470
Bataillone des Sten Regiments schickte ich fruͤh Morgens aus, um bei der Muͤhle von Oseneizna eine Position einzu— nehmen, ein anderes Bataillon aber in das Dorf Brzezennica, um die Straße von Jadow zu observiren, von wo aus ich am ersten bedroht werden konnte und wohin schon fruher der Oberst Korytowski mit 2 Schwadronen abgegangen war, von denen jedoch eine nach Mionsza zuruͤckkehren und die andere sich mit dem Sten Bataillon in dem Dorfe Brzezennica ver— einigen sollte. Das Bataillon der aktiven Veteranen stellte ich in Rzondza auf, eine Compagnie ausgenommen, die ich zur Bewachung der Bagage kommandirt hatte. Nachdem ich auf solche Weise meine Position eingenommen und jeden Bataillons -Chef davon unterrichtet hatte, erklaͤrte ich ihnen, daß es wahrscheinlich wahrend des Kampfes keiner Dispositionen beduͤrfen werde; ich ertheilte daher einem Je— den die gehoͤrige Instructlon, bezeichnete den einzelnen Posten den Weg zum Ruͤckzuge und bestimmte dann zum Befehls— haber des rechten Sine den Oberst Andrychewicz und zum Befehlshaber des linken den Oberst Boguslawski; mir selbst behielt ich die Disposition uͤber die Reserve vor, indem ich zugleich erklarte, daß ich den Augenblick des Ruͤckzuges selbst bestimmen wuͤrde. So vorbereitet erwartete ich den Feind, der gegen 7 Uhr mit der Infanterie und Artillerie den vor Makowier gelegenen Wald anzugreifen begann; seine Flan— queurs wurden einigemale mit Verlust zuruͤckgedraͤngt, und es blieben 2 Offiziere desselben. Der Ruͤckzug in Echelons wurde in der groͤßten Ordnung ausgefuhrt; bei Makowiec be— hauptete sich der Oberst Dombrowski; da der Feind jedoch, von 2 Geschuͤtzen gedeckt, eine Bruͤcke aufzuschlagen anfing, mußte sich jener unter lebhaftem Widerstand nach Dobre zuruͤckziehen, wo er die oben angedeutete Position ein— nahm. Der Feind drang mit bedeutenden Kraͤften vor; nach den glaubwuͤrdigen Ausfagen der Russischen Gefange— nen hatte er zwei Divisionen Infanterie und eine Di— vision Kavallerie unter eigener Anfüͤhrung des Marschalls Diebitsch; anfangs stellte er 6 Stuͤck Geschuͤtz auf der Straße auf, da er jedoch von unserer auf der Anhoͤhe befindlichen Batterie bestrichen wurde, so fuͤgte er denselben noch 8 Stuͤck Zwoͤlfpfuͤnder auf einer hochgelegenen Position bei der Brze— ziner Schmelzhuͤtte hinzu. Die feindlichen Batterieen began— nen ein lebhaftes Feuer, doch konnten sie unseren Geschuͤtzen wegen deren vortheilhafter Position nicht viel schaden. Nun
bildeten sich feindliche Bataillone auf dem rechten Fluͤgel und sandten Tirailleurs aus. Der Oberst Boguslawski, wel⸗
cher gegen jenen Fluͤgel kommandirte, schickte die seinigen ebenfalls vor, und es entspann sich ein heftiges Gewehr— feuer. Der Feind wollte uns uͤberfluͤgeln und begann, auf unsere rechte Seite vorzudringen, aber Oberst Boguslawski hielt seinen Angriff mit den Tirailleur-Pelotons zuruͤck, und nach dreistuͤndigem Kampf zeigte der Feind frische Kolonnen; der Oberst Boguslawski nahm das 2te Bataillon, ruͤckte auf dem linken Fluͤgel vor und griff zugleich mit dem Capitain Borzencki die ganze Kolonne mit dem Bajonett an; mit Huͤlfe zweier Tirailleur-Pelotons bewirkte er deren Ruͤckzug in den Wald. Viermal drang der Feind mit seinen Kolonnen ein, wurde aber eben so oft von den Tirailleur-Pelotons zuruͤckgedraͤngt, waͤhrend