrichtigt.“ g

folgenden Inhalts: „Wir zeigen dem Publikum an, daß die Zuruͤckhaltung der am 18ten d. M. Abends angekommenen Warschauer Feitungen bis zum Morgen des folgenden Tages, durch die von Seiten des Postamts abgegebene Erklärung

vollstaͤndig gerechtfertigt ist.“ . Frankreich. Pairs⸗Kammer. Am 20. Jan, fand wieder eine oͤf— fentliche Sitzung statt, die der Graf Clément mit einem Berichte uber verschiedene bei der Kammer eingegangene Bittschriften eroͤffnete. Ihm folgte der Graf Cornudet auf der Rednerbuͤhne, der einen zweiten Petitions-Bericht abstattete. Unter den Eingaben, die er zum Vortrage brachte, befanden sich 10, worin gegen den Gesetz⸗Entwurf uͤber die

Organisation der National-Garde reklamirt wurde. Nach⸗

dem selbige der mit der Pruͤfung dieses Entwurfs beau ftrag— ten Kommission uͤberwiesen worden, bestieg der Großsie— gelbewahrer die Rednerbuͤhne und legte der Ver samm— lung den von der Deputirten-Kammer bereits angenomme— nen Gesetz⸗ Entwurf uͤber die Zusammenstellung der Assisen⸗ hoͤfe und die Entscheidung der Geschwornen vor. Der Mi— nister bemerkte in wenigen Worten, die Regierung sey der Meinung gewesen, daß eine Majoritaͤt von 8 gegen 3 Stim— men, statt der bisherigen von 7 gegen 5, den Angeschuldig— ten alle mogliche Buͤrgschaft gewähre; die Deputirten-Kam— mer dagegen habe geglaubt, daß es besser sey, die Verurthei⸗ lung nur mittelst 9 Stimmen gegen 3 erfolgen zu lassen. „Diese so hoch wichtige Frage“, so schloß der Redner, „wird jetzt noch einmal von Ihnen, m H., geprüft werden; wel⸗ cher Antrag auch zuletzt die Oberhand behalten mag, die Weisheit der Geschwornen wird ohne Zweifel das Interesse des Angeschuldigten mit denen der Gesellschaft zu ver schmel⸗ zen wissen. Die Geschwornen-Gerichte sind eine Institution, die dem Lande taͤglich werther wird, indem sie die Ordnung und Freiheit beschuͤtzt, wnd die Annahme des Gesetz⸗Entwurfes, den wir Ihnen hiermit im Namen Sr. Masjestaͤt vorlegen, wird wesentlich zur Befestigung derselben beitragen.“ Nach Herrn Merilhou ergriff der Minister des ffentlichen Unterrichts das Wort und brachte einen neuen Gesetz— Entwurf uͤber den Elementar-Unterricht ein. „Unsere Re⸗ volution“, äußerte er, „legt, indem sie dem Lande den hoͤch— sten Grad polltischer Freiheit zusichert, zugleich der Regierung mehrere Schulden gegen die Buͤrger auf. Es giebt deren keine dringendere, als die Fortpflanzung des ersten Unter— richts unter dem Volke. Eine Regierung, die nur das all— gemeine Beste im Auge hat, wird, statt die niederen Klassen in der Unwissenheit zu erhalten, immer stolz darauf seyn, die menschliche Wuͤrde in allen denen zu erhoͤhen, deren Schick sal ihr anvertraut ist; sie wird stets von dem Grundsatze ausgehen, je aufgeklaͤrter ein Volk uͤber seine Rechte sey, um so richtiger werde es auch seine Pflichten erkennen und sie

Grundsatz auf, daß der erste Unterricht fuͤr Jedermann unentgelt— lich seyn folle. Vierzig Jahre des Ruhmes und gewaltiger Ereig— nisse haben nicht hingereicht, um dieses Ver sprechen in Erfuͤllung gehen zu lassen. Der Elementar⸗Unterricht wurde bald ganz aufgegeben, bald furchtsam beschuͤtzt, bald mißtrauisch beschraͤnkt. Kein Wunder, daß er erschlaffte und sich bald in einem weit schlechteren Zustande befand, als in mehreren anderen Euro— paͤischen Landern, wie z. B. Schottland, Holland und Sach— sen. Im Jahre 1802 sprach die damalige thäͤtige Regierung ihre Verwunderung uͤber das voͤllige Versinken der Elemen— tar-⸗Schulen aus; aber sie that nur wenig, um sie wieder zu heben. Erst durch das Gesetz vom 10. Mai 1306 und die

Die andere Bekanntmachung ist digenden Zustande erhalten haben. Die neue politische Ver—

darauf folgenden Dekrete erhielt der Elementar- Unterricht

einen guͤnstigen Impuls; in Folge desselben wurden 7 Nor⸗

mal⸗Schulen, die noch jetzt bestehen, gestiftet. Ein Mehreres zu thun, gestattete die Fortsetzung des Krieges nicht. In dem Zwischenraume der beiden Invasionen Frankreichs durch die fremden Truppen wurde die Lancastersche Methode einge— fuͤhrt und durch hochherzige Buͤrger thaͤtig fortgepflanzt. Auch die Regierung erließ jetzt mehrere Verordnungen, um den Volks-Unterricht zu beguͤnstigen. Sehr nuͤtzlich wirkten in dieser Beziehung die im Jahre 1816 eingefuͤhrten Comités zur unentgeltlichen Beaufsichtigung der Schulen. Der Ele— mentar⸗-Unterricht selbst wurde auf dem Volke nuͤtzliche Kennt— nisse ausgedehnt, die Schulen vermehrten sich, und in den Jahren 1817 bis 1820 erhielten wenigstens doppelt so viel Käöider Unterricht, als fruͤher. Zwei Ürsachen allein hemm— ten diesen gluͤcklichen Fortgang: der dem Klerus eingeräumte Einfluß auf die Leitung des Schulwesens und die kaͤrgliche Ausstattung der Lehrer. Nichtsdestoweniger wurden in we— nigen Jahren 1200 neue Schulen errichtet, die sich auch bis auf die letzten Tage der vorigen Regierung in einem befrie—⸗