die Haupt-Kolonnen nicht gebraucht wurden und ruhig in ihren Stellungen verblleben. — Auf dem rechten Fluͤgel fand anfangs bloß eine Kanonade statt; späͤter sandte der Feind einige Batalllons gegen denselben aus, welche ein heftiges Gewehrfeuer begannen; aber dort befand sich der Oberst Andrychewicz, und alle Angriffe der— selben wurden, obgleich durch kleine Abtheilungen, doch mit Ent— schlossenheit und Geistesgegenwart abgewehrt. — In dieser Lage verharrten wir fuͤnftehalb Stunden lang, und zwar vorzuͤglich deshalb, um dem Feind durch hartnäckige Standhaftigkeit in Ver⸗ theidigung der Position zu imponiren, dann aber auch, um ihn zu uͤberzeugen, daß die Zeit des Zuruͤckweichens allein von mir abhaͤnge, abgesehen von der Ursache, die ich hatte, die jun⸗ gen Soldaten an den Krieg . gewoͤhnen; ich mußte also nur berechnen, daß ich den Ruͤckzug so bewe igte, um
noch die gehörige Zeit zur Zuruͤcklegung des Weges bis
zur , Osencizna zu behalten und dort gegen Einbruch der Dämmerung in der 6ten Stunde anzulangen, damit ich mich in jener Position halten konnte; deshalb behauptete ich, wie schon oben gesagt, die Position Dobre bis in die Ate Stunde, indem ich berechnete, daß ich dann um 55 Uhr in Osencizna eintreffen koͤnnte. — Ich gab daher den Be— fehl zu langsamem Ruͤckzuge, und weil sich der rechte Fluͤ— gel gleich anfangs zu weit gegen den Feind vorgescho— ben hatte, erhielt der Oberst Boguslawski die Ordre, nicht eher zuruͤckzuweichen, als bis der rechte Fluͤgel eine ruͤckgͤngige Bewegung von 100 Schritten gemacht haben wurde; dann sollten sie gleichmaͤßige ruͤckgaͤngige Bewegun—
gen beginnen; diese erfolgten so unmerklich, langsam und or— dentlich, daß auch nicht die geringste Verwirrung stattfand und wir den Feind nicht ein einzigesmal seine Absicht aus— fuͤhren ließen; denn sobald er es versuchte, auf uns einzu— dringen, wurde er stets mit Verlust zuruͤckgedraͤngt. — Ich selbst begab mich zu meiner Reserve (deren mich zu bedienen ich
mich gar nicht gensthigt gesehen hatte), um zur Deckung.
unseres Ruͤckzuges das letzte Echelon zu bilden. ch ver⸗— sichere Ew. Durchlaucht, daß unser Ruͤckzug so 3 von Statten ging, daß ich mich genoͤthigt sah, den Befehl zu ge— ben, denselben zu beschleunigen; alle Offiziere und Gemeine haben sich in diesem Kampf ausgezeichnet, doch muß ich vor Allem der Einsicht und Erfahrung der Obersten Andrychewicz und Bogus lawski erwaͤhnen, welche den Ruͤckzug selbst leite—⸗ ten; ihnen gebuͤhrt die ganze Ehre der Ausfuͤhrung, da lch nur die Disposition dazu gegeben hatte; außerdem thaten sich die Oberst-Lieutenants Czaykowskt, Dombrowski und Kindler besonders hervor. Der Lieutenant Cichoeki, vom 3ten Linien-Infanterie-Regiment, wollte sich, obgleich zwei— mal schwer verwundet, vom Kampsplatze nicht entfer— nen und that dies nur auf meinen ausdruͤcklichen Be— fehl. Die Artillerie zeigte die groͤßte Geistesgegenwart und Kaltbluͤtigkeit; alle Offiziere dieser Waffengattung erfuͤll—⸗ ten ihre Pflicht auf das genaueste und bewaͤhrten große Faͤ⸗ hiskeiten. Unser Verlust an Getoͤdteten und Verwundeten betraͤgt gegen 600 Mann; der Feind aber hat, nach den Aus— sagen der von mir nach Liw und Plennik gesandten Emissa— rien, uͤber 1000 Mann verloren. Den Rest des Rapports werde ich Ewr. Durchlaucht erst später uͤbersenden konnen.“ Ueber den am 19ten d. bei Grochow stattgefundenen Kampf enthalten die War schauer und Polnische Zei— tung vom 20sten d. folgende Nachrichten: „Gestern von 10 Uhr Morgens an konnte man in Warschau bis spaͤt in die Nacht hinein ein starkes Schießen deutlich vernehmen. Von hochgelegenen Orten aus sah man den Pulverdampf, ja sogar oft den Blitz des Abfeuerns, und zwar in der Rich— tung von Okuniew und, wie es schien, in einer sehr ausge— dehnten Linie; es heißt, daß auf dem Kampfplatz 16,000 der Unsrigen einem 49,0900 Mann starken feindlichen Heer ge⸗ genuͤberstehen. Alles in der Hauptstadt befindet sich in einer krampfhaften Bewegung und Spannung. Heute fruͤh um
9 Uhr wurden 1200 der Unsrigen verwundet in die Stadt
gebracht; gestern schon wurde der National-Regierung aus dem Hauptquartier die Standarte eines Regiments uͤbersandt, dessen Befehlshaber mit etwa 109 Mann in die Gefangen— schaft des Feindes gerathen ist. Unter den Verwundeten von unferer Seite befinden sich, so viel uns bekannt, der Gene— ral Czhzewski, der Artillerie- Oberst-Lieutenant Chorzewski, die Oberst-Lieutenants des 4äten Regiments, Kindler und Czaykomski, und der Major des Grenadier-⸗Regiments, Bort— kiewicz; unter den Gebliebenen ist der Oberst-Lüicutenant Ki— weszki.“ Der Warschauer Kurier von demselben Datum fuͤgt noch hinzu, daß der Fuͤrst Radziwill kommandire und der Fuͤrst Czartoryski, so wie auch General Chlopicki, sich an seiner Seite befaͤnden; der Feldmarschall Diebitsch sey selbst auf dem Kampfplatz. Die Warschauer , , vom 21sten d. meldet: „Gestern fruͤh begann der Kampf bel Grochow von neuem und dauerte den ganzen Tag; uͤber den Ausgang desselben hat man noch keine Nachricht.“
Der Divisions-General hat einen Tagesbefehl folgenden Inhalts an die Truppen erlassen: „Amtliche Anzeigen und zahlreiche Privat-Beschwerden, welche von allen Seiten ein—
ehen, warnen mich vor den Mibraͤuchen, welche sich die
ruppen hinsichtlich der Fuhren erlauben, indem sie dieselben eigenmächtig auf den Straßen wegnehmen oder ohne Be— vollmaͤchtigung von den Einwohnern dergleichen erpressen, ja sogar die, welche ihnen gesetzlich bewilligt wurden, uͤber dle Zeit zuruͤckhalten. Dieses ungesetzmaͤßige Verfahren bedroht nicht nur die oͤffentliche Ordnung und Sicherheit, sondern wird auch fuͤr die Zukunft Veranlassung zu unersetzlichem Schaden fuͤr die Einwohner und die Armee. Ich befehle daher den Militairs jedes Ranges, sich ferner dergleichen Mißbraͤuche nicht zu erlauben, da ähnliche Vergehen unver— züglich durch die Kriegsgerichte bestraft werden sollen.“ — Eine ahnliche Warnung hat der Munieipal-⸗Rath an die Buͤr—⸗ ger erlassen. . . Die Bewohner der Hauptstadt werden dagegen von dem Municipal⸗Rath aufgefordert, Wagen, Pferde und Gespann zur Transportirung der Verwundeten herbeizuschaffen, wofuͤr sie entschaͤdigt werden sollen; im Fall der Zoͤgerung aber, und wenn die noͤthige Quantitat nicht durch gutwilligen Kauf
angeschafft werden koͤnne, werde man zu Requisitionsmitteln
seine . nehmen; auch alle Aerzte werden von derselben Behoͤrde aufgeboten, ihre Thaͤtigkeit den Lazarethen zu widmen;
1
theilhaft vertheidigt wird.
471
in einer andern Proclamatlon des Muniecipal⸗Raths werden die Frauen ebenfalls aufgefordert, den Verwundeten Huͤlfe zu leisten.