fassung Frankreichs erheischt nun aber vor Allem, daß fuͤr die Volks-Erziehung dasjenige vollstaͤndig und ohne Ruͤckhalt geschehe, was dem Lande so oft versprochen worden ist. Dies ist der Zweck des Gesetzes, das ich die Ehre habe Ihnen hier mit vorzulegen.“ Der Minister ging hierauf die verschiede— nen Bestimmungen des Gesetz⸗Entwurfes durch und schloß sodann mit felgenden Worten: „Sobald Sie sich, m. H., von den Absichten, die diesem Gesetze zum Grunde lie— gen, gehoͤrig durchdrungen haben, werden diese Ihnen gewiß der großen Revolution wuͤrdig scheinen, die sich unter unseren Augen zugetragen hat. Obgleich der Elementar-Un⸗ terricht in Frankeeich weniger verbreitet ist, als in vielen an— deren Landern, so hat die Intelligenz im Volke sich doch, durch die Macht des Verkehrs der verschiedenen Klassen un— ter sich, auf eine fast unglaubliche Weise entwickelt. Das Ge⸗ fuͤhl der Gleichheit vor dem Gesetze, das wir unserer ersten Revolution verdanken, das die Kaiserliche Regierung nicht ersticken konnte und das der moralischen Wuͤrde der Nation

eine selbst in Republiken unbekannte Energie leiht, erklaͤrt

allein dieses Resultat. Der Elementar⸗Unterricht wird diesen herrlichen Keim befruchten und ihm gedeihlichen Fortgang verschaffen. Fuͤr die Zukunft unserer Verfassung duͤrfen un— sere Bemuͤhungen uns nicht besorgt machen. Verbreitung des Lichtes ist ein sicherer Buͤrge fuͤr die Wohlfahrt der Na—

tionen und fuͤr die Erhaltung der oͤffentlichen Ruhe und

Ordnung, als ihres ersten Beduͤrfnisses.“ Herr Barthe verlas hierauf die 18 Artikel des Gesetz- Entwurfes, deren wesentlichster Inhalt folgender ist: Der Elementar Unterricht begreift, außer der moralischen und religioͤ— sen Unterweisung, das Lesen, Schreiben und Rechnen, die Anfangsgruͤnde der Franzoͤsischen Sprache, das Linear— zeichnen und Feldmessen. In jedem Friedensgerichts-Bezirke werden die Elementarschulen unter die Aufsicht eines freiwil— ligen Ausschusses unter dem Vorsitze des Unter⸗-Praͤfekten ge⸗ stellt. Die Elementarschulen sind entweder Privat⸗Institute, oder sie werden von der Gemeinde unterhalten. Ais Lehrer soll jeder majorenne und im Genusse seiner buͤrgerlichen Rechte brfindliche Franzose zugelassen werden, sobald er zwei Zeug— nisse, eines uͤber seine Befaͤhigung, das andere uͤber seinen guten Lebenswandel, beibringt. Jeder Gemeinde⸗Schulhalter erhaͤlt eine freie Wohnung und ein Gehalt von mindestens 200 Fr.; der Mehrbedarf soll aus Staats-Fonds herge⸗ geben und jahrlich im Budget bewilligt werden. Fuͤr jeden Zoͤgling, der den Unterricht nicht unentgeltlich genießt, soll der Schulhalter noch eine monatliche Gratification erhalten, deren Betrag alle 5 Jahre von dem Munieipal-Rathe fest— gestellt wird. Fuͤr die emeritirten Schulhalter haben die Ge⸗ meinden durch jährliche Beitraͤge, die in Staats-Renten an⸗ gelegt werden, einen Pensions- Fonds zu bilden. Au— ßer den Elementar-Schulen soll es den Departements

erfuͤlien. Die Verfassung vom Jahre 1791 stellte den allgemeinen auch noch freistehen, in jedem Bezirke, wo sich ein

Gymnasium befindet, elne oder mehrere Normalschulen zur Bildung der Lehrer fuͤr die Elementar-Schulen zu errichten. Dem Gesetz-Entwurfe ist eine statistische Uebersicht der Kna⸗ benschulen im ganzen Lande, so wie die Zahl der sie besu⸗ chenden Kinder, angehängt. Es ergiebt sich daraus, daß in dea beiden Departements des Nieder-Rheins und der obern Marne der Unterricht am meisten verbreitet ist; hier kommt namlich 1 Schulknabe auf 8 Einwohner. Am wenigsten verbreitet ist der Unterricht im Departement der Correze, wo nur 1 Schulknabe auf 152 Einwohner kommt. Bemer⸗ kenswerth ist, daß sich in Paris ebenfalls das Verhaͤltniß nur von 1 zu 48 stellt. Die Zahl der Kinder seit ihrer Ge—