Im Warschauer Kurier hat sich wieder ein Streit zwischen Mitgliedern des patriotischen Vereins erhoben, wor— in Einer, der Adjutant Skrodzki, dem Andern, dem Seere⸗ tair des Vereins, Janowski, vorwirft, daß er nicht in den Krieg ziehe, sondern die Zeit mit Schwatzen und Projektiren vergeude; dazu sey Zeit gewesen, als der Feind der Haupt— stadt noch fern war, jetzt aber heiße es: „Handle!“ Der
Andere fuͤhlt sich dadurch beleidigt und behauptet, man koͤnne dem Vaterlande auch noch auf andere Weise, als mit dem
Bajonett, dienen; junge Leute muͤßten dies allerdings, aber unmoͤalich koͤnne man verlangen, daß aͤltere Buͤrger, Beamte und Familienvaͤter die Waffen ergreifen sollten; warum soll— ten diese sich nicht berathen, gegenseitig ihre Gedanken aus— tauschen und den Behoͤrden ihre Entwuͤrfe vorlegen; warum solle dies einer Versammlung von 200 Personen nicht noch mehr, als einzelnen Individuen, freistehen; ja, wenn der Feind schon in Praga waͤre, wuͤrde er noch ausrufen: „Ge— danken-Freiheit und Erlaubniß, sich offen zu berathen.“
Die Mitglieder der Lithauisch⸗Wolhynischen Legion be— schweren sich in der Polnischen Zeitung uͤber den Zwang und die Anmaßung, welche die Besehlshaber derselben in aristokratischem Sinn uͤber sie auszuuͤben anfingen, und be— haupten, daß alle Soldaten dieser Legion zu dem Privile— gium der Repraͤsentation ihrer Provinzen zugelassen werden muͤßten, da sie Freiwillige seyen.
Herr Gabriel Niemojowski ist zum Praͤsidenten der We— jewobschaft Kalisch ernannt worden und hat sein Amt bereits angetreten. w
Die Staats-Zeitung meldet, es seyen gegen 20 Fran— zosen in Warschau angekommen und sogleich zur Armee ab— gegangen.
— — Warschau, 21. Februar. Seit drei Tagen le⸗ ben wir schon in großer Beaͤngstigung. Die Russische Ar— mee ist bis gegen Praga vorgedrungen. Der Kampf wird von beiden Seiten mit großer Erbitterung gefuͤhrt. Der Weg von Minsk bis Praga ist mit Leichen bedeckt. Die Russen haben eine vortheilhafte Stellung in einem Gehoͤlze bei Gro— chow, eine kleine halbe Stunde hinter Praga; sie vermeiden eine allgemeine Schlacht und ziehen sich bei den Angriffen der Polen in gedachtes Holz zuruͤck, was mit Kanonen vor— Hierdurch wird es wahrscheinlich, was man hier behauptet, daß die im Kampf begriffenen Russen nur aus dem Corps des Generals Rosen bestehen und der Feldmarschall Diebitsch mit dem Gros der Armee noch nicht angelangt ist. Von den Thuͤtmen und hohen
Punkten Warschaus ist das Gefecht deutlich zu sehen. Viele Verwundete werden nach Warschau hereingebracht. Die
im Kampfe gewesenen Regimenter haben sich musterhaft e jeder Nachforschung entrinnen? Wie geht es zu, daß die Na⸗ tional-⸗Garde laut daruͤber klagt, daß mehrere wegen Schmaͤhun⸗
brav gehalten und uͤber ein Viertel ihrer Mannschaft ver— loren. Beim Zten und 4ten Infanterie-Regiment soll kein Offizier unverwundet geblieben seyn. Der linke Fluͤgel der Polnischen Armee hat seine Stellung verlassen und sich auf das Centrum zuruͤckgezogen. Man ist hier in großer Sorge, daß dadurch die linke Flanke unserer Armee preisgegeben wird und es dem rechten Fluͤgel der Russischen Armee auf diese Weise gelingen mochte, unterhalb Warschau den Ueber— gang uͤber die Weichsel moglich zu machen. Zwar hat es allen Anschein, daß der Eisgang der Weichsel nahe ist und den Uebergang verhindern wird, in diesem Falle wuͤrde aber auch die Communication zwischen Praga und Warschau meh— rere Tage unterbrochen werden und die ganze Polnische Armee in große Gefahr kommen, wenn sie bei einem allge— meinen Angriffe der Russischen Armee zum Ruͤckzuge genoͤ— tigt wuͤrde, der ihr dann ganz abgeschnitten waͤre.
Beim Schlusse dleses Briefes (Abends 6 Uhr) erfahre ich, daß der Kanonen⸗Donner sich von Praga mehr entfernt,
und daß also die Russen ihre eingenommenen Positionen
nicht zu halten beabsichtigen. Frankreich. r g.
Deputirten⸗ Kammer. Bei Eroͤffnung der Sitzung
vom 17ten Februar bemerkte man, daß die Lilien die noch
Tages zuvor den Plafond des Saales zierten, fortgeschafft
worden waren. An die Stelle der dreisarbigen Fahne, die bisher uͤber dem Sessel des Praͤsidenten wehte, hatte man eine Trophaͤe von 5 Standarten mit den National-Farben angebracht. — Im Laufe der an sich wenig erheblichen Be— rathungen, die in dieser Sitzung noch uͤber die Artikel 43 — 47 des Munieipal⸗Gesetz- Entwurfes gepflogen wurden, *)
) Die gestern versprochene Mittheilung der letzten Artikel
des obgedachten Gesetz⸗Entwurfes muͤssen wir uns heute, wegen Mangels an Raum noch vorbehalten.
sand Herr B. Délessert eine rassende Gelegenheit, auf die letzten Unruhen in der Hauptstadt zuruͤckzukommen.
„Das Gesetz“, bemerkte er, „womit wir uns in diesem
Augenblicke beschaͤftigen, laͤßt noch Manches zu wuͤnschen uͤbrig;
indessen sind auch in seiner jetzigen Gestalt gluͤckliche Resultate davon zu erwarten, denn es wird dazu beitragen, das dfentliche Vertrauen wiederherzustellen und die Vollziehung der Gesetze zu sichern. Es schmerzt mich, daß . hiervon kurzlich eine Aus⸗ nahme gemacht hat; die Hauptstadt sollte, mehr noch als die Pro⸗ vinz, eine zugleich weise und gemaͤßigte Municipal-Verfassung haben. Wenn wir aber an die Exreignisse denken, die seit einigen Tagen diese Stadt betruͤben, muͤssen wir da nicht die Sorglosig⸗ keit des Ministeriums beseufzen, das nicht vorhergesehen hat, was doch so leicht vorherzusehen war und sich so leicht haͤtte ver⸗ meiden lassen. Es ist unbegreiflich, wie die Behoͤrde, die den Trauerdienst in der St. Rochus-Kirche zu vereiteln gewußt, ihn nicht auch in der Kirche St. Germain - l'Auxerrois vereiteln konnte, da sie doch durch die Quotidienne und die Gazette im voraus davon unterrichtet war. Wollte man etwa der bͤffentli⸗ chen Meinung Trotz bieten, als man eine mehr politische als religidse Feier, die schon seit Jahren nicht mehr stattgefunden hatte, an einem Orte zugab, woran sich so schmerzliche Erinn erun⸗= gen aus der letzten Revolution knüpften? Wie konnte man so etwas dulden Wie konnte man nicht die Folgen davon voraussehen? Welche Unvorsichtigkeit oder welche Kuͤhnheit! Bei der Aufregung der Gemuͤther war es der National⸗Garde, trotz ihres bewunderüngs⸗ wuͤrdigen Eifers, unmbalich, den begangenen Unfug zu verhin⸗ dern, — ein Unfug, der in Frankreich wie im Auslande falsche Ansichten von den Gesinnungen der Pariser Einwohner verbrei⸗ ten muß; denn, ich erklaͤre es laut, die Pariser hassen, wie alle Franzosen, die Scheinheiligkeit, den Fanatismus und alle seine aberglaͤubischen Intriguen; aber sie ehren die Religion und ihre Diener, sobald diese Achtung verdienen. Wenn daher die Zer⸗ stoͤrungs-Wuth alle Graͤnzen uͤberschritten hat, so geschah es bloß, weil sie von Maͤnnern genaͤhrt wurde, die ohne Zweifel die ge⸗ heime Absicht hatten, dem Lande zu zeigen, daß die Religion ver⸗ dannt sey, und daß es in Paris keine öffentliche Ordnung mehr gebe, indem man die Kirchen entweihe und das 6 Kreuz uͤmstoße. Nicht die Religion allein war aber der Gegenstand des Unfugs; auch ein politischer Zweck knuͤpfte sich daran; es war auf die National⸗Repraͤsentation abgesehen. Wie oft ist nicht die Deputirten⸗Kammer schon bedroht worden! Wie sehr muß es sie nicht schmerzen, stetʒ umgeben von der bewaffne⸗ ten Macht berathschlagen zu muͤssen Wen mußte es nicht empören, als er erfuhr, daß die Wohnung eines unserer Kollegen (Hrn. Dupin des Aelt,), bekannt durch seinen lang⸗ jaͤhrigen Haß gegen die Anarchie, den Despotismus und die Scheinheiligkeit, und der zu ellen Zeiten die Macht seines Ta⸗ lents und 22 Beistand seiner beredten Stimme der Vertheidi⸗ gung der Unterdruͤckten gewidmet hat; — daß dessen Wohnung,
sage ich, von einem Haufen Wuͤthender erbrochen worden ist,
und daß er sein Heil nur der National⸗Gardeverdankt hat, die man uͤberall antrifft, wo der Unordnung und Pluͤnderung zu wehren ist Und doch sind die Urheber dieses Verbrechens noch nicht verhaftet worden! Wie konnten die Haͤupter dieser Bewegungen
gen von ihr verhaftete Individuen fast unmittelbar darauf wie⸗
der in Freiheit gesetzt worden sind? Was mich betrifft, so
kann ich unmdͤglich glauben, daß es der Regierung nicht ein Leichtes gewesen waͤre, alle diese Ereignisse vorauszusehen. Wir haben einen geliebten an g, eine National⸗Garde, die kein Opfer scheut, brave und gut disckhplinirte Linientruppen, Kammern, die bisher vielleicht allzugeneigt gewesen sind, das Ministertum zu unterstuͤtzen. Warum geht daher nicht Alles nach Wunsch? Wes⸗ halb nehmen die Bedraͤngnisse des Handels und Gewerbfleißes mit jedem Tage zu? Warum schwindet das Vertrauen Sollte nicht die Schwaͤche der Regierung allein hieran Schuld seyn? Einerseits zu viel Willfaͤhrigkeit fuͤr die Anhaͤnger Karls X, an⸗ dererselts zu viel Schlaffheit gegen eine Partei, die noch weit gefaͤhrlicher als jene ist, weil sie zahlreiche Freunde unter jenen
jungen Hitzföpfen zahlt, die nur die Republik. von ihrer glaͤnzen⸗
den Seite betrachten, ohne die Nachtheile derselben zu kennen. — Dies sind die Ursachen unserer gegenwaͤrtigen Lage. Möge das Ministerium gegen beide Partesen, die sich nur allzu gut verstehen, um das n n, Ziel ihrer Anstrengungen, den Ümsturz der bestehenden Ordnung, zu erreichen, mit Festigkeit auftreten! Die Karlistische Partei muß die Regierung nieder⸗ halten, indem sie eine un ubersteigliche Schranke zwischen 4 reich und der gefallenen Dynastie aufführt; indem sie, wie im Jahre 1816 gegen die Familie Buonaparte, gesetzliche Maaß⸗ Tegeln ergreift, um jener Dynastie jede Hoffnung auf eine ö kehr nach . zu benehmen, und sie zwingt, in moͤglichst kurzer Frist alles ihr im Lande verbliebene y, um zu verkau⸗ fen. Zugleich entferne man von den Ie. chen Aemtern alle diejenigen, — sie mogen Karlisten oder Republikaner seyn— die die Entwickelung unserer ver fassun smaͤßigen Institutionen zu hemmen oder diefe gan; umzuffüͤrzen fuchen. Gegen alle Ruhestöͤrer verfahre man mit Nachdruck und Festigkeit, die Verhgfteten lasse man nicht im Gefaͤngnisse schmachten, sondern verurtheile sie rasch, oder spreche sie frei; keine Macht dar sie vor der verdienten Strafe schützen. Bei' solchen Maaßregeln wird bald die Ruhe wieder eintreten; das Bertrguen wird allmälig zuruͤckkehren, und wir